Internet Publikation für Allgemeine und Integrative Psychotherapie
    (ISSN 1430-6972)
    IP-GIPTDAS=05.01.2023 Internet-Erstausgabe, letzte Änderung: tt.mm.jj
    Impressum: Diplom-Psychologe Dr. phil. Rudolf Sponsel Stubenlohstr. 20 D-91052 Erlangen
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    Willkommen in unserer Internet-Publikation für Allgemeine und Integrative Psychotherapie, Abteilung Allgemeine Psychologie, Bereich Erleben, und hier speziell zum Thema:

    Erleben und Erlebnis bei Krishnamurti

    In Über dieses Buch: "Plötzlich weiß er, er lebt - weil er erlebt"
     
    Originalrecherche von Rudolf Sponsel, Erlangen

    Zur  Methode der Fundstellen-Textanalyse  * Hauptbedeutungen Erleben und Erlebnis  * Zusammenfassung Hauptseite *
     

    Zusammenfassung-Erleben-Krishnamurti: Das ist ein zwar schwieriger, aber doch sehr interessanter 2-Seiten Text von 88 der im Inhaltsverzeichnis ausgewiesenen Texten (meist problematischen), ein schönes Beispiel für praktizierte Phänomenologie der Wahrnehmung in der indischen Lebensphilosphie. Vergangenheit, denken, erinnern ("Erlebtes muß schweigen, damit Erleben möglich wird.") stören das (reine) Erleben. Wenn Wahrnehmder und Wahrgenommes verschmelzen und eins geworden sind, die Trennung von Subjekt und Objekt also aufgehoben ist, dann ist echtes (reines) Erleben der Wahrnehmung im Sinne Krishnamurtis gelungen. Zum Erleben gehört nach psychologischem Verständnis nicht nur die Wahrnehmung, sondern viel mehr (>Praktisch psychotherapeutische Dimensionen des Erlebens).

    Fundstellen Erleben 21, erlebt 14, Erlebnis 0. Für nur 2 Seiten eine ganze Menge.

    35:"

    12

    Erleben

    Das Tal lag schon im Schatten, die untergehende Sonne berührte die fernen Gipfel, die wie von innen her erglühten. Die Berge im  Norden der langen Straße waren kahl und öde, dort hatte ein Brand gewütet und allen Baumwuchs zerstört. Im Süden dehnten sich  grüne, mit Buschwerk und Bäumen bedeckte Hügel. Die Straße lief kerzengerade durch das langgestreckte, liebliche Tal und teilte es in zwei Hälften. Heute waren die Berge seltsam nah und unwirklich, ihre Umrisse hoben sich hell und zart gegen den Himmel ab.  Mächtige Vögel kreisten schwerelos im hohen Blau, Erdeichhörnchen rannten "ohne Scheu vor uns über den Weg, und weit in der  Ferne brummte ein Flugzeug. Zu beiden Seiten der Straße lagen regelmäßig angelegte, sauber gepflegte Orangengärten. Nach dem  heißen Tag verströmte der Purpursalbei seinen betäubenden Duft, der sich mit dem Geruch sonnengebackener Erde und trockenen ? Heus vermengte. Im dunklen Grün der Orangenbäume leuchteten die schweren goldenen Früchte. Fern und nah schlugen die Wachteln, ein Straßenköter drückte sich scheu in den Busch. Eine [>36] langgestreckte Schlangeneidechse, die der Hund aufgestöbert hatte, schlängelte sich eilends davon und verschwand im dürren Gras. Die Stille des Abends senkte sich über das Land.

        Erlebtes ist etwas ganz anderes als das Erleben selbst. Das Erlebte  ist eine Schranke, die sich vor das Erleben legt; ob es schön oder häßlich war, es läßt nicht zu, daß sich das Erleben entfaltet. Alles Erlebte war, es ist schon im Netz der Zeit gefangen, es ist Erinnerung geworden, die nur auf den Anruf der Gegenwart wieder zum Leben erwacht. Dann überschattet es mit seinem Gewicht und seiner Bedeutung die Gegenwart und bewirkt so, daß uns das Erleben selbst zum Erlebten wird. Das Erlebte, das Gewußte ist unser Bewußtsein, dieses kann nie unmittelbar erleben. Was es Erleben nennt, ist nur Anknüpfung an das schon Erlebte und Gewußte. Unser bewußtes Denken kennt nämlich nur Zusammenhänge und kann darum das Neue nicht aufnehmen, weil es am Faden des Zusammenhangs, der Fortdauer des Gewußten festhält. Seine Kenntnis zum Erfahrenen, Feststehenden schließt jedes echte  Erleben aus. Erlebtes kann also unmöglich eine Brücke zu echtem Erleben sein, das sich außerhalb alles Gewußten und Erinnerten  vollzieht. Erlebtes muß schweigen, damit Erleben möglich wird.
        Unser Denken kann nur sein eigenes Geschöpf, das Gewußte, das Bekannte erleben. Ehe es nicht damit aufhört, gibt es kein Erleben des Unbekannten. Jeder Gedanke ist der Ausdruck eines Erlebten, eine Antwort der Erinnerung, und solange der Gedanke störend dazwischentritt, gibt es kein echtes Erleben. Es gibt kein Mittel und keine Methode, der Aufdringlichkeit des Erlebten ein Ende zu machen, schon der Wille dazu stünde wahrem Erleben hindernd im Wege. Um ein Ende, ein Ziel, einen Zweck zu wissen, heißt nämlich im Zusammenhang des Bekannten stehen, und wer ein Mittel zu jenem Zweck gebraucht, der fordert damit das Fortwirken des Bekannten. Jeder Wunsch, etwas zu erreichen, ist daher von Übel und  muß schweigen, er ist es nämlich, der die Mittel und die Zwecke schafft. Demut ist wesentlich, wenn sich echtes Erleben entfalten soll.
        Wie gierig stürzt sich unser Denken auf jedes Erleben, um es einem Hort des Erlebten, Erinnerten einzuverleiben. Wie eilfertig ? macht es sich daran, alles Neue zu zerdenken und es so in Altes zu verwandeln! Dabei unterscheidet es scharf zwischen dem Erleben und dem Erlebten und reißt so die alte Kluft des Dualismus wieder auf. Im Zustand des Erlebens gibt es nämlich weder den Erlebenden noch das Erlebte. Der Baum, der Hund und der Abendstern werden durch keinen Außenstehenden erlebt, sie sind vielmehr das Erleben selbst. Der Beobachter und das Beobachtete sind eins, es gibt keine Zeit und damit keine Lücke, durch die sich das bewußte Ich einschleichen könnte, alles Denken ist ausgelöscht, das Ich verliert sich in der Fülle des Seins, Es ist müßig, über diesen Zustand reinen Seins nachdenken oder meditieren zu wollen, er läßt sich nicht anstreben noch erreichen. Der Erlebende muß aufhören zu erleben, dann erst umfängt ihn das absolute, zeitlose, in sich beruhende Sein."



    196-202 Denken. "Leben" enhält zwei Abschnitte zum Denken: "Unrast des Denkens" (196-199)  und "Ruhendes Denken" (199-202). Ruhendes Denken wird im Text nicht erklärt. Viele starke, aber sehr fragliche Behauptungen und Entwertungen üblicher Lebensweisen.

    197 Vergangenheit, Entwertung des Denkens und der Lebensbewältigung: "Wie stark wir doch an das Vergangene gebunden sind! Nein, wir sind nicht nur gebunden, wir sind die Vergangenheit. Dabei ist die Vergangenheit etwas unendlich Kompliziertes. Besteht sie doch aus Schichten über Schichten ungeordneter Erinnerungen, freudiger und trauriger in buntem Durcheinander. Sie verfolgt uns buchstäblich Tag und Nacht, und allzu selten gibt es in dieser Folge des Sich-Erinnerns eine Lücke, durch die ein heller Lichtstrahl fallen kann. Die Vergangenheit ist wie ein Schatten, in dessen Dunkell das Leben matt und düster erscheint. Dieser Schatten raubt dem Heute seine Klarheit und Frische und legt sich wie ein drohendes Unheil über das Morgen. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft werden durch den langen Faden des Gedächtnisses zusammengehalten, und dieser ganze wenig duftende Strauß trägt den Namen Erinnerung. Das Denken wandert rastlos wie ein angekettetes Tier durch die Gegenwart in die Zukunft und wieder zurück, es bewegt die dem ihm eigenen engeren oder weiteren Zirkel, aber es dangt dabei nie aus dem Bereich seines eigenen Schattens. Diese Bewegung ist die Beschäftigung des Denkens mit der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft. Das Denken ist diese Beschäftigung, sobald das Denken nicht beschäftigt ist, hört es auf zu bestehen. Es macht keinen Unterschied, womit sich das Denken befaßt, ob mit Beleidigungen oder Schmeicheleien, mit Gott oder dem Alkohol, mit Tugend oder Leidenschaft, mit Sammeln oder Verschenken, alles das ist nur Beschäftigung, Sorge und Unrast. In Anspruch genommen sein ist immer ein unwürdiger, oberflächlicher Zustand, gleichgültig, ob es dabei um Gott oder nur um die Möbel geht."

    202: "»Kann man die dem Denken gezogenen Grenzen nicht doch auf irgendeine Weise überschreiten?«
    Darauf kommt es doch nicht an, und außerdem ist es unmöglich. Wir können nicht über das Denken hinaus, denn jener >man<, von dem Sie sprechen, der Urheber des Bemühens, ist ja selbst nur ein Denkergebnis. Wenn wir das Wesen des Denkvorgangs entschleiern oder, mit anderen Worten, uns selbst erkennen, dann macht die Wahrheit dessen, was ist, den Illusionen des Denkens ein Ende. Die Wahrheit dessen, was ist, ist weder in alten noch in neuen Büchern zu finden; was Sie dort finden, ist nur das Wort, aber nicht die Wahrheit.
        »Wie muß man es also anstellen, um die Wahrheit zu finden?« Man kann sie nicht finden. Alle Bemühung, die Wahrheit za finden, führt nur an ein selbstgestecktes Ziel, und dieses Ziel ist nicht die Wahrheit. Die Wahrheit ist kein Ergebnis, jedes Ergebnis zeugt nämlich nur eine Weiterführung des Denkens durch Ausweitung oder Bildung neuer Vorstellungen. Die Wahrheit ist jedoch etwas Endgültiges, daher kann sie uns nur erfüllen, wenn alles Denken ein Ende hat. Es ist unmöglich, dem Denken durch Zwang, durch Zucht oder irgendeine andere Form des Widerstandes ein Ende zu machen. Die Fesseln des Denkens fallen wie von selbst, wenn wir aufgeschlossen der Geschichte lauschen, die uns das, was ist, zu erzählen weiß. Nur die Wahrheit selbst vermag uns zu befreien, nicht unser eigenes Streben nach Freiheit."
     



    Literatur (Auswahl)

    Krishnaburti, Jiddu (1981) Erleben in (35-37) Leben. Frankfurt: Fischer.
     



    Links(Auswahl: beachte)
    • Wikipedia [Abuf 05.01.23]: Jiddu Krishnamurti.




    Glossar, Anmerkungen und Endnoten:
    GIPT= General and Integrative Psychotherapy, internationale Bezeichnung für Allgemeine und Integrative Psychotherapie.
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    Querverweise
    Standort: Erleben und Erlebnis bei Krishnamurti.
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    Haupt- und Verteilerseite Die Erforschung des Erlebens und der Erlebnisse
    Zur  Methode der Fundstellen-Textanalyse  * Hauptbedeutungen Erleben und Erlebnis  * Zusammenfassung *
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    Zitierung
    Sponsel, Rudolf  (DAS). Erleben und Erlebnis bei Krishnamurti. IP-GIPT. Erlangen: https://www.sgipt.org/gipt/erleben/Krishnamurti.htm

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    Änderungen wird gelegentlich überarbeitet, ergänzt und vertieft * Anregungen und Kritik willkommen
    05.12.2023     Ausgewertet, Zusammenfassung.
    04.12.2023    Angelegt, Erleben in Leben gesichtet, dargestellt und markiert.