Internet Publikation für Allgemeine und Integrative Psychotherapie
    (ISSN 1430-6972)
    IP-GIPT DAS=10.01.1999 Internet-Erstausgabe, letzte Änderung: 12.04.15
    Impressum: Diplom-PsychologInnen Irmgard Rathsmann-Sponsel und Dr. phil. Rudolf Sponsel
    Stubenlohstr. 20     D-91052 Erlangen * Mail: sekretariat@sgipt.org_Zitierung  &  Copyright

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     Willkommen in unserer Internet-Publikation für Allgemeine und Integrative Psychotherapie, Abteilung ADHD, Bereich Leitymptome, und hier speziell zum allgemeinen normalpsychologischen und psychopathologischen Phänomen der:

    Unruhe
    Begriff, Erscheinung, Erleben, Bedeutung,
    Diagnostik, Epidemiologie, Therapie

    von Rudolf Sponsel, Erlangen,


    Inhaltsübersicht: 
    Teil I: Einführung, Begriff, Erscheinung, Erleben, Bedeutung.
    Teil II: Diagnostik, Statistik und Epidemiologie der Unruhe.
    Teil III.: Biopsychologie der Unruhe.
    Teil IV: Therapie der Unruhe.

    Teil I. Begriff, Erscheinung, Erleben, Bedeutung der Unruhe

    Einführung:
    Unruhe ist ein Wort der Alltagssprache, aber auch ein psychologisch- psychopathologisches Symptom. In der Aufmerksamkeits- Hyperaktivitätsstörung gilt sie als eines der drei traditionellen Hauptsymptome1): Aufmerksamkeitsstörung, Impulsivität und Unruhe.

    Die Unruhe ist von so grosser Bedeutung, dass man sich nur wundern kann, dass dieser wichtigen Erscheinung kaum eine eigene gründliche psychologisch-psychopathologische Monographie gewidmet wurde (Ausnahme Bjerre). Die PsychologInnen haben sich kaum mit ihr beschäftigt, wenn dann eher PsychopathologInnen und PsychiaterInnen. Der schwedische Psychotherapeut Bjerre führt aus: "Das erste, was bei einer Umanpassungskrise in die Augen fällt, ist nicht selten die Unruhe - die sich sowohl motorisch in ruhelosem Hinundherlaufen ausdrücken kann, als auch in der inneren Ruhelosigkeit, die keine Handlung zu Ende führt, von Gegenstand zu Gegenstand springt usw. Der Betreffende fürchtet Dinge, die mit der neuen Lage zusammenhängen, und selbst wenn diese Befürchtungen motiviert sein mögen, sind sie durch die Unruhe zu Dimensionen verzerrt, die nur noch wenig mit der Wirklichkeit zu tun haben. Auf jeden Fall kann die Unruhe nicht aus der Furcht abgeleitet werden; sie ist ein autochthoner Zustand."

    Begriff
    Unruhe ist ein elementarer Grundbegriff. Der Sachkerngehalt des Begriffes ist die Bewegung (> "Unruhe" in mechanischen Uhren), die Inkonstanz oder Diskontinuitaet: etwas bleibt nicht an einem Ort, sondern wechselt und wandert.

    Erscheinung

    1. Unruhe kann äusserlich beobachtet werden, sie kann sich aber auch innerlich zeigen und dann nach aussen hin nicht in Erscheinung treten. Äusserlich ist die Unruhe Bewegungs-Unruhe, meist auch motorische Unruhe genannt. Aufstehen, hin- und hergehen oder laufen, mit den Füssen wippen, nesteln, die Finger, Hände und Arme bewegen sind äussere Erscheinungsformen der Unruhe.
    2. Man spricht auch trefflich von innerer Unruhe: unruhig sein, Unruhegefühl, getrieben fühlen, flattern, brodeln, bruzzeln; diese innere Unruhe kann nach aussen hin völlig verborgen sein, sie kann sich aber auch in verhaltener Bewegungsunruhe wie z. B. Beine wippen, mit den Fingern oder Händen nesteln, äußern.
    3. Im Grunde kann sich Unruhe in beinah allen psychologischen Funktionen zeigen: in der Stimmung, im Fühlen, in der Aufmerksamkeit und Wahrnehmung, im Wünschen, Mögen und Wollen, im Handeln, Tun und Verhalten. Die Unruhe zeigt sich im Affekt als Laune, Stimmungslabilität, Affektlabilität oder neutral bezeichnet als Wechselhaftigkeit. Im Verhalten und Tun, in Motivation oder im Denken kann Unruhe als Sprunghaftigkeit und Unstetigkeit erscheinen oder so interpretiert werden.


    Als verallgemeinerte Kriterien der Unruhe erscheinen: sprunghaft, wechselhaft, unstetig, was psychopathologisch wiederum sehr an phasische (periodische, rhythmische) Prozesse erinnert und als asynchronische Störungen aufgefasst werden können. Mit dieser Überlegung gibt es eine klare Ähnlichkeit zu den affektlabilen, depressiven, dysthymen, (hypo) maniformen (euphorischen und vor allem dysphorischen) und zyklothymen (bipolaren) Erscheinungen.

    Erleben
    Das innere Unruhe-Erleben wird auch mit eben diesem Wort bezeichnet: ich bin unruhig, es gärt, brodelt in mir. Unruhe kann als Drang zur Aktivität gespürt werden und eine PatientIn von mir bezeichnete es einmal sehr trefflich mit dem Bild "Wepsen im Arsch". Ein Drängen, eine Energie, die nach einer Realisationsrichtung sucht; das intensive Bedürfnis, sich zu bewegen, etwas zu machen, nicht still sitzen können, ein Bewegungs- und Betätigungsdrang.

    Bedeutung
    Die  psychologischen Hauptkomponenten der Unruhe sind:

    (1) Evolutionäre Urbedeutung: Unruhe als Bewegungsimpuls repräsentiert das Wesen des Lebens: Leben ist Bewegung. Die Ruhe, die Unbeweglichkeit, die Starre repräsentieren den Tod.

    (2) Normalbedeutung der Unruhe: Unruhe kann auch als ganz natürlicher und normaler Lebensimpuls betrachtet werden. Nicht jede Unruhe ist pathologisch, im Gegenteil: Unruhe als Ausdruck des Lebens und der Lebendigkeit ist in den meisten Fällen ein natürliches und normales Phänomen.

    (3) Unruhe als Folge richtungslosen Antriebs und Energie. Fehlen entsprechende Ausprägungen der Gefühle und damit der Motive, so fehlt dem Antrieb und der Energie die Richtung: der unruhige Mensch hat kein Ziel, weiss nicht, was er mit seinem Antrieb und seiner Energie machen soll. Dies ist ein besonderes Leid.

    Exkurs: Leid der Langeweile: Es zeigt sich bei AD-H-D oft auch als Phänomen der Langeweile, wenn fehlendes oder nicht ausreichendes Fühlen, Bedürfen und Interesse keine entsprechenden anregenden äusseren Objekte oder Situationen vorfindet. Darauf folgt auch psychotherapeutisch, dass der Langeweile auf zwei grundsätzliche Arten begegnet werden kann: anregende Bedingungen in sich selbst schaffen oder in der Umwelt suchen, um sich innerlich berühren und anstossen zu lassen.

    (4) Unruhe als Folge von Hemmung
    Hemmung bedeutet immer, dass es mindestens zwei sich wechselseitig hindernde Motive gibt: eines will X, das andere will X nicht) - sich widerstreitender oder wechselseitig hindernder Bedürfnisse und Ziele entstehen.
    (3) und (4) haben gemeinsam, dass Bedürfnisse und Motive nicht zur Realisation gelangen. Bei (3), weil sie mit einer bestimmten Ausprägung fehlen, bei (4) weil sich Motiv und Gegenmotiv wechselseitig behindern.

    Unruhe kann - negative - Auswirkungen auf alle Lebensbereiche haben.


    Teil 2. Diagnostik, Statistik und Epidemiologie der Unruhe

    In den von mir entwickelten Verfahren im Rahmen des CST-Systems (PSB - Psychosomatische Belastungs-Skala; Info) [1982-]  und des ADHD-Tests für Erwachsene [1999-] habe ich jeweils Fragen (Items) zum Erleben der Unruhe plaziert. In der PSB allgemein, im ADHD-Test zwei Varianten: die innere Unruhe und die Bewegungsunruhe. Wie man den relativen Häufigkeiten und den direkt aus ihnen gebildeten Prozenträngen entnehmen kann, ist allgemeine Unruhe ein relativ häufiges Phänomen. Es wurde in der CST-Erhebung (1981-1982) von 28,5% der 635 erhobenen CSTs inklusive Zusatzskalen mit OFT angegeben. Im ADHD-Test wurde innere Unruhe und Bewegungsunruhe über 14 Stufen quantifiziert. Hier sieht man bei den drei wichtigsten Stichproben deutliche Unterschiede, und zwar die stärksten Unterschiede beim Erleben der inneren Unruhe.



     


    Teil III. : Biopsychologie der Unruhe.
    [in Vorbereitung]
     



    Teil IV: Therapie der Unruhe.
    [in Vorbereitung]



    Literatur und Links (Auswahl)
    • Bjerre, Poul (1955). Unruhe, Zwang, Angst. München: Lehmanns [und bei Kindler, Geist und Psyche]
    • Sponsel, R. (1982, 83, 84). CST-SYSTEM: CST: Charakter-Struktur-Test (nach Fritz Riemann), Motivgruppenanalyse, VS: Vitalitäts-Skala (Ich-Stärke), PSBS: Psychosomatische-Belastungs-Skala, GVS: Gefühls-Verhältnis-Skala, SKS: Selbstkritik-Skala, LZS: Lebens-Zufriedenheits-Skala, SZS: Selbst-Zufriedenheits-Skala; zusammengefaßt zur Therapieerfolgskontrolle: BA: Befindlichkeitsanalyse (VS, SKS, PSBS, GVS, LZS, SZS). Erlangen: IEC-Verlag. Lose-Blatt-Sammlung, 2 Bde. ca. 1400 Seiten.
    • Sponsel, Rudolf (2002). Prozentrangnormen und Kennwerte zur Handanweisung des AD-H-D-Tests für Erwachsene. [auch mit Prozenträngen zum DSM-IV-Rückblick] Erlangen: IEC-Verlag. Wire-O  Ringbindung DIN A4.


    Unruhe bei:  * Google *



    Glossar, Anmerkungen und Endnoten
    GIPT= General and Integrative Psychotherapy, internationale Bezeichnung für Allgemeine und Integrative Psychotherapie.
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    Ausnahme: der schwedische Psycho- und Hypnotherapeut Poul Bjerre hat ein Büchlein mit dem Titel "Unruhe, Zwang, Angst" herausgebracht, worin das Phänomen der Unruhe den ersten Teil füllt..
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    AD-H-D-Syndrom. In der GIPT unterscheiden wir zwei Haupt-Typen, den "hyper" (ADHD; ICD-10 F 90) und den "hypo" (ADD, ADS; ICD-10 F 98.8). Ganz allgemein koennen die Symptome in folgende fünf Hauptgruppen gebracht werden: 1) Probleme mit der Selbstlenkung (Steuerung, Selbstkontrolle, Planung);  2) Lust-, Interessen- und Motivationsprobleme (Langeweile);  3) Impulsivität und Ungeduld;  4) Innere und/ oder äussere Unruhe und Rastlosigkeit (manchmal auch gepaart mit erhoehter ["hyper"] oder verlangsamter ["hypo"] Geschwindigkeit oder Beschleunigung seelisch-geistiger Abläufe.) und  5) Aufmerksamkeits- und Konzentrationsstörung.
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    Querverweise
    Standort: Unruhe.
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    Überblick: AD-H-D in der IP-GIPT * Aktuelles aus Wissenschaft und Forschung * Diagnostik in der IP-GIPT *
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    Zitierung
    Sponsel, Rudolf.   (DAS). Allgemeine und Integrative psychologisch-psychopathologische Analyse und Theorie der Unruhe.  Internet Publikation für Allgemeine und Integrative Psychotherapie  IP-GIPT. Erlangen: https://www.sgipt.org/gipt/hypak/unruhe0.htm
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    Änderungen Kleinere Änderungen werden nicht extra ausgewiesen; wird gelegentlich überarbeitet und ergänzt.
    12.04.2015   Linkfehler geprüft und korrigiert.
    24.02.2015   Linkfehler geprüft und korrigiert.
    17.08.2007   Diagnostik, Statistik und Epidemiologie der Unruhe
    11.10.2000   Überarbeitung und Ergänzung.