Internet Publikation für Allgemeine und Integrative Psychotherapie
    (ISSN 1430-6972)
    IP-GIPT DAS=23.01.2008 Internet-Erstausgabe, letzte Änderung: 03.04.15
    Impressum: Diplom-PsychologInnen Irmgard Rathsmann-Sponsel und Dr. phil. Rudolf Sponsel
    Stubenlohstr. 20 D-91052 Erlangen * Mail:_sekretariat@sgipt.org_Zitierung  &  Copyright_

    Anfang_Beckett Das letzte Band__Überblick__Rel. Aktuelles __Rel. Beständiges  _ Titelblatt__ Konzept__ Archiv__ Region__Service-iec-verlag__ Wichtiger Hinweis zu Links
    Willkommen in unserer Internet Publikation für Allgemeine und Integrative Psychotherapie, Abteilung Kunst, Ästhetik, Psychologie der Kunst, Bereich Theater, und hier speziell zum Thema:

    Das letzte Band
    Samuel Beckett
    1958 geschrieben (28.10. Urauführung, London)

    Analyse und  werkorientierte Interpretation des Stückes nach dem Suhrkamptext 1970 -
    neben Eindrücken vom Gastspiel im Margrafentheater in Erlangen einer Inszenierung des
    St. Pauli Theaters Hamburg / Ruhrfestspiele Recklinghausen mit Otto Sander
    von Irmgard Rathsmann-Sponsel und Rudolf Sponsel, Erlangen

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    Inhaltsübersicht

    Zum Text, Inhalt und Verlauf des Stückes:
        Zusammenfassung.
        Einführung. 
        Bananenkult.
        Tonbänderkult.
        Registrierte Themen. 
    Bandlaufthemen, Kommentare und Zwischenbemerkungen:
        Geburtstag * Der Bananenkult hat Tradition * Alleinsein * 
        Was bleibt von meinem Leben? * Singen * Bianca * Bänder hören * 
        Jugend-Rückblick * Und die Vorsätze! * Alkohol und Kneipen Leben * 
        Verleugnung der Jugend und Zwiespalt * Anspielung auf ein großes Werk * 
        Bilanzfrage * KRAPP singt * Versteht alte Worte nicht mehr * 
        Jugenderinnerungen, dunkelhaarige Schönheit * Tod der Mutter * 
        Depressionen * Zentrales ambivalentes Liebes-Trennung Erlebnis *
        Bilanz * Schluss * 
    Themen.
    Analyse und werkorientierte Interpretation.
        Zusammenfassung werkorientierte Interpretation.
    Exkurs: Diagnostisch-psychopathologische Betrachtung KRAPPs.
       Beziehungsstörungen und Schizoide Persönlichkeitszüge.
       Heimlicher Trinker.
       Anhedonie, Dysthymia, depressive Phasen?
    Eindrücke vom Gastspiel im Margrafentheater in Erlangen mit Otto Sander.
    Literatur.
    Links.
    Glossar, Anmerkungen und Endnoten: 
         Absurdes Theater * Äquinoktium * Eindrücke * 
         Interpreten irren * Werkorientierte Interpretation. 
    Querverweise.
    Zitierung & Nutzungsrechte.
    Änderungen.



    Zum Text, Inhalt und Verlauf des Stückes
    Die Analyse und  werkorientierte Interpretation des Stückes erfolgt nach der Suhrkampausgabe(Regiebuch der Berliner Inszenierung mit Martin Held unter der Regie von Samuel Beckett).

    Zusammenfassung: Ein alter, alleinstehender Mann, beschäftigt sich mit seinem Leben, seiner Situation und seiner Lebensbilanz. Als Medium dienen ihm Tonbandaufzeichnungen, die jahrzehntelang zurückliegen. Kernstück ist ein Band, das er im ALter von 39 Jahren besprochen hat. Durch diesen Kunstgriff wird die Jugend, die Zeit der sog. besten Jahre, und die Gegenwart des Alters in das Stück einbezogen. Von dem damaligen Band ausgehend bespricht er DAS LETZE BAND. Die Formulierung DAS LETZE BAND ist eindeutig dahingehend, dass es nun mit den Bändern ein Ende haben soll, wobei offen bleibt weshalb: weil der Tod naht oder er des künstlichen TONBAND ERSATZLEBENS nun überdrüssig ist oder es keinen Sinn mehr macht, dieses Leben noch zu dokumentieren. Alles in allem ein sehr pessimistisches Stück, das die dramatische Alterssituation (>Aufstand der Alten), wie sie sich inzwischen für nicht wenige darstellt, 40 Jahre vorwegnimmt. Die Botschaft ist klar: Alter ist häßlich - was bleibt sind bestenfalls gute Erinnerungen an bessere Zeiten und hiervon scheint die bedeutungsvollste die Liebe (Szene, die drei mal wiederholt wird) zu sein. Genauer: wer sich nicht bei Zeiten um gute Beziehungen kümmert, steht am Ende alleine da - und da nutzt es auch nichts, bekannt oder berühmt geworden zu sein.

