Internet Publikation für Allgemeine und Integrative Psychotherapie
    (ISSN 1430-6972)
    IP-GIPTDAS=20.11.2018 Internet Erstausgabe, letzte Änderung: tt.mm.jj
    Impressum: Diplom-Psychologe Dr. phil. Rudolf Sponsel   Stubenlohstr. 20   D-91052 Erlangen
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    Willkommen in unserer Internet-Publikation für Allgemeine und Integrative Psychotherapie IP-GIPT1, Abteilung Wissenschaft, Bereich Sprache und Begriffsanalysen und hier speziell zum Thema:

    Gegensatzsystem von Guardini
    Materialien zu Begriffsanalyse und Untersuchungen zur Dialektik
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    Originalrecherche von  Rudolf Sponsel, Erlangen

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    Haupt- und Verteilerseite Begriffsanalysen und Untersuchungen zur Dialektik.



    Zusammenfassung
    Es fehlt durchgängig an Definitionen und empirischen Belegen (BMBeleg). Sehr häufig werden Begriffe als autonom handelnde Subjekte verwendet (BMautonS). Es gibt viele Unklarheiten, Mehrdeutigkeiten, Begriffsverschiebungen und regelrechte Begriffsballungen (BMversch), eine Spezialität Guardinis. Obwohl Guardinis System formal dem Hegel'schen System sehr gleicht, geht er auf Hegel wie auch sonst nicht auf die Geschichte der Dialektik und hier speziell nicht auf die Gegensatzlehre ein. Sein Fokus liegt auf dem Lebendig-Konkreten. So gesehen wären lebendig-konkrete Beispiele und Anwendungen zu wünschen und zu erwarten gewesen.
        Die Arbeit ist wissenschaftlich kaum zu gebrauchen, bestenfalls eine Ideensammlung für Konstruktionen und Hypothesen.

        Sein System der Gegensätze wird S. 89 unter der Überschrift "Die Gegensatzreihen" gelistet:

      Akt  Bau
      Fülle  Form
      Einzelheit  Ganzheit
      Produktion  Disposition
      Ursprünglichkeit  Regel
      Immanenz  Transzendenz
      Ähnlichkeit  Besonderung
      Zusammenhang  Gliederung
    1. Kategoriale Gegensätze
      Intraempirische Gegensätze:
      1. Erstes Gegensatzverhältnis Statik und Dynamik
      2. Zweite Gegensatzverhältnis Form und Fülle
      3. So sind wir genötigt, beides anzuerkennen. Integrierende und differenzierende Tendenz; Richtung auf das Ganze und auf das Einzelne, auf das Allgemeine und das Besondere.
      Transempirische Gegensätze:
    2. Die transzendentalen Gegensätze
     


    Inhaltsverzeichnis
    Vorbemerkung  11
    Vorbemerkung zur zweiten Auflage  13

    I. Die Fragestellung
    1. Das Konkret-Lebendige, und wie es erkennend gefaßt werden könne  15
    2. Die Tatsache des Gegensatzes im allgemeinen  24
    3. Umriß eines Systems der Gegensätze  28

    II. Das System der Gegensätze
    Erster Abschnitt: Die Gegensätze im einzelnen
    1. Die kategorialen Gegensätze  33
        Die intraempirischen Gegensätze  33
        Der Begriff des Inneren  50
        Die transempirischen Gegensätze  52
    2. Die transzendentalen Gegensätze  71

    Zweiter Abschnitt:
    Das Verhältnis der Gegensätze zueinander
    Der Gegensatz als Einheit  80
    Die Gegensatzgruppe: Kreuzung  83
    Die Gegensatzreihen  88

    Dritter Abschnitt: Maß und Rhythmus
    1. Das Maß  93
        Maß überhaupt  93
        Festes und gleitendes Maß  99
    2. Der Rhythmus  104
    3. Wert und Stellung der Gegensätze im Lebensganzen. 108

