Internet Publikation für Allgemeine und Integrative Psychotherapie
    IP-GIPT DAS=16.11.2008 Internet-Erstausgabe, letzte Änderung TT.MM.JJ
    Sekretariat: Diplom-PsychologInnen Irmgard Rathsmann-Sponsel und Dr. phil. Rudolf Sponsel
    Postbox   3147  D-91019 Erlangen * Mail:_sekretariat@sgipt.org__ Zitierung  &  Copyright _

    Anfang_Psychosoz. Hilfe b. Katastrophen  _Überblick  _ Rel. Aktuelles _ Rel. Beständiges _Titelblatt _Konzept _Archiv _Region  __ Service-iec-verlag _ Wichtige Hinweise zu Links und  Empfehlungen

    Willkommen in unserer Internet Publikation für Allgemeine und Integrative Psychotherapie, Abteilung Bücher, Literatur und Links zu den verschiedensten Themen, hier die Buchpräsentation:

    Psychosoziale Hilfe bei Katastrophen und
    komplexen Schadenslagen.
    Lessons Learned.

    präsentiert von Rudolf Sponsel, Erlangen

    Bibliographie * Verlagsinfo * Inhaltsverzeichnis * Leseprobe *  Bewertung * Links * Literatur * Querverweise *

    Bibliographie: Lueger-Schuster, Brigitte; Krüsmann, Marion & Purtscher, Katharina (2006, Hrsg.). Psychosoziale Hilfe bei Katastrophen und komplexen Schadenslagen. Lessons Learned. Wien: Springer. XVIII, 228 S., 2 illus., Softcover. ISBN-10: 3-211-29130-X. ISBN-13: 978-3-211-29130-6.

    Verlagsinfo: "Bei Katastrophen und anderen Notfällen ist neben medizinischer Erstversorgung der Betroffenen die psychosoziale Betreuung von immenser Bedeutung. Das Buch beschreibt Begriffe wie Trauer, traumatische Erfahrung, Akuttrauma, Krisen- und Akutintervention für unterschiedliche Altersgruppen anhand von Beispielen und Erfahrungen. "Lessons learned" zeigen Teamorganisation, Kriterien zur Durchführung von Akutinterventionen und Abläufe der psychosozialen Hilfe auf. Schwerpunkte stellen die Haltung gegenüber Betroffenen, Techniken psychosozialer Interventionen sowie wissenschaftliche Grundlagen der Psychotraumatologie und Stressbewältigung dar. Die Autoren berichten dabei aus ihrer langjährigen Praxis als Lehrende und Einsatzkräfte im Bereich der psychosozialen Unterstützung. Rechtliche Grundlagen und internationale Empfehlungen (WHO, EU, ISTSS) vervollständigen das Werk. Das Buch stellt eine wichtige Orientierung im Feld tätiger psychosozialer Betreuer und Krisenhelfer dar.
    Geschrieben für: Ersthelfer, Krisenhelfer, psychosoziale Betreuer, Notfallmediziner, Allgemeinmediziner
    Schlagworte: Akuthilfe, Einsatzkräfte, Ersthelfer, Krisenintervention, Psychosoziale Betreuung, Teamorganisation, Trauer, Traumatische Erfahrungen, internationale Empfehlungen, rechtliche Grundlagen, wissenschaftliche Grundlagen"

    Inhaltsverzeichnis

    Autorenverzeichnis     XVII

    1. Kapitel: Der Rahmen psychosozialer Notfallversorgung: Überlegungen, Erkenntnisse, Guidelines und Standards (Brigitte Lueger-Schuster)     l
    1.1.  Überblick über Empfehlungen, Normierungen und Standards auf internationaler Ebene    2

