Internet Publikation für Allgemeine und Integrative Psychotherapie
    (ISSN 1430-6972)
    IP-GIPTDAS=03.10.2018 Internet-Erstausgabe, letzte Änderung: 01.01.20
    Impressum: Diplom-Psychologe  Dr. phil. Rudolf Sponsel  Stubenlohstr. 20 D-91052 Erlangen
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    Willkommen in unserer Internet-Publikation für Allgemeine und Integrative Psychotherapie, Abteilung Allgemeine Psychologie, Bereich ..., und hier speziell zum Thema:

    Segals Versuche Ueber das Vorstellen von Objekten und Situationen
    (1911/12 durchgeführt, berichtet 1916)
    Zur Haupt- und Verteilerseite Protokolliertes Denken.
    Ausgelagert von der Hauptseite Denken (Kap 4.3.2).

    Originalrecherche von  Rudolf Sponsel, Erlangen
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    Inhaltsverzeichnis
    Vorbemerkung.
    Segals Versuche Über das Vorstellen (1911/12, veröf. 1916).
       Versuchsbeschreibung. 
       Vorstellungs-Protokolle:
          Herr X. in seinem Sprechzimmer.
          Rw Hauptpost.
          X Wandern.
          XII: Rw Kurszimmer.
          Rw. Remigiusstraße.
          Rw. Neue Wohnung.
          VII. Rw. Koblenzer Straße. 
    Glossar, Anmerkungen und Endnoten:
    Literatur * Links * Querverweise * Zitierung & Copyright * Änderungen. 
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    Vorbemerkung
    Segals Arbeit ist eine außerdentliche wertvolle Dokumentation echter Protokolle mit echten Versuchspersonen (PsychologInnen).



    Segals Versuche Ueber das Vorstellen (1911/12 durchgeführt, berichtet 1916)