    Einführung (Eingangsszene): Bereits auf der ersten Seite ist eigentlich alles klar (fett-kursiv IRS):

    Dieses Alter ist häßlich ...
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    "Eines Abends, spät, in der Zukunft. 
    Krapps Bude. 
    Auf der Bühne ein kleiner Tisch, dessen Schublade sich nach rechts hin öffnen läßt.
    Am Tisch sitzt, mit dem Gesicht zum Zuschauerraum, 
    ein zermürbter alter Mann: Krapp. 
    Speckige schwarze Hose. Speckige schwarze, ärmellose Weste. Silberne Uhr mit Kette. Schmieriges weißes Hemd, am Hals offen, ohne Kragen. Auffallendes Paar schmutzig-weißer Halbschuhe, mindestens Größe 48, sehr eng und spitz.
    Weißes Gesicht. Wirres graues Haar. Unrasiert. Sehr kurzsichtig (aber ohne Brille). Schwerhörig, Krächzende Stimme. Eigentümlicher Tonfall. Mühsamer Gang. Gichtige Finger. 
    Der Tisch und seine unmittelbare Umgebung in grellem weißem Licht, die übrige Bühne ist dunkel. An der Rückwand der Bühne eine Tür, von einem Vorhang verborgen. Durch die Tür dringt später gleichmäßig kaltes Licht."

    ... schon deshalb müssen einige Interpreten irren, wenn sie dem Stück nachsagen, im Krapp habe sich der alternde Beckett selbst dargestellt, denn die Eingangscharakteristik auf der ersten Seite passt sicher nicht zu Becketts Alters-Selbstverständnis - beim Schreiben des Stückes erst 52 Jahre jungalt (KRAPP ist 69): Bude,zermürbter alter Mann, speckige, Schmieriges,schmutzig, Wirres, Unrasiert. Sehrkurzsichtig, Schwerhörig, Krächzende Stimme, Eigentümlicher Tonfall, Mühsamer Gang, Gichtige Finger.

    Bananenkult. Die Anfangsbeschreibung fährt fort mit einer besonderen Marotte, dem Bananenkult, den KRAPP treibt (fett-kursiv IRS; S.14): "Gieriger Blick auf die Banane. Nimmt die Banane in die linke Hand, beginnt mit langsamer, genießerischer Bewegung die Banane zu schälen. Nimmt die geschälte Banane in die rechte Hand, will die Schale fallen lassen, hält inne. Moment des Überlegens. Läßt die Schale fallen, führt die Banane zum Mund, beißt gierig hinein. Geht essend parallel zur Rampe nach links aus dem Lichtkreis heraus, macht zwei, drei Schritte ins Dunkel, dreht sich um, kehrt zurück ins Licht. Rutscht auf der Schale aus, stützt sich mit der linken Hand auf der Tischplatte ab, starrt unter leisem Schimpfgemurmel die Schale an, hebt sie auf, wirft sie in den Hintergrund der Bühne."
        S. 18: "... Nimmt die [2.] Banane in die rechte Hand, will die Schale aus der Linken fallen lassen, hält inne, wirft sie über die linke Schulter hinter sich ins Dunkel. Beißt gierig in die Banane und beginnt wieder parallel zur Rampe nach links zu gehen. ... "

    Tonbänderkult. Krapp holt sodann eine ganze Reihe von Dosen, in denen sich Tonbänder, auf die er sein Leben gesprochen hat, befinden und ein schweres Tonbandgerät, auf das, dem Titel DAS LETZTE BAND nach, zum letzten Mal gesprochen werden soll. Zu den Bändern gibt es einen schweren Registerband (möglicherweise zusätzlich auch noch Tagebücher). Bänder hören scheint ein Lichtblick im Alltagsleben KRAPPs zu sein. Der Bänderkult wird jedenfalls mit Vorfreude-Gestik eingeführt (S.24): "Er blickt auf die Bänder, blick zum Gerät, klatscht einmal in die Hände, reibt sie." Und (S.26): "KRAPP lebhaft: Ah! ". S. 28: "Genießerisch. Spule! Zieht die Schachteln heran. Hebt den Kopf. Spuuule! Glückliches Lächeln." Dieses Erleben wird durch Wiederholung verstärkt (S.34): "Genießerisch: Spuuule! Glückliches Lächeln. Er fädelt das Band ein. Setzt sich. Ah!"

    Registrierte Themen: (1) Tod der Mutter (S. 36); (2) Der schwarze Ball. (S. 36). (3) Das dunkle Dienstmädchen (S. 36); (4) Besserung der Darmtätigkeit (S. 38); (5) Denkwürdiges Äquinoktium (S. 38). (6) Abschied von der Liebe (S. 40).

