Internet Publikation für Allgemeine und Integrative Psychotherapie
    (ISSN 1430-6972)
    IP-GIPT DAS=25.08.2001 Internet-Erstausgabe, letzte Änderung: 31.01.20
    Impressum: Diplom-Psychologe Dr. phil. Rudolf Sponsel  Stubenlohstr. 20   D-91052 Erlangen
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    Willkommen in unserer Internet-Publikation für Allgemeine und Integrative Psychotherapie, Abteilung Medizinische Psychosomatik, Psychopathologie und Psychiatrie, Bereich Zwang und Zwangsmaßnahmen, Betreuung und Unterbringung und hier speziell zum Thema Ludwig II.:

    Das Lohengrin-Erlebnis Ludwigs II.

    _ Einführung_Lohengrin_Schlüsselerlebnis_Wagnerverehrung_Lohengrin-Sage_
    _ Querverweise: Integrative Deutung _Psychographie_ Ludwig II. und die Kunst_ Überblick Ludwig II. _

    Einführung: Kunst und Literatur, und hier ganz hervorstechend die Prachtbauten französischer Vorbilder, besonders Ludwig XIV., auf der einen Seite und der Schöpfungen Wagners - der ohne die Förderung Ludwigs II. vermutlich nicht der hätte werden können, der er wurde - auf der anderen Seite spielten im Leben des Königs eine zentrale Rolle. Ob, was und wie er damit kompensierte, erörtere ich an derer Stelle. Die Leidenschaft für Wagner fiel in die Pubertät und Heranwachsenden-Zeit Ludwigs. In dieser Zeit spielt die Entfaltung der Sexualität und die Grundlegung einer eigenen Identität gewöhnlich eine große Rolle. Wer bin ich? Wer möchte ich sein? Wozu bin ich da? Was bedeutet mir das Leben? Das sind grundlegende metaphysische Fragen auf die der junge Mensch in diesem Alter eine persönliche und nicht selten auf dramatische Weise Antworten sucht. In diese entwicklungspsychologisch naturgemäß sehr aufwühlende Phase fällt Ludwigs Lohengrin-Erlebnis, das man als Schlüsselerlebnis bezeichnen könnte. Ein Schlüsselerlebnis ist eine sehr tiefgreifende, durch- und durchgehende Erfahrung, wodurch 'Lebensweichen' gestellt und Entscheidungen herbei geführt werden.

    Hacker [33] berichtet:
        "Entscheidend wird für den heranwachsenden Kronprinzen die Begegnung mit den Werken Richard Wagners, in denen er die geliebte deutsche Sagenwelt wiederfindet. Einen gewaltigen Eindruck auf Ludwig macht die erste Opernaufführung seines Lebens, der er am 2. Februar 1861 beiwohnt; es ist »Lohengrin«. Tief bewegt sieht der fünfzehnjährige Kronprinz die ihm von Kindheit an vertraute Gestalt des Schwanenritters auf der Bühne Wirklichkeit werden."
     
    Die Aussage zu Lohengrin, dem Schwanenritter aus dem Gral
    Unrecht geschieht in der Welt. Da wird ein edler Schwanenritter aus dem fernen Lande des Grals gerufen und kommt auf einem von einem Schwan gezogenen Nachen daher. Er kämpft und rettet, nur seine Herkunft, seinen Namen darf er nicht sagen, was ihm die Errettete gelobt. Aber, angestachelt von Rache der Gattin des im gerechten Kampf Besiegten entschlüpft ihr die verbotene Frage und der Ritter muß wieder ziehen. Der Schwan erscheint hier als Symbol der Reinheit. Die Philosophie der Sage besagt: Unrecht wird wahrgenommen und man ist nicht allein. Höheren, aber geheimen Ortes stehen hehre Edle bereit. Doch der Mensch kann sich nicht mit seiner Rettung zufrieden geben. Neugierig, maß- und zügellos muß er wie einst im Paradies die Frucht kosten, die verbotene Handlung vollziehen, worin auch ein wenig Undank ist der Welt Lohn mitschwingt. Positiv interpretiert kann man sagen: nur wer ein Geheimnis und die damit verbundenen Grenzen erträgt und respektiert, kann dauerhaft Wohlwollen und Schutz des geheimnisvollen Hehren und Edlen genießen. 

