Rezensionen
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zu Sponsel, Rudolf (1995) Handbuch Integrativer Psychologischer Psychotherapie
IPPT
(GIPT). Zur Theorie und Praxis der schulen- und methodenübergreifenden
Psychotherapie. Ein Beitrag zur Entmythologisierung der Psychotherapieschulen.
Mit 43 Fallbeispielen, ausführlichem Anamneseschema, Anwendungsbeispielen
und Kurzbeschreibung des CST-Systems und einem 74-teiligen Reader. Erlangen:
IEC-Verlag.
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mitgeteilt von Rudolf
Sponsel, Erlangen
Renaud van Quekelberghe in Report
Psychologie.
R. Adam, R. in VPP Aktuell. Wolfgang Hass in Integrative Therapie. Martin R. Textor Psychotherapie Forum. |
REZENSIONEN
Sponsel, R. (1995). Handbuch Integrativer Psychologischer Psychotherapie IPPT. Erlangen: IEC-Verlag.
"Dieses 858 Seiten umfassende Handbuch enthält eine derartige Fülle
von Ideen, Quellentexten, nützlichen Informationen, Literaturangaben,
daß man eine stattliche Liste von Mitwirkenden erwarten würde.
Es ist aber das Werk eines einzigen Autors, eines Klinischen Psychologen
und Psychotherapeuten, dessen Ziel ist, Bausteine für eine integrativ-psychologische
Therapie zusammenzutragen. Es geht ihm von der ersten bis zur letzten Zeile
darum, eine schulen- und methodenübergreifende psychologische Psychotherapie
im deutschsprachigen Raum auf allen denkbaren konzeptuellen, methodischen
und praktischen Ebenen entschieden voranzubringen. Dabei möchte er
die Mythen und Dogmen einzelner fest etablierter Therapieschulen deutlich
machen und überwinden.
Das Handbuch ist in zehn Hauptkapitel untergliedert,
die zu einer kritischen Auseinandersetzung mit der Idee einer Integrativen
Psychologischen Psychotherapie (abgekürzt: IPPT) einladen. Das erste
Kapitel enthält eine kaleidoskopartige Skizze der Psychotherapie-Geschichte
mit vielen Literaturhinweisen. Hier wird u.a. der Arzt und Psychologe Hugo
Münsterberg als ein Pionier der Integrativen Psychotherapie gewürdigt.
Am vorläufigen Ende dieser Geschichte scheint die Verhaltenstherapie
der 90er Jahre durch ihre zunehmende Akzeptanz kognitiver, systemischer
und hypnotischer Elemente schon eine partielle Integration zu fördern.
Auf jeden Fall soll die vom Autor intendierte Integration in einer ähnlichen
Geisteshaltung vorangetrieben werden, nämlich: pragmatisch, empirisch,
problem- und problemlösungsorientiert. Je effektiver dies geschehe,
um so schneller würden die obsolet gewordenen Therapieschulen einer
wirklich umfassenden, integrativen Psychotherapie weichen.
Die wissenschaftlichen Grundlagen der IPPT sind
Hauptthema des zweiten Kapitels. Der Autor ist zwar ständig bemüht,
terminologische Klarheit zu erzielen, stellt aber immer wieder fest, daß
er nur erste Schritte tun kann, in der Hoffnung, „daß viele in diesem
Sinne folgen und mitwirken werden". Seine Vorschläge zur Beseitigung
des Begriffschaos in der Psychotherapieforschung sind sicher gut gemeint.
Auf jeden Fall sind sie Anlaß zum kritischen Nachdenken über
die vielschichtige Rolle der Fachsprache innerhalb bestehender Therapieschulen,
natürlich auch in bezug auf die sich in diesem Handbuch konstituierende
Sprache einer im Entstehen begriffenen IPPT-(Schule?).
Es bleibt zu hoffen, daß dieser neue Ansatz
künftig keinem allzu lehrmeisterhaften Sprach- und Normierungsspiel
verfällt. Am Ende dieses Kapitels erfahren wir, daß ein Toleranzprinzip
vorherrschen soll: Jeder soll seine Praxis im Einklang mit seiner Persönlichkeit
gestalten und ausfüllen.
