Seelen-, Bewusstseins- Vorstellungs- und Eindrucksbegriff bei Hume
Originalarbeit von Rudolf Sponsel, Erlangen
Zusammenfassung - Abstrakt
-Summary
Alles, was sich im Bewusstsein findet, nennt Hume "Vorstellungen" (mittelbares
Erleben) oder "Eindrücke" (unmittelbares Erleben), während in
der heutigen Psychologie Vorstellungen
aus dem Gedächtnis abgerufene Wahrnehmungen "sind". Die Vorstellungen
und Eindrücke bei Hume entsprechen unserem heutigen
Begriff des
Erlebens,
dem Grundbegriff der Bewusstseinsvorgänge. Mittelbare Erlebnisse,
die Vorstellungen, unterscheiden sich im wesentlichen von den unmittelbaren
Erlebnissen, den von Hume sog. "Eindrücken", durch ihre "Kraft und
Lebenhaftigkeit", was unter Normalbedingungen im Regelfall stimmt, wenn
man von seltenen EidetikerInnen
und Krankheiten (z.B. Hineinsteigern, Katastrophieren; Halluzinationen)
absieht.
In seinem Hauptwerk Eine Untersuchung über den menschlichen Verstand
beginnt er seine Ausführungen in Abtheilung II. [Fundstellen]
"Ueber den Ursprung der Vorstellungen.
Jedermann wird einräumen, dass ein erheblicher Unterschied zwischen den Vorstellungen der Seele besteht, je nachdem man den [1] Schmerz einer ausserordentlichen Hitze oder das [2] Vergnügen einer mässigen Wärme fühlt, oder je nachdem man diese [3] Empfindung nur nachher in das Gedächtniss zurückruft oder im [4] Voraus sich vorstellt. Diese Vermögen können die Wahrnehmungen der Sinne nachahmen oder abbilden, aber sie können [5] niemals die ganze Kraft und Lebhaftigkeit der ursprünglichen Empfindung erreichen. Das[17] Höchste, was selbst bei ihrer stärksten Aeusserung man von ihnen sagen kann, ist, dass sie ihren Gegenstand in so lebhafter Weise darbieten, dass man beinahe meint, ihn zu fühlen oder zu sehen. Aber niemals können sie, Fälle der Geistesstörung durch Krankheit oder Irrsinn abgerechnet, einen solchen Grad von Lebhaftigkeit annehmen, dass man diese Vorstellungen nicht von einander zu unterscheiden vermöchte. Der Dichter kann selbst mit den glänzendsten Farben seiner Kunst einen Naturgegenstand nicht so ausmalen, dass man seine Beschreibung für eine wirkliche Landschaft hält. Der lebhafteste Gedanke erreicht hier die dunkelste Empfindung nicht. Ein gleicher Unterschied zieht sich durch alle anderen Vorstellungen der Seele. Ein Mensch, der von [6] Zorn ergriffen ist, benimmt sich ganz anders, als der, welcher nur an einen solchen [7] Affekt denkt. Wenn man mir sagt, dass Jemand [8] verliebt ist, so verstehe ich es leicht und bilde mir eine richtige Vorstellung von seinem Zustande; aber ich kann niemals diese Vorstellung mit den [9] wirklichen Neigungen und Aufregungen dieser Leidenschaft verwechseln. [10] Denkt man an vergangene Empfindungen und Erregungen, so ist das Denken ein treuer Spiegel, der seinen Gegenstand [11] genau wiedergiebt; aber die benutzten Farben sind blass und matt in Vergleich zu denen, in welche die ursprünglichen Empfindungen gekleidet waren. Es bedarf keines Scharfsinns und keines metaphysischen Geistes, um den Unterschied zwischen beiden anzugeben. Man kann deshalb alle Vorstellungen der Seele in [12] zwei Klassen oder Arten theilen, die sich durch den verschiedenen Grad von Stärke und Lebhaftigkeit unterscheiden. [13] Die wenigst starken und lebhaften nennt man gewöhnlich Gedanken oder Vorstellungen. [14] Für die andere Art hat die englische wie die meisten anderen Sprachen kein Wort; wahrscheinlich, weil, von philosophischen Zwecken abgesehen, das Bedürfniss fehlte, sie unter einem allgemeinen Ausdruck oder Namen zu befassen. Ich nehme mir die Freiheit, sie Eindrücke zu nennen, indem ich dies Wort in einem von dem gewöhnlichen etwas abweichenden Sinne gebrauche. Mit dem Worte Eindruck meine ich also alle unsere lebhaften Zustände, wenn wir [15] hören oder [16] sehen oder [17] fühlen, oder [18] hassen oder [19] wünschen oder [20] wollen. Die Eindrücke bilden den [21] Gegensatz zu den Vorstellungen, welche jene weniger (>18) lebhaften Zustände bezeichnen, deren man sich bewusst ist, wenn man an eines jener obigen Gefühle oder Erregungen zurückdenkt. Nichts erscheint auf den ersten Blick so [22] schrankenlos, als das menschliche Denken; es [23] entzieht sich nicht allein aller menschlichen Macht und Autorität, sondern [24] überschreitet auch die Grenzen der Natur und der Wirklichkeit. Ungeheuer zu bilden und widerstreitende Gestalten und Erscheinungen zu verbinden, kostet der [25] Einbildungskraft nicht mehr Mühe, als die Vorstellung des natürlichsten und bekanntesten Gegenstandes. Während der Körper auf einem Planeten beschränkt ist, auf dem er mühsam und schwerfällig herumkriecht, kann das [26] Denken uns in einem Augenblick in die entferntesten Gegenden des Weltalls tragen; ja selbst darüber hinaus in das grenzenlose Chaos, wo die Natur in gänzlicher Verwirrung liegen soll. [27] Was man nie gesehen oder gehört, kann man sich doch vorstellen; [28] kein Ding ist der Macht der Gedanken entzogen, mit Ausnahme dessen, was einen unbedingten Widerspruch einschliesst." |
_ | Kommentar
[1] Vorstellung Schmerz einer ausserordentlichen Hitze
_
|
Suchen in der IP-GIPT,
z.B. mit Hilfe von "google": <suchbegriff>
site: www.sgipt.org
z.B. Inhaltsverzeichnis site: www.sgipt.org. |
Copyright & Nutzungsrechte
Diese Seite darf von jeder/m in nicht-kommerziellen
Verwertungen frei aber nur original bearbeitet und nicht inhaltlich
verändert und nur bei vollständiger Angabe der Zitierungs-Quelle
benutzt werden. Das direkte, zugriffsaneignende Einbinden in fremde Seiten
oder Rahmen ist nicht gestattet. Zitate und Links sind natürlich erwünscht.
Sofern die Rechte anderer berührt sind, sind diese dort zu erkunden.
Sollten wir die Rechte anderer unberechtigt genutzt haben, bitten wir um
Mitteilung. Soweit es um (längere) Zitate aus ... geht,
sind die Rechte bei/m ... zu erkunden oder eine Erlaubnis einzuholen.
korrigiert: 14.08.2018 irs