Reader
Assoziation
von Peter
R. Hofstätter _ Übersicht_
Querverweise Assoziation
aus: Das Fischer
Lexikon Psychologie, letzte Auflage (1974, 552.-566. Tausend) und ein Teil
aus der ersten (1957).
Mit freundlicher Genehmigung der Ehegattin und Rechteinhaberin, bei der wir uns an dieser Stelle, hier und heute, am 25.5.2001, bedanken [auch] wollen mit einem Herzlichen Glückwunsch zum 80. Geburtstag nach Wien.
Geschichte
_ Die
Experimentelle Forschung _
1. Die Häufigkeit
_ 2.
Kategorisierung der Reizworte _
3.
Reaktionszeit _4.
Der diagnostische Assoziationsversuch
_ 5.
Die Bedeutungsanalyse von Vorstellungen
_
6.
Die Rolle von Assoziationen im Lernprozeß
_ Peter
R. Hofstätter (1913 - 1994)
_ Querverweise
Assoziieren ist ein grundlegender psychologischer Begriff, der sogar eine Zeit lang der Psychologie eine prägende Charakteristik verlieh, was in einem eigenen Namen, der sog. Assoziationspsychologie gipfelte woraus sich dann als antithetische Gegenbewegung die Gestaltpsychologie entwickelte. Der Assoziationsbegriff ist grundlegend in der Bewußtseins-, Gedächtnis, Denk- und Lernpsychologie und spielt auch eine wichtige Rolle in der Tiefenpsychologie und Psychoanalyse, inzwischen wohl auch wieder in der Kognitiven Psychologie, den Kognitionswissenschaften und in der Computertechnologie assoziativer Speicher. C. G. Jung hat umfangreiche Assoziationsversuche betrieben, die wir wieder aufgegriffen haben und fortentwickeln möchten. Aber auch die Methode der sog. freien Assoziation verlangt ebenso nach einer methodischen Begründung und Form wie nach systematischer Evaluation. Die Psychoanalyse ist hierzu durch ihr weitgehend wissenschaftsfremdes Selbstverständnis und Gebaren nicht in der Lage. Wir plädieren daher dafür, die Tiefenpsychologie möglichst schnell und bald in den Schoß ihrer Mutterwissenschaft Psychologie zurückzuholen. So haben wir denn begonnen, einer Assoziationspsychologie wieder den ihr gebührenden Platz einzuräumen (wie z. B. auch der Gestaltpsychologie). Hofstätters Eintrag zur "Assoziation" im Fischer Lexikon Psychologie ist sowohl in seiner historischen Bezugnahme als auch in seiner Fülle und Breite ein recht nützlicher Grundlagen- Reader. |
Typographisches: G e s p e r r t k u r s i v hier fett kursiv, weil der html-Code die Worte sonst auseinanderreißen kann. Das Zeichen ">" bedeutet einen buchinternen Stichwort-Querverweis. Fette hervorgehobene Stellen von Sponsel zur besseren Übersicht und Gliederung. Zwischenüberschriften von Sponsel wurden durch einen Zusatz [RS] kenntlich gemacht.
Assoziation
"Assoziation.
In der kurzen aber bedeutungsvollen Schrift über "Gedächtnis
und Erinnerung" diskutiert Aristoteles die Phänomene der unwillkürlichen
Erinnerung
und des absichtlichen Sich-Erinnerns. Die Suche (im Original heißt
es "Jagd") nach einem im Gedächtnis aufbewahrten Eindruck wird
dadurch begünstigt, daß man entweder den zeitlichen Ablauf der
Geschehnisse rekonstruiert oder daß man sich Eindrücke ins Gedächtnis
ruft, die zu dem Gesuchten im Verhältnis der Ähnlichkeit,
des Gegensatzes oder der räumlichen und zeitlichen Nähe
(Kontiguität) stehen. Diese Beobachtung hat wie kaum eine andere
den systematischen Ausbau der Psychologie beeinflußt. Ihre sorgfältige
Ausgestaltung empfing sie in der sog. englischen "Assoziations-Psychologie"
durch J. Locke (1632 - 1704),
D. Hartley (1705 - 1757), D.
Hume (1711 bis 1776),
J. Priestley (1733 - 1804), J. Mill (1773-1836),
Th.
