Erlebnisregister
Erleben und Erlebnis der Zeit
von Rudolf Sponsel, Erlangen
Zur Methode der Fundstellen-Textanalyse. * Hauptbedeutungen Erleben und Erlebnis
Zeitbegriffe: Freizeit, Arbeitszeit, Teilzeit, Tageszeit, Dauer, kurze, lange Zeit, Zeitvergehen, wie im Flug, Kurzweil, Zeitstillstand, Langeweile, keine Zeit haben; unruhige Zeiten, turbulente Zeiten, aufregende Zeiten, trübe Zeiten, trostlose Zeiten, gute Zeiten, schlechte Zeiten, Zeitraffer, Zeitlupe, Zeitdehnung, Leere, ; Lauf der Zeit, Zeitlauf, Jugendzeit, ...
Wendungen: es hat jetzt gedauert; das hat lange gedauert; das ging schnell; keine gute Zeit; ein ungünstiger Zeitpunkt; kommt Zeit kommt Rat; die Zeit heilt alle Wunden; keine Zeit haben; alle Zeit der Welt haben; Zeit ist Geld; das Rad der Zeit; es nagt an der Zeit, der Termin ist nicht zu halten;
e := erleben 3 Erwähnungen erlebt2, nicht erklärt; E := Erlebnis 1.
672 (Fraisse): "Unsere Schätzungen, selbst die gröbsten, sind offenbar nur auf einer Grundlage möglich, die von den vom Menschen erfaßten laufenden. Änderungen geliefert wird. Die FrHBe1erlebte2 Zeit ist immer die Zeit eines FrHBE1Erlebnisses von Veränderungen.
675 (Fraisse): "Aber wie soll man sich diesen Einfluß des Niveaus
erklären? Es wirken scheinbar zwei Faktoren mit. Der eine dürfte
affektiver Art sein: je höher das Aktivierungsniveau ist (ohne die
Versuchsperson zu überfordern), desto intessanter ist die Aufgabe.
Wir werden später sehen, daß die Zeit um so kürzer erscheint,
je größer das Interesse für eine Aufgabe ist. Der andere
Faktor hängt mit dem spezifischen Niveau der Aufgabe selbst zusammen.
Im gemeinen werden die Aufgaben, welche einem höheren Aktivierungsniveau
entsprechen, weniger aufgeteilt, so daß um so weniger Schritte zu
einem
Endergebnis führen (eine Handlung vollziehen,
eine Lösiung
finden). Mit anderen Worten:
Die Versuchsperson
FrHBe2erlebt2
mehr einzelne Veränderungen bei Tätigkeiten von niedrigem Niveau
als bei solchen von hohem Niveau. Man kann ebenso sagen, daß die
Aufgabe subjektiv um so kürzer erscheint, je einheitlicher sie ist.
Harton (1939) hat dieses Gesetz unmittelbar geprüft. Die Versuchspersonen
mußten einerseits die Dauer einer Aufgabe von starker Einheitlichkeit
schätzen: ein ziemlich schwieriges sprachliches Labyrinth lernen;
andererseits eine stärker zergliederte Aufgabe: mehrere kleine Labyrinthe
des gleichen Typs lernen. Die Gesamtdauer jeder Aufgabe war dieselbe, aber
sie wurde mit 305 s im Fall eines einzigen Labyrinths und mit 444 s im
Falle mehrerer Labyrinthe geschätzt."
679 (Fraisse): "Wenn die Zeit mir lang wird, achte ich auf alle Schritte,
die mich vom Ende der gegenwärtigen Zeit trennen, und die FrHBe3erlebte2
Häufigkeit der Schritte wird groß. Wird mir auf der anderen
Seite die Zeit nicht lang, so [>680] nimmt mich eine einzige Tätigkweit
ganz in Anspruchderen einzelne Schritte mehr oder weniger miteinander verschmelzen.
..."
Zusammenfassung-Toman-1971c: In dem nur gut 3 Seiten Text gibt es 11 Fundstellen im Text (insgesamt 16 mit Titel und Kopfzeilen). Zeiterleben nach der Dauer hängt bei Toman davon ab, wie viel Zeit seit der letzten Motivbefriedigung vergangen ist. Erinnern, behalten können und Zeiterleben hängen von der Motivintensitätsgröße K ab (hohe Werte => Bedürftikeit, Stress, niedrige Werte => Befriedigung, Entspannung, Langeweile). Befriedigte erinnern und behalten mehr, haben in Tomans Modell mehr von der Zeit. Das Zeiterleben selbst wird nicht näher erörtert, auch nicht durch Querverweise, Fußnote oder Anmerkung; Toman gibt zwar Literaturhinweise, aber keine spezifischen zum Zeiterleben.
Fundstellen Zeiterleben, erleben der Zeit, erlebte
Zeit im Kontext:
S.39: "... Wenn ein Mensch
A gewohnt ist, alle zwei Stunden zu essen, wäre er nach einer
Stunde
etwa so hungrig wie ein Mensch B, der alle 4 Stunden zu essen gewohnt
ist und vor 2 Stunden das letzte Mal gegessen hat. Auf Komplikationen
wie Ausmaß der Mahlzeit, Art der Gerichte, gleichzeitige Befriedigung
anderer Motive, wie etwa in angenehmer Gesellschaft zu sein etc., sowie
auf die partielle Substituierbarkeit von Motivbefriedigungen sei hier
nicht
eingegangen. Man könnte aber sagen, daß dem Menschen A in
bezug
auf das Essen die (subjektive) Zeit doppelt so rasch vergeht wie dem
Menschen B. Die tatsächlichen Befriedigungen der Eßbedürfnisse
dieser
beiden Menschen werden per definitionem ebensooft über wie unter
dem
Mittelwert der Intervalle zwischen aufeinanderfolgenden Befriedigungen
liegen. Eine Überschreitung des jeweils größten der
bisher TZ6erlebten Intervalle
wurde in diesem Modell als Beginn eines Angst-Aggressionszustandes
definiert, und auch dieser wird bei Person A vermutlich früher
erreicht als
bei Person B." [>40]
S.40.1-3: "Der Person A vergeht dann unter diesen
auferlegten Bedingungen die
(objektive) Zeit zu langsam. Der Betreffende möchte, daß
früher schon
wieder Essenszeit, Schlafenszeit, Sozialkontaktzeit, Bewegungszeit
usw.
wäre. Der Person B vergeht die (objektive) Zeit zu rasch; ihre
gewohnten
Befriedigungsrhythmen sind langsamer als die ihr auferlegten. Sie ist
nicht
ausgelastet.
Dies wird einleuchtender, wenn man dem referierten
Modell folgt und
eine inverse Beziehung zwischen K und dem Ausmaß an gleichzeitiger
Aufnahme und Speicherung von Daten über die Situationen der Befriedigung
annimmt (T o m a n 1960, 1968, D i e t z 1969). Je geringer K,
desto
mehr wird über die jeweilige Situation behalten. Je höher
K, desto
weniger wird über die jeweilige Situation behalten, auch wenn
die betreffende
Person mehr als sonst über die für das dringlichste, intensivste
Motiv relevanten Daten als über andere Daten behält. Danach
würde
Person A, die sich in einem erhöhten Deprivationszustand, unter
einem
K > 1 befindet, weniger über die Situation behalten als B. Person
B dagegen,
die sich in einem vergleichsweise zu geringen Deprivationszustand
befindet, würde mehr über die Situation behalten als Person
A.
"Alles hängt nun davon ab, was an zu Behaltendem angeboten wird.
Wenn viel Lernbares da ist und ein gewisses Maß sogar behalten
werden
soll, dann wird die Person A zu wenig davon aufnehmen und sich nachher
an zu wenig erinnern. Ihr kommen die Befriedigungen zu langsam. Sie
lassen zu lange auf sich warten. Person A nimmt dadurch zu wenig Daten
auf, sie merkt sich zu wenige Einzelheiten. So wird ihr im subjektiven
TZ7Erlebnis die Zeit
zu kurz. Sie fühlt sich ungeduldig und unter Druck.
Sie kann sich nachher an weniger erinnern.
Person B kommen die Befriedigungen zu rasch, sie
ist in einem geringeren
Deprivations- oder Bedürfniszustand, sie kann daher vergleichsweise
besonders viel behalten, sich nachher an viel erinnern und TZ8erlebt
die Zeit
subjektiv sowohl im aktuellen TZ9Erlebnis
wie in der Erinnerung als lang.
Rauschgifte verlängern angeblich den zeitlichen
Moment. Die zeitliche
Unterschiedsschwelle zwischen zwei aufeinanderfolgenden Reizen wird
größer. Dadurch wird eine gegebene Zeitstrecke kürzer
TZ10erlebt als sie ist.
Die Zeit verfliegt scheinbar. Da die Schätzung der Zeitstrecke
erst nach
ihrem Ablauf erfolgt, würde das bedeuten, daß sich der Betreffende
an
weniger erinnern kann, als er in der gleichen Zeit im nüchternen
Zustand
erinnern würde. In dieser Hinsicht wäre der Berauschte dem
Deprivierten,
Überforderten ähnlich. Er fühlt sich allerdings nicht
depriviert und überfordert.
Darin unterscheidet er sich von seinem nüchternen Zustand der
Überforderung, der ihn ja meist erst zum Rauschgift getrieben
hat.
S.41: "In der Senilität wird fast nichts mehr Neues
aufgenommen. Die
Zeit wird nicht nur nicht mehr als zunehmend länger TZ11erlebt
als in den
Entwicklungsjahren, sondern sie verkürzt sich subjektiv immer
mehr. Aus
dem Menschen B wird ein immer stärker überforderter Mensch
A, der unter
Druck und voller Ungeduld leben würde, wenn ihm die Umwelt nicht
ihre
Anforderungen fortlaufend ermäßigte. Selbst das hilft zuletzt
nichts mehr.
Der Zeitbegriff geht, wie es manchmal deutlich beobachtet werden kann,
zuletzt soweit verloren, daß der Betreffende einem wenige Wochen
alten
Kind gleicht."
_
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