Polygraph (Lügendetektor) auch zivilrechtlich als grundsätzlich ungeeignetes Beweismittel vom BGH abgewiesen
Ein wichtiger Beschluß des BGH, Beschluß vom
24. Juni 2003 - VI ZR 327/02 - LG Paderborn
OLG Hamm
Im Beschluß wird ausgeführt:
"ZPO § 286 E
a) Durch die Rechtsprechung der Strafsenate des Bundesgerichtshofs ist auch für das Zivilverfahren höchstrichterlich geklärt, daß die polygraphische Untersuchung (Lügendetektor) mittels Kontrollfragen und - jedenfalls dann, wenn der Beweisführer zum Zeitpunkt des Tests bereits von den Ermittlungsergebnissen Kenntnis hatte - auch mittels Tatwissenstests ein völlig ungeeignetes Beweismittel ist.
b) Gegenstand einer aussagepsychologischen Begutachtung (Glaubhaftigkeitsgutachten)
ist nicht die allgemeine Glaubwürdigkeit des Untersuchten, sondern
die Beurteilung, ob auf ein bestimmtes Geschehen bezogene Angaben zutreffen.
Daher muß ein solches Gutachten nicht eingeholt werden, wenn der
Beweisführer die Behauptungen des Prozeßgegners nur bestreitet."
Mißverständnis im aussagepsychologischen Teil
Im aussagepsychologischen Teil enthält der Beschluß m.E.
eine bedeutsame Mißverständnismöglichkeit (fett-kursiv
von mir):
Zur Aussagepsychologie: "Es geht vielmehr um die Beurteilung, ob auf ein bestimmtes Geschehen bezogene Angaben zutreffen, d.h. einem tatsächlichen Erleben der untersuchten Person entsprechen (vgl. BGHSt 45, 164, 167)." |
Dieser Satz kann mißverstanden werden, wenn man daraus den Schluß zöge, hier sei gemeint, aus den sog. Realkennzeichen einer Aussage allein könne auf ein tatsächliches Erlebnis geschlossen werden. Dieser Schluß wäre falsch, wie das grundlegende Urteil des BGH vom 30. Juli 1999 - 1 StR 618/98 LG Ansbach feststellt. Dort wird gerade eindringlich und grundlegend ausgeführt, daß aus den Kriterien nicht auf das tatsächliche Erleben geschlossen werden darf, weil z.B. auch suggerierte Aussagen sämtliche Kriterien erfüllen. Deshalb ist ja gerade das hypothesengeleitete Ausschlußverfahren entwickelt worden. |
Die aussagepsychologische Passage im Kontext:
"c) Die von der Nichtzulassungsbeschwerde als grundsätzlich angesehene
Frage, ob der Tatrichter, welcher den von einer Partei gestellten Antrag
auf Einholung eines psychophysiologischen Glaubhaftigkeitsgutachtens für
ungeeignet hält, zumindest ein traditionelles psychologisches Glaubhaftigkeitsgutachten
einholen muß, läßt sich anhand der höchstrichterlichen
Rechtsprechung ebenfalls ohne weiteres beantworten. Danach ist Gegenstand
einer aussagepsychologischen Begutachtung (Glaubhaftigkeitsgutachten) nicht
die Frage nach einer allgemeinen Glaubwürdigkeit des Untersuchten
im Sinne einer dauerhaften personalen Eigenschaft. Es geht vielmehr um
die Beurteilung, ob auf ein bestimmtes Geschehen bezogene Angaben zutreffen,
d.h. einem tatsächlichen Erleben der untersuchten Person entsprechen
(vgl. BGHSt 45, 164, 167).
Daraus folgt, daß ein solches Gutachten nicht eingeholt werden
kann und muß, wenn – wie hier – die Behauptungen des Prozeßgegners
nur bestritten werden. In diesem Fall liegen keine auf ein bestimmtes Geschehen
bezogene Angaben des Beklagten vor, die auf ihre inhaltliche Konsistenz,
ihre Folgerichtigkeit oder sonstige situationsbezogene Einzigartigkeit
hin überprüft werden könnten (vgl. dazu BGHSt 45, 164, 167
ff.; vgl. auch Hanseatisches Oberlandesgericht Bremen - Senat für
Familiensachen, Beschluß vom 28. Mai 2001 - 5 UF 70/00 - Streit 2001,
122 ff.)."