Im dritten Kapitel werden zwanzig vorläufige
Axiome aufgestellt. Axiom Nr. 15 ist vielleicht eines der wichtigsten.
Es handelt sich um das Axiom des grundsätzlichen Doppelcharakters
der Heilmittel und deren Wirkungen. Dieses Axiom bringt mit sich eine extreme
Relativität zum Ausdruck und soll uns - wohl im Sinne des Autors -
auf eine nie endende Flexibilität einstellen. Neben etlichen ätiologischen
Fragen und Modellen werden mitunter innovative Klassifikationen sowie kombinatorische
Konzepte für zentrale psychologische Therapieverfahren geschildert
und teilweise illustriert.
Im darauffolgenden Kapitel findet der an der konkreten
Ausübung der IPPT interessierte Leser zahlreiche Informationen und
Anleitungen. Es entfacht sich ein regelrechtes Feuerwerk an diversen Vorschlägen:
von der Balint-Supervision über zehn grundlegende Arbeitsprinzipien
bis hin zu therapeutischen Standardsituationen. Leider geht es oft nicht
weit über kurze Schilderungen oder Auflistungen hinaus. Einige Ausbildungsentwürfe
zum Integrativen Psychologischen Therapeuten runden diesen Abschnitt ab.
Im 6. und 7. Kapitel dienen viele Fallbeispiele
der praxisnahen Veranschaulichung des neuen therapeutischen Vorhabens.
Nach einem Einschub über Konstruktionskriterien eines integrierten
Diagnosesystems stößt man auf eine 200seitige umfassende, ausgezeichnete
Auslese von 74 Quellentexten zur Integrativen Psychotherapie sowie zu wichtigen
Themen der Psychotherapieforschung und -praxis.
Schließlich wartet das letzte Kapitel mit
einer Fülle von Daten über Projekte, Arbeitskreise, Organisationen
auf, die der Förderung der IPPT dienlich sind. Umfangreiche Literaturverzeichnisse,
[>231] Namens- und Sachregister, darunter ein spezielles Sachregister
zu den Quellentexten, ermöglichen eine effiziente Nutzung dieses vielseitigen,
informativen Werkes. Für diejenigen, die sich am Aufbau einer Integrativen
Psychotherapie beteiligen wollen, ist es mit Sicherheit ein willkommenes
Handbuch.
Prof. Dr. R. van Quekelberghe"
Adam, R. (1997) VPP
Aktuell 1, 1997, S. 10
Danke an den Verband Psychologischer
Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten im BDP e.V. für
die freundliche Abdruckerlaubnis.
"Rezension
Handbuch Integrativer Psychologischer Psychotherapie IPPT
Autor: Rudolf Sponsel, Erlangen: IEC-Verlag 1995
Der Autor, Herr Sponsel, stellt in dem Buch einen gelungenen Entwurf einer integrativen Psychotherapie (IPPT) vor. Beginnend mit Fakten und Dokumenten wird die Psychotherapiegeschichte in ein neues Licht gerückt, mit dem Ziel, die Dogmen der Therapie-Schulen aufzuzeigen. Dabei macht R. Sponsel deutlich, daß eine integrative Psychotherapie schon seit den Anfängen der Psychotherapie existiert. Er zeigt in vielen Zitaten auf, daß die psychotherapeutische Praxis sich weit von dem unterscheidet, was offiziell von den Therapie Schulen und dem Gesundheitswesen gewünscht und dargestellt wird.
An dieser Stelle ist das Buch ein wichtiger Beitrag, um in den Diskussionen um das PTG und der Frage, welche Therapieform darf bezahlt werden, den gesunden Menschenverstand einkehren zu lassen, damit wieder eine fachliche Diskussion mit Konzentration auf den Patienten zustande kommt.
Das Buch wird von begründeter Kritik und Stellungnahmen wie ein roter Faden durchzogen. Es ist trotzdem vor allem ein inhaltlicher Entwurf einer integrativen Psychotherapie auf hohem wissenschaftlichen Niveau.