    Vierter Abschnitt: Zusammengesetzte Gegensatzeinheiten
    1. Die Offenheit des Systems  111
    2. Formen der Verknüpfung  116
        Intensität der Verknüpfung  116
        Verbindung von Individualsystemen zu Gruppen ... 116
        Verbindung von Gruppen zu Gruppengefügen  118
    3. Struktur der höheren Einheiten  120

    III. Das Gegensatzsystem und das Leben
    1. Der Träger des Gegensatzsystems: das Leben  127
        Das Leben  127
    2. Lebendige Gegensätze  133

    IV. Das Erkenntnisproblem des Konkreten
    1. Die gegensätzliche Struktur der Erkenntnis  143
    2. Das Konkrete und die lebendige Spannung des Erkenntnisaktes  150

    V. Bedeutung des Gegensatzgedankens
    Vorbemerkung  161
    1. Bedeutung des Gegensatzgedankens für die wissenschaftliche Erkenntnis  161
        Die gegenständliche Bedeutung  161
        Die Bedeutung für die wissenschaftliche Erkenntnishaltung  165
    2. Weltanschauliche Bedeutung des Gegensatzgedankens   175
        Der weltanschauende Blick und die Gegensatzidee . . 175
        Offene Haltung  177
        Mitte und Maß  178
    3. System und Richtung  182
        Beilage  184
        Bibliographische Notiz  189



    Analyse- und Signierungs-Beispiele

    II. Das System der Gegensätze
    Erster Abschnitt: Die Gegensätze im einzelnen
    1. Die kategorialen Gegensätze  33
        Die intraempirischen Gegensätze  33
            Erstes Gegensatzverhältnis Statik und Dynamik
            Beständiger Wandel Wir erfahren das Leben als Strom 35
            So erfahren wir uns als etwas Dauerndes 38, S. 39:

