Begriff, Begriffsanalyse und Gebrauchsbeispiele in der Biologie und Verhaltensforschung (Ethologie)
Originalarbeit von Rudolf Sponsel, Erlangen
Haupt- und Verteilerseite
Begriffsanalysen (Überblick).
Zur Haupt- und Verteilerseite
Begriffsanalyse Begriff.
Definition
Begriff.
Signierung
Begriffe und Begriffsmerkmale (BM).
"Begriffsbildung (BMDefiniendum),
Fähigkeit zur Klassifizierung von Gegenständen, Merkmalen, Merkmalsrelationen,
Ereignissen und Beziehungen aufgrund einzelner oder mehrerer gemeinsamer
Faktoren (BMDefiniens).
Ein derartiger Lernprozeß (Lernen) setzt ein höher entwickeltes
Generalisationsvermögen (Generalisierung) und die Fähigkeit zur
Abstraktion voraus (BMabsgen),
nicht aber unbedingt zu logischen Operationen. So können Tiere Begriffspaare
(BMBspGeg) wie gleich/ungleich,
gekrümmt/gerade, bunt/einfarbig, heller/dunkler, mehr/weniger, rauher/glatter
usw. unterscheiden. In Dressurversuchen (Dressur) konnten bereits bei Fischen
einfache Begriffsbildungsfähigkeiten
(BMBTier) nachgewiesen
werden, anspruchsvollere Abstraktionsleistungen dagegen und
Begriffsbildungen
sind erst von Vögeln (BMBTVoeg)
und Säugetieren (BMBTSaeug),
insbesondere von Primaten (BMBTAffen),
bekannt. Rhesusaffen lernen, unter verschiedenen Objekten das ungleiche
auszusuchen (Diskriminationslernen), und übertragen das relevante
Unterscheidungskriterium "ungleich" auch auf andere angebotene Anordnungen.
Sie schließen z. B. von der im ersten Versuch gelernten Formen-Ungleichheit
auf eine Farb-Ungleichheit der angebotenen Objekte (Ungleichheitslernen).
In ausgedehnten Versuchen haben Schimpansen, Gorillas und Bonobos eine
besondere Qualität der
Begriffsbildung
(BMBTAffen) erreicht.
Sie lernten nicht nur mit Hilfe der amerikanischen Taubstummen-Zeichensprache
ASL (American Sign Language) (BMBB-ASL),
von verschiedenen Symbolfiguren (den zu benennenden Objekten unähnlich)
oder gekennzeichneten Computertasten (mit willkürlichen graphischen
Darstellungen, sog. Lexigramme), eine Vielzahl von Gegenständen und
Handlungen zu bezeichnen und situationsgerecht einzusetzen (Symbolsprache).
Sie formulierten auch sinnvolle Wortfolgen und Frage-Antwort-Dialoge, kreierten
Spitznamen für ihre Pfleger oder neue Begriffe
für unbekannte Objekte (BMBTAffen),
z. B. für Radieschen "cry-hurt-food" ("Wein-wehtun-Futter") (BMBspGeg).
Weiterhin verfügten sie über ein Zeitkonzept, faßten in
Kategorisierungstests ihnen bekannte Gegenstände ohne Vorübung
zu Oberbegriffen (BMBBOber)
zusammen, konnten über ihre Gefühle berichten oder kündigten
beabsichtigte Handlungen an – z. B., daß sie gleich eine "lustige
Grimasse" ziehen würden, die sie anschließend auch ausführten.
Berühmt wurden die Schimpansin "Washoe", das Gorillamädchen "Koko"
und das Bonobomännchen "Kanzi". "Washoe" z. B. verwendete die erlernten
Handzeichen auch für sich selbst und im Zusammenleben mit ihren ASL-fähigen
Gruppenmitgliedern zur Kommunikation. Ein von ihr adoptiertes (Adoption)
Jungtier lernte im sozialen Umgang mit seiner Familiengruppe diese Zeichensprache
und wurde zudem von "Washoe" in ihrem Gebrauch unterrichtet. Manche Fehler
bereiteten die Lösung von Fragestellungen vor. So verwechselten verschiedene
Tiere vereinzelt Computertasten (jeweils individuell andere) – nicht, wenn
die Tasten oder die Gegenstände Ähnlichkeiten aufwiesen, sondern
wenn sie funktionsähnlich waren (z. B. Spritze und Schlüssel;
beides mußte zum Lösen einer Aufgabe in die entsprechende Vorrichtung
hineingeschoben werden). Ein umfassendes Erlernen der Wortsymbole, gleich
welcher Art, und der anspruchsvolle Umgang hiermit im Sinne eines nichtakustischen
Spracherwerbs sind aber nur möglich, wenn bereits im frühen Kindesalter
ein soziales, abwechslungsreiches Umfeld geschaffen wird und die Lernsituation
nicht auf reine Zuordnungsleistung, also einen Dressurakt, ausgerichtet
ist. Entsprechende Versuchsanordnungen verzeichneten einen bedeutend geringeren
Lernerfolg allein schon hinsichtlich der erworbenen Wortanzahl und keinen
spontanen und sprachähnlichen Gebrauch der Wortsymbole. – Beim Erlernen
der Zeichensprache kam "Washoe" sicherlich das natürliche Lernsystem
der Schimpansen entgegen; auch im natürlichen Lebensraum benutzen
sie im sozialen Zusammenleben viele Gebärden zur Verständigung
(Gestik), wobei in den verschiedenen Gesellschaften traditionsgebundene
Variationen beobachtet werden konnten. Das gestische Kommunikationssystem
ist demnach hier nicht völlig festgelegt. Für "Kanzi" stellten
die benutzten Computersymbole, Gesten und Laute eine Kommunikationseinheit
dar. Unter experimentellen Bedingungen können die Fähigkeiten
durch die gezielte Förderung stärker ausgeschöpft werden
als im natürlichen Umfeld. – Im engeren Sinne wird diese sprachartige
Kommunikation nach wie vor als averbale Begriffsbildung
(BMBBaverb)
bezeichnet und der wortbenannten Begriffsbildung (Sprache)
(BMBBwort) gegenübergestellt;
man spricht teils aber auch von einem nichtakustischen Spracherwerb. Auch
wenn der Mensch zur sprachlichen Benennung fähig ist, verliert die
averbale oder vorsprachliche Begriffsbildung
(BMBBaverb)
auch nach dem Säuglingsalter nicht völlig an Bedeutung (nonverbale
Kommunikation). Es handelt sich hierbei um eher allgemeine kognitive Strukturen,
die den Begriffen der Zahl (BMBBzahl)
(vorsprachliches Zählvermögen) (BMBBzvor),
der Menge, der Substanzen usw. zugrundeliegen. In welcher Beziehung solch
allgemeine kognitiven Vorstellungen zu Wortbegriffen
(BMBBwort) stehen, ist
noch nicht geklärt (Spracherwerb). Koehler (O.).
Lit.: Amstrong, D.F., Stokoe, W.C., Wilcox, S.E.: Gesture and the nature of language. Cambridge University Press 1995. Fouts R.: Unsere nächsten Verwandten. München 1998. Gardner, R.A., Gardner, B.T., van Cantfort, T.E. (Hrsg.): Teaching sign language to chimpanzees. State University of New York Press 1989. Savage-Rumbaugh, S., Lewin, R.: Kanzi. München 1995"
Suchen in der IP-GIPT,
z.B. mit Hilfe von "google": <suchbegriff>
site:www.sgipt.org
z.B. Wissenschaft site:www.sgipt.org. |
noch nicht end-korrigiert