      1.1.1.  Empfehlungen der WHO     2
      1.1.2.  Leitlinien der WHO     4
      1.1.3.  Konsens für die psychosoziale Versorgung in der Akutphase?     5
    1.2.  World Association for Disaster and Emergency Medicine (WADEM)     7
      1.2.1.  Working paper     7
      1.2.2.  Prinzipien     9
    1.3.  Integration von Notfallmedizin und psychosozialen Diensten     10
      1.3.1.  Individuelle Beratung     11
      1.3.2.  Notfallmedizin und Rettung     11
      1.3.3.  Notfallambulanzen     12
      1.3.4.  Interventionstechnik     12
      1.3.5.  Erkennen von Personen mit erhöhtem Risiko - Screening und Diagnostik     13
      1.3.6.  Herausforderungen in der Integration der beiden Versorgungssysteme     15
    1.4.  Die europäische Perspektive     15
    1.5.  Komplexe Schadenslagen     17
      1.5.1. Dynamik einer komplexen Schadenslage     18
    1.6.  Unterscheidung Krise - Schock     20
      1.6.1.  Stresstheorien     20
      1.6.2.  Theorien zum traumatischen Stress     21
      1.6.3.  Beurteilung der Traumafolgen nach Risikofaktoren     22
    1.7.  Forschung - Probleme und einige Ergebnisse     24
      1.7.1.  Probleme     24
      1.7.2.  Welche Fragen lassen sich nun daraus für die Katastrophenforschung ableiten?     25
      1.7.3   Ergebnisse aus der Katastrophenforschung     26
    1.8.  Zusammenfassung     41
    [Literatur 43-44]

    2. Kapitel: Die Bedingungen posttraumatischer Bewältigung (Marion Krüsmann)     45
    2.1.  Ein Überblick     45

      2.1.1.  Von der Beschreibung traumabedingter Störungen zu ersten Ansätzen der Krisenintervention    46
      2.1.2.  Ziele von Konzepten der Krisenintervention und Akutbetreuung     47
    2.2.   Erscheinungsbild, Häufigkeit und Verlauf traumabedingter Störungen     48
      2.2.1.  Häufigkeit des Auftretens der PTBS     49
      2.2.2.  Zum Verlauf     50
    2.3.  Zur Adaptation an traumarelevante Ereignisse     51
      2.3.1.  Zur Besonderheit traumatischer Reaktionen     52
      2.3.2.  Implikationen für die PSNV     55
    2.4.  Traumabedingte Adaptationsprozesse     56
      2.4.1.  Zur Ätiologie traumatischer Störungen     56
      2.4.2.  Risiko- und Schutzfaktoren.     58
      2.4.3.  Zusammenfassung     62
    2.5.  Zum Miteinander im Kontext von komplexen Schadenslagen     63
    [Literatur 65-69]

    3. Kapitel: Organisation komplexer Einsätze (Martin Alfare)     71
    3.1.  Definitionen Einsatzarten     71

      3.1.1.  Allgemeines     71
      3.1.2.  Katastrophen - catastrophies     72
      3.1.3.  Der Großunfall - major disaster     73
      3.1.4.  Komplexe Schadensereignisse - complex emergencies     73
      3.1.5.  Komplexität eines psychosozialen Einsatzes     74
      3.1.6.  Zusammenfassung     75
    3.2.  Einsatz - Organisation     76
      3.2.1.  Einsatzleitung     76
      3.2.2.  Einsatzstab     77
      3.2.3   Ausbildung PSNV     78
    3.3.  Regelkreis des Einsatzmanagements     79
      3.3.1.  Vorsorge/Vorbeugung     79
      3.3.2.  Einsatzvorbereitung     79
      3.3.3.  Einsatzdurchführung     80
      3.3.4.  Einsatznachsorge/Auswertung     81
    3.4.  Zusammenarbeit mit anderen Organisationen     82
      3.4.1.  Ausbildung     82
      3.4.2.  Alltagsnahe Ereignisse     83
      3.4.3.  Komplexe Schadenslagen     83
    3.5.  Struktur     84
      3.5.1.  Einsatzführung PSNV     84
      3.5.2.  Schnittstellen     86
      3.5.3.  Öffentlichkeitsarbeit.     87
      3.5.4.  Exkurs: Call-Center     88
      3.5.5.  Exkurs: Betreuungszentrum     92
    3.6.  Zusammenfassung     96
    [Literatur 97]

    4. Kapitel: Die peritraumatische Intervention in Großschadenslagen (Andreas Müller-Cyran)     99
    4.1.  Einleitung     99
    4.2.  Alarmierung     104
    4.3.  Eintreffen an der Einsatzstelle:     107
    4.4.  Aufbau von Grundstrukturen     110
    4.5.  Schwerpunkte der psychosozialen Akutintervention     112