    Bandlaufthemen, Kommentare und Zwischenbemerkungen
    Geburtstag. (fett-kursiv IRS) "Neununddreißig Jahre heute, kerngesund wie eine Eiche, abgesehen von meiner alten Schwäche, und intellektuell höchstwahrscheinlich auf dem ... Er zögert. . . Kamm der Welle - oder beinahe. Feierte das verhängnisvolle Geschehnis, wie in den letzten Jahren, ruhig in der Weinstube. Keine Menschenseele. Saß mit geschlossenen Augen am Feuer, die Spreu vom Weizen sondernd. Kritzelte einige Notizen auf die Rückseite eines Briefumschlags." (S. 46).
    Der Bananenkult hat Tradition (S. 48): "... Habe gerade, wie ich zu meiner Schande gestehen muß, drei Bananen gegessen und mich nur mit Mühe einer vierten enthalten können. Leichtes Hohnlachen von Krapp. Gift für einen Mann in meiner Verfassung. Ungestüm: Schluß damit! Hohnlachen von Krapp Pause.
    Alleinsein: S. 48 "Das neue Licht über meinem Tisch ist eine große Verbesserung. Bei all der Dunkelheit um mich herum fühle ich mich weniger allein."
    Was bleibt von meinem Leben ? (S. 50): "Der Weizen, was mag ich nur damit meinen, ich meine … Er zögert ... ich nehme an, daß ich die Dinge meine, die noch der Mühe wert, wenn aller Staub sich - wenn all m e i n  Staub sich gelegt hat. " KRAPP bilanziert (S. 50): "Ich schließe die Augen und versuche, sie mir vorzustellen."
    Singen (S. 50): "Habe ich je gesungen? Krapp neigt den Kopf näher zum Gerät. Nein"
    Bianca. (S. 54f) "Gut davongekommen, mein Gott nochmal! Hoffnungslose Angelegenheit. Pause. Nicht viel über sie, nur eine Verherrlichung ihrer Augen. Ganz begeistert. Ihre Augen.  . . . Krapp hebt langsam den Kopf. Ich sah sie plötzlich wieder. Pause. Unvergleichlich! Pause. Krapp  hebt den Kopf, grübelt.  Na ja... Pause.
    Bänder hören: Schauerlich, diese Ausgrabungen, aber - Krapp schaltet ab, grübelt, blickt auf den Tisch, verharrt, blickt zur Tür, will aufstehen, verharrt, setzt sich zurück, blickt zum Gerät, nimmt Lauschgestus ein, schaltet an (S. 56) - sie sind mir oft eine Hilfe, bevor ich mich anschicke, von neuem ... Er zögert ... Rückschau zu halten."
    Jugend-Rückblick: (S. 56) "Kaum zu glauben, daß ich jemals dieser junge Dachs war. Diese Stimme! Mein Gott! Und die Sehnsüchte! Kurzes Lachen, auf das Krapp reagiert."
    "Und die Vorsätze!Kurzes Lachen, in das Krapp zweimal einfällt." (S. 56)
    Alkohol und Kneipen Leben (S. 56). "Vor allem, weniger zu trinken. Viermaliges Lachen von Krapp allein. Eintausendsiebenhundert Stunden von den achttausendundsoundsoviel verflossenen ausschließlich in Kneipen verplempert. Mehr als zwanzig Prozent, sagen wir vierzig Prozent seines Lebens im wachen Zustand."
    Verleugnung der Jugend und Zwiespalt  (S. 58). "Letzte Krankheit seines Vaters. Erlahmen der Jagd nach Glück. Völliges Versagen der Abführmittel. Hohngelächter über das, was er seine Jugend nennt, und Dankgebete dafür, daß sie vorbei ist."
    Anspielung auf ein großes Werk (S. 58): "Pause. Mißklang hier. Pause, Schatten des opus ... magnum. Höhnische Reaktion Krapps.Und schließlich - Kurzes Lachen. - Ankläffen der Vorsehung. Längeres Lachen von Krapp.
    Bilanzfrage (S. 60): "Was bleibt von all diesem Elend?"
    "KRAPP singt: Der Tag ist auf der Neige." (S. 60)
    Versteht alte Worte nicht mehr, sieht im Lexikon nach (Witwenschaft) und ergötzt sich ("Genießerisch") an einer Nebenbedeutung (Witwenvogel): »Witibtum«. (S. 62)
    Jugenderinnerungen, dunkelhaarige Schönheit: (S. 70) "Kaum eine Menschenseele, nur ein paar Vertraute, Dienstmädchen, Kinder, Greise, Hunde. Ich. kannte sie schließlich recht gut — oh, nur von Ansehen meine ich natürlich! Ich erinnere mich besonders an eine junge, dunkelhaarige Schönheit, neigt den Kopf dichter zum Gerät ganz in gesteiftem Weiß, ein unvergleichlicher Busen, sie schob einen hohen Kinderwagen mit schwarzem Verdeck, einen traurigen Kasten. Sooft ich nach ihr schaute, hatte sie ihre Augen auf mich gerichtet. Als ich mich jedoch erkühnte, sie anzusprechen - ohne ihr vorgestellt zu sein - drohte sie, einen Polizisten zu rufen. Höhnische Reaktion von Krapp. Als ob ich es auf ihre Tugend abgesehen hätte! Lachen.Pause."
    Tod der Mutter (S. ...-76): "... der Vorhang herunterging, einer jener schmutzig-braunen Rollos, während ich gerade für einen kleinen weißen Hund einen Ball werfen wollte. Ich blickte zufällig auf, und da war es soweit. Endlich alles aus und vorbei. Ich blieb noch einen Moment mit dem Ball in der Hand sitzen, während der Hund danach jappte und tappte. Pause. Momente. Ihre Momente, meine Momente. Pause. Des Hundes Momente. Pause. Schließlich reichte ich ihm den Ball, und er nahm ihn in Maul, sachte, sachte. Einen kleinen, alten, schwarzen harten, massiven Gummiball. Pause.Ich werde ihn in meiner Hand fühlen bis zu meinem Sterbetag. Pause. Ich hätte ihn behalten können. Pause. Aber ich gab ihn dem Hund."
    Depressionen: (S. 76) "... Spirituell ein Jahr tiefer Schwermut und Not ..." und: "mir endlich klar, Kopfschütteln daß das Dunkel, mit dem ich immer gekämpft hatte, um es zu bezwingen, in Wirklichlichkeit mein bestes - Krapp flucht, schaltet ab, läßt das Band vier Sekunden vorlaufen und schaltet wieder an - bis zu meinem letzten Atemzug unzerstörbare Verbindung, von Sturm und Nacht mit dem Licht der Erkenntnis und dem Feuer - Krapp flucht lauter, schaltet ab, läßt das Band sechs Sekunden vorlaufen und schaltet wieder an."
    Zentrales ambivalentes Liebes-Trennung Erlebnis (Äquinoktium): (S. 76) "Spirituell ein Jahr tiefer Schwermut und Not bis zu jener denkwürdigen Nacht im März, am Ende der Mole, im heulenden Wind,   .... (S. 78)  - mein Gesicht in ihren Brüsten und meine Hand auf ihr. Krapp neigt den Kopf langsam zum Gerät. Wir lagen da, ohne uns zu bewegen. Aber unter uns bewegte sich alles und bewegte uns sachte, auf und nieder und von einer Seite zur anderen. Pause. Krapp richtet sich auf. Nach Mitternacht. Nie erlebte ich solche Stille. Die Erde könnte unbewohnt sein. Pause.
    Hier beende ich - Krapp schaltet ab, verharrt regungslos. Pause."  ...
        (S. 82):  "Ich sagte noch einmal, ich fände es hoffnungslos und verfehlt weiterzumachen, und sie nickte ohne ihre Augen zu öffnen. Pause. Ich bat sie, mich anzuschauen, und nach einem Moment - Pause - nach einem Moment tat sie es, aber ihre Augen waren nur Schlitze, der grellen Sonne wegen. Ich beugte mich über sie, damit sie im Schatten wären, und sie öffneten sich. Pause. Leise: Ließen mich ein. Pause. (S. 84) Wir trieben mitten ins Schilf und blieben stecken. Wie die Rohre sich seufzend bogen unterm Bug! Pause. Ich sank auf sie nieder, mein Gesicht in ihren Brüsten und meine Hand auf ihr. Krapp hat den Kopf ganz auf den Tisch gesenkt. Wir lagen da, ohne uns zu bewegen. Aber unter uns bewegte sich alles und bewegte uns, sachte, auf und nieder und von einer Seite zur anderen. Pause.  ... "
        Die zentrale Bedeutung dieser Szene ergibt sich aus ihrer dreimaligen Abspulung, zuletzt am Ende, S. 102.
    Bilanz:  (S. 92): "KRAPP Hörte mir soeben den albernen Idioten an, für den ich mich vor dreißig Jahren hielt, kaum zu glauben, daß ich je so blöde war. Diese Stimme! Gott sei Dank ist das wenigstens alles aus und vorbei. Will weitersprechen, bricht ab. Pause. Was für Augen sie hatte! Pause. Er schaltet ab, verharrt regungslos. Schließlich: Da lag alles drin, alles, all das — Er blickt zum Mikrofon, blickt zum Gerät, schaltet an: Da lag alles drin, der ganze alte Dreckball, alles Licht und Dunkel, alle Hungersnot und Völlerei der ... Er zögert ... der Jahrhunderte! Aufschreiend: Jawohl!"
        Er geht im weiteren auch mit seinen Erfolgen ins Gericht. Er sei zwar bekannt geworden, habe aber kaum etwas verkauft. Beklagt sein Alleinsein, das Thema Freitod / Selbstmord klingt an (S. 96): "Saß schaudernd im Park, in Träumen ertrunken, und brannte darauf zu enden. Keine Menschenseele." Für gelegentlichen Sex bleibt nur Fanny (S. 98) "Klappriges altes Hurengespenst" ... "war immerhin etwas besser als zwischen Daumen und Zeigefinger."
    Schluss: " ... Wir trieben mitten ins Schilf und blieben stecken. Wie die Rohre sich seufzend bogen unterm Bug! Pause. Ich sank auf sie nieder, mein Gesicht in ihren Brüsten und meine Hand auf ihr. Wir lagen da, ohne uns zu bewegen. Aber unter uns bewegte sich alles und bewegte uns, sachte, auf und nieder und von einer Seite zur anderen. Pause.
    Nach Mitternacht. Nie erlebte ich solche Stille. Die Erde könnte unbewohnt sein. Pause.
    Hier beende ich diese Rolle. Schachtel - Pause - drei. Spule - Pause fünf. Pause. Vielleicht sind meine besten Jahre dahin. Da noch eine Aussicht auf Glück bestand. Aber ich wünsche sie nicht zurück. Jetzt nicht mehr, wo dies Feuer in mir brennt. Nein, ich wünsche sie nicht zurück. (S. 104):  KRAPP starrt regungslos vor sich hin. Das Band läuft weiter, in der Stille. Langsames Verlöschen des Lichtes. Dunkel. Nur die Kontrollampe des Bandgerätes leuchtet. Vorhang."



