Erleben und Erlebnis bei Kurt Lewin
Originalrecherche von Rudolf Sponsel, Erlangen
Zur Methode der Fundstellen-Textanalyse. * Hauptbedeutungen Erleben und Erlebnis * Zusammenfassung Hauptseite *
Von der 7bändigen Werkausgabe sind 4 erschienen, weitere sollen
nicht mehr erscheinen. Ich habe die Sachregister der 4 Werkausgaben durchgesehen.
Nur Bd. I enthält Sachregistereinträge zu "Erlebnis":
Ich habe die Arbeit eingescannt, PDF-durchsuchbar gemacht und fand:
e:= erleben 0, erlebt 15, E.= Erlebnis 274.
Fazit: Lewin bearbeitet in diesem Nachlasswerk
von 59 Seiten ein für die Psychologie außerordentlich wichtiges
Thema, das bis heute nicht angemessen und allgemeinverbindlich gelöst
wurde. Zunächst gibt er an:
Gerade weil die Instruktion und evtl. auch Schulung so wichtig ist,
wäre es m.E. notwendig gewesen den Vpn gründlicher und mit reichlich
Beispielen versehen, auseinanderzusetzen, was die PsychologIn unter erleben
und Erlebnis versteht. Das hat Lewin nicht geleistet, wie aus dem "Anhang:
Allgemeine Instruktion an die Vp über die Selbstbeobachtung"
hervorgeht. Sie enthält 12x "Erlebnis", aber keine Begriffs-Erklärung.
Auch die Anfangsseiten dieser wichtigen Arbeit nicht, so dass hier für
die Psychologie noch viel zu tun bleibt. Umso verdienstvoller ist Lewins
Vorarbeit.
153: "Ja es wird bisweilen die Forderung erhoben, daß
überhaupt nur wissenschaftlich-psychologisch gebildete Vpn zu
Experimenten
mit Selbstbeobachtung heranzuziehen sind. Gegen eine
derartige Beschränkung in der Wahl der Vpn machen sich nun aber
eine ganze Reihe von Momenten geltend. Einmal haben die psychologischen
Laien als Vpn unzweifelhaft den Vorteil größerer Unbefangenheit.
Wenn man die Gefahr, die die Kenntnis der psychologischen
Theorien und das Vertreten eines bestimmten Standpunktes
für die richtige Beschreibung der LE153.E1Erlebnisse
mit sich bringen, auch
durchaus nicht überschätzen darf' — es scheint dies individuell
sehr
zu variieren —, so läßt sich für die Verwendung von
Laien bei der
Selbstbeobachtung doch manches anführen, was dem «unwissentlichen
Verfahren»b volle Anerkennung verschafft hat. Wichtiger noch
ist es, daß sowohl die Allgemeine Psychologie wie auch die Individualpsychologie
ein großes Interesse daran haben, sich jedes beliebige
Individuum als Vp auch für Versuche mit Selbstbeobachtungen [154]
zugänglich machen zu können. Es muß hier zweifellos
das Ziel der
Psychologie sein, Wege zu finden, die Individuen verschiedener,
auch sehr weit nach Bildung, Alter, Temperament usw. voneinander
abweichender Gruppen ohne allzu große Vorbereitung für die
Selbstbeobachtung verwenden zu können."
157: "2. Die Aussagen der Versuchsperson
Zur Beurteilung eines derartigen Verfahrens bei der Selbstbeobachtung
hat man sich zunächst darüber klar zu werden, als was man
die
Äußerungen der Vp betrachten und wie man sie benutzen will.
Die
Äußerungen der Vp nach dem Versuche werden teilweise direkt
durch den Versuch selbst verursacht, etwa durch den Ausruf «ach
Quatsch!» nach einer falschen Reaktion. Und man kann allgemein
die Frage stellen: Wann drängt in der Nachperiode
ein LE157.E1Erlebnis
zu
seiner Mitteilung oder einer Äußerung? Zur Untersuchung
dieses
Problems wird man naturgemäß jede Beeinflussung, die zu
einer
Äußerung außerhalb des eigentlichen Versuches der
Vp führen
könnte, vermeiden. Daher können Versuche, bei denen, wie
bei
Kramers, jede durch Frage verursachte Beeinflussung der Vp durch
Fragen vermieden wird, gewiß aufschlußreich sein. Allerdings
wäre
es dann wahrscheinlich zweckmäßiger und jedenfalls konsequenter,
zunächst wie von jeder anderen Beeinflussung auch davon abzusehen,
die Tendenz, sich zu äußern, durch eine entsprechende Aufforderung
zu verstärken; oder man sollte doch eine solche Verstärkung
nicht in die Aufforderung zur Beschreibung des LE157.e1Erlebten
kleiden.
Denn in diesem Falle wird es sich schwer im einzelnen entscheiden
lassen, was lediglich auf diese Instruktion hin und was aus anderen
Ursachen heraus ausgesagt worden ist. Vor allem aber erscheint die
Form der Aussagen den Vpn durch die Instruktion der Beschreibung
unnötig eingeschränkt."
157f: "Bei dieser Fragestellung sind die Aussagen der Vpn eindeutig
zu
verwerten als Wirkungen bestimmter vorhergehender Ereignisse; das
Ziel ist, den Ursachenzusammenhang zu erforschen, von dem die
Äußerungen der Vpn ein Teil sind. Der VI hat dann gar kein
direktes
Interesse daran, daß die Äußerungen der Vpn, soweit
sie Mitteilungen
über das LE157.e2Erlebte
darstellen, immer als psychologische Beschreibung
des LE157.e3Erlebten
richtig sind. Allenfalls interessiert es ihn,
unter welchen Umständen die Tendenz der Vp, sich mitzuteilen,
zu
einer richtigen und wann sie zu einer falschen Beschreibung führt.
Sein Hauptaugenmerk aber muß es sein, jede Störung und jeden
außerhalb des Versuches selbst liegenden Einfluß auszuschließen,
der eine Äußerung der Vp mitbedingen könnte. Aus Äußerungen,
die unter solchen Umständen zustande gekommen sind, wird man
jedoch nur mit ganz besonderer Vorsicht auf die wirklich dagewese-[>158]"
nen psychischen LE158.E1Erlebnisse
schließen können. Eine derartige Untersuchung
der Entstehungsbedingung einer Aussage setzt vielmehr
gerade voraus, daß die vor und während der Äußerung
wirklich
eingetretenen LE158.E2Erlebnisse
jedenfalls in einem gewissen Umfange bereits
aus einer anderen Quelle her bekannt sind oder durch eine
noch nachträglich einsetzende wirkliche Beschreibung aufgeklärt
werden.
Es wäre nun ein sehr eigenartiger Zufall, wenn
dieselben Umstände,
die die geeigneten Bedingungen zur Erforschung der Gesetze
sind, nach denen sprachliche Äußerungen auf durch Versuche
gesetzte Reize hin erfolgen, auch die günstigsten Vorbedingungen
für eine möglichst richtige und genaue Beschreibung der in
dem
vorhergehenden Versuche aufgetretenen LE158.E3Erlebnisse
darstellen.
Aber gerade das, nämlich das Bestimmen der wirklich dagewesenen
psychischen LE158.E4Erlebnisse
mit Hilfe der Aussagen der Vpn, soll die
Selbstbeobachtung auch bei Kramers'° erzielen, und nur nebenbei
werden einige Bemerkungen, die das oben skizzierte Problem berühren,
gemacht. Der Hauptzweck der Aussagen und das Motiv,
aus dem heraus Beeinflussungen der Vp vermieden werden, sind es,
daß die Aussagen eine richtige und getreue psychologische Beschreibung
darstellen sollen.
Das Ablehnen einer jeden derartigen Beeinflussung
der Vp durch
den VI setzt nun voraus, daß die Vp, sofern man sie nur ganz
sich
selbst überläßt, diese Aufgabe wirklich erfüllt,
und das heißt, daß
ein Eingreifen des V1 den Wert der Aussagen als richtige und eindeutige
Beschreibung nur herabmindern kann, die sich selbst überlassene
Vp also die bestmögliche Beschreibung liefert. Allerdings
pflegt man dabei nicht ganz konsequent zu sein: Noch nie hat meines
Wissens jemand auch die Beeinflussung zu vermeiden gesucht,
die in der ganz zu Anfang der Versuche gegebenen Instruktion, «die
Vp solle ihre LE158.E5Erlebnisse
beschreiben», liegt.
Die skizzierte Ansicht besagt also: Der höchste
Beschreibungswert
der Aussagen der Vp wird dadurch erzielt, daß man der Vp
lediglich die allgemeine Instruktion erteilt, sie solle das Erlebte
beschreiben,
und sie im übrigen möglichst wenig positiv in Betreff
Selbstbeobachtung beeinflußt.
Diese Ansicht wäre allenfalls verständlich,
wenn es für eine richtige
Beschreibung ausschließlich darauf ankäme, daß nach
dem Versuch
ein möglichst ungestörter Erinnerungsprozeß oder «Perseverationen»
sich entwickelten". Daß dem in Wirklichkeit aber nicht so
ist, sieht man besonders an den, wenn auch seltenen Fällen, wo
Vpn
— und zwar auch sehr gute — angeben, sie hätten die während
des [>159]
Versuches eingetretenen LE159.E1Erlebnisse
durchaus sicher und deutlich
gegenwärtig, sie seien aber zu einer Beschreibung dieser LE159.E2Erlebnisse
nicht imstande. Es fehlt in diesen Fällen der Vp nicht etwa ein
Ausdruck, eine passende Bezeichnung — bis zu dem rein Sprachlichen
ist sie noch gar nicht gekommen —, vielmehr steht sie dem
LE159.E3Erlebnis deshalb
ratlos gegenüber, weil ihr jede Methode, es zu
ordnen, und weil ihr jedes Mittel, die LE159.E4Erlebnissefür
die Aussage zu
gruppieren, fehlt. In diesen Fällen zeigt es sich besonders deutlich,
daß es für die Beschreibung zwar wesentlich ist, aber doch
nicht
genügt, ein LE159.E6Erlebnis
gegenwärtig zu haben; vielmehr muß vor der
Aussage noch eine Bearbeitung des LE159.E7Erlebnisses
zum Zwecke der
Beschreibung durch die Vp erfolgen.
Diese faktisch immer stattfindende
und auch notwendige nachträgliche Bearbeitung
ihrer LE159.E8Erlebnisse
durch die Vp findet aber nun durchaus nicht immer im
Sinne einer reinen Beschreibung statt. Die Vp hat sehr häufig
und
normalerweise zunächst die Tendenz, bei der Darstellung auf dieselbe
Art wie sonst im Leben zu verfahren; und das heißt 1. nicht nur
zu
«beschreiben», sondern auch zu «erklären»,
und 2. auch, soweit sie
nicht Theorien von sich gibt, nach der Art der Juristen und Pädagogen
eine gewisse Bewertung und Deutung der LE159.E9Erlebnisse
vorzunehmen,
statt sie wie wertfreie Seinsobjekte zu behandeln, bei denen
lediglich nach ihrer Existenz zu fragen ist. Und doch hängt die
Brauchbarkeit der Aussagen als Mittel zur Feststellung der
tatsächlichen
LE159.E10«Erlebnisse»
im Sinne der Psychologie durchaus davon ab,
ob die Beschreibung der LE159.E11Erlebnisse
durch die Vp tatsächlich im
Sinne einer «reinen psychologischen Beschreibung» stattgefunden
hat oder nicht.
Neben dieser Bearbeitung findet ferner eine mehr
oder weniger
bewußte Auswahl statt, die die Vp bei der Beschreibung unter
den
vorliegenden LE159.E12Erlebnissen
trifft. Abgesehen davon, daß die Erlebnisse,
die für die Vp beianders stark und eindringlich gewesen sind und
sich
auch in der Mitteilung gegenüber den schwächeren
LE159.E13Erlebnissen
über Gebühr hervordrängen — derart, daß sie bisweilen
zu spontanen
Äußerungen ohne vorherige Überlegung oder Absicht führen
—,
findet eine Verschiebung der Aussage dadurch statt, daß die Vp
das
eine LE159.E14Erlebnis für zu unwichtig,
das andere für zu LE159.E15undeutlich,
das dritte
für zu LE159.E16blamabel
oder LE159.E17ähnliches
hält und aus diesem Grunde nicht
berichtet, auch wenn es sich um eindringliche LE159.E18Erlebnisse
handelt.
So kommt es öfters vor, daß die Vp, gedrängt durch
die Stärke des
LE159.E19Erlebnisses,
einen Bericht anfangen will, ihn aber sogleich mit der
Bemerkung «das ist wohl unwichtig» abbricht
160ff: "3. Die Fehlerquellen bei unbeeinflußten Versuchspersonen
und Kramers' Methode
Es ist überhaupt ganz falsch anzunehmen, daß, wenn man eine
Beeinflussung der Vp hinsichtlich der Selbstbeobachtung unterläßt,
die Aussage lediglich nach dem jeweiligen LE160.E1Erlebnis
erfolgt, so, als ob
nur durch den VI eine solche verfälschende Beeinflussung zustande
kommen könnte. Eine gewisse Auswahl muß nämlich in
der Regel
selbst noch unter dem Rest, den die Vp von den LE160.E2Erlebnissen
gegenwärtig
hat, stattfinden, weil eine nach jeder Richtung und in jeder
Beziehung «erschöpfende Beschreibung» selbst bei LE160.E3Erlebnissen,
die
nur wenige Sekunden dauern, doch sehr häufig viel zu lange Zeit
(weit über eine Viertelstunde) in Anspruch nehmen würde und
daher
eine wirklich erschöpfende Beschreibung der LE160.E4Erlebnisse
eines
einzelnen Versuches, abgesehen von theoretischen Bedenken, in der
Regel schon rein technisch aussichtslos erscheint.
Da also eine gewisse Auswahl unter den LE160.E5Erlebnissen
sehr häufig
doch stattfinden muß, ist es doppelt verständlich, daß
hierbei als
Auswahlprinzipien jene zufälligen Theorien und Interessen maßgebend
sind, die bei der jeweiligen Vp gerade vorhanden sind. Diese
Interessen drängen sich bei der Selbstbeobachtung bisweilen mit
großer Energie hervor. Die Vp will durchaus herausbekommen, ob
eine ganz spezielle Eigentümlichkeit einem
LE160.E6Erlebnis
zukommt
oder
nicht. Sie klassifiziert dann lediglich nach dieser Eigentümlichkeit,
trennt LE160.E7Erlebnisse,
die im übrigen ihren ganzen sonstigen Eigenschaften
nach eng zueinander gehören, und wirft umgekehrt LE160.E8Erlebnisse,
die sich ihrem Habitus nach ganz fremdartig gegenüberstehen,
für die Beschreibung in einen Topf. Es ist klar, daß man
auf
diese Weise zu sehr gezwungenen und ganz inadäquaten Beschreibungen
und Gruppierungen, ja scheinbar zu ganz anderen LE160.E9Erlebnissen
kommt. Diese Gefahr, der besonders Psychologen, also nach
anderer Hinsicht vorteilhaft ausgezeichnete Vpn, unterliegen, ist
vor allem deshalb zu erwähnen, weil die für die Beschreibung
maßgebende
Auswahl und sonstige Bearbeitung der LE160.E10Erlebnisse
nicht als
gesonderte Tätigkeit nach dem Sich-vergegenwärtigen und Merken
der LE160.E11Erlebnisse
stattfindet. Vielmehr geht diese Bearbeitung und
Auswahl in der Regel bereits während des Sich-erinnerns und des
«Auswicklungsprozesses»'3 vor sich. So ist es leicht verständlich,
wie bestimmt gerichtete Interessen unter Umständen gewisse LE160.E12Erlebnisse
für die Aussage einfach totschlagen können, zumal solche,
die reine Beschreibung verfälschende Auswahl- und Darstellungsprinzipien,
sich nur sehr schwer oder überhaupt nicht mehr ausrot-]>161]
ten lassen, sobald man sie nur eine gewisse Zeit hat gewähren
lassen'4.
Neben dieser Bearbeitung, Auswahl und Gruppierung
der LE161.E1Erlebnisse
durch die Vp findet das Formulieren im engeren Sinne, nämlich
das Bezeichnen der LE161.E2Erlebnisse
durch Worte, statt. Auch dabei
kann das Bild der LE161.E3Erlebnisse
bekanntlich verschoben werden und
dem Wert der Aussage als Beschreibung Abbruch getan werden,
und zwar einmal dadurch, daß die Vp nicht eine völlig passende
Bezeichnung für ein LE161.E4Erlebnis
findet, und zweitens dadurch, daß der
Vl unter der Bezeichnung etwas anderes versteht als die Vp und
daher bei der weiteren Bearbeitung der Protokolle zu falschen
Schlüssen geführt wird. Kommt es doch, selbst wenn man auf
die
Terminologie besonders achtet und sich über jeden neuen Terminus
möglichst bald und eingehend zu orientieren sucht, trotzdem vor,
daß die Vp eine bestimmte Bezeichnung lange benutzt, ehe das
Mißverständnis bemerkt wird.
Ganz abgesehen also von der durch das jeweilige
LE161.E5Erlebnis
selbst
bedingten Verschiebung in der Beschreibung wird das LE161.E6Erlebnis
vor
der Aussage einer sehr beträchtlichen Bearbeitung durch die Vp
unterzogen, einer Bearbeitung, die durchaus nicht in der Richtung
auf eine «reine Beschreibung» im Sinne der Psychologie
zu liegen
braucht und auch tatsächlich sehr häufig, gemäß
ihrer Abhängigkeit
von den zufälligen Interessen und Theorien der Vp und ihrer
natürlichen Einstellung auf die Darstellungsweise des praktischen
Lebens,
den Wert der Aussage als Beschreibung stark herabsetzt oder
vernichtet. Ferner hat man ohne Verständigung mit der Vp keine
Gewähr dafür, daß man die Aussage wirklich so auffaßt,
wie sie die
Vp gemeint hat.
Ein ausgezeichneter Beleg für diese Behauptungen
ist die Arbeit
von Kramers, die insofern ein bemerkenswertes Experiment über
die Folgen der völligen Passivität des V1 für die Selbstbeobachtungen
der Vpn darstellt. Unter den sehr zahlreich angeführten Protokollen
kommen solche, die man mit Sicherheit lediglich als Beschreibung
der aufgetretenen psychischen LE161.E7Erlebnisse
ansprechen könnte,
nur selten vor. Zum größten Teil bestehen die Protokolle
aus Bewertungen,
Theorien und vor allem aus Angaben der Bedeutung der
abgelaufenen Vorgänge, oder es sind doch derartige Äußerungen
mit der psychologischen Beschreibung untrennbar vermischt. Daher
ist ein eindeutiger Schluß von den Protokollen auf die wirklich
aufgetretenen LE161.E8Erlebnisse
selten möglich — ganz abgesehen natürlich
von der Irrtumsmöglichkeit der Vp und dem Fehlen jeder direkten
Kontrolle der Selbstbeobachtungsangaben durch den Vl. Ich greife [>162]
irgendein noch verhältnismäßig günstiges Protokoll
als Beispiel heraus'
15: «512 E, II ... unangenehmes Gefühl dadurch, daß
die Zahl
sich nicht an eine bekannte angleichen ließ.» Soll das
heißen, daß
ein aktives explizites Herumprobieren der Vp stattgefunden hat und
etwa folgende LE162.E1Erlebnisse
aufgetreten sind: positives Unbekanntheitserlebnis,
Bewußtheit der Instruktion, Absicht zu suchen und
Bewußtseinslage des Suchens, Auftreten visueller Zahlvorstellungen
usw. usw.? Und welche der viel möglichen LE162.E2Erlebnisse
sind denn
wirklich aufgetreten; oder war etwa außer dem unangenehmen Gefühl
gar nichts LE162.E3erlebnismäßig
gegeben, so daß die Worte der Vp nur
ein nachträgliches theoretisches Zurückführen des Gefühles
auf das
Nichtauftreten positiver LE162.E4Bekanntheitserlebnisse
bedeuten; oder
wurde etwa umgekehrt sogar die Abhängigkeit der beiden Ereignisse
im Versuch LE162.e1erlebt?
Dem Protokoll läßt sich jedenfalls unmittelbar
eine eindeutige
Behauptung über die in dieser Richtung aufgetretenen LE162.E5Erlebnisse
nicht entnehmen. Kramers ist denn auch gezwungen, die Protokolle
einer Interpretation zu unterziehen, die notwendigerweise bei der
großen Fülle der möglichen Deutungen äußerst
hypothetisch ist. Es
ist eben von ihm wie häufig bei der Aufstellung der Regeln für
die
Selbstbeobachtung nicht berücksichtigt worden, daß vom V1
ja
doch auf alle Fälle eine mehr oder weniger weitgehende Bearbeitung
der Protokolle vorgenommen wird. Der VI muß das Material ordnen
und gruppieren und stellt zumindest Behauptungen über die
Existenz ganz bestimmter psychischer Sachverhalte auf. Das aber
setzt als erste Grundbedingung voraus, daß er den Wortlaut der
Aussagen richtig im Sinne der Vp verstanden hat. Benutzt man nun
den gegebenen Weg, wenigstens in dieser Hinsicht eindeutige Klarheit
zu schaffen, nicht, das heißt, fragt man nicht einfach die Vp,
was sie gemeint hat, so muß man schon bei der Interpretation
zu
ausgesprochenen Hypothesenbildungen greifen. Schon allein die
bei solcher Interpretation auftretenden Fehlermöglichkeiten aber
scheinen mir die durch das Fragen und sonstiges Beeinflussen von
seiten des VI entstehende Suggestions- und Störungsgefahr selbst
für den Fall geringer Vorsicht des VI durchaus zu übersteigen.
