Geschichte der Psychologie
Erste psychologische Messungen bei Nachempfindungen
durch J.N.
Tetens um 1770 ?
mitgeteilt und aufbereitet für das Internet von Rudolf Sponsel, Erlangen
Vorbemerkung: Tetens
Werk ist ein reichhaltiger Schatz grundlegender und noch vielfach heute
richtiger und aktueller psychologischer Ideen - vielfach lehrreicher als
manche modische "Neuroscientologen".
Empirische Wissenschaft hat natürlich auch etwas mit überprüfbarem
Beobachten, Experimentieren und Messen zu tun. Man setzt das Geburtsdatum
der wissenschaftlichen Psychologie gewöhnlich mit der Eröffnung
des Psychologischen Labors durch Wilhelm Wundt im Jahre 1879 in Leipzig
gleich. Die Erfahrungsseelenkunde
beginnt aber bereits 100 Jahre früher. Eine frühe Quelle über
erste Meßergebnisse bei Nachempfindungen fand ich S. 31(direkt zur
Textstelle)
bei :
Hier der Kontext (g e s p e r r t bei Tetens hier kursiv
dargestellt, [in eckigen Klammern die Seite des Nachdrucks], {in geschweiften
Klammern die Originalseite}):
{31}[30]
V.
Von den Gesichtsvorstellungen. Entstehungsart
derselben. Unterschied zwischen Empfindung und
Nachempfindung. Einbildung.
Eine gespannte Saite eines Instruments fähret eine
Weile fort, nachzuschwingen, wenn sie einmal angeschlagen oder gedruckt
worden ist, und der Perpendikel, welcher angestoßen worden ist, setzet
noch seine Schwingungen fort, ob er gleich nun nicht mehr von der Hand,
die ihn anstieß, berühret wird. Die Saite nimmt in dem ersten
Augenblick die Bewegung auf, und wirket zugleich zurück auf den Körper,
der sie anschläget, und erschüttert. Dieser Empfang der Bewegung,
und die damit verbundene Rückwirkung mag eine Thätigkeit seyn,
oder nur etwas leidendes; so ist beydes schon nicht mehr vorhanden, wenn
die Saite zu zittern fortfähret. Der stoßende Körper hat
sich als[>31]denn entfernet, und die Rückwirkung hat aufgehöret.
Ihre Bewegung in dem folgenden Augenblick ist die Fortsetzung derjenigen,
welche sie von der wirkenden Kraft empfangen hat. Jene ist ein nachgebliebener
Zustand in der Saite, in welchem sie nichts mehr von außen aufnimmt,
und auch nicht mehr auf die äußere Kraft zurückwirket.
Da ist also ein anderer von dem erstern unterschiedener, und wesentlich
unterschiedener Zustand in ihr.
Diese Nachschwingungen hören in
der Saite allmählig auf, theils durch den Widerstand der äußern
Luft, theils der Hindernisse wegen, welche in der Steifigkeit der Saite
selbst liegen. Endlich kommt die Saite dem Ansehen nach gänzlich wiederum
zu ihrer ersten Ruhe. Alsdenn ist alle Spur des ersten Schlages verloschen.
So scheinet es wenigstens zu seyn. Es ist aber nicht völlig also.
Die Kunstverständigen sagen, ein Instrument müsse vorher recht
ausgespielet worden {>32} seyn, ehe es seine Töne am vollkommensten
und reinsten angeben könne. Die Saite muß auch nach einigem
Gebrauch von neuem wieder gestimmet werden, und zuletzt verlieret sie blos
durch den allzuhäufigen Gebrauch den nöthigen Grad der Elasticität.
Es muß also von der ersten Bewegung eine gewisse Wirkung in dem Körper
und in der Kraft der Saite zurückgeblieben seyn, die in den einzelen
Schwingungen unbemerkbar war, aber in der Folge sich offenbarte. Gleichwohl
hat die Saite, wie es oben schon erinnert worden ist, keine Kraft, sich
selbst, in einen ihrer vorigen Schwünge wieder zu versetzen. Dieß
Beyspiel soll nichts beweisen; sondern nur auf den Unterschied zwischen
den Empfindungen und den Nachempfindungen, als den zuerst entstehenden
Empfindungsvorstellungen aufmerksam machen.