    Versuchsbeschreibung S. 300-302, Instruktionen (14p, fett kursive 14p Hervorhebung RS)  und TeilnehmerInnen:
        "Wir bemühten uns in unseren Vpn. die Vorstellungsgegebenheiten verschiedener Typen hervorzurufen. Als Mittel dazu dienten uns einzelne Wörter, die vom Versuchsleiter (VI.) laut ausgesprochen wurden. Es kamen sieben Versuchsreihen zur Ausführung und zwar dienten in der ersten Reihe als Reizwörter Namen von Straßen, Gebäuden, Städten und Personen, welche den Vpn. zumeist bekannt waren; ihre Anzahl betrug 30—35. In den Reihen III—VII dienten als Reizwörter Namen von verschiedenen Objekten und zwar waren es Begriffe von verschiedenen Abstraktionsstufen, wie z. B. Eiche, Baum, Pflanze usw. Außerdem kamen in diesen Reihen Worte vor, die in den Vpn. Erinnerungen von ein-[>301]drucksvollen Ereignissen aus ihrem Leben auftauchen lassen, also z.B. Examen, Manöber, Immatrikulation, Antrittsvorlesung usw.
    Die Anzahl der Reizwörter, welche in diesen Reihen dargeboten  wurden, betrug 80-100. Die Instruktion in alle diesen Reihen lautete: „Sie bekommen ein Reizwort und Sie haben die Aufgabe sich den entsprechenden Gegenstand mvorzustellen. Nachdem das geschehen ist, geben Sie mir ein Signal (z. B. „Ja“) und beschreiben Sie schlicht und naiv das Erlebte"“ Es wurde mit dem Zusatz "schlicht und naiv" bezweckt die Vp,, ohne ihr von der Gegenüberstellung der phänomenologischen  und psychologischen Analyse etwas zu sagen, zu veranlassen die Vorstellungsgegebenheit als solche so zu schildern, wie man etwa jemandem einen Traum erzählt und sich nicht bloß auf die rein psychologische Beschreibung der in der Selbstbeobachtung bemerkten Teilinhalte zu beschränken. Die Zeit von dem Ausspreehen des Reizwortes (Rw.) bis zum Signal der Vp. wurde mit der Fünftelsekundenuhr gemessen. In allen Versuchsreihen hielten alle Vpn. die Augen geschlossen. In den Reihen VI und VII, wo die Reizwörter überwogen, welche auf das Hervorrufen der Erinnerungen berechnet waren, wurde die Versuchsdauer von dem VI. bestimmt. Sie betrug zehn Sekunden. Nur mit einer Vp. (X) wurden ein paar Versuche gemacht, in welchen die Reproduktionszeit 15 Sekunden dauerte. In diesen Versuchen hatten die Vpn. die Aufgabe sich ganz passiv dem Spiel der Vorstellungen zu überlassen. Durch diese Versuche war die Möglichkeit geschaffen, die Entwicklung der Vorstellungsgegebenheit und das Phantasieren näher zu studieren und die Beziehungen kennen zu lernen, welche zwischen dem Phantasieren und dem Erinnern bestehen. Es ist hier zu bemerken, daß die echten Erinnerungen hie und da auch bei anderen Reizwörtern auftraten.
        In der zweiten Reihe waren bei jedem Versuch von dem VI. nacheinander Namen von drei mehr oder weniger voneinander entfernten Straßen in Bonn und in der Umgebung von Bonn oder auch in anderen der Vp. bekannten Städten genannt, wobei die Vp. folgende Aufgabe bekam: „Sie haben die Aufgabe durch folgende Straßen (oder Örtlichkeiten) in der Vorstellung zu wandern! “ Den Ausgangspunkt des Wanderns bildete die zuerst genannte Straße. Der Weg zu der an letzter Stelle genannten Straße [>302] sollte durch die an zweiter Stelle genannte Straße führen. Diese Reihei umfaßte zwanzig Wanderversuche. Die Dauer der Versuche war selbstverständlich davon abhängig, wie schnell die Vp. mit der Aufgabe fertig wurde. Der Wert dieser Versuche liegt darin, daß sie das Verhalten während des Phantasierens und Wachträumens gut nachbilden. Sie eignen sich deshalb sehr zur Untersuchung der Phantasievorgänge. Wir sehen hier im Kleinen die typischen Teilvorgänge, welche für das Phantasieren charakteristisch sind. Mit ihnen glauben wir einen weiteren Schritt in der experimentellen Untersuchung der Phantasie getan zu haben.
        An den Versuchen beteiligten sich die Vpn.: Miss Tucker und die Herren: Dr. Behn, Dr. Bühler, Dr. Grünbaum, Prof. Külpe, etud. phil. Noltein, cand. phil. Pohl, cand. phil. Rangette, cand. phil. Rüster, Dr. Silberstein und Dr. Wirtz. Ihnen allen soll auch an dieser Stelle ein herzlicher Dank ausgesprochen werden. Außer diesen Vpn. fungierte auch der Verfaßer als Vp. Die Vpn. sind im Folgenden mit den Zahlen I—XII bezeichnet, wobei zu bemerken ist, daß die Zahlen nicht der Reihenfolge entsprechen, in der die Vpn. oben genannt worden sind. Wir möchten hier betonen, daß manche Vpn. die Anonymität ausdrücklich gewünscht haben. Vp. XII ist der Verfasser. Alle Vpn. zusammen reagierten auf 1977 Reizwörter, nämlich die Vp. I auf 182, II auf 200, III auf 76, IV auf 200, V auf 182, VI auf 188, VII auf 181, VIII auf 157, IX auf 206, X auf 212, XI auf 90 und XII auf 103 Rw."



    Vorstellungs Protokolle

    "Zur Illustration des Gesagten lassen wir ein paar Protokolle folgen.

