Statistische Analyse I. des Heimvorteils bei olympischen
Sommerspielen
Vergleichende Erfolgsstatistik der Austragungsorte -
Beiträge zur Sportpsychologie
von Rudolf Sponsel, Erlangen
Ziel: Es soll der Heimvorteil bei olympischen Spielen, genauer bei den Sommerspielen, geschätzt werden.
Methode:
Die Analyse wird im Grundsatz für jeden nachvollziehbar und prüfbar
durchgeführt. Wir bestimmen den Erfolg einer Nation wie folgt: Wir
gewichten die Medaillen: Gold=3 GP (Gewichtspunkte), Silber=2 GP, Bronze=1
GP. In den ersten Jahren, als es noch keine Goldmedaillen gab, wird Silber
Gold zugeordnet, Bronze -> Silber und der 3. Platz der Bronzemedaille.
Er wurden die jeweils tatsächlich vergebenen Medaillen erfaßt,
wobei die Summen oft nicht übereinstimmen (z.B. Nichtvergaben, Doppelvergaben,
so gibt es 1904 z.B. 96 Gold-, 93 Silber- und 89 Bronzemedaillien, die
genauso berücksichtigt werden).
Es wird sodann folgender Versuchsplan gebildet:
Wir bestimmen die Medaillenerfolge (Gewichtspunkte) für alle Nationen,
in denen schon olympische Spiele ausgetragen wurden für a) insgesamt,
b) für die Austragung daheim und c) für die Austragung in anderen
Ländern. Sodann bestimmen wir die Mittelwerte für a) alle, b)
daheim, c) auswärts. Durch Division Daheim/Auswärts ergibt sich
der Faktor "Heimvorteil".
Problemerörterung: Natürlich gibt es hierbei eine Vielzahl interessanter statistischer Probleme, über deren Bewältigung man berechtigt trefflich streiten kann. Es gibt unterschiedliche Nationen-Beteiligungen (früher mit Böhmen, dann Tschechoslowakei, inzwischen Tschechien und Slovenien; Süd-Korea, Nord-Korea; DDR, BRD, Deutschland; Moskau 1980 der Boykott durch die USA und einiger ihrer Vasallen, 1984 in Los Angeles die Retourkutsche durch die Ostblockstaaten usw.). Diese Probleme bergen aber auch einmalige Chancen, z.B. die Berechnung des Einflußes, wenn HauptkonkurrentInnen fehlen. Wir können also die Zusammenhangsanalyse mit und ohne Moskau 1980 und Los Angeles 1984 durchführen und hieraus den Einfluß der Abwesenheit der HauptkonkurrentInnen schätzen.
Ergebnisse
Die Zell-Eingelbungen zeigen an, wann das Land (die Nation) Austragungsort
der olympischen Spiele war.
Lesebeispiel: In den Zellen stehen die Gewichtspunkte, die sich aus der Summe der Medaillen (Gold =3, Silber=2, Bronze=1) ergeben. Beispiel Deutschland in Athen 2004: 14 Gold, 16 Silber, 18 Bronze, ergibt Gewichtspunkte 14*3 + 16*2 + 18 = 42+32+18 = 92. Deutschland erzielt 1936 insgesamt 181 und 1972 (DDR+BRD) 206 Gewichtspunkte, das ergibt zusammen 387 : 2 = 193,5 Gewichtspunkte als Heimerfolg. Von den insgesamt 25 olypmpischen Sommerspielen von 1896 bis 2004 nimmt Deutschland insgesamt 22 Mal teil. In allen Spielen erzielt Deutschland 2389 Gewichtspunkte - und ist damit nach den USA und Rußland die erfolgsreichste Nation bei den olympischen Sommerspielen. "Auswärts" erzielt Deutschland 2002 Gewichtspunkte in 20 olympischen Sommerspielen, das ergibt ein Auswärtsmittel von 2002 : 20 = 100,1. Dividiert man den Heimerfolg durch den Auswärtserfolg, also 193,5 : 100,1 ergibt sich 1,9. Dies kann man direkt deuten: Deutschland holt daheim 1,9 mal so viele Medaillen-Gewichtspunkte wie auswärts. Den stärksten Heimvorteil in der Geschichte der olympischen Spiele erzielte Belgien 1920 mit dem Faktor 8,6. Im statistischen Mittel ist der Heimvorteil zwischen 1896 und 2004 3,3 mit einer Standardabweichung von 1,92 (bei Normalverteilung der Daten, hier der Heimfaktoren, lägen 68% der Werte zwischen 1,38 und 5,22). Den stärksten Heimvorteil haben die "kleinen" Sportnationen: Belgien 8,6; Spanien 5,7; Griechenland 5,1. Die Heimvorteilsregel stimmt nur einmal nicht: für Kanada, Montreal 1976. Das ist er einzige Fall, in dem ein Land daheim nicht so gut abschnitt wie im Mittel auswärts.
Legende: Kürzel, Nationen Stadt, Jahr,
(Anzahl der Nationen - Anzahl Wettbewerbe - Anzahl Sportarten)
AUS | Australien, Melbourne 1956, Sidney 2000. |
BEL | Belgien, Antwerpen 1920. |
CAN | Kanada, Montreal 1976 (Ausreißer, der die Regel des Heimvorteils bestätigt); Boykott durch 24 afrikanische Staaten wegen Südafrika. Kanada bestätigt als Ausnahme die Regel vom Heimvorteil bei den olympischen Sommerspielen. |
[CHI] | China, Peking 2008. China und Taipeh zusammengerechnet, man sieht, wie China seit 1984 auf dem Vormarsch ist. |
GER | Deutschland, Berlin 1936, 1972 München. DDR und BRD zusammengerechnet. |
FIN | Finnland, Helsinki 1952. |
FRA | Frankreich, Paris: 1900, 1924. |
GRI | Griechenland, Athen 1896, 2004. |
GB | Großbritannien, London 1908, 1948. GB ist die einzige Nation, die an allen 25 Sommerolympiaden teilgenommen hat. |
ITA | Italien, Rom 1960. |
JAP | Japan, Tokio 1964. |
KOR | (Süd) Korea, Seoul 1988. Hier wurden die Medaillen von Süd- und Nordkorea zusammengerechnet. |
MEX | Mexiko, Mexiko City 1968 |
NL | Niederlande, Amsterdam 1928 |
SWE | Schweden, Stockholm 1912 |
SPA | Spanien, Barcelona 1992 |
RUS | Rußland, UdSSR, GUS, Rußland, Moskau 1980 (boykottiert von USA und Vasallen) |
USA | USA, St. Louis 1904, Los Angeles 1932, Los Angeles 1984 (Retourkutschen-Boykott durch die Ostblockstaaten), Atlanta 1996. |
Datenquellen: https://www.hickoksports.com/history/olympix.shtml
Mit Ausnahme von Kanada (Montreal 1976) konnten alle anderen
Nationen sehr erheblich davon profitieren, daß die olympischen Sommerspiele
in ihrem Land ausgetragen wurden. Der Heimvorteil betrug für:
AUS BEL CAN GER FIN FRA
GRI GB ITA JAP KOR MEX NL
SWE SPA RUS USA
Diese Werte können direkt z.B. wie folgt gedeutet werden: GRI = Griechenland konnte, wenn die olympischen Sommerspiele in Griechenland ausgetragen wurden, 5.1 mal so viele Medaillengewichtspunkte erzielen wie im Mittel auswärts. |
korrigiert: 31.08.04 irs