Das Fest
Inszenierung der "neuen" Studiobühne
Erlangen
im Festsaal der Mensa des Studentenwerks
am 16., 18. und 19. April 2011
Die Geburtstagsgäste haben
in freudiger Erwartung Platz genommen - Bildrechte bei Studiobühne
Eindrücke von Irmgard Rathsmann-Sponsel und Rudolf Sponsel, Erlangen
Team DAS FEST - Bildrechte
bei Studiobühne
ES SPIELEN: Helge - Matthias Nadler; Else - Marie-Christin Schwab; Christian - Andre Groth; Michael - Matthias Maser; Hélène - Nadine Karbacher; Pia - Nadine Raddatz; Kim - Alexander Esswein; Toastmaster - Martin Seeburg; Mette - Sylvia Krüger; Jana - Irmgard Oeser; Lara - Romina Bachner; Sören - Andreas Pommer; Frederik - Thomas Jakob; Michelle - Katharina Schliedermann.
"Das Fest" beinhaltet eine Geschichte, an der PsychologInnen und PsychotherapeutInnen nur schwer vorübergehen können. So waren wir zweifach motiviert, einmal vom Thema und seiner Bearbeitung, zum anderen verfolgen wir gelegentlich ganz gerne, was die "neue" Studiobühne so entwickelt.
Wir entnehmen die Handlung Wikipedia
(Abruf 21.4.11): "Der Hotelier Helge Klingenfeldt-Hansen feiert seinen
60. Geburtstag auf seinem Anwesen. Kurz vor Beginn der Feier treffen sich
dort seine drei Kinder Christian, Michael und Helene. Die Stimmung scheint
hin- und hergerissen zwischen Wiedersehensfreude, den persönlichen
Differenzen der einzelnen Charaktere und der Trauer über den Selbstmord
von Christians Zwillingsschwester Linda. Gemeinsam begrüßen
sie dann die ankommenden Gäste. Das Fest beginnt, als Helge und seine
Frau Else den Saal betreten.
Es ist zu sehen, dass Christian ein enges und freundschaftliches
Verhältnis zu den Bediensteten hat. Vor allem Kellnerin Pia, die in
Christian verliebt ist, und der Koch Kim, Christians bester Freund aus
Kindertagen, scheinen ihm sehr nah zu stehen. Helene geht in Lindas früheres
Zimmer, in dem sie nun übernachten soll. Sie sieht sich intensiv um
und entdeckt einen versteckten Brief. Sie liest ihn und reagiert heftig.
Hektisch flüsternd lässt sie den Brief in einem Tablettenröhrchen
verschwinden.
Zum Essen sind alle um den Tisch versammelt. Als
ältester Sohn hält nun Christian eine Rede, in welcher er offen,
fast analytisch darlegt, wie er und Linda von seinem Vater als Kinder sexuell
missbraucht wurden. Es herrscht Schweigen am Tisch. Christian verlässt
die Tafel, geht in die Küche zu Kim. Er plant, nun abzureisen.
Währenddessen kommt Helenes Freund Gbatokai
an, der sich auf dem Fest ob seiner afrikanischen Herkunft Ablehnung und
sogar Rassismus gefallen lassen muss. Vor allem Michael ist ihm gegenüber
feindselig.
In der Küche weist Kim Christian deutlich darauf
hin, dass seine Geschichte abgetan würde und wirkungslos bliebe, wenn
er nicht weiter für die Wahrheit kämpfe. Wie gerufen kommt darauf
hin Helge herein und bestreitet alle Vorwürfe. Christian kehrt mit
seinem Vater an den Tisch zurück, ergreift das Wort erneut und gibt
seinem Vater offen die Schuld an Lindas Selbstmord. Helge stürmt daraufhin
aus dem Saal, es entsteht eine Pause. Viele der Gäste wollen das Anwesen
verlassen, was nicht möglich ist, da das Personal auf Kims Anweisung
hin sämtliche Autoschlüssel versteckt hat. Christian bleibt allein
im Saal, Helge kommt zu ihm und versucht, ihn einzuschüchtern. Die
Gäste kommen zurück, das Fest soll weitergehen.
Else spricht nun; sie betont Christians geistig
labilen Zustand als Jugendlicher und fordert ihn auf, sich bei seinem Vater
zu entschuldigen. Hierauf offenbart Christian, dass seine Mutter von dem
Missbrauch wusste und nichts unternahm. Er wird aus dem Haus gezerrt, kann
aber erneut die Feier stören. Daraufhin bindet man ihn im nahen Wald
an einen Baum.
Im Haus geht das Fest weiter, der Alkohol fließt.
Nach einem Missverständnis mit Gbatokai beginnt Michael, ein rassistisches
Lied zu singen, die Festgesellschaft stimmt ein. Die gesamte Situation
belastet Helene sehr, sie muss sich übergeben und bittet darauf hin
Pia, ihr ihre Tabletten zu holen. Pia findet so den Brief, und bringt ihn
Christian, der sich befreien konnte und wieder im Haus ist. Christian legt
dem Toastmaster einen anonymen Zettel an den Platz, auf welchem nach Festtradition
der Name der Person steht, die nun eine Rede halten muss. So ist Helene
gezwungen, den Brief vorzulesen.
Linda schreibt darin, dass sie sich, traumatisiert
durch die Angst vor erneutem Missbrauch durch ihren Vater, das Leben nahm.
Wieder kehrt Stille ein. Der nun entlarvte Helge beleidigt seine Kinder
aufs Heftigste und verlässt tobend den Raum, Else folgt ihm. Nachdem
sich die meisten Gäste auf ihre Zimmer zurückgezogen haben, erscheint
Michael völlig betrunken und außer sich vor dem Nebenhaus und
klingelt Helge aus dem Schlaf. Mit Tränen in den Augen prügelt
er auf seinen Vater ein, welcher wehrlos die Schläge und Tritte über
sich ergehen lässt. Am Morgen beim Frühstück erkennt Helge
seine Schuld an der Zerstörung der Familie und die Unverzeihlichkeit
seines Verbrechens an. Nach Michaels Aufforderung verlässt er allein
den Tisch."
DAS FEST fährt fort
- Bildrechte bei Studiobühne
Eindrücke von der Inszenierung - werkorientierte Interpretation.
Neu war für uns die simultane Darstellung mehrerer Parallelszenen, wofür sich der Mensasaal trotz akustischer Mängel aber vorzüglich eignete. Einbezogene szenische Orte: (1) Treppenhaus außerhalb des Hotels und Festsaales, (2) Empfang am Haupt-Eingang, (3) Festsaal, (4) Zimmer oben auf der Bühne, (5) Küche (rechts der Bühne), (6) Flur (links der Bühne), (7) Stehecke parallel zur Festtafel. So hatten Auge und Gehirn den Gesamtraum zu verwalten, was allerdings gut möglich war, da die Parallelszenen meist still abliefen: Telefonat der Empfangsdame, Unterhaltung an der Stehecke, Geschehen auf dem Zimmer oder im Saal.
Szenen aus DAS FEST - Bildrechte
bei Studiobühne: Begrüßung zu Beginn, Empfang, Vater und
missbrauchter Sohn, Gäste Stehecke.
Der dramatische
Kontrast Fest und öffentliche Aufdeckung des Missbrauchs
Die Aufführung dauerte knapp 75 Minuten. Aber das Stück kommt
relativ schnell zur Sache. Im Begrüßungsvorfeld werden bereits
einige Konflikte deutlich. Michael war nach früheren Ausfällen
gar nicht eingeladen und scheint auch noch verkracht mit Schwester Helene,
die in dieser Inszenierung als lesbisch eingeführt wird, worüber
sich Bruder Michael - von Matthias Maser eindrucksvoll dargestellt
- zusätzlich erregt. Er wird als promiskuitiver Macho vorgeführt,
der immer und überall Quickiequalitäten zu entfalten weiß
- auch mit Folgen bei der einen oder anderen Gelegenheit. Der Selbstmord
der Schwester Linda wird übergangen. Dieses Übergehen kriegt
man erst allmählich mit. Und nach kurzer Einführungsrede des
nett wirkenden Vaters, der an seinem 60. Geburtstag geehrt werden soll,
steht sein Sohn Christian auf und konsterniert die Festgäste mit seiner
Missbrauchsrede. Der Schock über den ungeheuerlichen Inhalt
ist so groß, dass der Vorwurf zunächst von der ganzen Runde
verleugnet,
d.h. ausgeblendet wird, als ob er nicht geäußert worden wäre.
Damit ist für starke Spannung gesorgt und die Geschichte wird Zug
um Zug dramatisch entwickelt. Um zu verhindern, dass sich die Gäste
der ungeheuerlichen Wahrheit vorzeitig durch Abreise entziehen, hat Kim
das Personal angewiesen, alle Autoschlüssel zu verstecken.
Das Faszinosum
bürgerlicher Verlogenheit und Verleugnung
Zunächst sorgt der Jägerchor
(aus dem Freischütz), bei dem die Runde mit schmettert, für einen
dramatisch-grotesken Kontrast (Der Vater ist Jäger und gerade von
einer Jagd zurückgekehrt.). Aber das Überspielen gelingt nur
kurz. Obwohl Christian in seiner zweiten Rede zunächst den Anschein
erweckt, als wollte er seine Vorwürfe zurücknehmen, bekräftigt
er sie. Soweit, dass er dem Vater die Schuld an dem Selbstmord der Schwester
gibt: "Trinken wir auf den Mörder meiner Schwester." Ein weiterer
Höhepunkt der Verleugnung im Stück ist zweifellos die surreal
anmutende Polonaise, eine irre Szene, in der mit extremer Heiterkeit die
schockierenden Mitteilungen überspielt werden. Geradezu doppeldeutig-widersprüchlich
erschien die Maskerade, die Assoziationen an Fasching hervorrief: da wird
ebenso gefeiert wie die Sau rausgelassen und die Wahrheit gesagt. Gut ins
bürgerliche Bild passt auch der Versuch der Mutter in ihrer Rede über
ihre Kinder, den aufdeckenden Sohn Christian als Fantasten zu neutralisieren
statt ihre Duldung und Mitwisserschaft zu bekennen.
Szenen aus DAS FEST - Bildrechte
bei Studiobühne
Allmählich wendet sich das Blatt und die Wahrheit scheint mehr und mehr zu ergreifen. Dies findet seinen Höhepunkt und Abschluss in der Verlesung des Abschiedsbriefes von Linda durch Helene. Alle schweigen als der Vater aufsteht und sich dazu versteigt, sie zu beschimpfen: "Ihr wart nicht mehr wert". Es kommt wieder zum Eklat als Michael auf den Vater losgeht und auf ihn einprügelt. Am nächsten Morgen, am Ende, schließlich räumt er seine Schuld ein.
Und die Moral von der Geschicht? Die Lüge trägt auf Dauer nicht. Jedenfalls nicht, wenn es um solche Dimensionen geht. Das wurde eindrucksvoll dargestellt.
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korrigiert: irs 22.04.2011