Wir richten die Augen auf den Mond. Die Lichtstrahlen
fallen hinein, durchkreuzen sich in ihnen, laufen [>32] auf der Netzhaut
in ein Bild zusammen, rühren den Sehenerven sinnlich; und in dem Innern
von uns, in der Seele, entstehet, auf welche Art es auch geschehe, eine
Modifikation, ein Eindruck, den wir fühlen. Da ist die Empfindung
des Mondes, aber noch nicht die Vorstellung desselben.
Diese Modifikation bestehet eine Weile in
uns, wenn gleich von außen kein Lichtstrahl mehr ins Auge hineinfällt.
Da ist die Nachempfindung, oder die Empfindungsvorstellung
des gegenwärtigen Objekts, oder auch die Empfindung selbst,
als eine Vorstellung des Gegenwärtigen betrachtet. Dieß
Fortdauern des sinnlichen Eindrucks ist außer Zweifel. Es ist die
Ursache, warum eine schnell in einem Kreis herumgedrehete glüende
Kohle den Schein eines ganzen leuchtenden Kreises hervorbringet. Diese
und andere gemeine Erfahrungen lehren uns, daß der Eindruck, den
man von einem gesehenen Gegenstande erlanget hat, ein ge{>33}wisses Zeitmoment,
ohne
Einwirkung der äußern Ursache in uns fortdauert. Man kann sogar
die Länge dieser Dauer in den Nachempfindungen bestimmen. Wenn man
solche nimmt, die am geschwindesten wieder vergehen, aber auch stark genug
gewesen sind, um gewahrgenommen zu werden; so
ist die kleinste Dauer in den Gesichtsempfindungen 6 bis 7 Terzen,
bey den Nachempfindungen des Gehörs nur 5 Terzen
und noch kürzer bey den Nachempfindungen des Gefühls. [FN1]
Der Augenblick, in welchem der
Gedanke in uns entsteht: ich sehe den Mond; oder der Mond sieht so aus;
kurz
der Augenblick der Reflexion fällt in das Moment der Nachempfindung.
Nicht während [>33]des ersten von außen entstehenden Eindruckes,
wenn wir noch damit beschäftiget sind, die Modifikation von außen
anzunehmen und zu füblen, geschieht es, daß wir gewahrnehmen
und mit Bewußtseyn empfinden, sondern in dem Moment, wenn
die Nachempfindung in uns vorhanden ist. Die Ueberlegung verbindet sich
mit der Empfindungsvorstellung, aber nicht unmittelbar mit der Empfindung
selbst.
Man kann sich auch gerade zu aus Beobachtungen
hievon versichern. Wenn wir z. B. die Augen starr auf einen Gegenstand
hinrichten, um sein Bild in uns aufzufassen; so denken wir in diesem Augenblick
nicht, daß wir ihn sehen. Sobald wir über den Gegenstand reflektiren;
so finden wir ihn zwar vor uns gegenwärtig, und sein Bild ist in uns,
aber wir sind nicht mehr damit beschäftigt, es in uns aufzunehmen.
Ueberdieß {>34} kann die Bemerkung einiger andrer Umstände den
Unterschied zwischen der ersten Empfindung und der Nachempfindung
außer Zweifel setzen.
Bey dem Sehen ist es entschieden, daß der
Eindruck von dem Gegenstande selbst seine Zeit haben muß, ehe er
helle und stark genug wird, um gewahrgenommen zu werden. Die Kugel, die
aus einer Büchse geschossen wird, beweget sich vor unsern Augen vorbey,
und wird nicht gesehen, weil das Licht, das von ihr ins Auge kommt, nicht
stark genug ist, eine bemerkbare Nachempfindung hervorzubringen. Aus derselbigen
Ursache sehen wir die von einander abstehende Spitzen eines gemachten Sterns
alsdenn nicht, wenn der Stern schnell herumgedrehet wird, und allemal ist
der Schein, den ein schnell herumgedreheter Körper verursachet, nur
ein matter Schimmer, wenn es nicht ein für sich selbst leuchtender
Körper ist. Jeder Punkt in dem Umfang des Raums, durch den die äußersten
Enden des Körpers geschwinde herumbeweget werden, giebt einen Schein;
aber weil der Körper sich nicht lange genug in [>34] einem jeden Punkte
des Raums aufhält, um lebhaft daselbst gesehen werden zu können;
so giebt er in jedem dieser Punkte auch nur einen schwachen Schein von
sich. Dahero kann auch die schnelleste Vorstellungskraft einen Gegenstand
nicht mit Einem und dem ersten Blick schon fassen; sondern es wird eine
Zeit dazu erfordert, und eine Wiederholung der ersten Eindrücke, wenn
die nachbleibenden Züge [>39] bis zu einer gehörigen Tiefe eindringen
und die nöthige Festigkeit erlangen sollen.
