Das Lohengrin-Erlebnis Ludwigs II.
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Einführung_Lohengrin_Schlüsselerlebnis_Wagnerverehrung_Lohengrin-Sage_
_ Querverweise:
Integrative
Deutung _Psychographie_
Ludwig
II. und die Kunst_ Überblick
Ludwig II. _
Einführung: Kunst und Literatur, und hier ganz hervorstechend die Prachtbauten französischer Vorbilder, besonders Ludwig XIV., auf der einen Seite und der Schöpfungen Wagners - der ohne die Förderung Ludwigs II. vermutlich nicht der hätte werden können, der er wurde - auf der anderen Seite spielten im Leben des Königs eine zentrale Rolle. Ob, was und wie er damit kompensierte, erörtere ich an derer Stelle. Die Leidenschaft für Wagner fiel in die Pubertät und Heranwachsenden-Zeit Ludwigs. In dieser Zeit spielt die Entfaltung der Sexualität und die Grundlegung einer eigenen Identität gewöhnlich eine große Rolle. Wer bin ich? Wer möchte ich sein? Wozu bin ich da? Was bedeutet mir das Leben? Das sind grundlegende metaphysische Fragen auf die der junge Mensch in diesem Alter eine persönliche und nicht selten auf dramatische Weise Antworten sucht. In diese entwicklungspsychologisch naturgemäß sehr aufwühlende Phase fällt Ludwigs Lohengrin-Erlebnis, das man als Schlüsselerlebnis bezeichnen könnte. Ein Schlüsselerlebnis ist eine sehr tiefgreifende, durch- und durchgehende Erfahrung, wodurch 'Lebensweichen' gestellt und Entscheidungen herbei geführt werden.
Hacker
[33] berichtet:
"Entscheidend wird für den heranwachsenden Kronprinzen die Begegnung
mit den Werken Richard Wagners, in denen er die geliebte deutsche Sagenwelt
wiederfindet. Einen gewaltigen Eindruck auf Ludwig macht die erste Opernaufführung
seines Lebens, der er am 2. Februar 1861 beiwohnt; es ist »Lohengrin«.
Tief bewegt sieht der fünfzehnjährige Kronprinz die ihm von Kindheit
an vertraute Gestalt des Schwanenritters auf der Bühne Wirklichkeit
werden."
[Nach
Hacker
33] "Gottfried von Böhm:
Der Kronprinz vergoß darüber Tränen höchsten Entzückens,
lernte in der Einsamkeit seines Zimmers und des Parkes das Textbuch und
die ührigen Dramen Wagners auswendig und las »mit brennender
Begier« auch die Prosaschriften Wagners, besonders das »Kunstwerk
der Zukunft«, das er anläßlich eines Besuches bei Herzog
Max auf dem Klavier liegen sah und das besonders durch das Wort »Zukunft«
seine Aufmerksamkeit auf sich gezogen haben soll. [>34]
Die Hofdame der Königinmutter, Gräfin Fugger, die ihm gleichfalls Werke von Wagner schenkte, und andere Persönlichkeiten des Hofes glaubten durch die etwas schwierige Lektüre dieser Werke die Begeisterung des Kronprinzen für Wagner abzukühlen; allein sie täuschten sich. Der Gedanke an die Heldengestalten der Wagnerischen Werke spann fort in seiner regen Phantasie; er ließ sich nach seinen eigenen Angaben von seinem Zeichenlehrer, Leopold Rottmann, Kostüme, Szenerien und Gestalten aus jener Sphäre malen und hielt auf seinen Spaziergängen Umschau nach Gestalten vom Typus des Schwanenritters.
Neun Jahre später schreibt Ludwig im Rückblick auf seine erste Lohengrin-Aufführung an Wagner:
So schlecht sie war, so verstand ich doch das Wesen dieses göttlichen Werkes zu erkennen: in seiner Aufführung ward der Keim gelegt zu Unsrer Liebe und Freundschaft bis zum Tod, von dort an ward der bald zur mächtigen Flamme werdende Funke für Unsre heiligen Ideale in mir entzündet.
Und zehn Jahre nach der Aufführung bekennt er:
Unzerreißbar ist das Uns verknüpfende Band, fest auf ewig, heilig und tief beglückend die Liebe, die für Sie in meiner Seele glüht, und vor zehn Jahren hat ein Gott sie in mein Herz gelegt; Heil darum, dreifach Heil »Lohengrin«, denn dort wurzelt die Eiche meiner treuen Liebe zu Ihnen [...]."
Zur allgemein-integrativen Deutung der Bedeutung des Schwanenritters für Ludwig II.
"Geliebter, einziger Freund! |
Zu Wagner besonders zu empfehlen: https://www.richard-wagner-web.de/ (Hinweis) |
"Im ersten Band der "Deutschen Sagen" der Brüder Grimm, erschienen 1816, findet man zum Thema "Lohengrin" gleich mehrere Sagen: "Lohengrin zu Brabant", "Lohengrins Ende in Lothringen" und "Der Schwanenritter". Wagner bezieht sich in seiner Oper in erster Linie auf den Text "Lohengrin zu Brabant".
Der Herzog
von Brabant und Limburg starb, ohne andere Erben als eine junge Tochter
Els oder Elsam zu hinterlassen; diese empfahl er auf dem Todbette einem
seiner Dienstmannen, Friedrich von Telramund. Friedrich, sonst ein tapferer
Held, der zu Stockholm in Schweden einen Drachen getötet hatte, wurde
übermütig und warb um der jungen Herzogin Hand und Land unter
dem falschen Vorgeben, daß sie ihm die Ehe gelobt hatte. Da sie sich
standhaft weigerte, klagte Friedrich bei dem Kaiser Heinrich dem Vogler;
und es wurde Recht gesprochen, daß sie sich im Gotteskampf durch
einen Helden gegen ihn verteidigen müsse. Als sich keiner finden wollte,
betete die Herzogin inbrünstig zu Gott um Rettung. Da erscholl weit
davon zu Montsalvatsch beim Gral der Laut der Glocke, zum Zeichen, daß
jemand dringender Hilfe bedürfe; alsobald beschloß der Gral,
den Sohn Parzivals, Lohengrin, darnach auszusenden. Eben wollte dieser
seinen Fuß in den Stegreif setzen, da kam ein Schwan auf dem Wasser
geflossen und zog hinter sich ein Schiff daher. Kaum erblickte ihn Lohengrin,
als er rief: »Bringt das Roß wieder zur Krippe; ich will nun
mit diesem Vogel ziehen, wohin er mich führt.« Speise im Vertrauen
auf Gott nahm er nicht in das Schiff; nachdem sie fünf Tage über
Meer gefahren hatten, fuhr der Schwan mit dem Schnabel ins Wasser, fing
ein Fischlein auf, aß es halb und gab dem Fürsten die andere
Hälfte zu essen.
Unterdessen hatte Elsam ihre Fürsten und Mannen nach Antwerpen zu
einer Landsprache berufen. Gerade am Tage der Versammlung sah man einen
Schwan die Schelde heraufschwimmen, der ein Schifflein zog, in welchem
Lohengrin auf sein Schild ausgestreckt schlief. Der Schwan landete bald
am Gestade, und der Fürst wurde fröhlich empfangen; kaum hatte
man ihm Helm, Schild und Schwert aus dem Schiff getragen, als der Schwan
sogleich zurückfuhr. Lohengrin vernahm nun das Unrecht, welches die
Herzogin litt, und übernahm es gerne, ihr Kämpfer zu sein. Elsam
ließ hierauf alle ihre Verwandten und Untertanen entbieten, die sich
bereitwillig in großer Zahl einstellten; selbst König Gotthart,
ihr mütterlicher Ahn, kam aus Engelland, durch Gundemar, Abt zu Clarbrunn,
berufen. Der Zug machte sich auf den Weg, sammelte sich nachher vollständig
zu Saarbrück und ging von da nach Mainz. Kaiser Heinrich, der sich
zu Frankfurt aufhielt, kam nach Mainz entgegen; und in dieser Stadt wurde
das Gestühl errichtet, wo Lohengrin und Friedrich kämpfen sollten.
Der Held vom Gral überwand; Friedrich gestand, die Herzogin angelogen
zu haben, und wurde mit Schlägel und Barte (Beil) gerichtet. Elsam
fiel nun dem Lohengrin zuteile, die sich längst einander liebten;
doch behielt er sich insgeheim voraus, daß ihr Mund alle Fragen nach
seiner Herkunft zu vermeiden habe; denn sonst müsse er sie augenblicklich
verlassen.
Eine Zeitlang verlebten die Eheleute in ungestörtem Glück, und
Lohengrin beherrschte das Land weise und mächtig; auch dem Kaiser
leistete er auf den Zügen gegen die Hunnen und Heiden große
Dienste. Es trug sich aber zu, daß er einmal im Speerwechsel den
Herzog von Kleve herunterstach und dieser den Arm zerbrach; neidisch redete
da die Klever Herzogin laut unter den Frauen: »Ein kühner Held
mag Lohengrin sein, und Christenglauben scheint er zu haben; schade, daß
Adels halben sein Ruhm gering ist; denn niemand weiß, woher er ans
Land geschwommen kam.« Dies Wort ging der Herzogin von Brabant durch
das Herz, sie errötete und erblich. Nachts im Bette, als ihr Gemahl
sie in Armen hielt, weinte sie; er sprach: »Lieb, was wirret dir?«
Sie antwortete: »Die Klever Herzogin hat mich zu tiefem Seufzen gebracht«,
aber Lohengrin schwieg und fragte nicht weiter. Die zweite Nacht weinte
sie wieder; er aber merkte es wohl und stillte sie nochmals. Allein in
der dritten Nacht konnte sich Elsam nicht länger halten und sprach:
»Herr, zürnt mir nicht! Ich wüßte gern, von wannen
Ihr geboren seid; denn mein Herz sagt mir, ihr seiet reich an Adel.«
Als nun der Tag anbrach, erklärte Lohengrin öffentlich, von woher
er stamme: daß Parzival sein Vater sei und Gott ihn vom Grale hergesandt
habe. Darauf ließ er seine beiden Kinder bringen, die ihm die Herzogin
geboren, küßte sie und befahl, ihnen Horn und Schwert, das er
zurücklasse, wohl aufzuheben; der Herzogin ließ er das Fingerlein,
das ihm einst seine Mutter geschenkt hatte. Da kam mit Eile sein Freund,
der Schwan, geschwommen, hinter ihm das Schifflein; der Fürst trat
hinein und fuhr wider Wasser und Wege in des Grales Amt. Elsam sank ohnmächtig
nieder, daß man mit einem Keil ihre Zähne aufbrechen und ihr
Wasser eingießen mußte. Kaiser und Reich nahmen sich der Waisen
an; die Kinder hießen Johann und Lohengrin. Die Witwe aber weinte
und klagte ihr übriges Leben lang um den geliebten Gemahl, der nimmer
wiederkehrte."