Ein therapiedidaktisches Paper zur orientierenden
Qualitätssicherung
aus verhaltenstherapeutisch-multimodal-
integrativer Perspektive
von Rudolf Sponsel, Erlangen
Psychotherapie ist dann nicht ganz so erfolgreich, wenn die damit verbundene Arbeit falsch eingeschätzt wird. Zu unseren widerspruchsvoll anmutenden Problemen gehört auch, daß sich viele Erklärungen und Lösungen theoretisch sehr leicht und einfach anhören, aber in der praktischen Umsetzung und Anwendung insofern nicht einfach sind, weil sie gemacht und durchgeführt werden müssen. Ist ein Problem soweit geklärt, daß es in eine Aufgabe gewandelt werden konnte, so ist es immer noch Arbeit, diese Aufgabe zu verrichten. Wenn Sie nur wissen, daß Ihr Fahrzeug einen Platten hat, dann fährt es immer noch nicht: er muß erst geflickt werden. Wenn Sie wissen, daß Ihnen etwas Zuneigung, Wertschätzung und Anerkennung fehlen, so stellt sich das nicht mit dem Wissen ein, sondern es kann ein langer Weg sein, dort hin zu gelangen und es geschieht nicht von selbst. Wenn man seinen Frust, seine Enttäuschung und seine Wut hinaus schreit, so sind die Quelle, der Hintergrund und die Möglichkeit erneuter Entwicklung noch nicht beseitigt. Ist Ihr Fenster zerbrochen, so nutzt es Ihnen wenig, wenn sie wissen, wie das gekommen ist: Sie brauchen einen Glaser. Für viele Problemlösungen kann das Wissen, wie die Probleme entstanden sind, zwar für die Entwicklung einer Problemlösung hilfreich und nützlich sein, aber mit dem Wissen und Einsicht in ein Problem und seine Entwicklung, hat sich das Problem meistens noch nicht gelöst. Dann beginnt meist erst die Arbeit. So gesehen ist das Wort Problemlösung mindestens doppeldeutig: es besagt, wie die Lösung aussieht oder/und dass die Lösung erfolgt ist. |
Wir wollen uns nun so richtig von der Pike auf fragen: wie geht richtiges Verändern in der Praxis, im Alltag des Lebens? Worauf kommt es da an? |
Ziele festlegen. Damit Veränderungen (TUN oder LASSEN) gut vorbereitet, durchgeführt und kontrolliert werden können, muss man natürlich wissen, was man will, also welche Ziele man hat, was man erreichen möchte. Je konkretere und praktischer ich meine Ziele formulieren und auf meinen Lebensalttag beziehen kann, desto leichter wird es mir fallen, die entscheidenden Gelegenheiten für Veränderungen zu bemerken.
1) Wahrnehmen, spüren, fühlen, empfinden: Aufmerksam und bewußt sein.
Bemerken. Als erstes muß ich, was
mich stört, was mir fehlt oder was nicht so gut funktioniert, wahrnehmen
und bemerken. Ich brauche damit eine gewisse Empfindlichkeit für Störungen,
Fehler, Mängel und Schwächen. Man darf also nicht „blind" und
muß empfindlich genug sein. Mit offenen und unverzerrten „Augen"
und angemessener Empfindlichkeit wahrzunehmen ist demnach Voraussetzung
für die Erfassung von Störungen, Fehlern, Mängeln und Schwächen.
Verallgemeinert für Aufgaben und Übungen in der alltäglichen
Lebenspraxis ergibt sich: ich muß
wahrnehmen und bemerken,
wo oder wann ich etwas anders machen und verändern kann. Nehme
ich schon gar nicht wahr, daß ich jetzt etwas ändern, anwenden
und üben könnte, so werde ich es auch nicht tun. Am Anfang steht
die Wahrnehmung, das Bemerken, die Bewußtheit.
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Planen. Wie geht nun verändern ganz praktisch, hier und jetzt, heute, morgen und übermorgen im Lebensalltag? Der Weg zur Hölle ist bekanntlich mit guten Vorsätzen gepflastert (G. B. Shaw). Man muß sich darüber im Klaren sein, daß Verändern eine besondere Kraft erfordert. Verändern geht nicht von alleine. Und der gute Wille, die gute Absicht und der bloße Vorsatz haben gute Chancen, im Alltag unterzugehen. Vornehmen alleine genügt also nicht. Ich brauche einen Plan, der mir Kontrolle erlaubt, wie sich mein Verändern-Wollen, mein Anwenden und Üben praktisch entwickelt. Wie oft soll was getan werden? Viele Menschen haben viele gute Ideen, die oft nur deshalb scheitern, weil sie nicht oft oder lange genug umgesetzt, angewendet und geübt werden. Lernen kommt nur dann zustande, wenn die Zeit zwischen zwei Lerneinheiten genügend klein ist. Sonst fängt man immer wieder bei Adam und Eva an und das ist oft sehr enttäuschend und demoralisierend.
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Motivation. Damit ich etwas verändere, anwende und übe, brauche ich entweder Lust und Interesse, wenigstens aber ein Motiv und Willenskraft zum Überwinden des „Inneren Schweinehundes", der Unlust oder der Bequemlichkeit. Die Frage ist: woher bekomme ich Motivation für meine Praxis der Veränderung, z.B. einen Plan zu machen, Neues zu lernen, zu probieren, eine Gelegenheit herzustellen?
Fähigkeit. Nicht immer sind die Fähigkeiten und Fertigkeiten schon genügend gut und stark entwickelt, die man zum Verändern, zum Anwenden, Umsetzen und Üben braucht. Manches muß erst gelernt werden. Damit man etwas lernen und tun kann, braucht man gewisse Fähigkeiten. Die meisten Grund-Fähigkeiten haben die allermeisten Menschen: sprechen und handeln. Dies ist je nach Aufgabe nun genauer festzulegen und zur Praxisreife hin in Schwung zu bringen. Ein Beispiel für Beziehungskompetenz: Wer die VATER- Kriterien beachtet und anwendet, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit befriedigende Beziehungen entwickeln. VATER ist hier ein Kunstwort und seine Anfangsbuchstaben bedeuten: Vertretung (Initiative ergreifen, behaupten, abgrenzen, durchsetzen); Authentizität (Echtheit, offen, klar, direkt); Taktgefühl (rücksichtsvoll, angemessen) und Einfühlen (Empathie, die Welt mit den Augen des anderen sehen, sich in die Lage des anderen versetzen). Reaktionen und Resultate erfassen und dokumentieren.
Gelegenheiten schaffen. Der innere „Schweinehund", Bequemlichkeit, Unlust oder Angst sind oft der Grund, daß wir manchmal meinen, jetzt paßt es gerade nicht, ein anderer Augenblick, eine andere Gelegenheit wäre besser oder daß wir plötzlich keine Gelegenheiten mehr wahrnehmen. Man darf nicht nur auf Gelegenheiten hoffen oder warten, sondern man muß sie herbeiführen oder herstellen lernen, daß die Zeiträume zwischen den Anwendungen und Übungen auch kurz genug sind, damit Lernen, genauer ein Lernzuwachs, überhaupt stattfinden kann.
Gewohnheitsbildung. Sind neue Verhaltensweisen erst einmal gelernt, ist ein gewisser Durchbruch geschafft, dann kommt u. U. noch einmal eine gefährliche Situation, weil man zu schnell aufhört: Wenn es dem Esel zu gut geht, dann geht er aufs Eis. Das ist die Gefahr. Aber nicht nur. Gelingt es, so gut zu lernen, daß man eine neue Gewohnheit aufgebaut und gebildet hat, braucht man keine Überwindung und Energie mehr. Gewohnheiten sind sozusagen energiesparend. Es genügt bei einer Gewohnheitsbildung ein kleiner Anstoß, ein winziges Motiv, um die Verhaltensweise hervorzubringen. Wenn Ihnen das gelungen ist, dann haben Sie das bestmögliche Ergebnis erreicht. Achten Sie also darauf, daß Sie nicht nur lernen, sondern sogar so weit überlernen, daß eine neue Gewohnheit entstanden ist.
Dokumentieren. Im allgemeinen ist es sinnvoll, wenn man ein (Therapie- oder) Veränderungs-Tagebuch führt, um die eigene Entwicklung überprüfen und bestmöglich lenken und lernen zu können.
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