SGIPT
    Internet Publikation  für Allgemeine und Integrative Psychotherapie  IP-GIPT__ DAS=12.02.2001
    Anfang  Revenstorf  PT-Modell   __ Überblick  __ Rel. Aktuelles __  Rel. Beständiges  __  Titelblatt  __  Konzept  __ __Archiv  __ Region  __  Service_iec-verlag  __  Mail:  sekretariat@sgipt.org  __   Zitierung  &  Copyright
    Diskussion (nur für Fachkundige mit entsprechender Interessenlage: Anmeldung erforderlich): GIPT-ADEIS@egroups.de


    Willkommen in der Psychotherapieforschungsabteilung der GIPT, hier:

    Mehrebenen Therapie Modell von Revenstorf.
    von Rudolf Sponsel, Erlangen

        Das Mehrebenen Therapie Modell von Revenstorf (1999) ist geeignet, zahlreiche Ungereimtheiten, Widersprüche und Unklarheiten hinsichtlich der Wirksamkeit der so gänzlich unterschiedlichen Therapiesysteme ("Therapieschulen") zu erklären (Makroebene). Es ist wahrscheinlich das bisher einfachste, plausibelste und wirkungsvollste Erklärungsmodell. Zugleich ist dieses Modell ebenfalls geeignet, den hohen Prozentsatz (ca. 70 %) an faktisch "eklektisch/ integrativ" arbeitenden PsychotherapeutInnen zu erklären, weil dieses Modell die Viefalt und damit die Kombinatorik der unterschiedlichsten Ansätze der verschiedenen Ebenen einschließt und die PraktikerInnen natürlich um diese Möglichkeiten wissen und sie auch - zunehmend mehr und öfter - lernen und anwenden, nicht selten gegen die Dogmatik ihrer Therapieschulherkunft oder -zugehörigkeit. Die moderne PsychotherapeutIn ist meist eine vielfältig aus-, fort- oder weitergebildete. Die sog. Richtlinientherapie ist den therapeutischen und wissenschaftlichen Fakten gegenüber daher ein nicht zu verantwortender Anachronismus und im Grunde sogar ein potentieller Kunstfehler oder eine Mogelpackung.
     
     


    Belege: Original-Zitate (Quellen, Graphik) aus Revenstorf (1999)

    "1. Was bedeutet heute Psychotherapie?

    Es ist gut belegt, daß Psychotherapie Klienten im Sinne einer Verbesserung der Befindlichkeit hilft (Abb.1), und zwar ist die Wirkung deutlich größer als in anderen Bereichen psychologischer Intervention - etwa bei manchen einfachen Lernprogrammen im schulischen Bereich (Smith, Glass und Miller, 1981). Psychotherapie ist wirksam. Verunsichernd ist dabei, daß es mittlerweile viele Untersuchungen gibt, die belegen, daß es sehr unterschiedliche Therapieformen sind, die sich als wirksam erweisen. Das macht einen an den klassischen Therapieschulen orientierten Betrachter" ...  {Graphik zur Metaanalyse von Grawe et al.} ... "ratlos. Es scheint keinen roten Faden zu geben, der die wirksamen Methoden miteinander verbindet: Die kognitiven Therapien schneiden besonders gut ab (Grawe, Donati und Bernauer, 1994). Hypnose ist eine wirksame Therapie (Revenstorf, 1995, 1996), und auch die Gesprächstherapie hat ihre Wirksamkeit hinreichend belegt, wohingegen die Psychoanalyse bislang nur bei kurzer Therapiedauer ihre Wirksamkeit gezeigt hat. Die verschiedenen Formen der Verhaltenstherapie sind von nachweisbarer Wirksamkeit, ebenso die Familien- und Paartherapie, auch dann, wenn sie nicht verhaltensorientiert sind (Revenstorf und Freudenfeld, 1998). Ein allen Therapieformen gemeinsamer theoretischer Nenner ist nicht auszumachen.
        Ein anderer Grund zur Beunruhigung besteht darin, daß es zwar einen spezifischen Anteil am Therapieerfolg gibt, wie Untersuchungen mit Kontroll- und Placebogruppen zeigen, jedoch auch beträchtliche unspezifische Effekte, neben einem deutlichen, wenn auch geringeren Prozentsatz an spontanen Heilungen.
        Es ist daher verständlich, daß 70 % aller Therapeuten Eklektizisten sind und sich auch als solche bezeichnen (Watkins et al.,1986). Es gibt viele Gründe dafür: nicht nur, daß zahlreiche Therapieformen sich in ihrer Wirksamkeit kaum unterscheiden und ein Teil der Wirkung unspezifisch ist. Es gibt auch Dutzende von z.T. widersprüchlichen Theorien, die je nach Bedarf herangezogen werden können, um therapeutisches Handeln zu begründen: Lerntheorien, Systemtheorien, Kognitionstheorien und viele mehr. Willkür erscheint unausweichlich, und auch die herkömmlichen diagnostischen Kategorien geben so gut wie keine Anhaltspunkte darüber, welche therapeutische Methode bei einer bestimmten Störung angebracht ist. Es stellt sich die Frage: Welcher Ausweg führt aus dieser Situation, die theoretisch wie praktisch unbefriedigend ist? Es gibt zahlreiche Alternativen (vgl. Norcross und Goldfried, 1992).
        Wünschenswert wäre eine Metatheorie der Veränderung, die nicht mehr an einzelnen therapeutischen Effekten festgemacht wird. Statt dessen müßte ein übergeordnetes Schema gefunden werden, in dem sich Therapieerfolge darstellen lassen. Dafür gibt es eine Reihe von Gesichtspunkten, die sich in den letzten zwanzig Jahren entwickelt haben.