    [Herr X. in seinem Sprechzimmer ]
    Vp. X. Rw. Herr X. „Ich suche mir sein Bild zu vergegenwärtigen, wie er im Sprechzimmer sitzt. Ich wundere mich, daß es mir schwer ist, das mir bekannte Gesicht vorzustellen. Dann bricht diese Kette ab. Es ist, als ob mir zugerufen würde: er ist nicht hier! Und nun beginne ich ihn zu suchen. Ich sehe mich, wie ich ihn suche. Ich gehe mit großer Geschwindigkeit an alle Orte nacheinander, wo er sich befinden könnte und zwar zunächst nach seiner Wohnung, dann drüben ins Institut, dann ins Restaurant und da breche ich ab, als ob ich ihn nirgends finden würde.— Jetzt nachträglich kann ich ihn mit großer Deutlichkeit im Seminar sitzen sehen“ *).

    [Rw Hauptpost ]
    Rw. Hauptpost. „Ich begebe mich in der Vorstellung von hier weg zur Hauptpost. Dabei taucht aber die Vorstellung der Post sofort am richtigen Ort auf. Ich sehe sie von hier gewissermaßen schon. Nun gehe ich durch das Stockentor, die Fürstenstraße und Remigiusstraße und über den Platz zum Haupteingang und trete ein...“

    [X Wandern ]
    In einem Wanderversuch sollte das Wandern von einer Bonner Straße den Anfang nehmen. Die Vp. X findet sich nun nicht sofort an der gewünschten Straße. Sie muß sich erst zu ihr begeben. Sie erzählt; „Ich finde mich der Türe und ich gehe sehr schnell durch den Korridor und die Treppe hinunter. Auf der Treppe höre ich das Geräusch, das ich mache. Ich gehe zu der großen Türe hinaus und höre, wie sie zuschlägt. Nun gehe ieh durch die Hundsgasse bis an die Ecke der Brückenstraße. Dann den Trambahnschienen nach. Die Bahn führt zum Friedrichsplatz. Dabei kreuze ich natürlich die Bonngasse“ (d. h. die Straße, die den Anfangspunkt des Wandems bilden sollte).

    [XII: Rw Kurszimmer]
    Vp. XII. Rw. Kurszimmer (d. h. das Zimmer im Psycholog. Institut, in welchem die Übungen abgehalten werden. Der Versuch fand in einem Zimmer statt, das von dem Kurszimmei’ durch zwei andere Zimmer getrennt ist). „Schnell nacheinander zwei Richtungen erlebt. Zuerst versuchte ich auf dem direkten Wege, d. h. durch die Wände hindurch zum Kurszimmer zu gelangen. Das wollte mir aber nicht gelingen. Es war mir so, als ob der Blick durch die Wände abgestoßen würde. Ich mußte nun den normalen Weg durch den Korridor nehmen. Ich ging den Korridor entlang bis zur Tür des Kurszimmers, durchschritt die Tür und blickte in das Zimmer hinein. Das Erleben war derart, als ob das Gehen durch den Korridor, das Durchschreiten der Tür und das Blicken ins Zimmer kontinuierlich wäre. In Wirklichkeit kann ich aber einzelne Etappen unterscheiden. Es war nämlich ein ganz unbestimmtes Bild von einem Stück [>306] Korridor gegeben, dann der Eindruck der Wendung nach rechts zur Tür und dann das Bild des Zimmers. Diese Kontinuität hatte etwas Kinematographisches: objektiv fehlten die Zwischenstadien. So wurden z. B. die beiden Türen, die sich auf dem Wege zum Kurszimrner befinden, nicht gesehen. Hervorzuheben sind noch die eigentümlichen Richtungen und Bewegungen nach vorne beim Versuch die Wände zu durchdringen, dann nach links zum Korridor, dann nach rechts — ins Zimmer. Es war wie eine Nachahmung des Prozesses wie er in der wahrnehmungsmäßigen Wirklichkeit gegeben wird.“

    [Rw. Remigiusstraße]
    Rw. Remigiusstraße. „Ich konnte nicht gleich die Straße sehen. Ich mußte zu ihr gehen. Ich ging durch die Fürstenstraße, dann sah ich den Römerplatz. Dort schaute ich mich um, um die Remi¬giusstraße zu sehen. Ich sah sie und zwar in der Richtung zum Markt. Von der Fürstenstraße habe ich etwas rötlich-gelbes gesehen. Es müssen Uni- versitätsmauem gewesen sein. Darin war das ganze Gehen durch die Fürsten¬straße enthalten. Gleich danach den Römerplatz gesehen. Das Ganze kam wohl von selbst. Ich mußte mich zwingen, dorthin zu gehen.“

    [Rw. Neue Wohnung]
    Rw. Ihre neue Wohnung. „Zuerst Pause. Dann war ich plötzlich in der Poppelsdorfer Allee und ging sie herunter bis zur Kaiserstraße. Dann ging ich nach links bis zum Venusbergweg. Dann nach rechts und nach oben (das Zimmer liegt auf dem I. Stock) und dann befand ich mich in meinem Zimmer. Das Gehen war durch Bewegungsrichtungen charakterisiert: zuerst geradeaus, und das bedeutete das Gehen bis zur Kaiserstraße, dann ein Einbiegen nach links und das bedeutete, daß ich in die Kaiserstraße komme, dann das Einbiegen nach rechts und dies bedeutete, daß ich auf dem Venusbergweg bin, und dann die Richtung nach oben. Diese Richtungen waren durch Bewegungsvorstellungen symbolisiert, welche in meinem linken Arm lokalisiert waren. Visuell ziemlich deutlich war nur die Poppelsdorfer Allee gegeben. Da die Bewegungsvorstellungen im Arm das Gehen ersetzten, kam ich zu dem Haus blitzschnell. Gesehen — äußerst wenig. Mit diesen Bewegungsvorstellungen war ein deutliches Bewußtsein der Straße gegeben, durch die ich gehe. Das Ganze war wie eine verkürzte Nachahmung der Wahrnehmungskontinuität.“

    [VII. Rw. Koblenzer Straße]
    Vp. VII. Rw. Koblenzer Straße. „Die Tendenz zum Fenster hinauszusehen. Ich bin herumgegangen. Aufstehen und Gehen — nicht im Bewußtsein. Wohl aber die Richtung und Tendenz nach rechts herüinzugehen. Dann sehe ich in Schattenumrissen sich dunkel abhebend eine Gestalt — das war ich, der durch das Fenster schaut. Danach erst die Pflasterung gesehen vom Fenster aus.“
     

    *) Dieses Beispiel ist dadurch kompliziert, daß außerdem, daß die Vp. sich an einen Ort erst begeben muß, noch das Suchen stattfindet, welches einem entsprechenden Vorgang in der Wahrnehmung außerordentlich ähnlich ist. Wir werden bei anderen Vpn. auch ein ähnliches Suchen finden, welches aber viel mehr reduziert und rudimentär ist."





    Literatur (Auswahl)  > Literaturliste Verteilerseite protokolliertes Denken. > Literaturliste Hauptseite Denken.
    • Segal, Jakob (1916) Über das Vorstellen von Objekten und Situationen. Stuttgart: Spemann.




    Links(Auswahl: beachte)
    • Zur Haupt- und Verteilerseite Protokolliertes Denken.
    • Hauptseite Denken.
    • Überblick Denken in der IP-GIPT.
    • Kann die literarische Erzählform "Bewusstseinsstrom" den Bewusstseinsprozess repräsentieren?
    • Das Bewusstseinsthema in der IP-GIPT.




    Glossar, Anmerkungen und Endnoten:  >  Eigener wissenschaftlicher Standort.
    1) GIPT= General and Integrative Psychotherapy, internationale Bezeichnung für Allgemeine und Integrative Psychotherapie.
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    Querverweise
    Standort: Segals Versuche Ueber das Vorstellen.
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    Zitierung
    Sponsel, Rudolf  (DAS). Segals Versuche Ueber das Vorstellen von Objekten und Situationen  (1911/12 durchgeführt, berichtet 1916). IP-GIPT. Erlangen: https://www.sgipt.org/gipt/allpsy/denk/DPr_Segal.htm

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