      4.5.1.  PSNV bei gemeindenahen Katastrophen     112
      4.5.2.  Bei gemeindefernen Katastrophen     117
    4.6.  Koordinierungsstelle Nachsorge, Opfer- und Angehörigenhilfe der Bundesregierung („NOAH")     119
    4.7.   Umgang mit Tumult     121
    4.8.  Ort für Gruppeninterventionen.     122
    4.9.  Ende der psychosozialen Notfallversorgung     123
    4.10. Supervision des PSNV-Teams     123
    [Literatur 124]

    5. Kapitel: Komplexe Einsätze der Psychosozialen Notfallversorgung in der Praxis (Daniela Holpern)     125
    5.1.  Einsatzberichte     125

      5.1.1.  Schiffsunglück     126
      5.1.2.  Verkehrsunfall     127
      5.1.3.  Flugzeugabsturz.     128
      5.1.4.  Lawinenabgang     130
      5.1.5.  Besondere Belastungen für die betroffenen/zu betreuenden Personen     132
    5.2.  Begriff der Komplexität     133
    5.3.  Komplexe Schadenslage     135
      5.3.1. Das Ereignis per se     135
      5.3.2.  Die Zahl der betroffenen Personen und der zu betreuenden Personen sowie die unterschiedlichen Betroffenheitsgrade     137
    5.3.3.  Einsatzkräfte     138
    5.3.4.  Die „Öffentlichkeit" eines Einsatzes     139
    5.4.  Charakteristika eines komplexen PSNV-Einsatzes     140
      5.4.1.  Dauer des Einsatzes     141
      5.4.2.  Personalaufwand (Nachalarmierung; mehrere Teams)     142
      5.4.3.  Verschiedene Einsatzorte     143
      5.4.4.  Eingehen auf unterschiedlichste Bedürfnislagen     144
      5.4.5.  Einsatzaufgaben/Einsatzleitung     149
      5.4.6.  Besondere Belastungen für PSNV-Mitarbeiter     150
      5.4.7.  Besondere Belastungen für die PSNV-Einsatzleitung.     152
    5.5.  Zusammenfassung     153

    6. Kapitel: Möglichkeiten des Abschieds unter vielen Einschränkungen (Léon Kraus)     155
    6.1. Die Notwendigkeit eines  Betreuungszentrums     155
    6.2.  Besuch von Unglücksstelle und Leichenhalle     160

      6.2.1.  Entscheidung der Reihenfolge     160
      6.2.2.  Zusammenstellung des „Convoy".     160
      6.2.3.  Der Weg zur Unglücksstelle     161
      6.2.4.  Die Unglücksstelle     161
    6.3.  Der Besuch der Leichenhalle     164
      6.3.1.  Der Anfahrtsweg mit Abklärungen.     164
      6.3.2.  In der Leichenhalle     166
      6.3.3.  Vor der gemeinsamen Trauerfeier     167
    6.4.  Rituale und Begegnungen des Abschieds     168
      6.4.1.  Der erste Gottesdienst.     168
      6.4.2.  Der gemeinsame Abschluss     169
      6.4.3.  Die Teilnahme der Bevölkerung     170
      6.4.4.  Der zweite interreligiöse Gottesdienst     171
      6.4.5.   Der Unigang mit Überraschungen     171
      6.4.6. Überprüfung des Angebotes „Abschied"     172
    6.5.  Schnittstelle: von der Akut- zur Mittel- und Langzeitbetreuung     173
      6.5.1.  Begleitung mit Brückenfunktion     173
      6.5.2.  Das Jahresgedenken     175


    7. Kapitel: Plötzlicher Tod - Abschied und Trauer (Edwin Benko)     177
    7.1.   Der Begriff Trauer     178

      7.1.1. Komplexe Trauer     178
    7.2.  Die Person in der Trauer     180
      7.2.1. Abschiednehmen     183
    7.3.  Welche Aufgaben und Grenzen haben die Akutbetreuer bei ihren Einsätzen im Umgang mit der Trauer?     184
      7.3.1.  Mitfühlen - Mitleiden     185
      7.3.2.  Rituale     186
    7.4.  Bevor wir uns aus dem Einsatz verabschieden     187
      7.4.1.   Selbsthilfegruppe/Trauergruppe - kritisch betrachtet     188
    7.5.  Woran erkenne ich, wann eine Psychotherapie notwendig ist?     188
    7.6.   Hilfe für den Helfer - was mir hilft, mit der miterlebten Trauer umzugehen     189
    7.7.   Die Begleitungen von trauernden Menschen nach einer komplexen Schadenslage. Ein Beispiel aus der Praxis     190
    7.8.   Abschließend     193
    [Literatur 194]