    Themen
    • Alkohol als scheinbarer Problemlöser. Zeigt tiefe Unzufriedenheit an. Möglicherweise das übliche Künstlerschicksal: scheitern in der Liebe durch Narzissmus und Egozentrik.
    • Altern und Alter: Häßlichkeit und Trostlosigkeit.
    • Bewerten > Lebensbilanz: "Was bleibt von all diesem Elend?"  (S.60):
    • Dokumentation des eigenen Lebens > Kontinuität.
    • Einsamkeit: sie schwingt im Hintergrund mit, im Vordergrund steht allein sein, das nicht unbedingt mit Einsamkeit einhergehen muss, wenn das Leben allein ausgefüllt ist.
    • Entwicklung (Lebensspanne). > Schnittpunkte des Lebens.
    • Identität: wer war und bin ich, was bleibt von mir?
    • Kneipenleben (40% der Wachzeit).
    • Kontinuität: erhalten, wahren, pflegen (Bänder besprechen und anhören).
    • Leben. Die Geburt ein "verhängnisvolles Geschehnis" (S. 46). Negativistisch-nihilistische Einstellung zum Leben
    • Lebensbilanz. Durch den Titel nahegelegt. "Was bleibt von meinem Leben?"  (S.50):
    • Lebensform: alleine, tiefere und länger anhaltende Liebesbeziehungen gelingen anscheinend nicht.
    • Lebensziele > Lebensbilanz
    • Liebe: zentrales Erlebnis ("Weizen"), um das es am Ende geht, was wert war, gelebt zu haben. Krapp ist mit der Liebe gescheitert. Möglicherweise denkt er an einen neuen Versuch (es kann auch Schreiben gemeint sein), wenn er sagt (S. 100): "Habe mich manchmal nachts gefragt, ein letzterVersuch nicht vielleicht doch - Pause. "
    • Persönlichkeit (Hohe Ansprüche, aber sehr ambivalent, egozentrisch; Sinnfrage für sich nicht gelöst)
    • Selbstbild: geht mit sich selbst hart ins Gericht und entwertet sein Leben.
    • Sinnfrage: Krapp konnte die Sinnfrage für sich nicht richtig lösen > Lebensbilanz.
    • Vergleichen > Lebensbilanz: Bleibende Dinge, die noch der Mühe wert ... (S. 60)
    • Werte > Erfolg, Selbstverwirklichung, Liebe.
    • Zeitebenen: Jugend, Erwachsen, Alter.