      "Aber auch diese Erlebnisinhalte der »Struktur« und der »Dauer« können nicht »rein« vollzogen werden. Es gibt kein reines Gebautsein. Alles Statische, und sei es noch so ungeheuer, muß, um nur gedacht werden zu können, wenigstens ein Mindestmaß von Strebung, Spannung, Elastizität, Druck und Gegendruck erhalten - und wäre es auch nur eben der »Akt« des Stehens. So wie alle lebendige Dauer mindestens den metaphysischen Akt der Gegenwehr gegen das Vergehen enthält und damit eine »Begegnung«. Das sind aber Momente aus dem entgegengesetzten Sinnbereich, von Akt und Wandel.
          Damit kommen wir zu folgendem Ergebnis: Das Leben erfährt sich selbst als Kraft und Akt, als Strom und Wandel. Erfährt sich aber auch als Bau und Ruhe, als Stand und Dauer - wobei die Frage offen bleibt, wann so und wann anders und wie diese Weisen der Selbsterfahrung zueinander stehen.
          Nun wird freilich alle konkrete Lebensgestalt immer von einer Haltung her bestimmt. Und immer neigt sie dazu, diese ganz durchzutreiben. Also etwa: reiner Akt zu werden; reine Tat; Wandel ohne Bleiben; Fluß und Strom ohne Dauer. Bald erfährt sie aber, daß sie dabei in die Unmöglichkeit gerät. Jede jener beiden Selbsterfahrungsweisen ist von eigener innerer Folgerichtigkeit beherrscht, die zu reiner Selbstauswirkung treibt, auf dem Wege dahin aber ins Unmögliche, Lebenaufhebende fuhrt. Das Leben steht, je nach der verschiedenen Wesensbetonung im Einzelnen oder in der Gesamtheit, in dieser oder in jener Richtung. Immer aber gerät es dabei in die spezifische Krisis der betreffenden Sinnrichtung: die dynamische des zerrüttenden Dynamismus und Relativismus; oder in die statische der erstarrenden Bewahrung und Härte. Überwunden wird diese Krisis dadurch, daß innerhalb der betreffenden Lebensrichtung die sinngemäß entgegengesetzte aufgefunden, zugelassen, zur Entfaltung freigegeben wird: das Strömen in der Dauer; das Bleibende im Wandel; der Stand im Akt; das Wirken in der Festigkeit.
          Ja, das Leben erfährt sich als etwas, das sowohl eines wie das andere in sich schließt. Als eine Wesenheit, als einen Vorgang, [>40] der eines sein muß und das andere zugleich. Dieser Satz wird fürs erste als verwirrende Paradoxie empfunden. Er ist auch eine. Das Leben ist wesentlich paradox; und in dem hier behandelten Verhältnis liegt eine Wurzel dazu.
          Diese Tatsache, daß Statik und Dynamik, Bau und Akt, Dauer und Strömen, Stand und Wandel so zueinander stehen, daß jedes seinem ersten Wesenssinne nach sich vom anderen wegbewegt, das andere ausschließt, und doch in die Unmöglichkeit gerät, wenn es jenes andere nicht in sich selbst anerkennt, aufkommen läßt; die Tatsache wechselseitiger Ausschließung und Einschließung zugleich ist der Gegensatz.
          Nicht »Synthese« also zweier Momente in einem dritten. Auch nicht ein Ganzes, von dem jene beiden Seiten »Teile« darstellten. Noch weniger Vermischung zu irgendwelchem Ausgleich. Es handelt sich vielmehr um ein ursprüngliches, durchaus eigenartiges Verhältnis; um ein Urphänomen. Die eine Gegensatzseite kann nicht aus der anderen abgeleitet, und nicht von der anderen her aufgefunden werden. Darin scheint mir das Wesen der romantischen Auffassung des Gegensatzverhältnisses zu bestehen: Das Ähnlichkeitsmoment der beiden Seiten, ihre Zusammengehörigkeit, wird überspannt. Dem Romantiker schlägt eine Seite in die andere um; er übersieht ihre spezifische Verschiedenheit; er nimmt ihre Eigenbedeutung, ihre Eigenständigkeit nicht ernst. Er treibt ein Spiel mit dem tragischen Ernst dieser Zweiheit; und das kann er nur, weil ihm alle Bedeutungen und Wesenheiten monistisch in eins laufen. Nie kann »Bau« aus »Akt« abgeleitet werden; nie »Wandel« aus »Dauer«; nie ist es möglich, kontinuierlich von der Struktur weiterschreitend, auf einmal in die Dynamik zu geraten. Die beiden Gegensatzseiten sind wesenhaft eigenständig, und zwischen ihnen eine wirkliche, qualitative Grenze. Aus der einen kann man nur durch einen spezifischen Akt, durch ein qualitatives Hinübergehen in die andere kommen.11 Aber beide Sei-[>41] ten sind immer zugleich gegeben; eine nur möglich und denkbar an der andern. Das ist Gegensatz: daß zwei Momente, deren jedes unableitbar, unüberführbar, unvermischbar in sich steht, doch unablöslich miteinander verbunden sind; ja gedacht nur werden können an und durch einander.
          Wir kommen zu einem zweiten Gegensatz. Er ist dem dargelegten verwandt, liegt aber doch auf eigener Sinnlinie (GGGSsinn).
          Lebend erfahren wir uns als Formung. Der Körper hat eine bestimmte Gestalt, die sich in seinem gesamten Bestände durchsetzt. Sie durchbildet das Körperganze, die Glieder, Organe und Gewebe, bis in die letzten Einheiten. Auch unser Seelenleben ist geformt: Empfindungen, Vorstellungen, Gedanken und Gedankenfügungen, inneres und äußeres Schaffen, das ganze seelische Sein; vom Aufbau des Einzelvorgangs bis zum Gefüge der Gewohnheiten, zur Struktur der inneren Gestalt, zum Typus des Charakters, des angeborenen wie des erworbenen. Diese Strukturen und Gesetze bringen sich über unser individuelles Sein hinaus in der Umgebung zur Geltung, in deren Formen, Maßen und Verhältnissen. Und zwar haben Form sowohl das gebaute Sein, wie der Akt. Jenes ruhende Gestalt, dieser Richtung, Maß und Rhythmus. Dort Form des Baues, hier Form des Wirkens.
          Leben erfährt sich als Form und Formkraft, will sagen: als Kraft des Griffes und des Prägens; der Aufhellung, Durchlichtung, Verdeutlichung; als ein Ordnen, Gliedern, Benennen; als Bedeutungssicherheit, Sprechfähigkeit dessen, was ist und geschieht, in Umriß, Linie, Maß und Gewicht, in Eigenschaft, Verhältnis und Haltung.
          Diese Selbsterfahrung kann so stark werden, daß sie Leben nur im Formhaften zu sehen vermag. Ich denke an die Griechen, genauer an einen bestimmten Bereich im griechischen Gesamtwesen, das Apollinische, um Nietzsches Benennung zu gebrauchen. Dem galt Form und Schönheit und Wahrheit für gleich. Was nicht Form war, jenes »Andere«, galt ihm als das [>42] [grichisch]. Leben war Form; Lebenskraft Formkraft. Sein, Sinn und Sinnsättigung war Formbewährung.12 Aus anderer Haltung heraus und in verschärfter Weise legt die moderne Technik allen Sinn in die Form. Präzision, schärfste, formale Durcharbeitung, Klarheit, Ordnung, Methode, Arbeitsprozeß, Prüfung und Herrschaft sind hier das positiv Betonte.
          Leben ist Form, Formung, Form-Erfassung. Lebensintensität ist Formintensität.
      Allein gerade unsere Zeit steht wiederum zur Form in starkem Gegensatz; besonders der Norden bringt neben schärfster Formalistik deren strömendes Widerspiel zur Geltung. Das weist uns darauf hin, daß es reine Form nicht gibt. Sie kann nicht sein; wir vermögen sie nicht einmal zu denken {RS: so ein Unsinn; er denkt sie doch soeben}. Lebendige Form ist immer von einem »Was« getragen. Ist immer Seinsweise, Wirkverhalten eines anderen, das selbst nicht Form ist. Hier setzt die Gegensatzrichtung in der Selbsterfahrung des Lebens ein. Darin erfaßt es sich als etwas, was gerade nicht Form ist. Jenes Etwas, das quillt, strömt, sich weitet. Jenes Etwas, das Form flieht, löst, sprengt. Da ist Leben das »Formlose und Weiselose«. Unser Denken, genauer, das begriffliche Denken, ruht auf Form; damit ein maßgebender Bestandteil der Sprache. So wird es uns schwer, diese Selbsterfassung des Lebens näher zu bestimmen. Aussprechen können wir sie -außer durch Bilder - eigentlich nur durch Negation, indem wir sagen, was dieses Leben nicht ist. Solche negative Behandlung führt aber irre. Was gemeint wird, ist nicht nur das Nein zur Form, sondern etwas durchaus Eigenes, zu jener nicht im Widerspruch, sondern im Gegensatz stehend. Aus einfachster Selbsterfahrung wissen wir, was gemeint ist: jenes der formalen Bestimmung, dem Wie gegenüberstehende, letzte »Was«. Jenes [>43] Etwas, das vor jeder näheren Bestimmung steht. Begrifflich nicht zu fassen, und uns doch unmittelbar vertraut; mit Worten nicht anzusprechen, und uns doch eindeutig bekannt. Jenes Etwas, das sich in der Formung sofort erstarrt fühlt.
          Und zwar liegt es im Akt wie im Bau: plastische und dynamische Washeit. Leben ist hier jenes nur im Gleichnis zu sagende Etwas; nennen wir es mit einem sehr farblosen Wort »Fülle«. Und um so tiefer das Leben, je weniger festgelegt diese Fülle. Als Fülle widerstrebt das Leben der Form; will quellend bleiben, freischwellend. Nicht zu fassen, nicht zu binden, nicht zu prägen. Immer entgleitend, allzeit überströmend, jede Weise und Gestalt überspülend. Unaussprechbar, undeutbar.
          Aber sich folgerichtig durchsetzend gerät es wiederum in die Unmöglichkeit. Reine Fülle ist nicht. Nicht einmal gedacht kann sie werden. Versuchen wir es; wir werden verstehen, wie der Grieche die reine Fülle - was er mit [grichisch] meinte, scheint dies zu sein, unter besonderem Gesichtspunkt gefaßt; ebenso, was der Scholastiker13 mit »materia prima« bezeichnete - ein [grichisch] nannte. Reine Form wäre ein Abstraktum; reine Fülle ein Unfaßbar-Wesenloses. Nicht geradezu ein Nichts, ein  [grichisch]  aber eine Vor-Wirklichkeit, eine bloße Möglichkeit, im Letzten das Chaos. Damit lebendige Fülle sein und gedacht werden könne - und Leben unterscheidet sich nicht nur von formaler Starre, sondern auch von füllhaftem Chaos; denn auch Chaos ist Tod! - muß sie wenigstens ein Mindestmaß von Form haben; ein Mindestmaß von Entschiedenheit, Eindeutigkeit, Benennbarkeit.
          So sind wir wieder bei einem Gegensatz angelangt.
      Das Leben erfährt sich als quellend, strömend, als Fülle plastischer und dynamischer Möglichkeiten. Erfährt aber auch, wie [>44] es, nach dieser Richtung weiterschreitend, ins Chaos gerät. Das aber ist nicht mehr lebendige Fülle - nordischer Wille zum Maßlosen darf sich nicht täuschen! - sondern deren Zerrbild: die Wirrnis, »wo keine Ordnung ist«. Und ihr entspricht auch eine bestimmte Erlebnisform: das Grauen. Soll lebendige Fülle sein, dann muß ein Mindestmaß von Form und Ordnung in ihr hervortreten; sie muß Inhalt und Blut von Form sein. So sucht denn das Leben die Form (BMautonS), strebt aus dem Chaos zur Ordnung, zur Durchbildung, Gestaltung, Regelung, Verständlichmachung. Im Maße aber Form wächst, mindert sich, relativ gesehen, die Fülle (GGG2F-F). Das Leben gelangt aus der ersten in die zweite Polsphäre; wo es sich als Form erfährt und will; als Zucht, Gestalt und Gesetz; als plastisch-struktive und dynamisch-aktive Genauigkeit. Auch diese Lebensgestaltung strebt (BMautonS), sich selbst zu »vollenden«, zur »reinen Form«,14 gerät aber auf diesem Wege in die entgegengesetzte Gefahrenzone. Reine Form ist nicht mehr denk- und seinsfähige Form, die noch immer »lebend sich entwickelt«, sondern deren Zerrbild: das Formale. Das aber bedeutet Tod. Chaos war Tod; jener nämlich, der daraus kommt, daß kein Halt ist, keine Ordnung, keine Gestalt noch Benennbarkeit. Tod aber auch das Schema; Kälte und Erstarrung. Will Leben lebendige Form bleiben, dann muß in ihm die Fülle aufspringen (BMautonS).