    8. Kapitel: Trauma im Kindesalter - komplexe Anforderungen in der psychosozialen Akutbetreuung (Katharina Purtscher)     195
    8.1. Klassifikation traumatischer Lebensereignisse     195

      8.1.1.  Traumatische Lebensereignisse vom Typ I     196
      8.1.2.  Traumatische Ereignisse vom Typ II     196
      8.1.3.  Traumatische Situationsfaktoren     196
    8.2.  Reaktionen von Kindern und Jugendlichen nach einem akuten traumatischen Ereignis     196
      8.2.1.  Erstreaktionen (Peritraumatisches Intervall)     197
      8.2.2.  Weitere Reaktionen von Kindern und Jugendlichen nach traumatischen Erlebnissen     197
    8.3.  Die Phasen der psychologischen und psychosozialen Akutbetreuung     199
      8.3.1.  Sofortmaßnahmen der psychosozialen Betreuung.     199
      8.3.2.  Frühphase der psychosozialen Betreuung = Akutphase     199
    8.4.  Komplexe Anforderungen in der psychosozialen Betreuung bei „lange dauernden Akutaktionen" (mittelfristige Betreuung)     201
    8.5.  Abschied, Abschiedsrituale, Symbole     202
    8.6.  Information und Aufklärung als Teil der Akutbetreuung     203
      8.6.1.  Gestaltung der Informationsübermittlung     203
      8.6.2.  Informationsmanagement und Vernetzung     204
    8.7.  Kooperationen     205
              8.7.1.  Zusammenarbeit mit der Exekutive     205
      8.7.2.  Jugendamt, Sozialamt     205
      8.7.3.  Kindergarten, Schule, Arbeitsplatz     205
    8.8.   Spezielle Formen der Betreuung von Kindern und Jugendlichen     206
      8.8.1.  Information und Betreuung in der Gruppe     206
      8.8.2.  Gruppenbildung     207
      8.8.3.  Unterstützung der Bezugspersonen     207
    8.9.  Komplexe Anforderungen in der weiterführenden Betreuung     208
    8.10.   Fallbeispiele für komplexe Betreuungssituationen     208
      8.10.1.  Schwerer Sportunfall eines Schülers     208
      8.10.2.  Suizid einer Schülerin/eines Schülers     209
    8.11.   Schlussfolgerungen für die psychosoziale Akutbetreuung von Kindern und Jugendlichen.     210
    [Literatur 211-212]

    9. Kapitel: Zur Prävention einsatzbedingter Erkrankungen (Krüsmann, Karl, Schmelzer, Müller-Cyran, Hagl, Butollo)     213
    9.1.   Einleitung     213
    9.2.   Belastung und Bewältigung im Einsatzwesen     214
    9.3.   Sekundäre Prävention durch Einsatznachsorge     217
    9.4.   Primäre Prävention durch vorbereitende Maßnahmen     221
    9.5.   Zur Umsetzung präventiver Konzepte     224
    [Literatur 226-228]
     



    Leseprobe:

    Aus Kapitel  l

    Der Rahmen psychosozialer Notfallversorgung: Überlegungen, Erkenntnisse, Guidelines und Standards1)
    Brigitte Lueger-Schuster

                                                       Little do we know

    Psychosoziale Hilfe nach traumatischen Ereignissen ist in den letzten Jahren zum scheinbar unverzichtbaren Bestandteil des Einsatzgeschehens geworden. Jede Stadt, jeder Landkreis, jeder Bezirk, der auf sich hält, betreibt entweder selbst ein Kriseninterventionsteam, notfallseelsorgerische oder notfallpsychologische Organisationen oder hat eine Einsatzorganisation beauftragt, derartiges vorzuhalten. Die psychische Dimension von komplexen Ereignissen, Katastrophen, Großschadenslagen ist nach vielen Jahrzehnten endlich in den Blickpunkt der Behörden, der Notfallmedizin und der Einsatzorganisationen geraten. Das ist positiv, vor allem da es Hinweise auf krankheitswertige traumatische Reaktionen auf traumatische Ereignisse gibt.
        Die WHO beschreibt in der Briefing-note nach dem Tsunami 2004, drei Gruppen von Betroffenen. Laut WHO stellen Menschen mit milden psychischen Reaktionen eine Gruppe von 20 bis 40% der betroffenen Bevölkerung dar. Sie bedürfen keiner spezifischen Unterstützung. Weitere 30 bis 50% fallen in die Gruppe jener Personen, mit mittelstarken oder deutlichen psychischen Beeinträchtigungen, die über die Zeit entweder von selbst vergehen oder als chronische Befindensbeeinträchtigung bestehen bleiben. Häufig werden diese Personengruppen mit psychiatrischen Fehldiagnosen versehen, da die psychiatrischen Erhebungsinstrumente nicht auf die entsprechenden Kulturen und Traumareaktionen eingestellt sind. Diese Gruppe würde von einem Bündel sozialer und psychologischer Interventionen profitieren.
        Die dritte Gruppe umfasst Personen mit milden und mittelmäßigen depressiven Erkrankungen, Angststörungen und PTSD, die in Regionen nach einem [>2]  komplexen Schadensfall von den 10% Jahresprävalenz, die weltweit gefunden wird, wahrscheinlich auf 20% ansteigen wird. Selbstheilungskräfte über die Zeit würde die Gruppe wahrscheinlich auf 15% schrumpfen lassen. In der Summe - so schätzt die WHO - würden die psychischen Störungen durch den Einfluss von Katastrophen um 5 bis 10% steigen. Ausdrücklich warnt die WHO vor einer Fokussierung auf PTSD, da dadurch wertvolle Ressourcen für die Unterstützung bzw. Behandlung (bedingt durch Fehlbeurteilungen der Reaktionen und Symptome) verloren gehen würden.

        Zusammengefasst: es gibt deutlichen Bedarf für psychosoziale Hilfe nach Katastrophen und komplexen Schadensereignissen, die in eine Gemeinschaft eingreifen. Ereignisse können man-made oder nature-made sein; unabhängig davon, ob es sich um Flutwellen, Erdbeben, Wirbelstürme oder Krieg und Terrorattentate handelt. Es gibt eine Fülle - sowohl qualitativ als auch quantitativ - an Reaktionen darauf. Ebenso reich ist die Antwort im Umgang mit diesen Reaktionen sowie die Landschaft der Anbieter von spezifischen psychologischen, psychotherapeutischen und psychiatrischen Behandlungsformen. Nicht jedes Angebot trifft die Bedürfnisse betroffener Bevölkerungsgruppen, nicht jedes Angebot entspricht den Qualitätsanforderungen, nicht jedes Angebot für die Erholungsprozesse nach dem Trauma.

    1.1. Überblick über Empfehlungen, Normierungen und Standards auf internationaler Ebene

    Der folgende Überblick über Empfehlung, Normierungen und Standards internationaler Fachgesellschaften, Arbeitsgruppen und policy papers soll dazu dienen, gute Angebote von schlechten Angeboten zu unterscheiden.

    1.1.1. Empfehlungen der WHO2)
    In ihrer Publikation „Mental Health in Emergencies" (2003) präsentiert die WHO ihre Position zu den Folgenwirkungen extremen Stresses. Als Zielgruppen werden Flüchtlinge, Vertriebene, Überlebende von Katastrophen und nach terroristischen Anschlägen, Kriegsüberlebende und Überlebende von Genoziden definiert. Diesen Gruppen wird ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung psychischer Erkrankungen zuerkannt. Die Mehrheit der von diesen Ereignissen Betroffenen lebt in Ländern mit schwierigen sozialen Verhältnissen. Ihre Anzahl ist insgesamt groß. [>3]

    Unter „Sozialer Intervention" definiert die WHO alle Interventionen, die primär soziale Ziele verfolgen. „Psychologische Interventionen" verfolgen primär psychologische Ziele. Beide Interventionsformen haben sowohl psychische als auch soziale Sekundäreffekte aufzuweisen, wie der Begriff „psychosozial" auch aussagt. Grundlage für die Überlegungen und Empfehlungen ist der Gesundheitsbegriff der WHO, der von einem umfassenden körperlichen, psychischen und sozialen Wohlbefinden ausgeht.

    Die Ziele, die die WHO mit ihrem Statement betreibt, sind folgende:
     

    1. Ressource für technische Beratung für Feldaktivitäten aller Hilfsorganisationen in Koordination mit dem WHO-Department für Notfallmaßnahmen und humanitäre Hilfe
    2. Bereitstellung von Führung und Lenkung zur Verbesserung der Qualität der Interventionen
    3. Erleichterung bei der Schaffung Datenbasis für Feldaktivitäten und „policy"3) im Gemeinde- und Gesundheitssystem.


    Allgemeine Prinzipien:

    1. Vorbereitung auf den Notfall: Pläne sollten Koordinierungsempfehlungen und Kooperationspartner enthalten, detaillierte Vorhaben für eine passende psychosoziale Antwort auf den jeweiligen Schadensfall beschreiben, Training relevanten Personals für psychosoziale Maßnahmen definieren und vorsehen.
    2. Beurteilung und Einschätzung: Die Interventionen sollten von einer sorgfältigen Lagebeurteilung ausgehen, die den lokalen Kontext (Kultur, Geschichte), Art des Schadensfalles, regionale Wahrnehmung und Bewertung der Stress-Symptomatik, Beurteilung der Bedürfnisse der betroffenen Personengruppen auf breiter Ebene berücksichtigen,
    3.  Zusammenarbeit: externe Anbieter sollten mit lokalen Institutionen und Behörden in der Intervention zusammenarbeiten.
    4. Integration in das Gesundheitssystem unter Einbeziehung familiärer Ressourcen: zB bei der Pflege. Bereitstellung von Supervision und Training durch Experten für die regionalen Fachkräfte.
    5. Uneingeschränkter Zugang zu den Unterstützungsangeboten: die Angebote sollten nicht nur den definierten Zielgruppen, sondern auch den Bewohnern der gesamten Region zugänglich sein.  [>4]
    6. Training und Supervision sollte durch psychosoziale Fachkräfte ausgeführt werden und nachhaltige Wirkung, dh nachhaltig Kompetenzen erzeugen.
    7. Langfristige Perspektiven sollten für das Gesundheitsversorgungssystem vorgesehen werden, anstatt sich ausschließlich auf die akute Hilfe zu beziehen. Effizienter haben sich bislang mehrjährige Programme erwiesen.
    8. Indikatoren für eine Evaluation: Bereits vor Beginn einer Intervention sollten Indikatoren für ein Monitoring entwickelt sein, die zur Anwendung kommen können.


        Empfehlungen für Interventionsstrategien werden von der WHO in Zusammenhang mit dem zeitlichen Verlauf nach dem Ereignis gesehen. In der akuten Phase wird auf Schutz und die Bedürfnisse des Überlebens fokussiert. Auch wird empfohlen, die Betroffenen über die weitere Entwicklung umfassend zu informieren sowie Familienzusammenführung durchzuführen oder Familien gesamt unterzubringen. Auch sollten Kommunikationsmöglichkeiten mit abwesenden Familienmitgliedern zur Verfügung gestellt werden. Die Informationsweitergabe sollte einfach und klar sein und von jedem verstanden werden können. Alleinstehende Kinder sollten in andere Familienverbände angeschlossen werden. Einsatzkräfte sollten über die psychischen Stressreaktionen informiert werden. Entscheidungen sollten immer in Zusammenhang mit den lokalen Behördenvertretern genommen werden. Hinweise für Kinder, Information über die normalen Traumareaktionen, Einbeziehung der Betroffenen in Hilfsaktivitäten (Beschäftigungsaspekt) und der Umgang mit den hohen Erwartungshaltungen an externe Helfern sowie der Umgang mit einer Vielzahl an Toten und Hilfe für Patienten mit psychiatrischen Erkrankungen werden in den Empfehlungen thematisiert. Die Vorschläge sind einfach und nachvollziehbar und entsprechen den allgemeinen Erfahrungen von psychosozialen Einsatzkräften in Großschadenslagen.
    Grundsätzlich geht die WHO in ihren Empfehlungen davon aus, dass externe Fachkräfte für Psychotraumatologie anreisen. Sie versucht durch eine Fülle von Vorschlägen, diese mit den lokalen Vertretern von Behörden und mit den psychosozialen Fachkräften durch ihre Vorschläge zu vernetzen.  ... "
    ____
    Fußnoten:
    1) Mein Dank gilt Barbara Tatzber, für die Unterstützung bei der Zusammenstellung der wissenschaftlichen Erkenntnisse im Teil 1.7.
    2) WHO/MSD/MER/03.01 (2003) Mental health in emergencies. Mental and social aspects of health of populations exposed to extreme Stressors. Department of Mental Health and Substance Dependence. World Health Organization Geneva.
    3)Policy kann hier verstanden werden als politisches Anliegen, quasi als Handhabe, die Problematik auf die Tagesordnung z.B. bei einer Bürgermeisterkonferenz zu bringen.
     



