von Rudolf Sponsel, Erlangen
(normal: in Vorbereitung fett:Ausarbeitung)
Diagnostik.
Im DSM-IV wird hierzu u. a. ausgefuehrt:
DSM-IV Diagnostische Kriterien einer Stoerung mit verminderter
sexueller Appetenz (Lust, Verlangen)
"A. Anhaltender oder wiederkehrender Mangel an (oder Fehlen von) sexuellen Phantasien und des Verlangens nach sexueller Aktivität. Der Untersucher beurteilt den Mangel oder das Fehlen unter Berücksichtigung von Faktoren, die die sexuelle Funktionsfähigkeit beeinfiussen, wie Lebensalter und Lebensumstände der Person.
C. Die sexuelle Funktionsstörung kann nicht besser durch eine andere Störung auf Achse I (ausgenommen eine andere Sexuelle Funktionsstörung) erklärt werden und geht nicht ausschließlich auf die direkte körperliche Wirkung einer Substanz (z. B. Droge, Medikament) oder eines medizinischen Krankheitsfaktors zurück. Bestimme den Typus: Lebenslanger
Typus, Erworbener Typus.
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Differentialdiagnose
(Abgrenzungen und Unterscheidungen). Mangelnde Lust oder Verlangen
kann verschiedene Gruende, Ursachen, Anlaesse oder Bedingungen haben. Geht
das Ausweichen von Sexualkontakten auf starke Furcht zurueck, spricht man
von Sexueller Aversion (hier angstbedingter Abneigung). Masters
& Johnson (dt. 1993, S. 516) fuehren zu den Gruenden und Ursachen aus:
"Menschen mit ISD
zeigen charakteristischerweise wenig Interesse, Sexualaktivität von
sich aus anzuregen und reagieren im allgemeinen auf Angebote des Partners
wenig oder widerwillig. Im allgemeinen sind Menschen mit ISD
sexuell funktionsfähig, doch es gibt Fälle, in denen diese Störung
im Verbund mit sexuellen Dysfunktionen bestehen kann. Das Problem kann
ein »primäres« (also lebenslanges) sein oder »sekundär«
(also »im Verlauf« auftretend), es kann beständig vorhanden
oder umstandsbedingt sein. Wie häufig diese Störung auftritt,
ist unbekannt, doch in den USA umfaßt sie über ein Drittel der
zu behandelnden Fälle. Zu den Ursachen für »gehemmtes Sexualverlangen«
kann man sowohl organische wie psychosoziale Umstände rechnen. Hormonausfälle,
Alkoholismus, Nierendysfunktion, Drogenmißbrauch, schwere chronische
Erkrankungen können einzeln oder insgesamt eine Rolle spielen. Zwischen
10 und 20 Prozent der an solchen Störungen leidenden Männer haben
innersekretorische Drüsentumore, die ein Ubermaß an Prolaktin
produzieren; das Prolaktin unterdrückt die Produktion von Testosteron
und führt nicht nur zur Impotenz, sondern eben auch zu Sexualtriebhemrrungen
(ISD). Eine hohe Anzahl von Fällen hat psychische
Ursachen wie Depressionen und Minderwertigkeitskomplexe, Feindseligkeit
gegenüber dem Partner und partnerschaftliche Machtkämpfe. In
manchen Fällen hat es den Anschein, als entstehe ISD,
weil jemand auf diese Weise mit einer bestehenden sexuellen Dysfunktion
fertigwerden will."
Da es zahlreiche medizinisch-organische Gruende fuer mangelndes sexuelles Verlangen / Lust geben kann, ist eine entsprechende medizinische (z. B. allgemeine, internistische, nervenarztliche, frauenaerztliche, urologische) differentialdiagnsotische Abklaerung zu empfehlen. |
Was "ist" abweichendes Verlangen, abweichende Lust? Analer Sex? Oraler Sex? Sex mit mehreren Personen? Zuschauen oder zuschauen lassen? Selbstbefriedigung mit Stimulantien oder Apparaten? Diese Fragen sind ausgesprochen schwierig zu beantworten und fuer viele Menschen von ganz unterschiedlicher Bewertung, je nach Erziehung, Milieu, Kultur und Gesellschaft. Ein Problem entsteht gewoehnlich erst dann, wenn die sexuelle Selbstbestimmung oder ihre Entwicklung betroffen ist oder sich zwei PartnerInnen nicht einig sind, wenn also der eine vom andern etwas moechte, was diesem nicht gefaellt oder entspricht
Vorlaeufiger Kommentar zur ViagraÒ Nahme aus Sicht der GIPT
Die ueberkritische
allgemeine Ablehnung von ViagraÒ,
wie sie von manchen PsychologInnen und PsychotherapeutInnen betrieben wird,
teilen wir so wenig, wie die unkritischen und euphorischen Jubelrufe, wonach
es in in Zukunft keine Potenzprobleme mehr geben soll.
Mit Viagra, falls es sich bewaehrt, werden eingie neue
Probleme auftauchen, einige alte aber auch u. U. besser und leichter zu
loesen sein. Wer Viagra nicht sein Leben lang nehmen will - und es medizinisch
betrachtet auch nicht braucht, weil das Potenzproblem psychologisch ist
-
muss damit fertig werden, wenn Viagra abgesetzt wird,
sich von der Macht dieser Pillennahme zu befreien. Es koennte sein, dass
es hierfuer guenstig ist, aehnlich wie bei der Nahme von Tranquilizern,
sehr vorsichtig und so sparsam wie moeglich zu sein, um die Macht der Pillennahme
von Anfang an zu begrenzen. Zurueckhaltung ist auch deshalb angebracht,
weil ueber die Langzeit/ Neben/ Wirkungen noch nichts bekannt ist.
Kurz-Sach-Information
zu ViagraÒ
(Link) der Klus-Apotheke, Zürich, Schweiz
In dieser Information
vom 11.5.1998 heisst es:
"Wichtig scheint uns
zu betonen, dass ViagraÒ
kaum als Jungbrunnen oder als potenzsteigerndes Mittel anzusehen ist, sondern
nur bei einer erektilen Dysfunktion, also tatsächlichen Impotenz,
von Vorteil ist. Dieses Arzneimittel sollte besonders am Anfang unter ärztlicher
Begleitung eingenommen werden. Neben dem rein technischen Aspekt sollte
auch der psychische Hintergrund der Störung mitberücksichtigt
und ernst genommen werden." (Fettung von SGIPT)
Deutsche Literatur zu ViagraÒ(Stand 07/98):
Die folgenden Literaturangaben wurden von uns nicht kritisch untersucht, ihre Erwaehnung bedeutet nicht zugleich eine Empfehlung, sondern hat ausschliesslich informatorischen Charakter:
Collins, Frank (1998). Viagra,
das Ende der Impotenz. Muenchen: Scherz. (DM 19.90)
Höppler, Helmut (1998) Viagra.
Duesseldorf: Econ. (DM 9.90)
Katzenstein, L. (1998). Die Potenz-Pille
Viagra. Muenchen: dtv. (DM 12.90)
Langbein, Kurt (1998). Viagra.
Koeln: Kiepenheuer & Witsch (DM 14.90)
Vaughan, Susan C. (1998). Viagra.
Frankfurt: Ullstein. (DM 14.90)
DSM-IV. (dt.
1996, orig. 1994). Diagnostisches und Statistisches Manual Psychischer
Störungen. Deutsche Bearbeitung: Henning Saß, Hans-Ulrich Wittchen,
Michael Zaudig. Göttingen: Hogrefe.
302.71 "Geringes sexuelles
Interesse ist häufig verbunden mit Schwierigkeiten der sexuellen Erregung
oder des Orgasmus. Der Mangel an sexueller Appetenz kann die primäre
Funktionsstörung darstellen oder eine Folge emotionalen Leidens sein,
welches durch Störungen der Erregungsoder Orgasmusfähigkeit ausgelöst
wurde. Bei einigen Personen mit geringer sexueller Appetenz bleibt die
Fähigkeit zu ausreichender sexueller Erregung und Orgasmus als Reaktion
die geringe sexuelle Appetenz als ausschließlich auf die körperliche
Wirkung sowohl eines medizinischen Krankheitsfaktors als auch eines Substanzgebrauchs
zurückgehend angesehen wird, wird sowohl die Diagnose Sexuelle Funktionsstörung
Aufgrund eines Medizinischen Krankheitsfaktors als auch Substanzinduzierte
Sexuelle Funktionsstörung gestellt. Eine Störung mit Verminderter
Sexueller Appetenz kann auch in Verbindung mit einer anderen Sexuellen
Funktionsstörung auftreten (z.B. einer Erektionsstörung beim
Mann). Wenn dies der Fall ist, sollten beide Diagnosen festgehalten werden.
Die zusätzliche Diagnose einer Störung mit Verminderter Sexueller
Appetenz wird in der Regel nicht gestellt, wenn die geringe sexuelle Appetenz
besser durch eine andere Störung auf Achse I (z. B. eine Major Depression,
Zwangsstörung, Posttraumatische Belastungsstörung) erklärt
werden kann. Die zusätzliche Diagnose kann angemessen sein, wenn die
geringe Appetenz der Störung auf Achse I vorausgeht oder für
sich allein genommen klinische Beachtung rechtfertigt. Gelegentliche Probleme
mit der sexuellen Appetenz, die nicht anhaltend oder wiederkehrend auftreten
oder nicht mit deutlichem Leiden oder zwischenmenschlichen Schwierigkeiten
einhergehen, sind nicht als Störung mit Verminderter Sexueller Appetenz
anzusehen."
ISD engl. Inhibited Sexual
Desire, gehemmtes sexuelles Verlangen.
Zur ueberkritischen
allgemeine Ablehnung von Viagra. In der Rheinischen Post konnte man lesen:"
Bonn (AP). Vor übertriebenen Hoffnungen und verzerrenden Darstellungen
über die Wirkungsweise der Potenzpille Viagra hat der Bundesverband
Deutscher Psychologinnen und Psychologen (BDP) gewarnt. 'Daß Viagra
auch nur ein einziges Potenzproblem löst, ist vollkommener Blödsinn',
erklärte der Psychotherapeut Alfred Bonus am Mittwoch in Bonn. Potenzschwierigkeiten
seien, von wenigen Ausnahmen abgesehen, psychische Probleme, die nicht
mit der chemischen Keule behandelt werden könnten. Erektionsprobleme
seien zudem oft nicht nur Anzeichen innerseelischer Störungen, sondern
häufig auch symbolische Botschaften an die Partnerin, erklärte
der BDP weiter. Solche Botschaften könnten sein 'Etwas paßt
mir nicht' oder 'ich habe Angst vor deiner Dominanz'. Viagra lasse derartige
Botschaften gar nicht mehr zu. Erektionsschwierigkeiten sollten Paare anhalten,
nach Hintergründen zu forschen. Die Psychologen sahen zudem 'deutliche
Tendenzen', daß das Medikament mißbraucht wird, 'um machohaftes
Potenzgebaren exzessiv auszuleben.' Damit gerate die Sexualität unter
den 'verzerrenden Blick der sportlichen Ausdauerleistung.'