Herr Sponsel entwickelte ein differenziertes Begriffssystem, um das Phänomen Psychotherapie zu beschreiben, unabhängig von einer bestimmten Schulenbegrifflichkeit. Mit seinem Begriffssystem und Axiomatiken schafft er das Fundament für eine elaborierte Theorie der integrativen Psychotherapie. Hieraus leiten sich Forschungsstrategien ab sowie konkrete therapeutische Handlungsstrategien.
Die 860 Seiten sind eine Konzentration und Information von innovativen Modellen, die deutlich aufzeigen, wie ein wissenschaftlich differenzierter integrativer psychotherapeutischer Ansatz aussehen kann.
Des weiteren stellt er Konzepte dar, wie aus den bereits bestehenden Ausbildungsansätzen eine Therapieausbildung zur integrativen Psychotherapie entwickelt werden kann.
Das ganze Werk wird abgerundet von einer umfangreichen Literatursammlung zum Thema integrativer Psychotherapie und einem recht umfassenden wissenschaftlichen Apparat. Des weiteren werden an vielen Fallbeispielen die konkreten Vorgehensweisen der integrativen Psychotherapie dargestellt.
Die Fülle an Informationen erlaubt es kaum, das Buch in einem Zug durchzulesen. Dem psychotherapeutisch kundigen Leser ist es möglich, sich in die verschiedenen Kapitel hineinzulesen. Es lohnt sich immer wieder, diesem Werk seine Aufmerksamkeit zu schenken.
R. Adam"
"Sponsel, Rudolf: Handbuch Integrativer Psychologischer Psychotherapie IPPT, Zur Theorie und Praxis der schulen- und methodenübergreifenden Psychologischen Psychotherapie. Ein Beitrag zur Entmythologisierung der Psychotherapieschulen. Erlangen: IEC-Verlag, 1995.
Dem Autor gebührt zunächst einmal Respekt bezüglich der Allein Verfasserschaft (!) eines knapp 860 Seiten starken Handbuchs, entstanden aus in über 10-jähriger Arbeit zusammengetragenem praktischem, empirischem und wissenschaftlichem Material, gespickt mit einer Fülle von überaus nützlichen Literaturhin- und querverweisen. Sponsel, promovierter Dipl.-Psychologe mit einer umfangreichen psychotherapeutischen Ausbildung und langjähriger Erfahrung in verschiedenen Problemfeldern, erweist sich bereits im Vorwort als ein glühender Anhänger und Verfechter der Vision eines umfassenden theoretischen und praktischen Konzeptes einer Integrativen Psychologischen Psychotherapie (IPPT). Das Buch versteht sich somit vor dem Hintergrund der anhaltenden Diskussion um eine Reform der Psychotherapie in Westeuropa sowohl als ein inhaltlicher und methodisch-konzeptioneller als auch als ein berufspolitischer Beitrag zur Notwendigkeit schulen- und methodenübergreifenden Denkens in der klinischen Psychologie und Psychotherapie.
In einem erfrischenden, fast kämpferisch agitatorischen Stil rückt der Autor zunächst die historischen wie auch gegenwärtigen Paradoxien einer noch immer vorherrschenden (insbesondere analytischen) Auffassung von adäquater Psychotherapie und der sich in den letzten 20 Jahren immer stärker abzeichnenden und bewährten methodenübergreifenden Forschung und Praxis zurecht und gründet damit das Fundament auf dem der Leser nachfolgend über die Spannweite von insgesamt 10 Kapiteln [>101] eingeladen wird, ihm auf seiner mitunter mühsamen Reise durch die verschiedenen Sphären einer wissenschaftlich fundierten IPPT zu folgen.
