Differentielle Psychologie, Psychodiagnostik, Psychopathologie und Psychotherapie der Persönlichkeiten aus der Reihe Hochstapelei - Psychologie und Psychopathologie der HochstaplerIn
Karl May als Hochstapler
von Rudolf Sponsel, Erlangen
Karl May gilt zu Recht als literarisches Genie, weil er die Menschheit
mit seiner idealistischen Phantasie guter und starker Helden bereichert
hat, auch wenn wir damit zu einer ähnlichen Bewertung gelangen wie
der deutsche Antimensch Hitler.
Darüber hinaus ist er natürlich aus psychologischer und psychopathologischer
Sicht eine faszinierende Persönlichkeit, nicht nur was seine Rolle
als Hochstapler betrifft, von der er sich im übrigen selbst zu befreien
wußte, wenn man sie denn in seinem Fall als Störung mit Krankheitswert
ansehen mag So gibt es neuere Arbeiten, die bei Karl May eine "dissoziative
Identitätsstörung" sehen.
Karl May ist m. E. - nach
- mehrfach zu Recht wegen Hochstapelei, genauer wegen Betrugs verurteilt
worden, aber es wäre völlig falsch, ihn, seine Persönlichkeit,
sein Leben oder gar sein Gesamtwerk allgemein zu entwerten, nur weil
er auch hochstaplerisch und betrügerisch gehandelt hat.
Aus Quelle: "Karl Mays 'Jahre des Triumphs'. Im Leben von Karl May waren die Jahre 1893 bis 1899 seine "Jahre des Triumphs". Die einzigen. Die Buchauflagen seiner Schriften ermöglichten Karl May finanziell, sich von seinem vorherigen hektischen Leben zu entspannen, von den Tagen und häufig auch Nächten, die er mit Schreiben verbrachte, um Geld zu verdienen und dabei den jeweiligen Redaktionsschluß einzuhalten. Als er wagte zu behaupten, Old Shatterhand zu sein, waren seine "Jahre des Triumphs" bald vorbei. Seither scheint nichts außer Verweisen auf seine "Hochstapelei" oder Schlimmeres das fortwährende Thema in der Literatur zu sein. Es war Karl Mays Ausstieg aus der reinen, patriarchalischen Gesellschaft des Deutschlands seiner Zeit, der den Zorn, die Beleidigungen, die Ächtung und den Ärger bestimmter Vertreter des Establishments hervorbrachte. Nicht so bei den üblichen Lesern von Karl Mays Büchern - im Gegenteil! Die Beliebtheit Karl Mays unter ihnen war so groß wie eh und je. Claus Roxin konnte sich in seiner klassischen Studie 'Dr. Karl May, genannt Old Shatterhand'[5], nicht treffender ausdrücken, als er schrieb: "Es war gelungen. Die Fiktion war Wirklichkeit geworden, ..."[6] Karl May ging mit der plötzlichen Publicity, dem plötzlichen Glück und dem plötzlichen Ruhm mit. Er kaufte ein Zuhause, die Villa Shatterhand. Er hätte es sich leisten können zu reisen. Er war Old Shatterhand: Er schuf ihn, führte sein Leben in seinen Büchern. Karl May identifizierte sich mit seinen Helden: "So wurde die Verklammerung von dichterischer Imagination und künstlich geschaffener Realität enger und enger."[7] Hätte Karl May Deutschland zu dieser Zeit verlassen, wäre er Old Shatterhand geblieben.[8]"
korrigiert: irs 10.04.05