    Analyse und werkorientierte Interpretation

    Das Stück handelt von einem Menschen, dessen Leben sich in der Vergangenheit (Kasten X, Spule Y), in seinen Erinnerungsfetzen, seinem jahrzehntelangen Suchen nach dem wirklich Wichtigen, dem Weizen, den er von der Spreu zu scheiden trachtet, abspielt(e). Immer wieder jedoch muss der Protagonist feststellen, dass das, was er gefunden zu haben glaubte, irgendwann später von ihm doch wieder als Spreu verworfen wird. [dem „Weizen, ... ich nehme an, dass ich die Dinge meine, die noch der Mühe wert, wenn aller Staub sich – wenn all  m e i n  Staub sich gelegt hat. Ich schließe die Augen und versuche sie mir vorzustellen.“] Die Gegenwart ist banal: In Schubladen eingeschlossene Bananen, eine große Verbesserung durch das neue Licht über seinem Tisch, heimliches Trinken, mit fast 40 Jahre währenden (aber vergeblichen) Versuchen, selbiges zu reduzieren.

        Obwohl das Stück in seiner Kern-Aussage - nicht in seinen vielen Aspekten und Nuancen - sehr klar und einfach zu interpretieren ist, so können aufgrund seiner Eigenart mit der Nutzung des Mediums Tonband, ein paar Hilfsregeln zur Interpretation der Tonbandregie entwickelt werden.
     

    • Was wird - nicht - abgespult?
    • Was wird mehrfach abgespult ((Bananenkult, Liebesfahrtszene)?
    • Was wird - wie - kommentiert? (z.B. Grübeln über dieses oder jene Begebenheit; "Hohngelächter")
    • Welches Ausdrucksverhalten begleitet das Hören und Kommentieren (Gestik, Mimik, Haltung, Verhalten, Stimme, Tonfall)
    • Überspringen, vorspulen, rückspulen.


    Inhaltliche Besonderheiten:
     

    • Bananenkult, Symbolik (Sexanspielung, Ersatzhandlung, Marotte)?
    • Ausrutscherszene und ihre Bedeutung: selbstverantwortlich für sein Lebensmisslungen: legt er sich seine eigenen Schlingen und Fallen selber.
    • Grübelsymbolik.
    • Dokumentationskult (Bänder [22], Register [22], Buch [54], )
    • Lachsymbolik (zweimal, viermal, S. 56).


    Zusammenfassung werkorientierte Interpretation: Der Situationsrahmen, in dem das Stück spielt, besteht aus äußerster Kargheit und damit Verdichtung auf die wesentlichen Elemente, erlaubt also keinerlei Ablenkung, wodurch die wesentlichen Botschaften besonders klar und überdeutlich, und damit auch sehr grausam und desillusionierend zum Ausdruck kommen. Es ist ein durch und durch negativistisch-pessimistisches Stück über Alter und Lebensbilanz. Alter ist hässlich. Bestenfalls bleiben einige positive Erinnerungen an bessere Zeiten, wovon im Rückblick vor allem Liebeschancen als besonders wichtig erscheinen. Durch die über Bandaufzeichnungen verbesserte Erinnerung werden die Kontraste zwischen früher und jetzt aber auch sehr scharf, was sehr schmerzliche und aufwühlende Gefühle hervorruft, die im Stück bei KRAPP vor allem als "Hohngelächter" zum Ausdruck kommen. Erinnerungslücken und das Verblassen des Lebens werden deutlich. Eine Reihe von Ersatzhandlungen (Bänder hören statt selber richtig leben) und Marotten (Bananenkult) füllen die Leere und den Mangel an echten Begegnungen, Beziehungen und Erlebnissen. Der am Anfang eingeführte Bananenkult zeigt mehrerlei: Unerfüllte Lebensgier und  Liebeshunger, aber vielleicht auch an der Ausrutschstelle die Selbstverantwortung: wer sich die Bananenschale unachtsam vor die Füße  wirft, hat gute Chancen, wenn er nicht aufpasst, darauf auszurutschen und hinzufliegen. Konstruktiv: man kann, aber muss sich nicht selber Fallen stellen und Schlingen legen. Statt richtig zu leben, richtige Beziehungen zu pflegen, lebt er durch seine Dokumentationen früheren Lebens. Hier wird ein allgemeines Altersphänomen sehr stark überzeichnet, nämlich: Leben findet in den sog. besten, vor allem in den jüngeren Jahren statt. Wer im Alter allein ist, hat nurmehr seine Erinnerungen - die als intensives Kontrasterlebnis authentisch abgehört, Elend und Häßlichkeit einsamen Alters nur umso stärker hervortreten lassen. Perfekte Dokumentation der Lebenskontinuität verschlimmern so gesehen das Erleben, so dass vielleicht auch eine Botschaft des Stückes ist, auf allzu perfekte Dokumentation zu verzichten, weil natürliches und an die Situation angepasstes (gefiltertes) Erinnern gesünder ist.
        Der Schluss ist rätselhaft, wenn er zu den Füllejahren sagt: "Aber ich wünsche sie nicht zurück. Jetzt nicht mehr, wo dies Feuer in mir brennt. Nein, ich wünsche sie nicht zurück." Welches "Feuer" brennt in ihm? Etwa doch noch ein versöhnlicher Ausklang? Hat KRAPP seinen Frieden doch noch oder sich "nur" abgefunden?

    Exkurs: Diagnostisch-psychopathologische Betrachtung KRAPPs

    Beziehungsstörungen und Schizoide Persönlichkeitszüge
    Die zeigen sich in seinem Alleinsein, in seiner tiefen Ambivalenz und Widersprüchlichkeit in Beziehungen - aber auch seinen Bändern, sich selbst und seinen Lebenswerten gegenüber - und besonders Liebesbeziehungen, in seinen Problemen mit Gefühlen, z.B. in der Abspaltung von Gefühlen: als die Mutter stirbt, sitzt er, statt bei ihr zu sein, außen und spielt mit einem Hund, wobei er die Handlung als er dem Hund den schwarzen Ball in den Mund legt - Sekunden vorher war die Mutter gestorben - , bis an sein Lebensende nicht vergessen will.

    Heimlicher Trinker
    Zum Trinken geht er offenbar in die Küche. Dies kann als Verheimlichung und daher als besonders starkes Zeichen für eine massive Alkoholproblematik, vielleicht sogar Alkoholabhängigkeit gelten. Immerhin bekennt er, nahezu 40% seiner Wachzeit in Kneipen mit Alkohol verbracht zu haben. Auch das Verlagern seiner Beziehungen in Kneipen spricht für seine Beziehungsstörung.

    Anhedonie, Dysthymia, depressive Phasen ?
    Der Alkohol könnte hier auch zur Abwehr und Kompensation depressiver oder fehlender positiver Gefühle und Stimmungen, die deutlich ausgesprochen werden im Todesjahr der Mutter (S. 76: "Spirituell ein Jahr tiefer Schwermut und Not"), aber wahrscheinlich weiter zurückreichen, worauf der lange Alkoholmissbrauch hindeutet. Später wird auch das Thema Freitod / Selbstmord berührt (S. 96: "Saß schaudernd im Park, in Träumen ertrunken, und brannte darauf zu enden. Keine Menschenseele."). Auch die starke Ambivalenz und die Neigung zum Grübeln - statt zuzupacken und zu handeln - deutet auf eine depressive Komponente hin.



    Eindrücke vom Gastspiel im Margrafentheater in Erlangen mit Otto Sander

    Eine eindrucksvolle Darbietung, die durch die Anfängslänge gleich eine besondere Spannung aufbaut. Die Kunst des Nichts, des Wenigen oder des Weglassens scheint eine besondere Domäne des modernen Theaters. Die Darbietung bleibt sehr nahe an der Berliner Inszenierung, die hier der Analyse und Interpretation zugrundegelegt wurde. Durch die Darbietung auf der Bühne wurde uns einiges klarer, so dass sich der 45 Minuten-Besuch gelohnt hat. SANDER strahlte im Kontrast zum Text mehr Liebenswürdigkeit aus: Das Nihilistische, Destruktive, Negative, Höhnische ("Hohngelächter"), Bittere und Resignative kam nicht in der Weise bei uns an, wie es aus dem Text heraus auf uns gewirkt hatte.

    N.B. Das als "Programmheft" ausgewiesene Faltblatt für 1.- Euro ist eine Provokation. Statt etwas über das Stück DAS LETZE BAND auszusagen, es zu erläutern und zu kommentieren, enthält es willkürlich (?) aneinandergereihte Informationen zu Murphy, Beckett und Ringelnatz, Beckett und Karl Valentin und den 100. Geburtstag von Beckett. Der einzige Bezug zum Stück im Programmheft sind die 14 Bilder, die SANDER als KRAPP zeigen.
     



    Literatur (Auswahl)

    Beckett, Samuel (1970). Das letzte Band. Regiebuch der Berliner Inszenierung [Schillertheater 1969]. Frankfurt a. M.: Suhrkamp. [Mit kritischem Apparat zu den Veränderungen, Informationen und Kritiken zur Berliner Inszenierung unter der Regie von Samuel Beckett: Volker Canaris: »Auf die Stille haben wir gesetzt«. Georg Hensel: Glut unter der Asche, Rolf Michaelis: Triumph in Trauer. Hellmuth Karasek: Beckett inszeniert Beckett. Joachim Kaiser: Beklemmende Lektion über Stolz und Altern.]