Im 1. Kapitel führt der Autor bezugnehmend auf Grawe (1994) aus, daß das parallele Fortbestehen verschiedener Therapieschulen, insbesondere unter Effizienz- und Kostengesichtspunkten, in unserer Zeit als überholt erscheinen muß. Vorbehalte gegenüber eklektizistischen und integrativen Ansätzen müßten radikal abgebaut werden, um zu einer effektiveren Psychotherapie in Theorie und Praxis gelangen zu können. In einem Überblick über diese wird unter pragmatischen Gesichtpunkten versucht, auf dem Weg zu einer IPPT potentielle Bundesgenossen zu identifizieren (z.B. die systemische Therapie) oder integrative Tendenzen zu finden (z.B. im Gefolge der kognitiven Wende bei der Verhaltenstherapie). Das Kapitel endet mit dem Versuch einer umfassenden wissenschaftlichen Definition der IPPT.
Das 2. Kapitel leitet nach einigen grundlegenden Betrachtungen zur Psychologie zur Proklamation der Notwendigkeit einer einheitlichen Wissenschaftssprache mit eigenen Begrifflichkeiten (unter Rekurrierung auf Wittgenstein und gegenwärtige Forschungsbemühungen, eine sogenannte Orthosprache [Hartmann] zu generieren) als Plattform für weitere theoretische Betrachtungen über - der vielleicht für den/die Leserin mühsamste Teil des Buches, da es Anstrengungen zu würdigen gilt, die wahrscheinlich erst in geraumer Zeit einmal Früchte tragen werden. Erkenntnistheoretisch verankert Sponsel die IPPT irgendwo zwischen Paul Feyerabend und „objektivistischen" Wissenschaftsbildern, wenn er die Wirklichkeit (letztlich) als ein Konstrukt begreift, der man sich auf verschiedene Weise nähern kann, diese aber keinesfalls - in Abgrenzung zum NLP oder einigen SystemikerInnen - als beliebig auffassen kann. Seltsam unbesetzt bleiben allerdings seine Vorstellungen eines Menschenbildes in der IPPT am Schluß dieses Kapitels, wenn er eine Festlegung ablehnt, die über ein „Instrumentarium, mit dem die relevanten Merkmale bezogen auf relevante Situationen exploriert werden können" hinausgeht. Hier scheinen doch wieder eklektizistische Preferenzen durch, wenn die IPPT als ein Sammelbecken für alle nur nicht dogmatischen Therapeuten angeboten wird, die dann als gute IPPT-Therapeuten lediglich tolerant und frei sein müssen. Positiv daran erscheint gleichwohl, daß implizit Platz gelassen wird für den Gedanken, daß Methoden und Techniken erst im jeweils individuellen Zusammmenspiel mit der Persönlichkeit ihre therapeutische Wirkung entfalten können.
Im 3. Kapitel entwickelt der Autor insgesamt 20 (vorläufige) Axiome der IPPT, von verschiedenen Leib-Seele-Axiomen über solche zum Bewußten und Unbewußten bis hin zum zentralen Relativitäts-Axiom, welches als eine Art Grundthema des Buches erscheint: Nicht nur alle Heilmittel haben einen Doppelcharakter, sondern auch ihre Wirkungen sind zu relativieren, seien sie positiv, negativ, neutral oder ambivalent, von Patient zu Patient oder auch intrapersonal von Situation zu Situation verschieden. In jedem Fall ist vom Therapeuten eine höchst flexible Vorgehensweise erforderlich. Im Rest des Kapitels wird, basierend auf einer abstrakten Krankheitslehre, der Grundstein für ein Lexikon der psychologischen Heilmittel gelegt.
Das 4. Kapitel beschäftigt sich zunächst mit Kommunikation in der Psychotherapie. Nach Aufdeckung der Phänomene, daß Theorie und Explikation der jeweils angewandten Kommunikationsregeln zumeist fehlen, obwohl Kommunikation als das genuine Handwerkszeug der Therapeutinnen aufgefaßt wird und daß sich Einfachheit und Unstrukturiertheit einer Therapieform umgekehrt proportional zu der Menge an Reaktionsmöglichkeiten verhalten (umgekehrt daraus zu schließen, daß die IPPT als komplexe Therapieform diese Vielfalt durch ihre Differenziertheit zwangsläufig reduziert, bleibt leider nichts weiter als eine These des Autors), folgt eine kurze Einführung in die IPPT-Kommunikationstheorie und einige Ausführungen zur Kunstsprache L-Psycho. In zwei weiteren Abschnitten werden die therapeutische Beziehung als Bindung und der therapeutische Prozeß als mehrphasig und mehrdimensional illustriert.
