General Moses - Die Sprache Freuds
Psychoanalyse als militärische Eroberung
An ihrer Sprache könnt ihr sie erkennen
Nach eine brillianten Darstellung Annemarie Dührssens
Mitgeteilt von Rudolf Sponsel, Erlangen
"Schon die Gründungsversammlung der Internationalen Psychoanalytischen Vereinigung hatte er den »Nürnberger Reichstag« genannt. Mehr als einmal sprach er später von dem »von mir gegründeten Reich«. In diesem seinem Reich gab es »Herrscher« und »Befehlshaber«. »Mitstreiter wurden rekrutiert« oder »fielen in Nachbarprovinzen ein und machten Eroberungen«. »Machtpositionen« wurden gefestigt und auf »kleine Scharmützel« folgten wieder »Siegeszüge«. Auc! sollte dem neu gegründeten Reich der »Erbe« und »Nachfolger« nicht fehlen. C.G. JUNG wurde »zum Kronprinzen gesalbt«. War eine »Schlacht verloren«, dann trat die »beleidigte Göttin Libido einen Rachefeldzug an«.
Es war ganz gewiß unübersehbar, daß viele der Mitstreiter FREUDS in jungen Jahren jenem großen Faszinosum erlegen sind, das von seiner Kampf- und Eroberungsbereitschaft ausgegangen ist. ERNEST JONES sagte später von sich selbst, daß er als 33jähriger Mann bei der Planung des »Geheimen Komitees« im Jahre 1912 (dessen Mitglieder FREUD in treuer Gefolgschaft unterstützen wollten) von dem jugendlichen Gefühl beflügelt gewesen sei, daß er seinem Heerführer FREUD als Paladin dienen könne. FREUD selbst nannte in seinen Briefen an KARL ABRAHAM (einem anderen Mitglied des Komitees) diesen gelegentlich ebenfalls seinen »Paladin«.
FREUD hatte recht genaue Pläne, mit welchen Mitteln er sein Reich ausbauen könnte und wie die eroberten Provinzen zu befestigen wären. Er schlug die Bildung von »Ortsgruppen« innerhalb der Internationalen Psychoanalytischen Vereinigung vor und regte die regelmäßige Versendung von Informationsblättern an, die dafür sorgen sollten, daß sich die Kontakte unter den in der Welt verstreuten Mitgliedern der Vereinigung stärkten.
Sehr bald war er mit C.G. JUNG - dem ersten Präsidenten der Vereinigung - unzufrieden, weil »das erste Jahr seiner Regentschaft nicht eben strahlend ausgefallen war«. JUNG war offenbar nicht der Mann gewesen, der mit 35 Jahren als »Kronprinz« all seine Kräfte und Energien in den Ausbau von FREuDs neu gegründetem Kolonialreich investieren wollte.
Zudem waren die Mitglieder der Psychoanalytischen Vereinigung über das mit FREuD geteilte Konquistadorentum hin [>21] aus noch auf eine andere, sehr eigentümliche Weise miteinander verbunden und verknüpft. Die entschlossene Beteiligung an den gemeinsamen Eroberungsfeldzügen genügte offenbar nicht. Es wurde immer deutlicher, daß die Zugehörigkeit zum Kreis um FREUD mehr und mehr von ihrer inneren Einstellung zu FREUDS Hypothesenbestimmt wurde. Für FREuD gab es »Bekenner« und »Ketzer«. Es gab solche, die »treu im Glauben« standen und andere, die als »Abtrünnige« bezeichnet wurden. Sehr früh mußten sich die Mitglieder der Psychoanalytischen Vereinigung selber fragen, ob sie tatsächlich zu einer Sekte gehörten, wie es ihnen so häufig von Wissenschaftlern anderer Gruppierungen vorgeworfen wurde. Vorwürfe dieser Art waren gewiß nicht unberechtigt. Es war gänzlich unverkennbar, daß FREUD sich selbst nicht nur als Reichsgründer verstand, der neue Länder erobern und in Besitz nehmen wollte. FREUD trug zugleich all jene Erlebnisweisen, Motive und Tendenzen in sich, die ihn in die Rolle eines Religionsstifters führten. Schon im Jahre 1909 hatte FREUD an JUNG geschrieben:
»Wenn ich der Moses bin, werden Sie das gelobte Land der Psychiatrie, das ich nur aus der Ferne erschauen darf, in Besitz nehmen.«
Über den Mann Moses hatte FREUD gegen Ende seines Lebens in einer weitausgreifenden Arbeit gesagt:
»Wir dürfen nicht vergessen, daß Moses nicht nur der politische Führer der in Ägypten ansässigen Juden war, er war auch ihr Gesetzgeber, Erzieher und zwang sie in den Dienst einer neuen Religion, die noch heute nach ihm die Mosaische genannt wird.« (Hervorhebung von mir).
Kaum einer der Biographen FREUDs kam an der Einsicht vorbei, daß FREUD tatsächlich selbst all jene inneren Tendenzen in sich trug, die ihn zum »Gesetzgeber und Erzieher« seines Volkes machten, das er in den »Dienst einer neuen Religion zwingen wollte«. Schließlich kannte FREUD unter seinen Schülern und Anhängern nicht nur »Bekennner«, »Ketzer« oder »Abtrünnige«. Er sprach auch von »Strenggläubigen« oder Häretikern und der alttestamentarische Ausdruck von den »Abgefallenen« kehrt in seinen Briefen regelmäßig wieder."