Brown (1778 - 1820), J. St. Mill (1806 - 1873); auf deutscher
Seite setzte sich diese Tradition in J. F. Herbart (1776 - 1841),
H.
Ebbinghaus (1850 - 1909),
G. E. Müller (1850 - 1934) und
Th. Ziehen (1862 - 1950) fort. Von Schuldifferenzen abgesehen, verwendet
jede > Lerntheorie und jede Lehre vom > Gedächtnis den Begriff der
Assoziation in entscheidender Funktion, wobei allerdings verschiedene Deutungen
der ihm zugrunde liegenden Vorgänge möglich sind: Assoziationen
von Ideen, Herstellung von Verbindungen zwischen erregten Nervenzellen,
Resonanz,
Feldwirkungen usw. Wesentlich beteiligt ist die Assoziationspsychologie
an der Entwicklung des > Behaviorismus und der > Tiefenpsychologie; eine
entschiedene Gegnerschaft zu ihr hat die > Gestaltpsychologie angemeldet.
Die drei schon von Aristoteles erwähnten Sachverhältnisse der Ähnlichkeit, des Kontrasts und der räumlichen und zeitlichen Kontiguität bezeichnet der schottische Philosoph Th. Brown als "primäre Assoziationsgesetze", denen er die folgenden "sekundären Assoziationsgesetze" nachordnet: 1. Die Dauer des ursprünglichen Eindrucks, 2. seine Lebhaftigkeit, 3. die {S. 30} Häufigkeit seiner Wiederholung, 4. seine Frische, 5. das Fehlen konkurrierender Eindrücke, 6. konstitutionelle Unterschiede der Eindrucksempfänger, 7. deren jeweilige Gemütslage, 8. deren körperlichen Zustand und 9. deren Lebensgewohnheiten. [Hervorhebung RS] |
Die experimentelle Untersuchung von Assoziationen beginnt im letzten Viertel des 19. Jh. mit F. Galton (Aufzeichnung der durch Reizworte hervorgerufenen Einfälle), H. Ebbinghaus (Lernen sinnloser Silben) und im Wundtschen Laboratorium (Messung der für die Hervorbringung einer Assoziation erforderlichen Zeit). Aus den gleichen Jahren stammt Freuds diagnostisches Interesse an den freien und den durch Reizworte provozierten Einfällen seiner Patienten, eine weitere Ausgestaltung fand sein Verfahren in den Studien von C. G. Jung (1911) und von Kent und Rosanoff (1910).
Das klassische Assoziationsexperiment besteht darin, daß der Vp der Auftrag erteilt wird, zu einem Reizwort das erstbeste ihr in den Sinn kommende Reaktionswort auszusprechen. Beim kontinuierlichen Assoziieren hat die Vp nach dem ersten auch alle weiteren Einfälle ("Assoziationsketten") zu melden. Bisweilen werden den zu produzierenden Reaktionen auch gewisse Bestimmungen auferlegt ("kontrollierte Assoziationen"), etwa, daß diese sich in einem angegebenen Sachgebiet halten (z. B.: Namen von Säugetieren), daß sie mit einem bestimmten Buchstaben beginnen oder daß sie zu dem Reizwort in einem logischen Verhältnis ("Überordnung", "Teil - Ganzes" usw.) stehen.
Die experimentelle Forschung konzentriert sich im wesentlichen auf sechs Hauptprobleme:
1. Die Häufigkeit,
mit der ein Reaktionswort auf ein bestimmtes Reizwort folgt. Es gibt in
der Regel bevorzugte (geläufige, populäre) Assoziationen (z.
B. Tag - Nacht), die von einem
großen
Teil der Vpn gegeben werden. Auf die von
Kent und Rosanoff
(im Englischen) zusammengestellten 100 Reizworte geben normale Erwachsene
mit Volksschulbildung im Durchschnitt nicht mehr als 5 Prozent individuelle
Assoziationen, d. h. solche, die in der Standardisierungspopulation eine
Frequenz von weniger als 1 Promille besitzen. Abiturienten geben etwa 9
Prozent individuelle Assoziationen; bei manchen Geisteskrankheiten aus
der Gruppe der Schizophrenien (> Psychose) werden 25 - 50 Prozent individuelle
Assoziationen gefunden. An Hand von Normen-Tabellen (L. Postman
u. G. Keppel, 1970) läßt sich die durchschnittliche
Geläufigkeit
der von einer Vp produzierten Assoziation feststellen; man gewinnt damit
u. a. ein Maß für den Grad der
Konformität ihres Denkens.
2. Kategorisierung der Reizworte [RS]
2. Die Kategorisierung der Reizworte. Die oberflächlichste Asso- {S. 31} ziation ist die nach dem Klang (z. B. Leben - neben); sie ist vor allem im Kindesalter sowie in Zuständen der Ermüdung oder auch der Alkoholisierung häufig und stammt hier wohl aus der gleichen Quelle wie die Vorliebe für homophonische Schüttelreime (z. B. bei W. Busch: "Im Ameishaufen wimmelt es - der Aff' frißt nichts Verschimmeltes"). Für die inhaltlich bestimmte Assoziation haben Karwoski und Schachter (1948) ein sehr brauchbares Kategoriensystem gegeben (Tab. 4).
Die Anzahlen beziehen sich auf die von 50 Studenten auf 70 Reizworte gegebenen Assoziationen, unter "Diversifikation" ist das Verhältnis der Anzahl verschiedener Assoziationen zur Gesamtanzahl (im Sinne des "type - token - ratio" der Sprachpsychologie) verstanden. Mit zunehmender Diversifikation steigt die Reaktionszeit (in Sekunden) an, da die Konzentration vieler Reizworte auf wenige verschiedene Typen ein Anzeichen für die Geläufigkeit und Popularität dieser Assoziationen ist. Beim Übergang von der Kindheit zum Erwachsenenalter, namentlich von der Pubertät an, nimmt die Geläufigkeit von Gegensatz- Assoziationen (auf adjektivische Reizworte) wesentlich zu, deren Frequenz steigt von 4 Prozent auf 30 Prozent; eine Gruppe von 1 000 Industriearbeitern produzierte sogar 47 Prozent. Diese Tendenz wird auch durch die sich einer anderen Methode bedienenden Studien von Riess (1946) bestätigt; sie legt die Vermutung nahe, daß im erwachsenen Denken Begriffe sehr stark durch ihre Abhebung von ihren Gegenteilen, also wohl in dialektischer Weise, präzisiert werden.
3. Die zur Hervorbringung einer Assoziation erforderliche Reaktionszeit (RT) nimmt bei freien Assoziationen mit de- {S.32} ren Popularität (Konformität) ab: Geläufigkeitsgesetz nach Thumb und Marbe (1901). Dieser Sachverhalt (Abb. 2) gehört zu den am besten bestätigten Gesetzen der Psychologie (Wreschner, 1907; Menzerath, 1908; Crane, 1915; Schlosberg und Heineman, 1950). Assoziationen, die von
allen Vpn in der gleichen Weise gegeben werden (Konformität = 100 Prozent), lassen sehr viel weniger lange auf sich warten als "individuelle" Assoziationen (Konformität = 0 Prozent). Dies hängt wahrscheinlich mit der Weite der den Vpn zur Verfügung stehenden Wahlmöglichkeiten zusammen (> Informationstheorie); im Falle maximaler Konformität ist diese sehr gering. Die gleiche Erklärung erfordert die merkwürdige Tatsache, daß kontrollierte Assoziationen fast immer schneller erfolgen als freie Assoziationen (weniger als 1,0 Sekunden gegenüber 1,5 - 1,8 Sekunden im Durchschnitt); in ihnen ist die Reaktion durch die gestellte Bedingung auf wenige oder evtl. auch nur auf eine einzige Alternative beschränkt.
Interessante Einblicke in den Vorgang der kontinuierlichen Produktion kontrollierter Assoziationen vermitteln die Untersuchungen von Bousfield und seinen Schülern (1944, 1950). Die Vpn hatten die Aufgabe, innerhalb eines festgelegten Rahmens (z. B. "Säugetiere", "Städtenamen") möglichst viele Assoziationen zu produzieren; die Anzahl der in aufeinanderfolgenden Intervallen von je 2 Minuten niedergeschriebenen Einfälle läßt einen sehr typischen Verlauf erkennen. Es handelt sich um eine negativ beschleunigte Funktion, die einem maximalen Grenzwert (C) zustrebt; ihre Form wird durch {S.33} die Gleichung N = C (1- e-mt) beschrieben, in der e die Basis der natürlichen Logarithmen, m die Zuwachsrate, t die verstrichene Zeit und N die Anzahl der bis zum Zeitpunkt t produzierten Assoziationen ist. Abb. 3 zeigt, daß den Vpn (Studenten) im Durchschnitt ein "Reservoir" von C = 51,4 Namen für vierbeinige Säugetiere zur Verfügung stand, das sie in den ersten Minuten sehr schnell entleerten (steiler Anstieg), später jedoch nur recht langsam (Verflachung der Kurve). Dabei fällt auf, wie die Größe des Reservoirs den Vorgang schon von allem Anfang an steuert. Neuere Untersuchungen haben ergeben, daß zwischen den Konstanten C und m eine hohe negative Korrelation besteht: größere Reservoire werden in einem vergleichsweise langsameren Tempo entleert. Abermals scheint die Menge der zur Auswahl stehenden Alternativen den Wahlvorgang zu verzögern. Bei der Aufgabe, angenehme bzw. unangenehme Assoziationen zu produzieren, fand Bousfield (1950), daß Vpn in gehobener Stimmung ein größeres Reservoir für angenehme Assoziationen besitzen (Ca = 81,6) als für unangenehme
(Cu = 55,9), während deprimierte Vpn einen solchen Unterschied nicht zeigen; ihr Vorrat an angenehmen Assoziationen ist kleiner als der in gehobener Stimmung befindlicher Vpn (Ca = 65,8), der an unangenehmen hingegen größer (Cu = 66,6).
4. Der diagnostische Assoziationsversuch [RS]
4. Der diagnostische Assoziationsversuch. Bereits in den gemeinsam mit Breuer veröffentlichten "Studien über Hysterie" (1895) bediente sich Freud der freien Assoziationen zur Auffindung verdrängter Früherlebnisse (> Psychotherapie). {S.34} Sehr ausgiebigen Gebrauch macht Freud von freien Assoziationen bei der Deutung der Träume seiner Patienten (1900); die Methode gehört auch heute noch zum eisernen Bestand einer psychoanalytischen Behandlung (>Traum, > Psychotherapie). Aus der Phase der Zusammenarbeit der beiden Forscher stammt C. G. Jungs Beschäftigung mit den freien Assoziationen (1911), die zur Entwicklung einer Standard-Prozedur führte, bei der den Patienten eine Liste von 100 Reizworten zweimal vorgelesen wird, sie haben diese (einzeln) mit ihren Einfällen zu beantworten. Bei einigen Assoziationen treten Störungen auf, die als "Komplex-Indikatoren", d. h. als Hinweise auf mit den Worten zusammenhängende Gefährdungen des seelischen Gleichgewichts, gedeutet werden. Als diagnostische Anzeichen gelten: Verlängerte Reaktionszeit, Ausbleiben der Reaktion, ungewöhnlich kurze Reaktionszeit Wiederholung des Reizwortes, dessen Mißverstehen, sinnlose Klangassoziationen usw.
Einblick in die Dynamik verzögerter Assoziationen bietet eine von dem russischen Psychologen Luria (1932) entwickelte Technik, bei der die Vp gleichzeitig mit dem Aussprechen des Reaktionswortes einen pneumatischen Taster niederzudrücken hat (rechte Hand), während ihre linke Hand auf einer Vorrichtung ruht die Zitterbewegungen (Tremor) registriert. Im Falle überlanger Reaktionszeiten lassen die Hand-Kurven oft erkennen, daß die Vp eigentlich schon früher zu reagieren bereit war, aber den verbalen Akt mehrmals unterdrückte, bzw. den Einfall verwarf, bis sie eine harmlose Assoziation gefunden zu haben glaubte. Das Verfahren wird für die gerichtliche Tatbestandsdiagnose herangezogen (>Forensische Psychologie). Es hängt mit den Bemühungen um die Schaffung von "Lügen - Tests". zusammen (>Gefühle).
Bedeutsamer als Assoziationen auf Reizworte sind für die psychologische Diagnostik Reaktionen auf mehrdeutige Bildvorlagen, z. B. Rorschachs Klecksfiguren.
Der Weg führt hier in das {S.35} Gebiet der sog. projektiven > Tests. Als Beispiel diene der von Terman und Miles (1936) entwickelte Test zur Ermittlung der Männlichkeit bzw. Weiblichkeit der Einstellung (>Geschlechtsunterschiede). Er enthält sowohl Wörter als Bilder (Abb. 4), für die jeweils mehrere mögliche Assoziationen zur Auswahl gestellt werden, z. B.
Die im Test
selbst natürlich nicht mitgegebenen Bezeichnungen (m, f und o) richten
sich auf den mehr männlichen, weiblichen oder neutralen Charakter
der betreffenden Assoziation. Ähnlicher Methoden bedient sich auch
die sog. "indirekte" Erforschung der Einstellung zu politischen Fragen
(> Meinungsforschung).
5. Die Bedeutungsanalyse von Vorstellungen [RS]
5. Die Bedeutungsanalyse von Vorstellungen. Die von Osgood (1952) und Hofstätter (1955) entwickelte Methode des Polaritäts - Profiles ("semantic differential") verlangt von den Vpn die Einstufung eines Begriffes oder auch eines Gegenstandes der Anschauung (z. B. Bilder und Farben) auf einer Reihe von Polaritäten, die zu diesem Gegenstand meist in keinem sachlichen, wohl aber in einem möglichen assoziativen Bezug stehen. Der quantitative Vergleich von Profilen mit Hilfe der Korrelationsrechnung (> Statistik) gestattet Angaben über die (subjektive) Ähnlichkeit zwischen Gegenständen. Abb. 5 gibt die Profile der Gegenstände "Liebe" und "Rot", die bis auf wenige Ausnahmen einen nahezu parallelen Verlauf zeigen. Die Korrelation zwischen den beiden Profilen ist positiv und sehr hoch (QRL = + 0,89); tatsächlich dient "Rot" ja als Symbolfarbe für die Liebe. Die Methode ermöglicht unter anderem eine Überprüfung der von Goethe aufgestellten Behauptungen über die "sinnlich-sittliche Wirkung der Farbe". Eine Gegenüberstellung der farbsymbolischen Affinitäten von Rot und Blau zeigt Abb. 6; zwischen den Profilen der beiden Farben besteht eine Ähnlichkeitskorrelation von QRB = + 0,55. Das Polaritätsprofil läßt sich auch zur Bestimmung dessen verwenden, was z. B. ein Grünblinder sieht, wenn ihm ein grüner {S.36}
Farbreiz dargeboten
wird (Hofstätter, 1957); es wurde auch zu kulturvergleichenden
Untersuchungen herangezogen (> Geschlechtsunterschiede) .
Die Matrix
der Ähnlichkeits-Korrelationen zwischen mehreren Beurteilungsgegenständen
läßt sich faktorenanalytisch untersuchen (> Statistik); Man
gelangt dabei zu einem (im wesentlichen) dreidimensionalen System (Abb.
7), das als "semantischer Raum" bezeichnet wird; seine Hauptachsen
legen die folgenden Deutungen nahe: {S.37}
{S.38} Interessanterweise
erscheint in diesem System die Liebe nicht als Gegensatz zum Haß
Q = - 0,29, statt: - 1,00); das wäre eher die Bequemlichkeit (Q =
- 0,74). Dieses Ergebnis entspricht dem von E. Bleuler in die >
Tiefenpsychologie eingeführten Begriff der "Ambivalenz", d.
h. der Möglichkeit von Gefühlsbeziehungen, die sowohl eine erotische
Komponente als auch eine solche der > Aggression enthalten ("Haß-Liebe").
Assoziative
Bindungen zwischen Sinnesreizen, die verschiedenen Modalitäten angehören
(z. B. Farben und Tönen), werden als
Synästhesien ("Farbenhören",
audition colorée) bezeichnet (Argelander, 1927; Anschütz,
1927, 1953). Es handelt sich dabei um Reize, deren Polaritätsprofile
einander sehr ähnlich sind, die also durch eine große Anzahl
gemeinsamer Assoziationen zu anderen Empfindungen miteinander zusammenhängen
(> Phantasie).
6. Die Rolle von Assoziationen im Lernprozeß [RS]
6. Die Rolle von Assoziationen im Lernprozeß. Als eine Sonderform des kontrollierten Assoziierens läßt sich die Erlernung einer Reihe miteinander nicht durch Sinnbezüge verbundener Elemente (z. B. sinnloser Silben) auffassen. Jedes Glied der Kette ist dabei einerseits Reaktion auf das vorhergehende und andererseits Reiz für die Produktion des nachfolgenden; es bilden sich zwischen ihm und seinen Nachbarn assoziative Koppelungen. Die Erforschung der hier auftretenden Gesetzmäßigkeiten beginnt mit den äußerst entsagungsvollen Selbstversuchen von H. Ebbinghaus (1885) und führt über das Monumentalwerk von G. E. Müller (19111 - 1917) bis zu der in ihrer Abstraktheit kaum überbietbaren Theorie von C. L. Hull (1940). Innerhalb einer Reihe (A-B-C-D . . .) werden einerseits direkte (A:B, B:C . . .) und überspringende Assoziationen (A:C, A:D...) gebildet, andererseits vorwärtsgerichtete und rückläufige (D:C, D:B) Assoziationen unterschieden, die jeweils miteinander in Konkurrenz stehen. Überspringende und rückläufige Assoziationen sind in der Regel schwächer
als direkte und vorwärtsgerichtete; sie verursachen Reproduktionsfehler, durch die der Lernvorgang erschwert wird. Dies ist vor allem im Mittelbereich einer Reihe der Fall, da hier die Anzahl der einander überschneidenden assoziativen Bindungen {S.39} am größten ist (Abb. 8). Der Effekt tritt besonders stark in Erscheinung, wenn die Reihe in einem schnellen Tempo ("massierte Übung"), d. h. mit kurzen Intervallen zwischen den einzelnen Gliedern, gelernt werden muß. Verteilte Übung ist im allgemeinen ökonomischer (Abb. 9).
Sinnlose Silben (z. B.: FAP, KIX, POM) werden seit Ebbinghaus bei Untersuchungen dieser Art bevorzugt, weil an ihnen nur relativ wenige außerhalb der experimentellen Situation erworbene Assoziationen haften. Jedoch zeigen sich bei ihnen sowohl wie - in noch stärkerem Maße - bei sinnvollen Worten bisweilen assoziative Mischwirkungen, wie sie Meringer und Mayer (1895) und Freud (1904) beim Versprechen (> Tiefenpsychologie) beobachteten. Da kann es z. B. geschehen, daß ein Redner in der einstweilen noch nicht eingestandenen Absicht, später um einen Vorschuß zu bitten, das Direktorium einer Gesellschaft als "Meine Herren Vor-schuß-Mitglieder . . ." anspricht (Kontamination von "Vor-stand" und "Aus-schuß"). Sinnvolle Reihen, z. B. die Wörter eines Satzes, sind leichter zu lernen und zu behalten als sinnlose, da in ihnen die Auswahl der möglichen Alternativen für das jeweils folgende Glied äußerst gering ist. Dem Lernenden kommt hier sein Vor-Lernen, d. h. die Vertrautheit mit den Folgeregeln der > Sprache, zustatten (>Informationstheorie)."
Exkurs: Aus der ersten Auflage 1957, S. 32
Aus der ersten Auflage 1957:
F1 = Positive Zuwendung nach außen F2 = Negative Zuwendung nach außen F3 = Wendung nach innen. Interessanterweise erscheint die negative Zuwendung dabei nicht als das Gegenteil der positiven Zuwendung, z. B. also auch Liebe nicht als das Gegenteil von Haß; dieses Ergebnis entspricht dem von Bleuler in der > Tiefenpsychologie eingeführten Begriff der "Ambivalenz", d. h. der Möglichkeit von Gefühlsbeziehungen, die zugleich positiv und negativ gerichtet sind ("Haß-Liebe").
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