          So muß Leben (BMautonS) sich als Form und als Fülle zugleich erfassen und bejahen. Beide Tatsachen schließen ihrer nächsten Sinnrichtung nach einander aus. Es ist romantischer Un-Ernst, Form unmerklich in Fülle umschlagen zu lassen; monistische Unsauberkeit, sie zu verselbigen. Fülle ist nicht Form. Mit tragischer Eindeutigkeit steht jedes im eigenen Wesen. Aber auch alle Reinlichkeit des Seins wie der Haltung hängt davon ab, daß jedes deutlich es selbst sei. Dennoch ist diese Autonomie nur relativ, und eins unablösbar an das andere gebunden. On-[>45]tisch wie logisch eines nur möglich am andern, im andern, durch das andere.
          Und der Akt, durch den eines erfaßt wird, setzt voraus, daß zugleich das andere mitgefaßt werde. Freilich enthält dieser Akt eine unvermischte Zweiheit, und kommt vom einen nur so zum Anderen, daß er es eben als qualitativ Anderes erfaßt, durch einen »Schritt«, nicht durch unmerklichen Übergang. Welcher Schritt aber nicht in ein absolut Anderes hinüberführt, sondern in ein Gefordert-Anderes; ein Verwandt-Verschiedenes.15
          Das Leben aber ist nicht Synthese dieser Verschiedenheit; nicht ihre Vermischung; nicht ihre Identität. Sondern das Eine, das in dieser gebundenen Zweiheit besteht. Darüber später mehr.
          Wir kommen zumdritten der intraempirischen Gegensätze - es sind ihrer drei.
      Die Gestalt des Lebens baut sich von innen her auf; sein Akt geht aus eigenem Ursprung hervor (Gunklar). Die Gestalt sucht (BMautonS) zur Vollendung zu gelangen und sich darin zu behaupten; die Aktmöglichkeiten streben sich voll zu verwirklichen (BMautonS). Da stellt sich die Frage: In welcher Richtung vollzieht sich dieses Bauen und Wirken?
          Das Leben erfährt im eigenen Bau, Schaffen und Wirken grundlegende Sinnrichtungen: zunächst die Richtung auf das Ganze (BMautonS),. Darin strebt es (BMautonS), die Ganzheit des Baues zu verwirklichen; die Ganzheit der Akte und Aktkomplexe. Das Einzelne wird dem Gesamten ein- und untergeordnet. Der Sinn des Gliedes liegt im Gesamtkörper; der einzelnen Form in der Gesamtlinie; des Organs im Gesamtapparat. Der Einzelakt ordnet sich einem höheren Akt-Zusammenhang ein und baut diesen auf. Ein- und Ausatmen bilden den Gesamtzug des Atemvorganges; rechter und linker Schritt den des Schreitens. Die Einzelelemente der Wahrnehmung formen das Ganze des Vor-[>46]stellungsgefüges; die Vorstellungen den Gedankenkreis. Die Willensantriebe fugen sich zur Tat; die Tat ordnet sich in die Handlungskette; diese wiederum in das Gesamtleben. Die nämliche Richtung zeigt sich im äußeren Werk. Alles lebendige Schaffen wirkt Zusammenhang, von der einfachsten Zweckverknüpfung zur Organisation eines Betriebes. Das gleiche Streben beherrscht das Verhältnis von Mensch zu Mensch. Darin bauen sich Beziehungen immer umfassenderer Art, von vorübergehender Begegnung bis zu bleibenden Bindungen, in die ganze Lebensinhalte und Lebensleistungen eingehen; vom engumgrenzten Zusammensein weniger bis zu Gesamtheiten wie »Gemeinde« oder »Staat«.

          Fußnoten

        11 Auch hierfür ist Kierkegaards Forderung der qualitativen Dialektik am Platz, mit der er sich gegen die hegelisch-romantische Aufhebung aller Wesensunterschiede in einer Mediationsdialektik wandte."
        12 Dabei dürfen wir nicht übersehen, daß es sich hier um »lebendige Form« handelt, die mit unserer »reinen« Form, der formalistischen, mathematisch-mechanischen, begriffhaften, nicht verwechselt werden darf. Auch wenn nachher im Mittelalter die Denker von »Form« sprachen - und wenig Worte kehren bei ihnen so oft wieder, wie dieses - oder Recht, Gesellschaft, Kunst ein höchstentwickeltes Formenwesen entfalteten, so war das alles lebendige, nicht »bloße« Form.
        13 Zumal der augustinisch Gerichtete; also etwa die ältere Franziskanerschule. Hier liegt der Grund dafür, warum diese auch im Geist eine »materia prima« annahmen. Nicht, weil sie den Geist verstofflicht hätten, sondern weil sie das Geistige als Leben erkannten, und darin eine Seite, eine Funktion sahen, die eben nicht formhaft war. So blieb dafür der Gegenbegriff der »materia«. Der bedeutet aber im Geistigen etwas anderes als im Stofflichen.
        14 Hier wird klar, welche Problematik im Vollendungs-Phänomen liegt. Es gibt eine Vollendungsbewegung, die in die Vernichtung führt. Die wahre fuhrt durch Maß und Verzicht in erfülltes Leben. Darüber später.
        15 Hier liegt der Fehler der tragizistischen Haltung; auch Kierkegaards.
        16 Es ist interessant von hier aus die neue, auf Sören Kierkegaard und seine Begriffe des »Augenblicks« wie des »Einzelnen« sich berufende Gedankenströmung zu betrachten."
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    Verlagsbeschreibung (Abruf 6.1.19)
    "Guardini will mit seiner Gegensatzlehre den gesamten Bereich menschlichen Lebens erfassen: Kunst, Politik, Ethik, Religiosität, Wissenschaft. Besonders überzeugend wird seine Philosophie des Lebens im Bereich der Psychologie. Recht verstanden, ist Guardinis philosophischer Ansatz aber eine Weisheitslehre, die zu jener Mitte als dem Geheimnis des Lebens führt, wo die Gegensätze zusammen sind, von wo sie ausgehen und wohin sie zurückkehren - Gott."

    Wikipedia (Abruf 6.1.19)
    "Romano Guardini hat in seiner Gegensatzlehre (1925) polare Gegensätze grundsätzlich von Widersprüchen unterschieden und als sich ständig neu konkretisierende, also lebendig-konkrete Spannungseinheit beschrieben, ohne dass dabei die jeweiligen Pole zu existieren aufhören. Dies führt zu einer dialogischen statt dialektischen Struktur der Gegensätze im Sinne von Polarität." [nicht belegt]
     





    Literatur (Auswahl) > Hauptseite.
    • Guardini, Romano (1998) Der Gegensatz. Versuch einer Philosophie des Lebendig-Konkreten. 1. A. 1925. Mainz/Paderborn: Grünewald/Schöningh.P




    Links (Auswahl: beachte)
    • Unterscheidungskriterien Gegensatz und Gegenteil.




    Glossar, Anmerkungen und Fußnoten  > Eigener wissenschaftlicher Standort. > Eigener weltanschaulicher Standort.
    1) GIPT= General and Integrative Psychotherapy, internationale Bezeichnung für Allgemeine und Integrative Psychotherapie.
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    Querverweise
    Standort: Gegensatzsystem Guardini
    *
    Haupt- und Verteilerseite Begriffsanalysen und Untersuchungen zur Dialektik.
    Haupt- und Verteilerseite Begriffsanalysen.
    Überblick Arbeiten zur Theorie, Definitionslehre, Methodologie, Meßproblematik, Statistik und Wissenschaftstheorie besonders in Psychologie, Psychotherapie und Psychotherapieforschung.
    *
    Suchen in der IP-GIPT, z.B. mit Hilfe von "google": <suchbegriff> site:www.sgipt.org
    z.B. Wissenschaft site:www.sgipt.org. 
    *
    Dienstleistungs-Info.
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    Zitierung
    Sponsel, R.  (DAS). Gegensatzsystem Guardini. Materialien zu Begriffsanalyse und Untersuchungen zur Dialektik. Internet Publikation  für Allgemeine und Integrative Psychotherapie  IP-GIPT. Erlangen:  https://www.sgipt.org/wisms/sprache/BegrAna/Dialektik/BA_Guardini.htm
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    Änderungen Kleinere Änderungen werden nicht extra ausgewiesen; wird gelegentlich überarbeitet und ergänzt.
    20.11.19    Grundversion erstmals ins Netz gestellt.
    26.10.19    Vorläufiger Abschluss.
    03.12.18    Unterbrochen bis 5.1.19
    18.11.18    angelegt
     



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