Im 5. Kapitel finden wir ein ganzes Spektrum anwendungsbezogener Klassifizierungen und Vorschläge für den/ die engagierte IPPT-Therapeut/in. Zunächst werden 10 Arbeitsprinzipien beschrieben, denen Sponsel unter Bezugnahme auf Grawe univer- [>102]sale Gültigkeit für alle Therapieschulen zuspricht (diese haben es teilweise nur noch nicht gemerkt), die die Lehr-, Lern- und Evaluierbarkeit der IPPT garantieren sollen. Z.B. werden grundlegende psychotherapeutische Handlungsprinzipien vorgestellt (Intuition, Heuristik, Flexibilität, Kontrolle) oder Hinweise zur IPPT-Balint-Supervision gegeben. Auf einige praktische Empfehlungen zur Durchführung der IPPT und deren Umsetzung in einen Therapieplan folgen zum Schluß des Kapitels detaillierte Anregungen für einen Ausbildungsleitfaden des KLIPS zur IPPT.
Im 6. Kapitel nimmt uns der Autor auf eine Reise durch die Ergebnisse und Methoden der Psychotherapieforschung mit, nachdem er auf das Ergänzungsverhältnis zwischen idiographischen und nomothetischen Ansätzen verwiesen hat (S. 328ff) und einen Trend aufgreift, der sich im Bereich der Psychotherapieforschung auch in der Society for Psychotherapy Research (SPR) zeigt, auf deren Jahrestagungen immer mehr qualitative Untersuchungen die empirische Tradition ergänzen. Er empiehlt den therapeutischen Praktikern, „eine eigene Wissenschaftstheorie zu entwickeln" (S. 334), die für ihre praktischen Erfordernisse tauglich ist, da z.B. die „Erlangerschule" oder auch Stegmüller untaugliche und zu komplizierte Systeme anbieten. Hier muß allerdings die Frage gestellt werden, ob die Entwicklung einer eigenen Wissenschaftstheorie tatsächlich sinnvoll erscheint, oder aber ob diese nicht die schon bestehende Unübersichtlichkeit noch um eine weitere vermehrt und eine eigene pragmatische Forschung nicht ohne eine eigene Wissenschaftstheorie möglich ist. Auch die Schlußfolgerung, daß die Psychotherapieforschung mehr Rätsel aufgibt, als sie aufklärt, verblüfft den Leser in dieser Rigorosität, da der Autor ansonsten sehr umfangreich Ergebnisse darstellt und diese auch zur Untermauerung der IPPT heranzieht. Die Darstellung der Ergebnisse zu Meta-Analysen und spezifischen Störungsbildern ist sehr informativ und mit einem Blick für die praktische Relevanz der Ergebnisse geschrieben, so daß sie für die therapeutische Arbeit interessante Perspektiven eröffnen. Die umfangreiche Zusammenstellung diverser als Heilfaktoren diskutierter Agenzien erzeugt danach allerdings wieder einen etwas verwirrenden Eindruck angesichts der Forschungsergebnisse.
Im 7. Kapitel wird entschieden gegen eine Vormachtstellung „medizinischer Supervision" und gegen eine „Arzt-Vorschaltung" argumentiert, die angesichts der Häufung ärztlicher Fehldiagnosen nicht haltbar ist, vor allem, wenn es um das Beurteilen von psychologischen Zusammenhängen geht, für die sie nicht genügend ausgebildet sind.
Im 8. Kapitel wird ein diagnostisches Inventarium vorgestellt, welches phänomenologisch und kontextuell orientiert eine Alternative zum klassifikatorischen Vorgehen darstellt, wie es im DSM-IV oder in der ICD-10 durchgeführt wird. Trotz einer Kritik an diesen Systemen erlaubt es eine Integration der DSM- und der ICD-Nomenklatur und bietet einen Einbezug therapiebedeutsamer Variablen, die mit diesen Diagnosen nicht erfaßt werden.
Im 9. und 10. Kapitel werden schließlich nach einer Zusammenstellung von Quellentexten, die Entwicklungslinien und Meilensteine der Entwicklung integrativer Gedanken verdeutlichen, noch Informationen zu Organisationen gegeben, die eine Therapieintegration unterstützen.
Insgesamt kann man dieses Buch als eine schier unerschöpfliche Fundgrube zu den unterschiedlichsten Fragen integrativer Therapie empfehlen, dem man eine große Verbreitung wünscht.
Wolfgang Hass, Köln"
Sponsel, R.: Handbuch Integrativer Psychologischer Psychotherapie IPPT. Zur Theorie und Praxis der schulen- und methodenübergreifenden Psychologischen Psychotherapie. Ein Beitrag zur Entmythologisierung der Psychotherapieschulen. 858 S. IEC-Verlag, Erlangen, 1995. Brosch. DM 39,80.
Das erste deutschsprachige Handbuch der Integrativen Psychotherapie
beginnt mit einem Überblick über die Geschichte der Psychotherapie,
wobei die zentralen Ideen der einzelnen Therapieansätze herausgestellt
werden. Dann wendet sich Sponsel der Geschichte der integrativen Ansätze
zu (insbesondere denen von Bastine, van Quekelberghe und Petzold). Anschließend
folgt eine knappe Definition von Sponsels eigener Theorie: „Integrative
Psychotherapie heißt für uns ... die Vereinigung oder Einbeziehung
grundsätzlich aller Ansätze -auf der Basis der Axiome (...) -
und Integrative Psychologische Psychotherapie bedeutet demnach die Vereinigung
oder Einbeziehung aller Ansätze, die entweder mit psychologischen
Methoden oder mit Medien, die die Seele direkt oder mittelbar ansprechen,
arbeiten" (S. 50 f). Und genauer: „Integrative Psychologische Psychotherapie
heißt: (1) Alle evaluier-, lehr- und lernbaren psychologischen Heilmittel
(Methoden) sind im Prinzip zulässig und können durch andere Heilmittel
ergänzt werden. (2) Als Assimilations-Filter zum Methoden-Transfer
aus unterschiedlichen Therapieschulen dient die Mutter-Wissenschaft Psychologie,
die die theoretische Grundlage ist. (3) Die Auswahl und differentielle
Anwendung der Heilmittel (Methoden) für den Einzelfall müssen
nachvollziehbar begründbar sein." (S. 68).
In den nächsten Kapiteln versucht Sponsel,
die Grundlagen seines Ansatzes darzustellen und eine neue Sprache der Psychotherapie
zu entwickeln, um das derzeitige Begriffschaos zu überwinden. Insbesondere
definiert er „Störungsbegriffe von Systemen" (z.B. Dimension, Norm,
Wert, Abweichung, Krankheit, Symptom, Syndrom - aber auch Gesundheit, Heilung
usw.) und Begriffe aus der Psychotherapie (z.B. Heilmittel, Methode, Technik,
Verfahren, Intervention). Nach der Darstellung seines Menschenbildes präsentiert
er 20 verschiedene Axiome der IPPT, die beispielsweise das Verhältnis
von Leib und Seele, verschiedene Bewußtheitsmöglichkeiten (bewußt,
unbewußt ...) und Bewußtseinszustände (Trance, Schlaf
...), psychische Elementarfunktionen, Störungen, Heilmittel und deren
Wirkungen betreffen. Dann beschreibt Sponsel sein Verständnis vom
Funktionieren der Psyche, von Psychopathologie, Heilmitteln, Kommunikation,
der therapeutischen Beziehung und dem Therapieprozeß. Beispielsweise
stellt er ein Lexikon über Hunderte psychologischer Heilmittel (therapeutische
Methoden) zusammen, wobei er nur einige genauer erklärt (z.B. Lenken,
Vermeiden, Tun, Werten). Hierbei unterscheidet er atomare, also nicht weiter
zerlegbare Heilmittel und komplexere (Moleküle, Programme, Meta-Heilmittel).