(Oder meint etwa Kramers, für den die Furcht, den Bericht zu
stören, das Hauptmotiv für das Unterlassen von Fragen und
von
speziellen Instruktionen bildet'6, daß im Falle solcher Instruktionen
und Fragen wirklich noch weniger zahlreiche und weniger eindeutige,
richtige Aussagen gemacht worden wären? Ein Versuch würde
vom Gegenteil überzeugen.) Eine geringere Zahl eindeutiger Aussagen
— ganz zu schweigen von der Sicherung ihrer Richtigkeit, für die
[>163]
mit dem Fragen eine Hauptkontrollmöglichkeit unverwertet gelassen
wird — hätte sich bei den Vpn Kramers' auch durch eine sehr
intensive «Störung», durch spezielle Instruktionen
über die Selbstbeobachtung
und durch Fragen wohl kaum erzielen lassen. Es
kommt hinzu, daß die Kramerssche Methode auch nur zur Gewinnung
eines allgemeinen Überblickes deshalb ungeeignet ist, weil
man wegen der Unregelmäßigkeit der Berichterstattung von
seiten
der Vp nie sicher ist, ob die angegebenen Vorgänge eine Ausnahme
oder die Regel bilden. Auch hier müssen irgendwelche Hypothesen,
die sich der Natur der Sache nach kaum fundieren lassen, aushelfen
darüber, ob nichts berichtet wird, weil keine LE163.E1Erlebnisse
eingetreten
sind, oder ob die LE163.E2Erlebnisse
nur nicht berichtet sind und warum sie es
nicht sind'7. Vollends unbrauchbar ist diese Methode zum Aufstellen
allgemeiner Sätze, weil ja eine auch nur einigermaßen vollständige
Induktion unmöglich ist. Dadurch, daß der V1 sich bei der
Beeinflussung der Vp auf die allgemeine Instruktion, Selbstbeobachtungen
zu machen, beschränkt, wird demnach der Hauptwert
des Experimentierens in der beschreibenden Psychologie zum großen
Teil wieder aufgehoben: Auch wenn das Auftreten der LE163.E3Erlebnisse
systematisch herbeigeführt wird, so ist man in bezug auf die Beschreibung
doch wieder ebenso wie vor Einführung des Experimentes auf
gelegentliche Angaben angewiesen.
4. Die Notwendigkeit pädagogischer Beeinflussung
Eine Vp in bezug auf ihre Aussagen (einmal abgesehen von der
allgemeinen Instruktion zur Selbstbeobachtung) vollkommen unbeeinflußt
zu lassen, gibt also nicht eine Gewähr dafür, daß das
Protokoll eine möglichst richtige und eindeutige Beschreibung
darstellt,
sondern es bedeutet, das LE163.E4Erlebnis
einer ganz zufälligen Bearbeitungsweise
und Bezeichnung seitens der Vp auszusetzen, die
naturgemäß nicht im Sinne einer richtigen Beschreibung liegt,
und
damit Aussagen zu erhalten, deren Richtigkeit als Beschreibung
jedenfalls ganz unkontrolliert ist. Es bedeutet ferner, jede Vp von
neuem eigene Mittel für das zweckmäßige Verhalten bei
der Selbstbeobachtung
suchen zu lassen, statt die gewonnenen Erfahrungen
ihr als Hilfsmittel zur Verfügung zu stellen. Die Aufgabe der
Beeinflussung
der Vp ist damit, wenn anders die Aussage einen Wert als
Beschreibung der wirklichen LE163.E5Erlebnisse
besitzen sollen, als notwendig
erwiesen, und in ihrer Allgemeinheit zugleich klar bestimmt: Es
gilt, die etwaigen falschen Bearbeitungsweisen (im weitesten Sinne)
nach Möglichkeit auszuschalten und an ihre Stelle die im Sinne
[>164]
einer reinen Beschreibung richtigen Verhaltensweisen zu setzen
oder dort, wo die richtige Verhaltensweise bereits besteht, sich ihrer
zu vergewissern und sie fortlaufend zu kontrollieren. Ferner ist in
der Terminologie die für das gegenseitige Verständnis notwendige
Einheitlichkeit herzustellen.
Wie weit darüber hinaus und nach welcher Richtung
im einzelnen
die Vp zu beeinflussen ist, das hängt zunächst einmal davon
ab,
was die Versuche bezwecken: ob sie z. B. mehr einen Überblick
über
die wichtigen Phasen des ganzen LE164.E1Erlebnisses,
oder mehr eine genaue
Analyse eines LE164.E2Teilerlebnisses
erstreben. Aber auch in dieser Hinsicht
wird es sehr oft besser sein, die Bearbeitungsweise dem Zufall
und der Willkür der Vp zu entreißen, die die Protokolle
verschiedener
Vpn bis zu einem gewissen Grade ja unvergleichbar machen
muß, und an ihre Stelle eine gewisse Ordnung und Gleichmäßigkeit
zu setzen. Jedenfalls aber bleibt die Grundforderung, daß, wenn
man die Aussagen der Vp als Beschreibung ihrer LE164.E4Erlebnisse
ansehen
will, man eine Gewähr dafür haben muß, daß die
Bearbeitungsweise
im Sinne einer Beschreibung erfolgt ist und daß die Vp mit
ihren Worten tatsächlich das meint, was der Vl darunter versteht.