    Biographien:

    • Bair, Deirdre (1994). Samuel Beckett. Eine Biographie. Reinbek: Rowohlt. ISBN  3-499-12850-0
    • Birkenhauer, Klaus (1971). Beckett. Reinbek: Rowohlt (romono).
    • Hartel, Gabriele & Veit, Carola (2006). Samuel Beckett. BasisBiographie 13. Frankfurt a.M.: Suhrkamp. ISBN  3-518-18213-7
    • Knowlson, James (2003). Samuel Beckett. Eine Biographie. Frankfurt: Suhrkamp. ISBN 3-518-41482-8
    • Pittler, Andreas P. (2006). Samuel Beckett. Portrait. München: dtv. ISBN  3-423-31082-0.
    • Rathjen, Friedhelm (2006). Samuel Beckett. Reinbek: Rowohlt (romono). ISBN  978-3-499-50678-9.


    Modernes Theater

    • Brauneck, Manfred & Schneilin, Gérard (1986, Hrsg.). Theaterlexikon. Begriffe und Epochen, Bühnen und Ensembles. Reinbek: Rowohlt.
    • Esslin, Martin (1970). Das Theater des Absurden. Übersetzt aus dem Englischen von Marianne Falk. Revidiert vom Verfasser. Mit einem enzyklopädischen Stichwort von Eugene Ionesco, Literaturhinweisen, Namen- und Werkregister. Reinbek: Rowohlt.
    • Nadeau, Maurice (dr. 1965, fr 1945). Geschichte des Surrealismus. Aragon, Artaud, Breton, Dali, Eluard, Ernst, Péret, Queneau, Reverdy, Soupault, Tzara. Reinbek: Rowohlt (rde).


    Zu DAS LETZE BAND Drama und Medienwechsel im 20. Jahrhundert [PDF]



    Links (Auswahl: beachte)
        Veränderte URLs ohne Weiterleitung wurden entlinkt.

    Infos und Kritiken zu Inszenierungen Das letzte Band:

    • Berliner Zeitung [27.04. 07]
    • DIE WELT 8.3.5.
    • DIE ZEIT [1980]
    • rbbonline: Stilbruch vom 18.10.2007 Wiederaufnahme: "Das letzte Band"
    • Schaubühne am Lehniner Platz (Berlin). Das letzte Band (13.01.2008).
    • Thalia-Theater. [PDF]
    • Theater Erfurt.
    • Theater Erlangen. [Info]
    • Theater im Viertel - Saarbrücken (Info)
    • Theaterkosmos (11.2003)
    • Theaterportal [11.07]
    • Theaterszene Köln. [Info]
    • Werkstatt-Theater Darmstadt [Info]


    Links zu Samuel Beckett:

    • Samuel Beckett Bildnis.
    • Beckett, Samuel. Kirchenlexikon:


    Allgemeine Theater-Links:
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    Glossar, Anmerkungen und Endnoten:
    GIPT = General and Integrative Psychotherapy, internationale Bezeichnung für Allgemeine und Integrative Psychotherapie.
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    Absurdes Theater.  [W]
        "Absurdes Theater: Form des modernen Theaters als Protest gegen die unechte, unehrliche bürgerliche Lebensführung; Sinnloses und Sinnwidriges wird zum Gegenstand der Handlung; bewusst provokant durch Verzicht auf logischen Handlungsfortschritt; verwandt mit Narrenliteratur und Clownerie; z. B. Beckett „Warten auf Godot“." [aus: PDF]
        Brauneck & Schneilin führen u.a. aus: " ... Das Unsichtbare oder Unbe[>40]wußte offenbart sich in diesem Theater am schärfsten in der Sprache. Sie ist jedoch nicht mehr Kommunikationsmittel, sondern Folterinstrument. Die Personen bei Ionesco, Beckett, Pinter, Kroetz, Martin Walser, Handke sind in eine Sprache verstrickt, die sie ganz durchdringt und übermannt. Sie reden nicht, es redet in ihnen: sie verlieren sich in Tiraden von Gemeinplätzen, Halb Wahrheiten, Klischees und Stereotypen; äußerste Entfremdung der in einer <automatischen Sprache> (Ionesco), in uferlosem Jargon verlorenen Menschen. ..."
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    Äquinoktium. Tag und Nachtgleiche. Die Bedeutung dieses Datums für KRAPPs Leben bleibt hier unklar. KRAPP weiß es selber nicht, denn er zuckt (S.40) hierzu mit den Achseln. Erst später (S.76), erfolgt ein Hinweis durch die Bemerkung: "Spirituell ein Jahr tiefer Schwermut und Not bis zu jener denkwürdigen Nacht im März, ...", womit der Frühlingspunkt, die Tag- und Nachtgleiche im März gemeint sein könnte.
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    Eindrücke. Unsere "Eindrücke" von Theateraufführungen sind zwar an manchen Stellen gelegentlich kritisch, sind aber nicht als traditionelle Theaterkritiken misszuverstehen. Hierzu sind wir gar nicht ausgebildet und haben auch zu wenig Theaterkenntnis und -erfahrung. Wir können also die vielfältige Leistung von Dramaturgie, Regie, Musik, Bühnentechnik und Darstellung, besonders der SchauspielerInnen gar nicht angemessen bewerten. Und deshalb möchten wir uns auch mit Eindrücken begnügen. Wir verlangen vom Theater nicht mehr, als dass es Interesse weckt, berührt und zur Auseinandersetzung mit der Aufführung und dem ihm zugrundeliegenden Stück anregt.
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    Interpreten irren.
      So z.B. Hell in Welt-Online (28.10.06.), wenn ausgeführt wird:
        " ...   Beckett selbst steckt in diesem an sich selbst zweifelnden Krapp. ...  52 war Beckett da."
      Oder, Thalia-Theater, das ausführt [PDF]:
        " .... 'Hätte mit ihr glücklich sein können ..'
        Während der ersten Wochen des Jahres 1958 hielt sich Beckett allein und sehr niedergeschlagen in Ussy auf. Er hatte erfahren, dass seine frühere Liebe Ethna MacCarthy an unheilbarem Kehlkopfkrebs erkrankt war. In dieser Verfassung kam ihm die Eingebung zu einem kurzen Stück, das er ziemlich rasch im Februar 1958 niederschrieb: Krapp’s Last Tape (Das letzte Band). Es ist mit seinen zarten Lyrismen und der an Sentimentalität grenzenden Bitternis ungewöhnlich für Becketts sonstige Tonart. Er hielt immer große Stücke auf diesen Monolog: „Ich habe bei diesem kleinen Text Gacker-, Augapfel-, Einbein- und Barfüßergefühle wie eine alte Henne mit ihrem letzten Küken“, schrieb er in einem Brief, und an anderer Stelle „hübsch traurig und sentimental ... Die Leute werden sagen: Meine Güte, da zirkuliert doch Blut in den Adern dieses Mannes, man hätte es nicht für möglich gehalten, offenbar wird er alt.“ (nach James Knowlson)"
      Und DIE WELT am 8.3.5.
        ".... Der 1958 uraufgeführte und mit autobiographischen Reminiszenzen durchdrungene Monolog des alten Krapp, der die Liebe für seine Schriftstellerkarriere aufgegeben hat, ist herzzerreißend und bedeutet für Schauspieler nach vielen Bühnenjahren die Krönung ihrer Arbeit. ... "
      Die Berliner Zeitung erkennt [Online]
        "... In dieser Inszenierung von Becketts persönlichstem Stück  ... "
    Beziehungstatsachen: Beckett war über 50 Jahre mit der Pianistin Suzanne Deschevaux-Dumesnil zusammen (wenn auch nicht treu), die er 1961 heiratetete. Er überlebte ihren Tod 1989 nur um wenige Monate.
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    Werkorientierte Interpretation ist eine natürliche Idee, die sich viele KünstlerInnen auch wünschen, woran sich aber viele InterpretInnen nicht halten. Bei der werkorientierten Interpretation wird bewusst auf Rückgriffe auf andere Werke und die Biographie der KünstlerIn verzichtet.
        Jede Kritik ist eine Bewertung und verlangt daher, streng betrachtet, ein Bewertungsverfahren, das im allgemeinen aber unbekannt ist. So haftet der Kritik nicht selten etwas Willkürlich-Zufälliges und Subjektiv-Persönliches an. Daher besteht seit jeher ein spannungsvolles Verhältnis zwischen KünstlerIn und KritikerIn. Häufig spielen auch ganz profane - wenn auch selten zugegebene - Fragen eine Rolle: wie viel Platz steht für die Kritik zur Verfügung, wie schnell muss sie geschrieben sein, wie hoch ist das Honorar, was erwartet der Finanzier, die Redaktion, die LeserIn? Ist die KünstlerIn berühmt, hat sie Einfluss? Versteht, schätzt oder mag man sie?
        Die von uns bevorzugten 4 Grundsätze und Regeln werkorientierter Interpretation sind: (1) Inhaltsangabe, Hintergrund, Zeit- und Rahmenbedingungen und Verlauf der Handlung. (2) Leitmotive und Hauptthemen des Werkes. (3) Ausdrucksmittel: Sprache, Stil, Erwähnen und weg lassen, Dramaturgie und Spannung. (4) Besondere Analyse spezieller Themen. (5) Werkorientierte Wirkung und Interpretation der LeserInnen (Hierzu bringt W ein interessantes Zitat von Marcel Proust: "„In Wirklichkeit ist jeder Leser, wenn er liest, ein Leser nur seiner selbst. Das Werk des Schriftstellers ist dabei lediglich eine Art von optischem Instrument, das der Autor dem Leser reicht, damit er erkennen möge, was er in sich selbst vielleicht sonst nicht hätte erschauen können. Dass der Leser das, was das Buch aussagt, in sich selber erkennt, ist der Beweis für die Wahrheit eben dieses Buches und umgekehrt.“  – Marcel Proust: Auf der Suche nach der verlorenen Zeit 7: Die wiedergefundene Zeit".)
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    Querverweise
    Standort: Beckett Das letzte Band.
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    Überblick Kunst, Ästhetik, Psychologie und Psychopathologie der Kunst in der IP-GIPT.
    Theater in der IP-GIPT.
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    Suchen in der IP-GIPT, z.B. mit Hilfe von "google": <suchbegriff> site:www.sgipt.org
    z.B. Theater site:www.sgipt.org.
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    Dienstleistungs-Info.
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    Zitierung
    Rathsmann-Sponsel, Irmgard & Sponsel, Rudolf (DAS). Beckett Das letzte Band.Analyse und  Interpretation des Stückes nach dem Suhrkamptext 1970 -  neben Eindrücken vom Gastspiel im Margrafentheater in Erlangen einer Inszenierung des St. Pauli Theaters Hamburg / Ruhrfestspiele Recklinghausen mit Otto Sander. Aus unserer Abteilung Kunst, Ästhetik, Psychologie der Kunst. IP-GIPT. Erlangen: https://www.sgipt.org/kunst/theater/BeckDLB.htm
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