Er analysiert kommunikationstheoretische Aussagen verschiedener Therapieschulen
und nennt dann wichtige Grundbegriffe seiner allgemeinen Psychologischen
Kunstsprache L-Psycho.
Danach behandelt Sponsel Ausbildung und Forschung
hinsichtlich von IPPT und anderen integrativen Ansätzen. So skizziert
er seine wissenschaftstheoretische Position, kritisiert die traditionelle
Psychotherapieforschung und faßt dann wichtige Wirksamkeitsstudien
zur methoden- und schulenübergreifenden [>] Psychotherapie zusammen
(z.B. von Grawe, Glass et al., Smith et al., Sponsel). Danach zeigt er
Verfahren zur Überprüfung von Heilmitteln und entwickelt daraus
ein Lexikon von Heilwirkfaktoren. Schließlich analysiert er genauer
die Heilmittel Focusing, Einfühlung und Durcharbeiten.
Anschließend stellt Sponsel 43 Fallstudien
vor, die zum Teil von anderen IPPT-Therapeuten (Enders, Feistner, Meidinger,
Rathsmann-Sponsel, Tschochner) stammen. Die Beispiele beziehen sich auf
autistische Störungen, Angstneurosen, Agressivität, Depression,
Bulimie, Vaginismus usw., umfassen aber auch Krisenintervention sowie schulpsychologische,
verkehrspsychologische und betriebspsychologische Beratung. Sonderbarerweise
folgt ein Kapitel über sein integratives Diagnosesystem L-Psycho I,
das man viel früher im Handbuch erwartet hätte. Es umfaßt
auch einen ausführlichen Anamnese-Fragebogen und verschiedene Skalen.
Die nächsten 200 Seiten sind mit 74 Auszügen
aus Büchern und Artikeln von bekannten Psychotherapeuten wie Adler,
Freud, Bastine, Perrez, Goldfried, Lazarus, Plaum, Satir und Watzlawick
gefüllt, die wichtige Aspekte der Psychotherapie sowie Fragen des
Eklektizismus und der Integration behandelt haben. Das Handbuch endet mit
Informationen über die Organisation und Ausbildung von IPPT-Therapeuten
(mit Anschriftenliste bisheriger Mitglieder) und über andere relevante
Verbände wie „International Academy of Eclectic Psychotherapists"
(IAEP) und „Society for the Exploration of Psychotherapy Integration" (SEPI),
einem Literaturverzeichnis mit mehr als 800 Titeln und mehreren Registern.
Sponsel ruft alle Interessierten auf, mit ihm zusammen eine „Gesellschaft
für allgemeine & Integrative Psychologische Psychotherapie" zu
bilden, eine Zeitschrift herauszugeben, Datenbanken (über Internet
zugänglich) aufzubauen sowie Aus- und Fortbildungsmöglichkeiten
zu schaffen.
Abschließend ist festzuhalten, daß es
sich bei diesem Handbuch um eine originelle und umfassende Darstellung
integra-tiver Psychotherapie handelt. Der Autor hat nicht nur in mühevoller
Arbeit die ganze Literatur zu dieser Thematik gesichtet und zusätzlich
wichtige psychologische und psychotherapeutische Werke hinzugezogen, sondern
auch auf dieser Grundlage eine eigene Theorie entwickelt, die alle relevanten
Fragestellungen behandelt. Das Buch ist gut zu lesen, wenn auch einige
Begriffe (z.B. Heilmittel, Atome, Moleküle, KLIPS) und Kombinationen
mit Zeichen (z.B. §Nur_Empfinden_Füh-len_Spüren, §Abwehren,
§Lenken, L-Psycho) zunächst etwas verwirrend sind.
Martin R. Textor, München
Suchen in der IP-GIPT,
z.B. mit Hilfe von "google": <suchbegriff>
site: www.sgipt.org
z.B. Inhaltsverzeichnis site: www.sgipt.org. |
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korrigiert irs 12.10.2016: