Erlebnisregister Literaturanalysen
Arme Leute (1846) von Dostojewski (1821-1881)
Originalarbeit von Rudolf Sponsel, Erlangen
Hauptseite Erleben und Erlebnis in der Literatur * Methodik Erlebensanalysen literarischer Werke * Haupt- und Verteilerseite Erlebnisregister * Haupt- und Verteilerseite Die Erforschung des Erlebens und der Erlebnisse * Methode der Fundstellen-Textanalyse. * Hauptbedeutungen Erleben und Erlebnis * Signierungssystem * Zusammenfassung Hauptseite * Begriffscontainer (Containerbegriff) * Begriffsverschiebebahnhof
Arme Leute findet man man im Gutenbergprojekt
https://www.projekt-gutenberg.org/dostojew/armeleut/armeleut.html
Gespräch/Erzählung | Nr | Brief |
dialogisch, hin und her | 01 | monologisch |
direkte Reaktion | 02 | keine direkte Reaktion |
spontaner | 03 | kontrollierter |
authentischer | 04 | wirkungsbedachter |
kurze Rede | 05 | lange Rede |
erinnerungsabhängig | 06 | dokumentiert |
lockerer | 07 | förmlicher |
leicht | 08 | aufwändig |
natürlicher | 09 | künstlicher |
nonverbale Kontrolle | 10 | keine nonverbale Kontrolle |
... | ... | ... |
Wie kann festgestellt werden, ob Erleben im Brief
anders ausfällt als im Erzählstil, genau im Ich-Erzählstil
und im Auktorial-Erzählstil?
Die einfachste und direkte Methode besteht darin, das im Brief erzählte
in Erzählstil umzuschreiben, um zu sehen, ob sich am Erlebens- oder
Erlebnisgehalt etwas ändert.
Briefform Dostojewski | Ich-Erzählstilform RS | Auktiorale Erzählstilform RS »« | ||
D1.1 "Meine teure Warwara Alexejewna!
Gestern war ich glücklich, über die Maßen glücklich, unglaublich glücklich! Wenigstens einmal im Leben haben Sie auf mich gehört, Sie Eigensinn! Am Abend so um acht Uhr wachte ich auf (Sie wissen, liebes Kind, daß ich nach dem Dienste gern ein oder zwei Stündchen schlafe), stellte die Kerze auf den Tisch, legte meine Papiere zurecht, machte die Feder rein, hob auf einmal zufällig die Augen in die Höhe – wahrhaftig, das Herz fing mir ordentlich an zu hüpfen! Also haben Sie doch verstanden, was ich wünschte, was mein Herz begehrte! Ich sah ein Eckchen des Rouleaus an Ihrem Fenster zurückgeschlagen und an den Balsaminentopf gehängt, genauso wie ich es Ihnen damals andeutete; und zugleich schien es mir, daß auch Ihr Gesichtchen einen Augenblick am Fenster sichtbar würde, daß auch Sie aus Ihrem Zimmer nach mir hinblickten, daß Sie an mich dächten. Und wie bekümmert war ich darüber, mein Täubchen, daß ich Ihr hübsches Gesichtchen nicht ordentlich unterscheiden konnte! Es hat eine Zeit gegeben, wo auch ich gut sehen konnte, liebes Kind! Das Alter ist keine Freude, meine Teure! Jetzt flimmert es mir immer vor den Augen; wenn ich am Abend ein bißchen gearbeitet und etwas geschrieben habe, so sind mir am andern Morgen gleich die Augen gerötet, und die Tränen fließen mir, so daß ich mich vor Fremden geradezu geniere. Aber vor meinem geistigen Blicke leuchtete Ihr Lächeln auf, mein Engelchen, Ihr gutes, freundliches Lächeln, und in meinem Herzen hatte ich ein ganz ebensolches Gefühl wie damals, als ich Sie küßte, liebe Warwara, – erinnern Sie sich wohl, mein Engelchen? Wissen Sie, mein Täubchen, es schien mir gestern sogar, als drohten Sie mir mit dem Finger. Stimmt das, Sie Schelmin? Schreiben Sie mir das alles jedenfalls recht ausführlich in Ihrer Antwort!" |
"Teure Warwara Alexejewna, ich möchte
Ihnen sagen, dass ich gestern über die Maßen glücklich,
unglaublich glücklich war. »Wenigstens einmal haben Sie auf
mich gehört, Sie Eigensinn.« So um acht Uhr abends bin ich aufgewacht.
(»Sie wissen, liebes Kind, dass ich gern nach dem Dienst ein
oder zwei Stündchen schlafe«) Ich stellte die Kerze auf den
Tisch, legte mein Papier zurecht, machte die Feder rein, hob einmal zufällig
die Augen in die Höhe, und, wahrhaftig, das Herz fing ordentlich an
zu hüpfen. Also haben Sie doch verstanden, was ich wünschte.
Ich sah ein Eckchen des Rouleaus an Ihrem Fenster zurückgeschlagen
und an den Balsaminentopf gehängt, genauso wie ich er es Ihnen damals
andeutete; und zugleich schien es mir, daß auch Ihr Gesichtchen einen
Augenblick am Fenster sichtbar würde, daß auch Sie aus Ihrem
Zimmer nach mir hinblickten, daß Sie an mich dächten. Und wie
bekümmert war ich darüber, mein Täubchen, daß ich
Ihr hübsches Gesichtchen nicht ordentlich unterscheiden konnte! Es
hat eine Zeit gegeben, wo auch ich gut sehen konnte. Liebes Kind!
Das Alter ist keine Freude, meine Teure! Jetzt flimmert es mir immer vor
den Augen; wenn ich am Abend ein bißchen gearbeitet und etwas geschrieben
habe, so sind mir am andern Morgen gleich die Augen gerötet, und die
Tränen fließen mir, so daß ich mich vor Fremden geradezu
geniere. Aber vor meinem geistigen Blicke leuchtete Ihr Lächeln auf,
mein Engelchen, Ihr gutes, freundliches Lächeln, und in meinem Herzen
hatte ich ein ganz ebensolches Gefühl wie damals, als ich sie
küßte, liebe Warwara, – erinnern Sie sich
wohl, mein Engelchen? Wissen Sie, mein Täubchen, es schien mir gestern
sogar, als drohten Sie mir mit dem Finger. 'Stimmt das, Sie Schelmin?'
Sagen Sie mir das alles jedenfalls recht ausführlich."
_ _ _ |
Dewuschkin hob an: »Meine teure Warwara Alexejewna!«
Er sei gestern über die Maßen glücklich, unglaublich glücklich
gewesen. »Wenigstens einmal haben Sie auf mich gehört, Sie Eigensinn.«
So um acht Uhr abends sei er aufgewacht. Warwara wisse ja, dass er gern
nach dem Dienst ein oder zwei Stündchen schlafe. Er habe die Kerze
auf den Tisch, gestellt, sein Papier zurecht gelegt, die Feder rein gemacht,
auf einmal habe er zufällig die Augen in die Höhe gehoben, und,
wahrhaftig, sein Herz habe ordentlich angefangen zu hüpfen. Also habe
sie doch verstanden, was er wünschte, was sein Herz begehrte. Er habe
ein Eckchen des Rouleaus an Ihrem Fenster zurückgeschlagen gesehen
und an den Balsaminentopf gehängt, genauso wie er es ihr damals angedeutet
habe; und zugleich schien es ihm, daß auch ihr Gesichtchen einen
Augenblick am Fenster sichtbar wurde, daß auch sie aus Ihrem Zimmer
nach ihm hinblickte, daß sie an ihn dachte. Er war sehr bekümmert
darüber, daß er das hübsche Gesichtchen seines Täubchens
nicht ordentlich unterscheiden konnte! »Liebes Kind«, es habe
eine Zeit gegeben, wo auch er gut habe sehen können. »Meine
Teure« Das Alter sei keine Freude. Jetzt flimmere es ihm immer
vor den Augen; wenn er am Abend ein bißchen gearbeitet und etwas
geschrieben habe, so seien ihm am andern Morgen gleich die Augen gerötet,
und die Tränen flössen ihm, so daß er sich vor Fremden
geradezu geniere. Aber vor seinem geistigen Blicke leuchte das Lächeln
seines Engelchen auf, ihr gutes, freundliches Lächeln, und in seinem
Herzen habe er ein ganz ebensolches Gefühl wie damals gehabt, als
er sie küßte. Dewuschkin fuhr fort:
»liebe Warwara, – erinnern Sie sich wohl, mein Engelchen? Wissen
Sie, mein Täubchen, es schien mir gestern sogar, als drohten Sie mir
mit dem Finger. Stimmt das, Sie Schelmin? Sagen Sie mir das alles jedenfalls
recht ausführlich!«
_ _ _ _ |
küßte. In den Besprechungen heißt es, die beiden hätten sich nie getroffen. Wenn das richtig ist, ist der Kuss wunschgeleitete Einbildung, womöglich sogar eine halluzinative Wahnerinnerung. Oder die Literaturbesprechungen sind falsch.
Ergebnis Erzählform-Vergleiche
Briefform Dostojewski | Ich-Erzählstilform RS | Auktiorale Erzählstilform RS »« | ||
Im Wesentlichen ist die Ich-Erzählform der Briefform inhaltlich gleichzusetzen. | Im Wesentlichen ist die Auktorial-Erzählform der Briefform inhaltlich gleichzusetzen. |
ID1.1 | IMP: + | IEEv: + | IEEp: ? | IEEb: - | IFEb: v | IAWm: + | IAWv: + | IAWw: ? | IAP: + |
Indiz/Krit | IALv: + | IALp: v | IALb: v | IPSv: + | IPSp: + | IPSb: v | IWv: + | IWp: v | IWb: v |
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korrigiert: 11.05.2023 irs Rechtschreibprüfung und gelesen