Presseerklärung
Falschmeldung der Bundesärztekammer
Psychotherapeuten über den Tisch gezogen
Durch unrechtmäßige Gründung des "Wissenschaftlichen Beirates Psychotherapie" versuchen Ärztefunktionäre erneut den neuen Berufsstand des Psychotherapeuten zu dominieren.
"Wissenschaftlicher Beirat Psychotherapie" gegründet - mit dieser Pressemeldung krönte die Bundesärztekammer am 7.Oktober 1998 ihren unrechtmäßigen Versuch, den "Wissenschaftlichen Beirat Psychotherapie" ohne die gesetzlich vorgesehene Beteiligung maßgeblicher Psychotherapieverbände zu etablieren.
Als "Coup gegen Recht und Gesetz, der seinesgleichen sucht" bezeichnet Karl-Otto Hentze, Präsidiumsbeauftragter für das Psychotherapeutengesetz beim Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen e.V. (BDP), diesen Vorgang, der nach Ansicht des renommierten Verwaltungsrechtlers Prof. Dr. Konrad Redeker "rechtlich unhaltbar" ist.
An dem fehlgeschlagenen Gründungsversuch hatte die Bundesärztekammer lediglich einen kleinen Teil von Psychotherapeutenverbänden beteiligt, obgleich das Gesetz die Bildung des Beirates unter Beteiligung aller auf Bundesebene zuständigen Vertretungen der Psychologischen Psychotherapeuten vorsieht.
Zum Hintergrund der unrechtmäßigen Gründung: Am 01.01.1999
wird das Psychotherapeutengesetz in Kraft treten. Danach soll bis zum Jahresende
ein
Wissenschaftlicher Beirat gegründet werden mit dem Ziel, die Tätigkeit
der Psychologischen Psychotherapeuten nach neuesten wissenschaftlichen
Erkenntnissen zu gewährleisten und die Bevölkerung vor Scharlatanerie
zu schützen.
Wissenschaftlicher Beirat hat weitreichende Kompetenzen
Im Rahmen des Psychotherapeutengesetzes gilt der Beirat als das Machtinstrument, da der Rat folgenreiche Kompetenzen hat. So gehört es beispielsweise zu seinen zentralen Aufgaben, auf Anfrage der Länder festzulegen, welche psychotherapeutischen Verfahren als wissenschaftlich anerkannt werden. Das wiederum hat weitreichende Auswirkungen auf die Ausbildung der zukünftigen Psychologischen Psychotherapeuten und auf Dauer auch auf das, was zukünftig in den deutschen Universitäten in Sachen Psychotherapie noch gelehrt werden wird.
Schließlich und vor allem entscheidet das Gremium, mit welchen psychotherapeutischen Verfahren die Patienten zukünftig behandelt werden dürfen.
Derartige Beschlüsse des Beirates sind – anders als die Bundesärztekammer in ihrer Pressemitteilung zu suggerieren versucht – nur für den Berufsstand der Psychotherapeuten bindend, nicht aber für die Ärzte, die auch auf diesem Gebiet tätig sind. Für diese sind allein die Weiterbildungsordnungen der Landesärztekammern maßgeblich.
Die Funktionäre der Bundesärztekammer haben die Gründung des Beirates ohne die gesetzlich vorgesehene Beteiligung der "maßgeblichen Psychotherapeutenverbände" – hierzulande sind der BDP als mit Abstand größter Berufsverband und große psychotherapeutische Fachverbände dazu zu rechnen - durchgezogen, was nur als Versuch gewertet werden kann, den neuen Berufsstand unter ihre Kontrolle zu bringen, bevor er überhaupt existiert.
Dahinter steht ein 25 Jahre währender Streit.
Das Psychotherapeutengesetz, das die Gründung eines Wissenschaftlichen Beirates vorsieht, wurde im Frühjahr diesen Jahres nach fast einem Vierteljahrhundert politischer Auseinandersetzung verabschiedet. Mit dem Gesetz wurde das ärztliche Heilbehandlungsmonopol gebrochen. Ab 01.01.1999 sind "Psychologische Psychotherapeuten" den Ärzten gleichgestellt und dürfen psychisch Kranke zu Lasten der Krankenkassen behandeln.
Gerade in der Frage der psychotherapeutischen Verfahren gehen die Vorstellungen von Psychologen und Ärzten häufig erheblich auseinander. Der BDP und die meisten psychotherapeutischen Fachverbände bestehen darauf, daß ein breites Spektrum an bewährten und kostengünstigen Psychotherapieverfahren, die in der psychologischen Wissenschaft entwickelt wurden, erhalten bleibt. Dagegen plädieren die Ärztefunktionäre für eine Einengung auf drei Verfahren.
Ein Wissenschaftlicher Beirat, wie er jetzt unter Federführung
der Bundesärztekammer ohne Beteiligung der größten Psychotherapieverbände
gegründet werden sollte, vertritt vor allem ärztliche Psychotherapie-Vorstellungen.
Er wird vom BDP und mitgliederstarken psychotherapeutischen Fachverbänden
wie der Arbeitsgemeinschaft Psychotherapeutische Fachverbände (AGPF),
der Gesellschaft für wissenschaftliche Gesprächspsychotherapie
(GwG) und dem Verband Psychologischer Psychotherapeuten im BDP (VPP) nicht
akzeptiert. Karl-Otto Hentze: "Man kann die ganze Aktion nur so verstehen,
daß die
Ärzte mit der überstürzten Gründung des Wissenschaftlichen
Beirates versuchen, die gesetzlichen Bestimmungen zu unterlaufen, um die
bisher gewohnte Dominanz und Alleinherrschaft zu retten. Das ist mit Sicherheit
nicht Sinn und Zweck des Psychotherapeutengesetzes, das eine bessere psychotherapeutische
Versorgung der Bevölkerung sicherstellen soll."
Für den ärztlichen Berufsstand ist es wohl noch gewöhnungsbedürftig, daß sich ein neuer und autonomer Berufsstand neben ihm etabliert.
Arbeitsgemeinschaft Psychotherapeutischer Fachverbände
(AGPF)
Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen
(BDP)
Verband Psychologischer Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten
(VPP im BDP)
Gesellschaft für wissenschaftliche Gesprächspsychotherapie
(GWG)
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(mitgeteilt von Heinrich Bertram 23.10.1998)