Hiezu kommt bey dem Sehen, daß der Eindruck
nicht allein nur nach und nach, sondern auch unterbrochen hervorgebracht
wird, so, daß zwischen den kleinern auf einander folgenden Eindrücken
gewisse Momente der Zeit vergehen, während welcher das, was in uns
ist, eine Nachempfindung ist, oder eine bestehende Folge {>35} von
demjenigen, was durch die vorhergegangene Einwirkung hervorgebracht war.
Die Nachempfindung verlieret sich bald wieder,
wenn man aufhöret, die Augen auf den Gegenstand zu richten, ob sie
gleich in einigen Fällen, wo der Eindruck lebhafter gewesen ist, etwas
länger und merklicher als in andern fortdauret. Man wird z. B. das
Bild der Sonne, wenn man sie angesehen hat, nicht sogleich wieder aus den
Augen los, aber es wird doch bald so weit geschwächet, daß diese
Nachempfindungdes
zweeten Grades, wenn ich so sagen soll, von der ersten, welche während
des fortgesetzten Anschauens vorhanden ist, leicht unterschieden werden
kann.
Die Beobachtungen und Untersuchungen der Optiker
über das Sehen, führen zu noch mehrern Bemerkungen über
die Beziehung der Nachempfindungen auf die Empfindungen, oder die
erst empfundene Eindrücke, davon etwas ähnliches auch
bey den übrigen Empfindungsarten vorhanden ist. Sehr oft hänget
die Beschaffenheit des Eindrucks von einer vorhergegangenen Modifikation
des Organs ab; und ist [>35] nicht immer ebenderselbige, wenn er gleich
von einerley Gegenständen entspringet. Was die Nachempfindungen
betrifft: so entsprechen sie zwar gemeiniglich den Empfindungen,
wovon sie die Fortsetzungen sind; aber es giebt auch Fälle, wenn z.
B. die Empfindung allzu lebhaft gewesen ist, in welchen sie davon abweichen.
So zeigen sich z. B. zuweilen nicht eben solche Farben an den Gegenständen
in der Nachempfindung, als in der Empfindung gesehen worden. [FN2]
Und das nemliche kann in {>36} den schon vorher erwähnten geschwächten
Bildern, die uns nach dem Anschauen der Sonne noch eine Zeitlang vor Augen
schweben, bemerket werden; denn diese verändern ihre Gestalten. Viele
andere Erfahrungen bestätigen eben dasselbige.
Die Nachempfindung, die erste nemlich
die folgende Veränderungen der Bilder bey Seite gesetzet ist die Vorstellung,
welche in der Empfindung erzeuget wird. Und diese ist also wenigstens eben
so sehr von der Empfindung selbst unterschieden, als die Nachschwingungen
in einer elastischen Saite von ihrer entstehenden Bewegung in dem ersten
Augenblick sind, da sie der Wirksamkeit der äußern Ursache noch
ausgesetzet ist. In dem Augenblick, da wir empfinden, leiden wir,
und wirken zurück im Gefühl. Aber in der Nachempfindung
wird nichts mehr angenommen, und es wird auch nicht zurück gewirket,
sondern nur unterhalten, was schon hervorgebracht ist. Und darum kann eben
alsdenn die Seel e desto freyer mit ihrer Ueberlegungskraft sich bey dem
Bilde beschäftigen.
Es läßt sich hieraus begreifen' wie zuweilen
der sinnliche Eindruck, und auch das Gefühl desselben,
[>36] oder die Empfindung völlig, stark, lebhaft, deutlich
und scharf genug von andern unterschieden seyn können, ohne daß
die in uns bestehende Nachempfindung es auch sey. Es kann
die letztere verwirrt und matt seyn, wo die erste Empfindung es nicht ist.