Zugleich ist damit der Gesichtspunkt festgelegt,
nach dem das
Verhalten des Vl der Vp gegenüber zu bestimmen ist: Es handelt
sich nicht darum, möglichst reine und psychologisch einfache und
konstante Bedingungen für das Entstehen und Auftreten einer Aussage
herzustellen, sondern darum, eine bestimmte Leistung eventuell
mit in den verschiedenen Fällen sehr verschiedenen Mitteln zu
erzielen: nämlich eine möglichst richtige und sichergestellte,
psychologische
Beschreibung der LE164.E5Versuchserlebnisse
— von der Vollständigkeit
der Beschreibung sehe ich zunächst ganz ab, weil sie von
dem jeweiligen Zweck der Versuche abhängig ist. Demnach haben
nicht die allgemeinen Prinzipien psychologischer Erforschung, sondern
die der pädagogischen Technik für das Verhalten des Vl maßgebend
zu
sein und im Vordergrund der Diskussion über die Methoden der
Selbstbeobachtung zu stehen. Natürlich verlangt hier wie bei jeder
Frage der pädagogischen Technik auch die Erforschung und wissenschaftliche
Erkenntnis der in Betracht kommenden Vorgänge eine
genaue Berücksichtigung. Aber wenn irgendwo in der Pädagogik,
dann hat es hier keinen Sinn, mit der Anwendung pädagogischer
Mittel und der Diskussion ihrer Brauchbarkeit etwa warten zu wollen,
bis die dabei möglicherweise auftretenden Vorgänge einwandfrei
theoretisch erklärt und auf den Begriff gebracht wären. Denn
die
Erforschung der bei der richtigen Selbstbeobachtung sich abspielenden
Prozesse hat sich ganz wesentlich wiederum auf richtige [>164]
Selbstbeobachtung zu stützen. Dabei kommt es für die pädagogische
Technik nicht so sehr darauf an, ein eindeutiges theoretisches
Wissen davon zu haben, warum bestimmte Mittel in der Regel so und
so wirken, sondern vor allem lediglich darauf, wie etwas sich für
die
Richtigkeit der Aussage bemerkbar macht; und es hat keinen Sinn,
die Brauchbarkeit der richtigen Selbstbeobachtung, also einer «Leistung»,
die vielleicht gar nicht immer in denselben psychischen
Prozessen besteht, sondern möglicherweise auf ganz verschiedenen
Wegen zustande kommen kann, davon abhängig machen zu wollen,
ob es sich bei der rückschauenden Selbstbeobachtung um irgend
welche bestimmten psychologisch definierten Prozesse, z. B. um eigentliche
Erinnerungsprozesse, handelt oder nicht. Es ist vielmehr
für die Bestimmung des Wertes der Selbstbeobachtung in sehr hohem
Grade gleichgültig, unter welchen psychologischen Oberbegriff
man die betreffenden Prozesse letzthin wird unterordnen
müssen."
... [>166]
. Die Erziehung zur richtigen Selbstbeobachtung
Durch die Betrachtungen über den Begriff und die Kriterien der
richtigen Selbstbeobachtung ist zugleich des näheren bestimmt
und
festgelegt, was die Vp mit ihren Aussagen zu leisten hat. Und zwar
ist etwa folgendes hervorzuheben:
Zunächst ist zu betonen, daß es sich bei der Beschreibung
nicht
um ein bloßes «Perseverieren» von LE166.E1Erlebnissen
oder um etwas Ähnliches
handelt, sondern daß an diesem Material eine durch ein bestimmtes
Ziel definierte Bearbeitung vorzunehmen ist und die
Selbstbeobachtung demnach einen Arbeitsaufwand darstellt, der
auf eine Aufforderung hin im Interesse einer bestimmten Leistung
zu vollziehen ist.
An dieser Leistung sind als psychologisch relevante Teilleistungen
folgende zu unterscheiden:
1. Die Betrachtungsweise oder Einstellung der Vp
bei der Selbstbeobachtung
hat eine rein psychologische, aber nicht eine physikalische,
juristische oder sonst auf «Bedeutungen» gehende und auch
nicht eine «wertende» zu sein.
2. Die Selbstbeobachtung hat unter Ausschaltung
aller speziellen,
erklärenden oder beschreibenden Theorien Einzelgegenstände
zu beschreiben.
3. Die Vp hat die psychischen Beschreibungsgegenstände
möglichst
eindeutig zu bestimmen durch Feststellen reflexiver Beziehungen
(Gleichheits- und Ungleichheitsbeziehungen) zwischen den
Eigenschaften verschiedener psychischer LE166.E2Einzelerlebnisse,
also unter
Benutzung konkreter, wenn möglich untereinander vergleichbarer
Maßstäbe.
4. Die Vp hat ihren Aussagen den richtigen Wahrscheinlichkeitsgrad
zuzusprechen, d. h. einen wissenschaftlichen Maßstab bei der
Wahrscheinlichkeitsangabe zu verwenden.
5. Die Vp muß endlich den Sinn ihrer Angaben
dem VI möglichst
eindeutig verständlich machen: VI und Vp müssen die gleiche
Terminologie
benutzen.
Die Aufgabe, diese Leistungen der Vp zu erzielen,
ist, wie wir
gesehen haben '8, eine pädagogische. Wir wollen daher, bevor wir
auf die technischen Mittel und Wege im einzelnen eingehen, zunächst
einige allgemeine pädagogische Prinzipien erwähnen, die bei
der
Erziehung der Vp zur richtigen Selbstbeobachtung zu berücksichtigen
sind. Da es sich dabei im wesentlichen um ganz allgemeine, in
der Pädagogik verwendete Grundsätze handelt, wird sich eine
umfassende
Begründung der einzelnen Prinzipien erübrigen. [>167]
Sowohl bei der Festlegung wie bei der Benutzung
bestimmter
Mittel zur Erreichung bestimmter Ziele ist ständig im Auge zu
behalten,
daß man, um dieselbe Leistung bei den individuell verschiedenen
Vpn zu erzielen, auch immer bis zu einem gewissen Grade verschieden
vorgehen muß ' 9. Sämtliche aufzustellenden speziellen Regeln
sind mit einer Einschränkung in diesem Sinne zu verstehen, und
die
Erziehung zur richtigen Selbstbeobachtung hat daher anhand einer
ständigen Kontrolle der Aussagen und unter Berücksichtigung
der
speziellen vorliegenden Fehlerquellen zu geschehen". Da es sich um
eine nicht gerade einfache und häufig recht anstrengende Arbeitsleistung
handelt, kommt für eine wirklich gute Erledigung der Aufgabe
alles darauf an, daß nicht die Instruktion des VI als solche,
sondern
ein Interesse an der Tätigkeit die eigentliche Triebfeder bei
der Beschreibung
bildet. Es genügt nicht, zur Erreichung der richtigen
Leistung die falsche zu verbieten, sondern es müssen nach Möglichkeit
der Vp positive Mittel und Wege geboten werden, um ihrer
Arbeit die gewünschte Richtung zu geben. Das Angeben neuer Wege
ist pädagogisch in der Regel wirksamer als das Verbieten der
alten. Instruktionen oder sonstige Anweisungen haben im Interesse
der richtigen Verständigung und der Eindringlichkeit nicht irgendwann
als begriffliche Ermahnung zu erfolgen, sondern beim Vorliegen
eines einzelnen konkreten Falles. Der Anweisung hat sogleich eine
wirkliche Anwendung von seiten der Vp zu folgen. Es ist pädagogisch
im allgemeinen zweckmäßiger, vorzubeugen als zu verbessern.
Vor
allem darf man ein fehlerhaftes «Benehmen» nicht erst zur
Gewohnheit
werden lassen. Die Erziehung erfolge, soweit es sich um ein
Erlernen handelt, allmählich und gehe von Leichterem zu Schwererem
vor. Man kommt im allgemeinen mit Loben weiter als mit Tadeln.
1. Die technischen Mittel bei der
Kontrolle
und Erziehung der Versuchsperson
Was nun die technischen Hilfsmittel bei der Kontrolle und Erziehung
der Vp zur richtigen Selbstbeobachtung anbelangt, so wären zunächst
die Instruktionen an die Vp zu erwähnen; ein Hilfsmittel bei
der Selbstbeobachtung, das von allen Experimentatoren benutzt
und selbst von extremen Gegnern einer Beeinflussung der Beschreibungstätigkeit
der Vpn nicht ganz ausgeschaltet wird' . Die Hauptaufgabe
der Instruktionen ist es nicht, die Vp anzuspornen; sie
sollen vor allem der Verständigung zwischen Vp und Vl darüber
dienen, welche einzelnen Ziele und Wege bei der Selbstbeobachtung
zu verfolgen sind. Sie sollen diese Hauptziele der Vp klarmachen
.........................................
........................................
........................................
200: "Anhang:
Allgemeine Instruktion an die Vp
über die Selbstbeobachtung
Bezüglich der Selbstbeobachtung möchte ich noch allgemein
folgendes
sagen:
a) Die Selbstbeobachtung geschieht nach der Reaktion. Während
der Reaktion ist es Ihre einzige Aufgabe, lediglich
die spezielle
Instruktion zu erfüllen, die Sie für den
Versuch erhalten haben.
Die Selbstbeobachtung darf Sie bei der Reaktion
nicht behindern.
b) Machen Sie nur Aussagen, wenn Sie wirklich sicher sind, nichts
Falsches zu Protokoll zu geben. Mir schadet nämlich
bei der
Aufstellung einer richtigen Theorie eine falsche
Aussage viel mehr
als gar keine. Falls Sie etwas nicht sicher wissen,
so können Sie
natürlich trotzdem eine Aussage machen, nur
müssen Sie dann
nicht vergessen, dabei zu bemerken, daß das
vielleicht oder wahrscheinlich
oder möglicherweise usw. so war.
c) Diese Instruktion soll aber nicht bedeuten, daß Sie nur ganz
bestimmte Aussagen machen, d. h. nur über LE200.E1Erlebnisse
berich-[>201]
ten, wenn Sie sie nach allen Seiten hin genau beschreiben
können.
Auch unbestimmte Aussagen sind mir durchaus willkommen,
also z. B. «es war zwischen diesem und diesem
LE201.E1Erlebnis
noch ein
anderes, das ich nicht näher beschreiben kann,
das aber eine
ziemlich lange Zeit gedauert hat oder deutlich von
den begrenzenden
LE201.E2Erlebnisse
unterschieden war». Man kommt so den LE201.E3Erlebnissen
immerhin noch besser auf die Spur, als wenn man
gar
nichts aussagt.
d) Wenn Ihnen Worte zur direkten Beschreibung eines LE201.E4Erlebnisse
fehlen, so können Sie auch ruhig umschreiben;
z. B. «es war ähnlich
wie ein anderes LE201.E5Erlebnis,
es war anders als alles Bisherige» usw.,
oder Sie können auch ähnliche Beispiele
aus dem Leben angeben.
e) Es ist wichtig, daß Sie nur etwas angeben, was Sie wirklich
während
der Reaktion LE201.e1erlebt
haben, was wirklich als LE201.E6Erlebnis
dagewesen
ist. Sie sollen mir keine Theorien geben. D. h.
erstens: Sie sollen
mir keine Erklärung des Vorganges zu geben
versuchen, also etwa
angeben: «Dies ist nicht eingetreten, weil
etwas anderes vorangegangen
war»; Sie sollen vielmehr die Vorgänge
lediglich beschreiben.
(Falls ein LE201.E7Erlebnis
der
Abhängigkeit zweier Vorgänge auftaucht,
so sollen Sie es natürlich nicht verschweigen.)
Und zweitens:
Sie sollen mir nicht erzählen, was, wie Sie
voraussetzen, dagewesen
sein «muß». Sie haben vielmehr
lediglich zu beschreiben,
was in diesem einzelnen bestimmten Falle, über
den Sie berichten,
wirklich LE201.e2erlebt
worden ist. Ich werde meinerseits also eine Aussage
zunächst immer nur auf den einzelnen Fall beziehen.
f) Sie halten sich für eine derartige Beschreibung am besten an
die
Zeitfolge des Eintritts der einzelnen LE201.E8Erlebnisse
und beschreiben
nach dem Schema: Erst kam das, dann das usw. Als
allgemeine
Einteilung nach dieser Richtung wollen wir eine
Dreiteilung des
Versuches in Vorphase, Hauptphase und Nachphase
zugrunde
legen. Natürlich brauchen Sie sich nicht pedantisch
an die Zeitfolge
der LE201.E9Erlebnisse
zu halten; Sie können selbstverständlich, wenn Sie
etwas besonders lebhaft beschäftigt oder gar,
wenn Sie es sogleich
wieder zu vergessen fürchten, dies in der Beschreibung
ruhig
vorwegnehmen.
g) Im übrigen wollte ich noch folgendes bemerken: Ich werde an
Sie
Fragen richten über das «Was» und
«Wie» Ihrer LE201.E10Erlebnisse,
und
zwar werde ich ziemlich viel fragen, damit wir schneller
vorwärts
kommen. Das setzt aber voraus, daß Sie sich
von mir nichts suggerieren
lassen. D. h. vor allem: Wenn ich Sie etwas frage,
so
bedeutet die Frage immer, auch wo ich es nicht ausdrücklich
sage: «War das so oder war das nicht so oder
wissen Sie nichts [>202]
darüber.» Sie brauchen also auf eine
Frage durchaus nicht zu
antworten. Ein «ich weiß nicht»
ist mir, wie gesagt, tausendmal
lieber als eine falsche Antwort. Und falls Sie antworten,
dürfen Sie
das lediglich aus der Erinnerung an diesen speziellen
Fall, nach
welchem ich frage, tun und, wie gesagt, nicht aus
einer Ansicht
heraus, daß das «logischerweise»
so sein müßte — so etwas darf es für
Sie hier überhaupt nicht geben. Sie dürfen
Ihre Aussage auch
nicht aus einem Wissen heraus machen, daß
das in der Regel so
war. Ferner ist es wichtig, daß, falls Ihnen
das Fragen irgendwie
zu lästig wird, Sie mir das sogleich sagen,
damit ich mich danach
richten kann. — Gründe dafür brauchen
Sie mir nicht anzugeben.
h) Bezüglich des Protokollierens möchte ich Ihnen noch folgendes
sagen:
Ich schreibe Ihre Aussagen auf und es kommt dabei
hin und
wieder vor, daß ich ganz unwillkürlich
ein Wort ändere oder
umstelle oder den Satz etwas anders formuliere.
Ich lese Ihnen
die formulierten Sätze immer sogleich vor und
möchte Sie nun
bitten, jede Formulierung sofort abzulehnen, die
Ihnen nur irgendwie
nicht ganz treffend zu sein scheint. Lehnen Sie
eine solche
Formulierung auch dann ab, wenn Sie keine Gründe
angeben
können, weshalb Ihnen die Formulierung nicht
paßt! Dasselbe
gilt für die Fälle, wo wir uns über
die Terminologie unterhalten und
ich Sie frage, ob Sie ein bestimmtes LE202.E1Erlebnis
mit dem und dem
Terminus beschreiben wollen. Auch hier können
Sie aus reinen
«Gefühlsgründen» einen Namen
ruhig ablehnen."
L1936-40f
"Erlebnis und psychologische Existenz. — Wie aber festzulegen ist,
was für eine bestimmte Person psychologische Existenz besitzt, ist
nicht immer leicht zu entscheiden. Am naheliegendsten scheint es, das Erlebtwerden
als Kriterium zu benutzen. Danach wäre die physikalische und soziale
Umwelt insoweit und in der Art als psychologische Umwelt anzusetzen, wie
sie von dem betreffenden Individuum erlebt würde. Eine solche Formulierung
ist jedoch nicht unbedenklich, auch wenn man den Erlebnisbegriff sehr weit
faßt. Nicht fraglich ist zum Beispiel, daß, wenn man sich in
einem wohlbe-kannten Zimmer befindet, auch die optisch momentan nicht sichtbare
Rückwand des Zimmers zur gegenwärtigen psychologischen Umwelt
gehört. Aber auch der Umstand, daß neben diesem Zimmer gerade
die und die Räume liegen, daß das Haus in einem einsamen Gehöft
am Meere steht oder aber in einer belebten Straße einer Großstadt,
kann ein wesentlicher Bestandteil der psychischen Situation sein. Das kann
auch dann zutreffen, wenn man von der Landschaft nichts sieht, sondern
in seine Arbeit ver¬sunken ist und momentan nicht oder jedenfalls nicht
deutlich spürt, wie es um diese weitere Umgebung bestellt ist.
Ähnlich problematisch ist die Anwendung des Erlebnisbegriffes
als allei-niges Kriterium für das, was in einem bestimmten Zeitpunkt
bei den sozia¬len Fakten und Beziehungen zum psychologischen Lebensraum
gehört.
(
Die Mutter, der Vater, die Geschwister sind nicht nur dann als reale
Fakten in die psychologische Situation eines Kindes einzubeziehen, wenn
sie für das Kind direkt wahrnehmbar sind. Das Kleinkind, das im Garten
spielt, verhält sich zum Beispiel typisch anders, wenn es die Mutter
zu Hause meint, als wenn es sie abwesend weiß. Man wird nicht annehmen
können, daß dieser Umstand dem Kinde dauernd erlebnismäßig
gegenwärtig ist. Auch ein Verbot oder ein Ziel kann einen wesentlichen
Bestandteil der psy¬chologischen Situation ausmachen, ohne erlebnismäßig
klar gegenwärtig zu sein.
Das gleiche gilt vor allem von der sozialen Gesamtatmosphäre,
ihrer Freundlichkeit, Mürrischkeit oder Gespanntheit. Zweifellos sind
gerade die¬se allgemeinen Eigenschaften der sozialen Atmosphäre
von der allergrößten Bedeutung für das Verhalten des Menschen
und für seine Entwicklung. Und doch „erlebt“ man häufig erst
bei einem Wechsel, in welcher Atmosphäre man früher gelebt hat,
https://www.researchgate.net/publication/359506785_Schriftenverzeichnis_von_Kurt_Lewin
Wikipedia
Suchen in der IP-GIPT,
z.B. mit Hilfe von "google": <suchbegriff>
site:www.sgipt.org
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