    Schlüsselerlebnis

    [Nach Hacker 33] "Gottfried von Böhm:
        Der Kronprinz vergoß darüber Tränen höchsten Entzückens, lernte in der Einsamkeit seines Zimmers und des Parkes das Textbuch und die ührigen Dramen Wagners auswendig und las  »mit brennender Begier« auch die Prosaschriften Wagners, besonders das »Kunstwerk der Zukunft«, das er anläßlich eines Besuches bei Herzog Max auf dem Klavier liegen sah und das besonders durch das Wort »Zukunft« seine Aufmerksamkeit auf sich gezogen haben soll. [>34]

        Die Hofdame der Königinmutter, Gräfin Fugger, die ihm gleichfalls Werke von Wagner schenkte, und andere Persönlichkeiten des Hofes glaubten durch die etwas schwierige Lektüre dieser Werke die Begeisterung des Kronprinzen für Wagner abzukühlen; allein sie täuschten sich. Der Gedanke an die Heldengestalten der Wagnerischen Werke spann fort in seiner regen Phantasie; er ließ sich nach seinen eigenen Angaben von seinem Zeichenlehrer, Leopold Rottmann, Kostüme, Szenerien und Gestalten aus jener Sphäre malen und hielt auf seinen Spaziergängen Umschau nach Gestalten vom Typus des Schwanenritters.

       Neun Jahre später schreibt Ludwig im Rückblick auf seine erste Lohengrin-Aufführung an Wagner:

        So schlecht sie war, so verstand ich doch das Wesen dieses göttlichen Werkes zu erkennen: in seiner Aufführung ward der Keim gelegt zu Unsrer Liebe und Freundschaft bis zum Tod, von dort an ward der bald zur mächtigen Flamme werdende Funke für Unsre heiligen Ideale in mir entzündet.

        Und zehn Jahre nach der Aufführung bekennt er:

        Unzerreißbar ist das Uns verknüpfende Band, fest auf ewig, heilig und tief beglückend die Liebe, die für Sie in meiner Seele glüht, und vor zehn Jahren hat ein Gott sie in mein Herz gelegt; Heil darum, dreifach Heil »Lohengrin«, denn dort wurzelt die Eiche meiner treuen Liebe zu Ihnen [...]."

    Zur allgemein-integrativen Deutung der Bedeutung des Schwanenritters für Ludwig II.

    Wagnerverehrung
     
     
    Das hymnisch-exaltierte Verhältnis zu Wagner - und dessen Verhältnis zu Ludwig II. - offenbaren Briefauszüge aus dem Jahre 1864 [> 74 Hacker] recht anschaulich:
    "Geliebter, einziger Freund!
    Erschüttert, begeistert durch den herrlichen gestrigcn Abend muß ich dem Drange meines Innern folgen, Ihnen zu sagen, daß unnennbar die Seligkeit ist, von welcher ich durch Sie erfüllt wurde. - In überirdische Sphären ward ich entrückt, unermeßliche Wonnen habe ich geatmet. - Doch, was versuche ich, Ihnen diese Seligkeit zu schildern, hiezu reicht das arme, tonlose Wort nicht aus; ich kann nichts tun als Sie anbeten, die Macht preisen, die Sie zu mir geführt. 
    Ich fühle es klar und immer klarer, daß ich Ihnen nach Verdienst zu lohnen nicht imstande bin; was ich auch tun, was ich für Sie auch unternehmen mag, es kann nur ein Stammeln des Dankes sein. - Ein irdischer kann einem göttlichen Geist nichts vergelten: lieben aber, verehren, das kann er. [...]

    Geliebter, Heiliger! - 
    Einem Funken bin ich gleich, der sich sehnt, in Ihrer Strahlensonne aufzugehen, von ihr beschienen zu werden und die Erde zu verlassen, wenn sie ihr nicht mehr leuchtet. 
    Oh, wäre der Abend schon da, senkte sich doch die Sonne, käme der Mond, strahlten die Sterne, zum Zeichen, daß die Wonnen ihr Weben beginnen! - Ach, was ich glücklich bin! - 
    In ewiger Liebe
    Ihr bis in den Tod getreuer, glückseliger Ludwig

    Wagners Antwort ist nicht weniger ekstatisch. Der Komponist war in Sorge, ob dem König das Konzert wegen der noch nicht vollendetcn Qualität der Darbietung entsprochen habe, und erwidert nun begeistert:

    Oh! Ich Kleinmütiger!!!
    Also selbst in meiner Liebe zu Ihm, dem Einzigen, muß Er mich immer wieder mit Mut erfüllen! - Ich bin nichts mehr ohne Ihn! Selbst zu lieben, lehrt Er mich erst. 
    Ja, ja! In meinem tiefsten Innern fühlte ich demloch immer - auch jetzt! -, daß Er über jedes Gefühl der Schwäche erhaben ist - Er weiß alles! Gott offenbarte Ihm alles!
    Oh, mein König! Du bist göttlich!
    Aber auch nichts ist mehr in mir und um mich als dieses göttliche Element der erlösenden Liebe, wie es aus dem wunderbar tiefen Bronnen des Herzens meines himmlischen Freundes sich in mich und über mich ergießt! Hier bin ich selig, los und frei, ganz Ich, ganz Er! -
    Gesegnet sei der göttliche König meines Lebens!"



    Lohengrin Text-Quellen im Netz (Hinweis)
    https://www.gutenberg.aol.de/wagner/lohengrn/lohengrn.htm
    https://directory.google.com/Top/World/Deutsch/Kultur/Musik/Genres/Klassische_Musik/Komponisten/W/Wagner,_Richard/
    https://www.physcip.uni-stuttgart.de/phy11733/wagner/index.html
     
    Zu Wagner besonders zu empfehlen: https://www.richard-wagner-web.de/  (Hinweis)
    Die folgenden Texte der Lohengrin Sage habe ich mit freundlicher Erlaubnis dem Wagner-Web entnommen, um bei den weiteren Ausarbeitungen zu unserem Ludwig II. Programm Abstürze durch veränderte Link-Adresse zu vermeiden.

    "Im ersten Band der "Deutschen Sagen" der Brüder Grimm, erschienen 1816, findet man zum Thema "Lohengrin" gleich mehrere Sagen: "Lohengrin zu Brabant", "Lohengrins Ende in Lothringen" und "Der Schwanenritter". Wagner bezieht sich  in seiner Oper in erster Linie auf den Text "Lohengrin zu Brabant".

    Lohengrin zu Brabant

    Der Herzog von Brabant und Limburg starb, ohne andere Erben als eine junge Tochter Els oder Elsam zu hinterlassen; diese empfahl er auf dem Todbette einem seiner Dienstmannen, Friedrich von Telramund. Friedrich, sonst ein tapferer Held, der zu Stockholm in Schweden einen Drachen getötet hatte, wurde übermütig und warb um der jungen Herzogin Hand und Land unter dem falschen Vorgeben, daß sie ihm die Ehe gelobt hatte. Da sie sich standhaft weigerte, klagte Friedrich bei dem Kaiser Heinrich dem Vogler; und es wurde Recht gesprochen, daß sie sich im Gotteskampf durch einen Helden gegen ihn verteidigen müsse. Als sich keiner finden wollte, betete die Herzogin inbrünstig zu Gott um Rettung. Da erscholl weit davon zu Montsalvatsch beim Gral der Laut der Glocke, zum Zeichen, daß jemand dringender Hilfe bedürfe; alsobald beschloß der Gral, den Sohn Parzivals, Lohengrin, darnach auszusenden. Eben wollte dieser seinen Fuß in den Stegreif setzen, da kam ein Schwan auf dem Wasser geflossen und zog hinter sich ein Schiff daher. Kaum erblickte ihn Lohengrin, als er rief: »Bringt das Roß wieder zur Krippe; ich will nun mit diesem Vogel ziehen, wohin er mich führt.« Speise im Vertrauen auf Gott nahm er nicht in das Schiff; nachdem sie fünf Tage über Meer gefahren hatten, fuhr der Schwan mit dem Schnabel ins Wasser, fing ein Fischlein auf, aß es halb und gab dem Fürsten die andere Hälfte zu essen.
        Unterdessen hatte Elsam ihre Fürsten und Mannen nach Antwerpen zu einer Landsprache berufen. Gerade am Tage der Versammlung sah man einen Schwan die Schelde heraufschwimmen, der ein Schifflein zog, in welchem Lohengrin auf sein Schild ausgestreckt schlief. Der Schwan landete bald am Gestade, und der Fürst wurde fröhlich empfangen; kaum hatte man ihm Helm, Schild und Schwert aus dem Schiff getragen, als der Schwan sogleich zurückfuhr. Lohengrin vernahm nun das Unrecht, welches die Herzogin litt, und übernahm es gerne, ihr Kämpfer zu sein. Elsam ließ hierauf alle ihre Verwandten und Untertanen entbieten, die sich bereitwillig in großer Zahl einstellten; selbst König Gotthart, ihr mütterlicher Ahn, kam aus Engelland, durch Gundemar, Abt zu Clarbrunn, berufen. Der Zug machte sich auf den Weg, sammelte sich nachher vollständig zu Saarbrück und ging von da nach Mainz. Kaiser Heinrich, der sich zu Frankfurt aufhielt, kam nach Mainz entgegen; und in dieser Stadt wurde das Gestühl errichtet, wo Lohengrin und Friedrich kämpfen sollten. Der Held vom Gral überwand; Friedrich gestand, die Herzogin angelogen zu haben, und wurde mit Schlägel und Barte (Beil) gerichtet. Elsam fiel nun dem Lohengrin zuteile, die sich längst einander liebten; doch behielt er sich insgeheim voraus, daß ihr Mund alle Fragen nach seiner Herkunft zu vermeiden habe; denn sonst müsse er sie augenblicklich verlassen.
        Eine Zeitlang verlebten die Eheleute in ungestörtem Glück, und Lohengrin beherrschte das Land weise und mächtig; auch dem Kaiser leistete er auf den Zügen gegen die Hunnen und Heiden große Dienste. Es trug sich aber zu, daß er einmal im Speerwechsel den Herzog von Kleve herunterstach und dieser den Arm zerbrach; neidisch redete da die Klever Herzogin laut unter den Frauen: »Ein kühner Held mag Lohengrin sein, und Christenglauben scheint er zu haben; schade, daß Adels halben sein Ruhm gering ist; denn niemand weiß, woher er ans Land geschwommen kam.« Dies Wort ging der Herzogin von Brabant durch das Herz, sie errötete und erblich. Nachts im Bette, als ihr Gemahl sie in Armen hielt, weinte sie; er sprach: »Lieb, was wirret dir?« Sie antwortete: »Die Klever Herzogin hat mich zu tiefem Seufzen gebracht«, aber Lohengrin schwieg und fragte nicht weiter. Die zweite Nacht weinte sie wieder; er aber merkte es wohl und stillte sie nochmals. Allein in der dritten Nacht konnte sich Elsam nicht länger halten und sprach: »Herr, zürnt mir nicht! Ich wüßte gern, von wannen Ihr geboren seid; denn mein Herz sagt mir, ihr seiet reich an Adel.« Als nun der Tag anbrach, erklärte Lohengrin öffentlich, von woher er stamme: daß Parzival sein Vater sei und Gott ihn vom Grale hergesandt habe. Darauf ließ er seine beiden Kinder bringen, die ihm die Herzogin geboren, küßte sie und befahl, ihnen Horn und Schwert, das er zurücklasse, wohl aufzuheben; der Herzogin ließ er das Fingerlein, das ihm einst seine Mutter geschenkt hatte. Da kam mit Eile sein Freund, der Schwan, geschwommen, hinter ihm das Schifflein; der Fürst trat hinein und fuhr wider Wasser und Wege in des Grales Amt. Elsam sank ohnmächtig nieder, daß man mit einem Keil ihre Zähne aufbrechen und ihr Wasser eingießen mußte. Kaiser und Reich nahmen sich der Waisen an; die Kinder hießen Johann und Lohengrin. Die Witwe aber weinte und klagte ihr übriges Leben lang um den geliebten Gemahl, der nimmer wiederkehrte."

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    Standort:
    Das Lohengrin-Erlebnis Ludwigs II.
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    _ Querverweise:
    Integrative Deutung _Psychographie_ Ludwig II. und die Kunst_ Überblick Ludwig II. _
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    Zitierung
    Sponsel, Rudolf (DAS). Das Lohengrin-Erlebnis Ludwigs II. Aus unserer Abteilung Medizinische Psychosomatik, Psychopathologie und Psychiatrie.  IP-GIPT. Erlangen: https://www.sgipt.org/medppp/zwang/ludwig2/loheng.htm
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