    2. Was bedeutet Veränderung?

    Mehrebenen-Betrachtung
    Erfahrung und Verhalten manifestieren sich auf sehr vielen Ebenen. Biologen haben schon früher derartige Schicht-Modelle z.B. für einen scheinbar so eindeutig körperlichen Prozeß wie den Herzinfarkt entwickelt (vgl. Engel, 1980). Psychologen gewöhnen sich erst allmählich daran, daß verschiedene Therapieformen dasselbe Problem nur auf verschiedenen Ebenen aufgreifen. Einige dieser Ebenen sind somatisch, andere betreffen die bewußte und die unbewußte Informationsverarbeitung, weitere das sichtbare Verhalten und die zwischenmenschlichen Kontakte. Manche Ebenen im sozialen Raum, um das Individuum herum, befinden sich außerhalb dessen, was man traditionell als Person betrachtet. Sie sind jedoch subjektiv als Umfeld des Individuums ein Teil seiner Persönlichkeit. So etwa die Ursprungsfamilie, die Paarbeziehung und bestimmte Gruppenbezüge.
        Diese Betrachtung läßt sich auf die Kultur ausdehnen, die Verhaltensnormen festlegt und bestimmte Symptome begünstigt, wie etwa die Agoraphobie (Platzangst) einer Hausfrau oder Anorexie (Magersucht) eines Jugendlichen. Es kann sogar das Universum einbezogen werden, in das sich der einzelne sinnsuchend einordnen möchte. Es scheint mir wichtig, diese Mehrschichtigkeit des Erlebens und Verhaltens zu akzeptieren; denn dann wird klar, daß einzelne Therapieformen sich nicht widersprechen, sondern auf  verschiedenen Ebenen ihren Dienst tun und sich der Schulenstreit erübrigt (vgl. Revenstorf, 1992, 1996a). Die wichtigsten dieser Ebenen sind:
    1. Körper (humorale, zelluläre, Organsysteme, Bewegungsapparat)
    2. Affekt (Motivation, Emotion)
    3. Unbewußtes (subliminale Wahrnehmung, Traum, Trance)
    4. Vorbewußtes (Werte, irrationale Ideen)
    5. Bewußtes (Vorstellung, Denken, Wollen)
    6. Handlung (Sprache, Tätigkeit)
    7. Interaktion (Partnerwahl, Familie, Gruppenbezüge)
    8. Kontext (Gemeinde, Gesellschaft, Kultur, Universum)."
     


     



    Querverweis:  Überblick Arbeiten zur Definitionslehre, Methodologie, Statistik und Wissenschaftstheorie besonders in Psychologie, Psychotherapie und Psychotherapieforschung.


    Fußnoten

    1) GIPT= General and Integrative Psychotherapy, internationale Bezeichnung für Allgemeine und Integrative Psychotherapie.
    2) Revenstorf, Dirk (1999). Wenn das Glück zum Unglück wird. Psychologie der Paarbeziehung. München: C.H. Beck. Zitate aus den Seiten 14-18.
    Ein sehr zu empfehlendes, wohlfeiles Büchlein: kompakt, fundiert, informativ. Es hat nur einen kleinen Mangel: die Metaanalyse als Methode und die Ergebnisse von Grawe werden unkritisch dargestellt und übernommen.
    3) Eklektisch ist hier sehr weit zu verstehen: pragmatischer (Garfield, Norcross, Thorne), technischer Eklektizismus (A.A. Lazarus), differentielle (70iger und 80iger Jahre: Bastine, Fiedler, Grawe, Revenstorf), integrative Therapie (Fiedler, Petzold, Sponsel), schulen- und methodenübergreifende Psychotherapie (BDP, DPTV, VPP), allgemeine Psychotherapie (Grawe) und störungsspezifische Integration (z. B. Butollo).
    4) Ein Erklärungsmodell der Mikroebene findet man im Heilmittelmodell von Sponsel (1995), Kapitel 3.4.6: Formale Struktur der Heilmittel: Atome, Moleküle, Komplexe Moleküle, Programme, Meta-Heilmittel, notwendige, hinreichende, äquivalente oder kriterienvalide Heilmittel (S. 217).


    Zitierung
    Sponsel, R. (DAS). Mehrebenen Therapie Modell von Revenstorf. Internet Publikation  für Allgemeine und Integrative Psychotherapie  IP-GIPT. Erlangen:  https://www.sgipt.org/wisms/ptf/rev01.htm
    Copyright & Nutzungsrechte
    Diese Seite darf von jeder/m in nicht-kommerziellen Verwertungen frei aber nur original bearbeitet und nicht  inhaltlich verändert und nur bei vollständiger Angabe der  Zitierungs-Quelle benutzt werden. In Streitfällen gilt der Gerichtsstand Erlangen als akzeptiert.

     Ende    Revenstorf PT-Modell   __ Überblick  __ Rel. Aktuelles __  Rel. Beständiges  __  Titelblatt  __  Konzept  __ __Archiv  __ Region  __  Service_iec-verlag  __  Mail:  sekretariat@sgipt.org  __
    Diskussion (nur für Fachkundige mit entsprechender Interessenlage: Anmeldung erforderlich): GIPT-ADEIS@egroups.de