    Bewertung: Ein hilfreiches, praxisorientiertes und ausführliches Buch zur psychosozialen Hilfe bei Katastrophen. Besonders seien auch die Ausführungen zum Umgang mit den - mitunter abstoßend rücksichtslosen - Medien (S. 87ff) im Abschnitt Öffentlichkeitsarbeit genannt.
     


    Links (Auswahl: beachte)
    Google <Katatstrophen Hilfe>  yahoo <Katastrophenhilfe>

    Literatur (Auswahl)
    Die Literaturangaben werden im Inhaltsverzeichnis nicht ausgewiesen, sie werden hier [in eckigen Klammern] am Ende der Kapitel, wo Literatur ausgewiesen wird, angegeben.



    Glossar, Anmerkungen und Endnoten
    1) GIPT= General and Integrative Psychotherapy, internationale Bezeichnung für Allgemeine und Integrative Psychotherapie.
    ___
    Bewertung. Bewertungen sind immer subjektiv, daher sind wir in unseren Buchpräsentationen bemüht, möglichst viel durch die AutorInnen selbst sagen zu lassen. Die Kombination Inhaltsverzeichnis und Zusammenfassungen sollte jede kundige oder auch interessierte LeserIn in die Lage versetzen selbst festzustellen, ob sie dieses oder jenes genauer wissen will.  Die BuchpräsentatorIn steht gewöhnlich in keiner Geschäftsbeziehung zu Verlag oder den AutorInnen; falls doch wird dies ausdrücklich vermerkt. Die IP-GIPT ist nicht kommerziell ausgerichtet, verlangt und erhält für Buchpräsentationen auch kein Honorar. Meist dürften aber die BuchpräsentatorInnen ein kostenfreies sog. Rezensionsexemplar erhalten. Die IP-GIPT gewinnt durch gute Buchpräsentationen an inhaltlicher Bedeutung und Aufmerksamkeit und für die PräsentatorInnen sind solche Präsentationen auch eine Art Fortbildung - so gesehen haben natürlich alle etwas davon, am meisten, wie wir hoffen Interessenten- und LeserInnen.  Beispiele für Bewertungen: [1,2,3,]
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    Anm. Vorgesehene. Wir präsentieren auch Bücher aus eigenem Bestand, weil wir sie selbst erworben haben oder Verlage sie aus verschiedenen Gründen nicht (mehr) zur Verfügung stellen wollen oder können.
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    Querverweise
    Standort Hilfe bei Katastrophen und komplexen Schadenslagen
    *
    Was soll ein Trauma heißen?
    BP: Wenn Albträume wahr werden. Traumatische Ereignisse verarbeiten und überwinden.
    BP: Katastrophen-Nachsorge am Beispiel der Aufarbeitung der Flugzeugkatastrophe von Ramstein 1988.
    BP: Trauma Analyse der Opfer der Flugzeugentführung nach Mogadischu.
    *
    Buch-Präsentationen, Literaturhinweise und Literaturlisten in der IP-GIPT. Überblick und Dokumentation.
    *
    Suchen in der IP-GIPT, z.B. mit Hilfe von "google": <suchbegriff> site:www.sgipt.org
    *
    Information für Dienstleistungs-Interessierte.
    *


    Zitierung
    Sponsel, Rudolf (DAS). Buchpräsentation: Psychosoziale Hilfe bei Katastrophen und komplexen Schadenslagen. Lessons Learned. Von Lueger-Schuster, Brigitte; Krüsmann, Marion & Purtscher, Katharina. Internet Publikation  für Allgemeine und Integrative Psychotherapie  IP-GIPT. Erlangen: https://www.sgipt.org/lit/springer/phbkuks.htm
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    korrigiert: irs 17.11.08


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