In memoriam Walter Toman 28.09.2021
Walter Toman und die Plausibilität
Nachdem wir eine umfangreiche Pilot-Studie zum Thema Plausibilität in Arbeit haben, hat sich dieses Jahr angeboten, nach Walter Toman und Plausibilität zu forschen. Dabei zeigte sich, dass Suchmaschinen wie z.B. Google zum Teil irritierende bis falsche Informationen ausgeben, wie im Folgenden noch dokumentiert wird. In einem Fall sind wir aber auf eine schöne Materialsammlung des Theaters Ulm gestoßen, das aus Tomans Familienkonstellationen eine Darstellung der Seite 16-18 und 45-51 unter dem Titel "Walter Toman. Familienkonstellationen: Ihr Einfluß auf den Menschen und sein soziales Verhalten" gebracht hat.
Trauerarbeit nach Verlusten plausibel
Wir bringen den gesamten Kontext, weil Toman hier sehr wichtige Regeln
für die Bedeutung von Verlusten nahestehender Personen präsentiert.
a) je kürzer sie zurückliegen,
b) je früher im Leben einer Person sie eingetreten sind,
c) je älter die verlorene Person (im Verhältnis zum ältesten
Familienmitglied),
d) je länger die Person mit der verlorenen
Person zusammengelebt hat,
e) je kleiner die Familie,
f) je mehr das Gleichgewicht der Geschlechter in der Familie dadurch
beeinträchtigt wird,
g) je länger die verbliebenen Familienmitglieder brauchen, um
einen Ersatz für die verlorene Person zu beschaffen,
h) je größer die Zahl der Verluste und je schwerer die Verluste,
die bereits vorher eingetreten waren.
Diese Regeln gelten sowohl für permanente wie für temporäre
Personenverluste. Bei temporären Personenverlusten muß Regel
g) entsprechend modifiziert werden. Nicht die Zeit bis zum Auftreten einer
vollwertigen Ersatzperson, sondern die Zeit bis zur Rückkehr der verlorenen
Person wird hier gezählt (siehe auch Toman 1962, Toman und Preiser
1973).
Regel c) impliziert, daß der Verlust eines Elternteils erheblich
schwerer wiegt als der Verlust eines Geschwisters, der Verlust eines viel
älteren Geschwisters höher als der eines nur wenig älteren
Geschwisters. Dies entspricht den klinisch-psychologischen Beobachtungen
von Verlusten und ihren Wirkungen.
Regel d) impliziert unter anderem, daß es leichter für eine
Person ist, den Verlust eines viel jüngeren als den eines nur wenig
jüngeren Geschwisters zu verschmerzen. Sie impliziert aber auch, daß
der Ver-.[>49] lust eines älteren Geschwisters schwerer in seinen
psychologischen Wirkungen ist als der Verlust eines jüngeren Geschwisters.
Das hängt damit zusammen, daß man mit einem älteren
Geschwister in der Regel so lange zusammengelebt hat, wie man selbst auf
der Welt ist, mit einem jüngeren Geschwister dagegen eine um den Altersabstand
von ihm verminderte Zahl von Jahren. Außerdem gilt, daß ein
älteres Geschwister immer eine Zeitspanne erlebt hat, in der das jüngere
Geschwister noch nicht auf der Welt war. Wenn es den Neuankömmling
als lästig erlebt, was als ein Teilaspekt der Beziehung zu ihm praktisch
immer zutrifft, dann hat es eine Vorstellung davon, wie es sich die Lage
wieder verbessern könnte: durch Herstellung des ursprünglichen
Zustandes oder, anders gesagt, durch Beförderung des Neuankömmlings
dorthin, wo er vor seiner Geburt war. Durch seine Erfahrung mit dem Zielzustand
wird das ältere Geschwister besser Herr dieses Beseitigungswunsches
gegenüber dem jüngeren Geschwister. Das jüngere Geschwister
hat in der Regel ja nie ohne das ältere Geschwister gelebt. Es kann
seine Rivalitätsgefühle und seinen gelegentlichen Ärger
mit dem älteren Geschwister nicht so gut in einen Beseitigungswunsch
gegenüber dem älteren Geschwister organisieren und diesen sodann
unterdrücken, wie es das ältere Geschwister vermag. Das jüngere
Geschwister hat ja den Zielzustand solcher Gefühle, ein Leben ohne
das ältere Geschwister, vorher nie erlebt. Im Falle des Verlustes
eines Geschwisters ist daher das jüngere betroffene Geschwister meist
ratloser und aufgeregter als das ältere betroffene Geschwister.
Daß Regel d) überhaupt gelten
soll, wird aus dem Freud’schen Konzept der Trauerarbeit nach Verlusten
plausibel
(Freud 1916; auch Toman 1968). Je länger man mit jemandem gelebt hat,
desto mehr hat man über ihn erfahren, desto stärker hat man sich
an seine Existenz gewöhnt und desto schwieriger ist es daher, ihn
und die Erfahrungen mit ihm im Falle seines Verlustes wieder zu vergessen
bzw. sich an seine Nichtexistenz zu gewöhnen. Die Schwere des Verlustes
kann unter anderem nach der Länge der Trauerarbeit eingeschätzt
werden, die nach dem Eintritt des Verlustes notwendig wurde. Während
sie andauert, ist der Betroffene akut von anderen Aufgaben und Belangen
seines Lebens abgelenkt und damit verunsichert. Wann diese Trauerarbeit
im konkreten Fall beendet ist, läßt sich allerdings oft nicht
eindeutig feststellen."
[1]
Trauerarbeit nach Verlusten
plausibel [2] "Das könnte eine plausible Erklärung sein, auf die die Verfasser der Festschrift [für Toman] in ihrer Bemerkung, die psychodynami- sche Richtung habe sich nicht durchsetzen können, wohl auch anspielen." (S. 12) [3] Google Artefakt: kein Zusammen- hang zwischen Toman und plausibel. [4] "Lebensgeschichten sind mit all ihren Stationen und Abfolgen persönliche (Re-)Konstruktionen, die plausibel machen, wie man zu dem geworden ist, was man ist (vgl. Fuchs-Heinritz, 2009; Bollmann, 2012, S. 71-77)." "Plausibel kommt zwar vor, aber nicht im Zusammenhang mit Toman. [5] Das Buch enthält in der dt. Übersetzung wie oben ausgewiesen S.49 "plausibel". [6] [7] [8] [9] Familienkonstellationsbuch. [10] [11] [12] Weitere Fundstellen:
"so plausibel die Ausführungen von
Adler und Toman auch sind: Ernst und ..." S. 76 [GB]
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korrigiert: irs 27.09.2021