Sollte sich dergleichen nicht auch wirklich bey den Kindern eräugnen?
Hat nicht vielleicht ihr innerliches Gesichtsorgan noch zu wenig Festigkeit,
um Eindrücke, die es wie ein weicher Körper aufnimmt, auch die
Zeit durch in sich zu erhalten, als es nöthig ist, um feste Empfindungsbilder
zu erlangen? Mir ist dieses nicht unwahrscheinlich, und das, was den Erwachsenen
zuweilen unter gewissen Umständen begegnet, bringt jene Muthmaßung
fast zur Gewißheit. {>37}
Die Nachempfindungen sind Modificationen in der
Seele, so wie es die Empfindungen sind. Als Nachempfindungen sind sie zurückgebliebene
und durch innere Ursachen und Kräfte fortdaurende Veränderungen.
Hierinn sind sie von den sinnlichen Eindrücken unterschieden, als
welche Wirkungen von äußern Ursachen sind. Aber sollten
jene auch Seelenbeschaffenheiten seyn ? Sind es die Organe, und bey dem
Gesicht die Sehenerven, welche durch eine ihnen beywohnende Kraft die empfangenen
sinulichen Bewegungen, wie die Saite auf dem Instrument ihre Schwingungen,
fortsetzen, und solche der Seele zum Empfinden und Fühlen vorhalten?
Wenn es so ist; so wird in der Seele die Nachempfindung
und die Empfindung selbst einerley seyn. Denn so kann die erstere in der
Seele nichts anders, als ein forigesetztes oder wiederholtes Aufnehmen
des Eindrucks seyn, wobey sie selbst nur ihre Reaktion gegen das Gehirn,
oder ihr Gefühl fortsetzet, ohne in sich durch ihre Selbstthätigkeit
etwas zu unterhalten. Oder ist die Nachempfindung, in so ferne sie eine
unterhaltene Folge des Eindrucks ist, vielmehr in der Seele? Giebt diese
etwa die thätige Kraft dazu her? Oder endlich, [>37] ist sie in beiden
zugleich? Das erste ist ein Princip in dem System des Hrn. Bonnets.
Ich setze aber diese Fragen nur her, wie ich es schon vorher mit andern
ähnlichen gethan habe, um die Erinnerung zu geben, daß man nicht
unmittelbar in die Beobachtungen das psychologische System hineinbringen
müsse. Es sey genug, daß es sich so, wie es hier angegeben worden
ist, in dem Menschen, dem sehenden Dinge, verhalte.
Die wieder hervorgezogenen ersten Empfindungsvorstellungen,
die man Phantasmata oder Einbildungen nennet - Wiedervorstellungen
kann man sie nennen, wenn es nicht besser wäre, diese letztere Benennung
allgemeiner auf alle Arten von wiederhervor? {>38} gebrachten Vorstellungen
aus zudehnen, sie mögen Empfindungsvorstellungen seyn, oder nicht.
- Die Einbildungen also sind offenbar nichts anders, als die
ersten Nachempfindungen in einem weit schwächern Grade von Licht und
Völligkeit, und wir nehmen sie im Schlaf und auch zuweilen im Wachen
für Empfindungen an. Aber auch alsdenn zeiget sich doch der erste
Unterschied zwischen Empfindungen und Nachempfindungen, wenn sie gleich
beide nur wieder erneuert als Einbildungen sich darstellen. Im Schlaf glauben
wir zu sehen. Nun ist zwar kein Eindruck von außen auf das Auge vorhanden,
und also ist auch keine wahre Nachempfindung da. Aber es ist doch eine
Nachbildung, sowohl von der Empfindung, als von der Nachempfindung vorhanden.
Es ist nämlich wiederum ein Unterschied vorhanden, zwischen dem ersten
Entstehen des sinnlichen Bildes, welches hier ein Wiederhervorbringen ist,
wobey wir mit dem Gefühl eben so reagiren, wie bey der wahren Empfindung;
und zwischen dem Fortdauren des wiederhervorgebrachten Bildes, womit die
Reflexion über das Objekt verbunden ist.
Am deutlichsten zeiget sich dieses in
den sogenannten unächten äußern Empfindungen.
Das [>38] Auge kann aus innern Ursachen im Körper mit einer gleichen,
oder doch jener in der wahren Empfindung nahekommenden Stärke sinnlich
gerühret werden, auf eine ähnliche Art, wie es bey der wahren
Empfindung durch das hineinfallende Licht geschieht. Es giebt mehrere Ursachen,
die solche falsche Empfindungen veranlassen können. [FN3]
Aber dennoch ist in diesen Fällen die Empfindung selbst von ihrer
Nachempfindung eben so offenbar unterschieden, als sie es bey den ächten
Empfindungen ist. {>39} Wer ein Gespenst siehet, wo nichts ist, empfängt
einen Eindruck auf das Innere seines Sehwerkzeugs, und nimmt die damit
vergesellschaftete Modifikation in der Seele auf, fühlet sie. Bis
so weit geht die falsche Empfindung. Nun unterhält sie diesen Eindruck
in sich, und empfindet nach. Alsdenn nimmt er sie gewahr, und reflektirt
darüber, wie über eine Empfindungsvorstellung eines äußern
gegenwärtigen Dinges.
Die Einbildung eines gesehenen Gegenstandes
ist also die wieder erweckte Nachempfindung desselben, in einem schwächern
Grade ausgedrückt. Die Einbildungen gehören dabero zu den Empfindungsvorstellungen,
oder zu den ursprünglichen Vorstellungen; ob sie gleich nicht mehr
die ersten selbst sind, sondern ihre Wiederholungen. Die Stufen der Lebhaftigkeit
aber und der Deutlichkeit und Völligkeit in den Einbildungen sind
unendlich mannigfaltig: man mag entweder die Einbildungen unter sich vergleichen,
oder auf das Verhältniß sehen, worinn die Lebhaftigkeit und
Deutlichkeit einer jeden Einbildung mit der Lebhaftigkeit und Deutlichkeit
der Empfindung stehet, zu welcher sie gehöret. Zuweilen sind sie die
mattesten Nachbildungen, und enthalten nur einige wenige Züge von
der Empfindung. Zu einer andern Zeit sind sie deutlichere Bilder, und so
kenntliche Schatten, wie Aeneas in den Elisäischen Feldern antraf.
Oefters bestehet fast die ganze Reproduktion mehr in einem Bestreben,
eine ehemalige Empfindung wieder hervorzuziehen, als daß sie eine
wirklich wiedererweckte Empfindung selbst genennet werden könnte.
Oft sind es nur rohe Umzüge der Sachen, oft nur eine oder andere Seite;
nur eine oder andere Beschaffenheit, Verhältniß und dergleichen,
was bis dahin wieder erneuert wird, daß es wahrgenommen werden kann;
zuweilen sind es die stärksten Gemählde, die den Empfindungen
nahe kommen, je nachdem die re{>40}producirende Kraft mehr oder weniger
auf sie gerichtet und verwendet wird. Da wir dem kürzesten und leichtesten
Weg von Natur nachgehen; so geschiehet es, daß anstatt einer Empfindung,
die mehrere Anstrengung erfordert, wenn sie reproduciret werden soll, eine
andere wieder erneuert wird, welche mit jener vergesellschaftet gewesen
ist, und deren Reproduktion leichter und geschwinder geschehen kann. Der
Name vertritt die Stelle der Sache. Die Einbildung des Worts ist völlig
und lebhaft, aber die begleitende Einbildung der mit dem Wort bezeichneten
Sache, ist oft so schwach, daß sie nur ein Ansatz zu der völligen
Wiederdarstellung genennt werden kann."
Fußnoten Tetens zu diesem Abschnitt:
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FN1 Die Gefühlseindrücke
dauren kaum halb so lange, als die Eindrücke auf das Gehör, wie
ich aus einigen Versuchen weiß, die ich hierüber angestelltet
habe, deren weitere Anzeige hier aber nicht her gehöret.
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FN2 Scherffer, diff. de coloribus
accidentalibus diss. Vindob. 1761. § XVII. Die vom Hrn. Von Büffon
so genannten zufälligen Farben, oder die bloß
erscheinende
Farben gehören zwar nicht alle, aber doch größtentheils
hieher.
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FN3 Man sehe des Hrn. Von Unzers Physiologie
der thierischen Körper, § 148, 378.
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kontrolliert: