Internet
Publikation für Allgemeine und Integrative Psychotherapie
IP-GIPT DAS=19.02.2005
Internet-Erstausgabe, letzte Änderung
9.8.11
Impressum:
Dipl.-Psych. Dr. phil. Rudolf Sponsel Stubenlohstr. 20
D-91052 Erlangen
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& .Copyright
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_Mogadischu
_Überblick_Rel.
Aktuelles _Rel.
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Hinweise Links u. Heilmittel_
Willkommen in der Abteilung
Forensische Psychologie, Bereich Psychotraumatologie und Opferschutz, hier
speziell zum Thema:
Trauma Analyse der
Opfer der Flugzeugentführung nach Mogadischu
nach
Beate Hagenkötter (1993)
und Literaturliste
von
Rudolf Sponsel, Erlangen
Internet
Erstausgabe 05.05.2002, letztes Update 09.10.2002
mit Literaturhinweis Geschichte der
Flugzeugentführungen
seit 1931-1997
Linkliste zum Konzept
Seligmans Erlernte Hilflosigkeit und Linkliste zu Mogadischu
& Umfeld
|
Das Jahr 1977 war ein spektakuläres
Terror- Jahr: Ermordung des Generalbundesanwalts Buback und des Dresdner
Bank Vorsitzenden Ponto, Entführung des Arbeitgeber- Präsidenten
Schleyer, Flugzeugentführung (siehe bitte links die Lufthansamaschine
Landshut)
nach Mogadischu, erfolgreiche Stürmung durch die hierdurch - so der
Mythos - legendär gewordene GSG 9, Schleyer-Ermordung, spektakulärer
und umstrittener Freitod der RAF-TerroristInnen Gudrun Ensslin (erhängt)
Andreas Bader, Jan-Carl Raspe (erschossen); Irmgard Möller, die sich
vier Stiche zufügt, überlebt. Die folgende Nachuntersuchung unterscheidet
die Ereignisse nach: (1) Grundsituation Entführung, (2) Ermordung
des Flugkapitäns, (3) Ankündigung der Sprengung. |
dargestellt nach
Hagenkötter,
Beate (1993). Die Opfer einer Flugzeugentführung in der Nachuntersuchung.
Auswertungsansatz nach dem Modell der erlernten Hilflosigkeit (Seligman).
Dissertation Med. Fak. Rheinisch-Westfäl. TH Aachen.
SGIPT
Quasi-Definition Gelernte oder erlernte Hilflosigkeit
Ge- oder erlernte Hilflosigkeit ist das Ergebnis von Erfahrungen,
die so gedeutet werden, daß man nichts machen kann, hilflos oder
ausgeliefert ist, was zu der mehr oder minder - meist - allgemeinen (generalisierten)
Einstellung ("Kontrollüberzeugung") führt: ich kann nichts machen,
ich kann nichts bewirken, ich muß mich fügen, warten, passiv
ausharren; aktiv werden hat - für mich - keinen Sinn. Diese Hilflosigkeits-
Erfahrungen können real oder nur gedeutet sein, was psychologisch
auf das Gleiche hinausläuft, wenn sie sich zu einer inneren allgemeinen
Einstellung entwickeln. |
Nach
dtv Wörterbuch zur Psychologie von W. D. Fröhlich (20. A. 1994):
"Hilflosigkeit; gelernte Hilflosigkeit; erworbene Hilflosigkeit
(helplessness,
learned helplessness).
[l] Zustand negativer Erwartungen, die auf der Einsicht
oder Überzeugung beruhen, Probleme seien mit den vorhandenen Denk-
und Handlungsmöglichkeiten nicht zu lösen. In extremen Fällen
besteht eine Ähnlichkeit des Zustandsbildes zu Depression, Erschöpfungsdepression
und psychischem Streß.
[2] Als gelernte Hilflosigkeit interpretiert SELIGMAN
die Genese eines Zustandsbildes, das sich durch Passivität und Teilnahmslosigkeit,
negativistische Erwartungen, allgemeinen Aktivitätsverlust, Gewichtsverlust,
Appetitlosigkeit, psychosomatische Streß-Symptome sowie übermäßige
Noradrenalinausschüttung bzw. Noradrenalinmangel und cholinerge Überaktivität
auszeichnet. Tierversuche und humanpsychologische Untersuchungen legen
nahe, daß dieses Zustandsbild u. a. nach wiederholten Erfahrungen
auftritt, in deren Verlauf operantes Verhalten nicht zu der erwarteten
(positiven oder negativen) Verstärkung führt Das Wegfallen
des erwarteten Zusammenhanges von Handlung und Verstärkung wird von
SELIGMAN als Mangel der Umweltkontrolle durch den Organismus beschrieben.
Mangelnde Kontrolle wirkt sich auf künftiges Lernen aus, so daß
Informationsverarbeitung und das Erkennen von Bedeutungszusammenhängen
beeinträchtigt sind; die allgemeine Erregung steigt, während
die Häufigkeit und Intention gezielter Handlungen unterdrückt
ist; gelernte Hilflosigkeit wird überdies auf eine Vielzahl ähnlicher
Situationen durch Generalisierung übertragen
[3] Die Behebung des Zustandes der gelernten H.
erfolgt durch Anregung zur vermehrten Ausführung von Reaktionen, durch
Schockbehandlung oder durch Noradrenalin kombiniert mit anticholinergen
Medikamenten; gelegentlich klingen die Symptome nach einer gewissen Zeit
ab. Eine uneingeschränkte Anwendung des vorwiegend auf Tierexperimenten
beruhenden Modells zur Behandlung von Depressionen ist aus mehreren Gründen
nicht möglich: Es bestehen begründete Zweifel daran, daß
z.B. endogene Depressionen auf erfahrene Hilflosigkeit zurückgeführt
werden können, das Anspornen eines depressiven Patienten zu wiederholten
Handlungsversuchen kann die Symptomatik verstärken." |
Hinweis. Die Dissertation enthält einen sehr lesenswerten lerntheoretischen
und verhaltenstherapeutischen Teil zur Charakterisierung und zum Verständnis
der Problematik.
TeilnehmerInnen
an der Nachuntersuchung (S. 32)
Von den 86 entführten Geiseln
nahmen 28 freiwillig an der Nachuntersuchung inform persönlicher Interviews
teil. Von den 28 sollen 17 repräsentativ für die 86 sein.
Klassifikation
der Geiseln (S. 41)
Hier unterscheidet die Autorin zwei
Klassen in drei Gruppen : (1.1) Fügsam sich Ergebende (72%), (1.2)
Freiwillig Unterordnende und damit scheinbar die Kontrolle wahrend (14%),
(1.3) Kontrolle orientiert nach individuellen Lösungen suchend (z.B.
die Fesseln lockern; 14%). (2.1) Opfer von Aggressionen während der
Entführung; (2.2) den Entführern verständnisvoll und positiv
Gegenüberstehende (Stockholm-Syndrom);
(2.3) die keinerlei Beziehung zu den Entführern eingingen.
Zusammenfassung:
Die Grundsituation der Entführung (S. 47f):
"Die Grundsituation der Entführung
wird auf unterschiedliche Weise wahrgenommen: Während eine kleinere
Zahl Geiseln keine oder nur geringfügige Unkontrollierbarkeit empfindet,
weil sie davon ausgeht, selbst Einfluß auf ihr Schicksal nehmen zu
können, wird diese jedoch für die übrigen zu einem ernsthaften
Problem. Dabei ist anzunehmen, daß die Art der Problembewältigung,
der Attributionsstil
der
Unkontrollierbarkeit, von der erlebten Situation abhängt: Ist die
Geisel während der Entführung in eine persönliche Beziehung
zu den Entführern getreten (im negativen wie im positiven Sinne),
so kann man bei ihr einen internalen Attributionsstil finden. Denselben
erkennt man außerdem bei Geiseln, die weniger die Unkontrollierbarkeit
der Rahmenbedingungen (= materiell) als die psychische Belastung in den
Vordergrund stellen. Internaler Attributionsstil begünstigt die Entstehung
persönlicher Hilflosigkeit, die im Laufe der weiteren Exploration
untersucht werden soll."
Zusammenfassung
Die Ermordung des Flugkapitäns (S. 48ff)
Hier unterscheidet die Autorin zwei
Formen der Unkontrollierbarkeit:
"a) die stellvertretend erlebte
direkte Unkontrollierbarkeit (= indirekte Unkontrollierbarkeit),
b) die selbst erlebte Unkontrollierbarkeit.
a) Wie bereits in II.1. erläutert,
ist die Identifikation mit der Person - das stellvertretende Erleben -
Voraussetzung für das Erleben der indirekten Unkontrollierbarkeit.
Erster Schritt wird also sein, zwischen denjenigen Geiseln zu unterscheiden,
die sich in die Situation des Flugkapitäns hineinversetzen können
und seine Lage "mitleiden", und anderen, bei denen dieser Schritt nicht
vollzogen wird aus Gründen, die ich erläutern werde. Ferner bleibt
zu klären, ob es bei den einzelnen Geiseln Parallelen zwischen ihrer
Reaktionsweise auf die Grundsituation und auf die Ermordung des Flugkapitäns
gibt. So viele Persönlichkeiten die Geiseln verkörpern, so viele
unterschiedliche Reaktionen oder Antworten gibt es auf die Situation. Dennoch
tendieren die Beschreibungen mehr oder weniger zu den angesprochenen Polen:
[>49]
Entweder identifiziert
man sich mit der Person des Flugkapitäns und seiner mißlichen
Lage, oder man fühlt sich nicht persönlich berührt, bleibt
also von den Konsequenzen größtenteils verschont. Findet eine
Identifikation statt, lebt sich die Geisel in die Lage des Flugkapitäns
richtig ein, so kann dies für sie zu einem einschneidenden, ja sogar
zu einem Schlüsselereignis der Entführung werden. So betont eine
Geisel, daß die Erschießung des Flugkapitäns "der schlimmste
Punkt" der Entführung gewesen sei und in höchstem Maße
traumatisierend. Eine weitere Darstellung von anderer Seite schließt
sich an, in der betont wird, daß die Entführung ein "ganz furchtbares
Erlebnis" gewesen sei, weil es "einen Toten dabei gegeben" hat. Der Schrecken
der Entführung konzentriert sich für diese Geisel auf die Ermordung
des Flugkapitäns. Es heißt: "Wenn der nun noch am Leben wäre,
ginge es mir also irgendwie besser (...) der hat's absolut (...) gar nicht
verdient gehabt, (...) mußte der damals nun sterben?" Das Schicksal
des Flugkapitäns scheint sie - wie das Beispiel zeigt - über
die primäre Schrecksituation im Flugzeug hinaus zu beschäftigen.
Betrachtet man die Aussage einmal genauer, so fällt auf, daß
das jetzige Wohlbefinden weiterhin mit diesem Ereignis in Zusammenhang
gebracht wird. Anscheinend hat die Geisel gegenüber dem Opfer einen
Schuldkomplex entwickelt. Sie macht sich selbst für den fatalen Ausgang
der Situation verantwortlich. Die Unkontrollierbarkeit, die sie an Stelle
des Flugkapitäns aktiv miterlebt hat, attribuiert sie internal. Auffällig
ist, daß es sich um die gleiche Person handelt, die bereits auf die
Grundsituation mit einer internalen Attribution reagiert. (Dabei fällt
sie in die Gruppe 1.2.). Doch es handelt sich nicht um einen Einzelfall.
Konkreter stellt sich die Problematik an folgendem Beispiel dar: "Wir sind
auf Kosten dieses Menschenlebens (gemeint ist der Flugkapitän) so
glücklich davongekommen". Die Begründung schließt sich
an mit der [>50] Erklärung, daß der Entführer, "nachdem
er S. erschossen hatte, hatte er auch eine ganze Zeitlang die anderen Passagiere
und auch mich (sie) in Ruhe gelassen". Die internale Attribution scheint
hier ebenfalls mit großen psychischen Belastungen verbunden zu sein.
Vermutlich ist es der Geisel nicht möglich, das Ereignis nach der
Entführung zu vergessen noch zu verdrängen. Man könnte auch
von Insuffizienzgedanken sprechen, die weiter präsent sind. Von der
oben zitierten Geisel wird ausgeführt, daß sie sich "im Laufe
der Zeit" gesteigert hätten, daß sich "im Laufe der Zeit gegenüber
der Witwe des erschossenen Kapitäns so ein kleines schlechtes Gewissen
eingestellt" hätte. Dabei handelt es sich höchstwahrscheinlich
um die Auswirkungen eines internalen Attributionsstils. Voraussetzung dafür
ist die Identifikation mit dem Flugkapitän, denn der internale Attributionsstil
resultiert aus der Wahrnehmung der Unkontrollierbarkeit der Situation,
die in diesem Fall stellvertretend nachempfunden wird. Die Geisel hat einen
positiven Eindruck vom Flugkapitän ("recht soliden Eindruck von ihm
(...) verströmte sowas wie Vertrauen"). Sie selbst charakterisiert
sich ebenfalls als "solide", entsprechend also der Beschreibung des Flugkapitäns.
Würde der Flugkapitän eher kritisch beurteilt, sein Verhalten
mißbilligt und verworfen, so könnte es wohl kaum zu einer so
starken Identifizierung, dem damit verbundenen Erleben von Unkontrollierbarkeit
und schließlich zum Entstehen des internalen Attributionsstils kommen.
Dies mag auch wohl der Grund dafür sein, wie unterschiedlich die Szene
verarbeitet werden kann."
Zusammenfassung:
Die Ankündigung der Sprengung (S. 63f)
"Die Unkontrollierbarkeit erreicht
mit der Ankündigung der Sprengung ihren Höhepunkt. Bis auf die
erste zitierte Ausnahme scheint die Situation von allen Geiseln in ihrem
Ausmaß erfaßt und verarbeitet zu werden. Selbst die Zuflucht
zu religiösen Motiven täuscht offenbar nicht über die Unkontrollierbarkeit
der Lage hinweg. Ähnlich den Abbildungen der anderen Kapitel fasse
ich die Ausführungen abschließend noch einmal graphisch zusammen:
a) keine Unkontrollierbarkeit
empfunden ("nie richtig
Todesangst gehabt")
vorhersagbare
Unkontrollierbarkeit
- gefaßte Todeserwartung
|
b) Unkontrollierbarkeit erlebt
unvorhersagbare Unkontrollierbarkeit
- starke emotionale Reaktion
- internale Attribution
|
Abb. 9 Unkontrollierbarkeit
angesichts der Ankündigung der Sprengung
Ich unterscheide zwischen Geiseln,
die keine Unkontrollierbarkeit empfinden, und Geiseln die die Situation
als unkontrollierbar einstufen. Ein Teil der letzteren erlebt in der Ankündigung
der Sprengung die Vorhersage der Unkontrollierbarkeit. Daraufhin reagieren
sie auffallend gefaßt. Für andere wirft die Ankündigung
der Sprengung neue Fragen und Probleme auf (vor allem familiärer Art)
: Ihre Unkontrollierbarkeit bleibt weiterhin unvorhersag[>64]bar; sie machen
einen emotional labilen Eindruck. Im weiteren Sinne könnte man auch
von internalem Attributionsstil sprechen. Ängste vor Pflichten und
vor der Verantwortung, der sie sich durch ihren Tod entziehen, scheinen
zu Selbstzweifeln zu führen.
Abschließend ist zu sagen,
daß ich in diesen drei Abschnitten anhand von Situationsbeispielen
aufzuzeigen versuchte, wie unterschiedlich, aber auch wie ähnlich
die objektive Unkontrollierbarkeit verarbeitet wird. Erste Differenzen
ergeben sich bereits bei der Wahrnehmung (perception) dieser Unkontrollierbarkeit
und später bei deren Attribution. Auffällig sind ebenfalls übereinstimmenden
Reaktionen sowohl der gleichen Geiseln auf verschiedene Situationen als
auch verschiedener Geiseln auf die gleiche Situation. Deshalb ist es möglich,
Reaktionsweisen in Kategorien zu ordnen."
Zusammenfassung:
Die Unkontrollierbarkeit der Umwelt nach der Entführung
Hier werden die Unkontrollierbarkeit
der Reaktionen der Presse (Zusammenfassung S. 70), der Regierung und die
Reaktionen von Angehörigen und Bekannten (S. 87) sowie die Unvorhersehbarkeit
möglicher weiterer Gewaltakte (S. 88/89) erörtert.
Rückblick
und Zusammenfassung der Autorin
(S. 146ff): "Es gilt zu bedenken,
daß die individuellen Folgen dieser Veränderungen stark von
der Primärpersönlichkeit einer Geisel abhängen. Einer bereits
depressiven Geisel drohen selbstverständlich schwerwiegendere Konsequenzen
als einem oberflächlich- unbeschwerten Charakter, für den die
"Ernüchterung" der Entführung einen möglicherweise positiven
Aspekt bedeutet.
Allgemein ist jedoch anzumerken,
daß die Entstehung der Hilflosigkeitssymptome allein von der Häufung
unkontrollierbarer Situationen und deren Attribution abhängt. Lediglich
der Zeitpunkt ihrer Manifestation mag durch die Primärpersönlichkeit
beeinflußt sein. Besonderen Wert habe ich in der Darstellung auf
den Zusammenhang von individuellem Erleben und Attribuieren der Unkontrollierbarkeit
und Ausprägung der Veränderungen [>147] im motivationalen, kognitiven
und emotionalen Bereich gelegt. Dabei ist nicht entscheidend, dieses bei
jeder Geisel aufzuzeigen, sondern einzelne signifikante Beispiele repräsentativ
auszuwählen.
Schmitt (1987) vermutete, daß
es im Verlauf der Entführung zu einem zunehmenden Verlust der subjektiven
Kontrolle über das Umfeld und die eigenen Bewältigungsmöglichkeiten
kommt, daß Umwelt und Verhalten in keiner angemessenen Relation mehr
zueinander stehen und daß die resultierende erlernte Hilflosigkeit
zu einer negativen Veränderung des Selbstkonzepts führt, zu einem
Rückzug aus kognitiv bestimmten Aktivitäten und zu einer Zunahme
der emotionalen Regulationsversuche auf einer elementaren und primitiven
Ebene, die Schuld, Scham und Selbstzweifel provozieren und schließlich
in einer depressiven Grundhaltung erstarren.
Die Nachuntersuchung bestätigt
diese These: Auf motivationalem Gebiet erkennt man eine deutliche Konzentration
auf den familiären Rahmen mit Intensivierung der Eltern- Kinder- Beziehung
und Partnerbeziehung. Angst und Schuldgefühle der Geiseln gegenüber
den Angehörigen scheinen die Ursache dieser Veränderungen zu
sein. Folglich resultiert ein Zurückziehen aus dem gesellschaftlichen
Leben. Die Mitmenschen werden kritischer gesehen.
Im kognitiven Bereich findet man
Defizite im Umgang mit Konfliktsituationen, die sich darin äußern,
daß die Geiseln einerseits Problemsituationen bedrohlicher erleben,
andererseits ihre eigenen Kompetenzen unterschätzen. So finden sich
Veränderungen speziell bei Wiederholung entführungsähnlicher
Situationen, aber auch im Umgang mit persönlichen Schwierigkeiten
oder gar allgemeinen Negativerlebnissen. Die Sensibilität für
Konfliktsituationen steigt an, andererseits scheint die Verarbeitung dergleichen
erschwert. [>148]
Der letzte Punkt der Untersuchung
ist auf die Emotionalität der Geiseln gerichtet: Auffällig ist
die pessimistische Weltanschauung, die bei den meisten Geiseln vorhanden
ist. Es überwiegt die Meinung, Gewalt und Brutalität würden
das Leben immer stärker beherrschen. Zugleich läßt sich
die intensivere Beschäftigung mit diesen Themen feststellen, die Ausgangspunkt
der negativen Eindrücke ist. Auch dringt der Gedanke an den möglichen
überraschenden Tod in das Bewußtsein der Geiseln. Ein verkrampftes
'Genießenwollen' täuscht nicht über die sensible Grundeinstellung
dieser Geiseln hinweg. Schließlich kann man die Tendenz einer allgemein
abgeklärteren Lebenseinstellung bei den Geiseln erkennen: Ernüchterung,
Desillusionierung, Verlust von Unbeschwertheit und Naivität.
So bildet das Modell der erlernten
Hilflosigkeit einerseits den Rahmen der Auswertung der Mogadischu- Nachuntersuchung,
andererseits dient die Nachuntersuchung zur Veranschaulichung des Modells
der erlernten Hilflosigkeit." ... ... ...
(S. 150): "Die Analyse der persönlichen
Lebenssituation ist entsprechend der Theorie der erlernten Hilflosigkeit
auf die drei Bereiche Motivation, Kognition und Emotion ausgerichtet. Im
Hinblick auf das inhaltliche Analyseverfahren erfolgt eine Übersetzung
der einzelnen Bereiche in inhaltliche Schwerpunkte (Motivation: Familie,
gesellschaftliches Leben, Berufsleben; Kognition: konfliktlösendes
Verhalten; Emotion: Weltanschauung, Tod, Lebenseinstellung). Es ist versucht
worden, durch die Beschreibung der Lebenssituation einzelner repräsentativ
ausgewählter Geiseln einen Überblick über das Spektrum der
möglichen Auffälligkeiten zu geben (Konzentration auf den familiären
Rahmen, Zurückziehen aus dem gesellschaftlichen Leben, bedrohliches
Erleben von Konfliktsituationen, Unterschätzen der eigenen Bewältigungskompetenzen,
pessimistische Weltanschauung, intensivere Auseinandersetzung mit dem Tod,
Ernüchterung).
Die Summe der herausgearbeiteten
Veränderungen läßt auf eine deutliche Einschränkung
der Lebensqualität der Geiseln nach der Entführung schließen,
die mit einem mehr oder weniger großen subjektiven Leidensdruck verbunden
ist. Verschieden starke Ausprägungen der individuellen Beeinträchtigung
lassen sich aus der unterschiedlichen Wahrnehmung und Verarbeitung der
Entführungssituation im weiteren Sinne ableiten.
Damit leistet die Theorie der erlernten
Hilflosigkeit einen wesentlichen Beitrag zum Verständnis des allgemeinen
und persönlichkeitsspezifischen Entwicklungsprozesses. Die gute Anwendbarkeit,
des Modells beweist darüberhinaus seine große praktische Bedeutung."
Kritische
Nachbemerkung: Die Arbeit ist einerseits sehr interessant und idiographisch
sehr wertvoll, aber in ihrer Auswertung mehr qualitativ interpretativ orientiert.
Wer
von wie vielen Geiseln
welche Folgen wie lange
in welcher Ausprägung erlitten hat, wird nicht ausgezählt
und bleibt daher bedauerlicherweise quantitativ im Dunkeln. Weshalb speziell
die Arbeit von Ploeger
& Schmitz-Gielsdorf (1980) nicht explizit einbezogen wurde, ist
mir unverständlich. Der PSYNDEX des ZPID weist zu dieser Arbeit aus:
"ABSTRACT (GERMAN): Bei 16
Geiseln der im Oktober 1977 entfuehrten Lufthansamaschine 'Landshut' wurde
im Auftrag des Bundesministeriums fuer Arbeit und Sozialordnung Psychotherapie
durchgefuehrt. Diese fand in vier Blockveranstaltungen von jeweils einer
Woche statt, in welcher taeglich mindestens acht Stunden gruppenpsychotherapeutisch
mit der tiefenpsychologisch fundierten Psychodramatherapie gearbeitet wurde.
An Folgesymptomen lagen unter anderem Phobien, Schreckhaftigkeit, Schlafstoerungen
mit Angsttraeumen, andraengende Erinnerungen an die Entfuehrung sowie reaktive
Entwicklungen vor. Die Besonderheiten dieser Therapie im Hinblick auf den
Traumatisierungsmodus, die dadurch bedingte Gruppendynamik im therapeutischen
Setting, die therapeutische Technik sowie den therapeutischen Gruppenprozess
und schliesslich die Stellung von Therapeut und Kotherapeutin in der Gruppe
der Betroffenen werden eroertert. Ausserdem werden die vorwiegenden Stoerungsmuster
der Erlebnisverarbeitung dargestellt. Abschliessend werden Gesichtspunkte
fuer Indikation und Durchfuehrung der tiefenpsychologisch fundierten Psychodramatherapie
nach einer extremen psychotraumatischen Belastung der vorliegenden Art
eroertert. (Zeitschrift - ZPID)"
Literaturliste
zur Geiselnahme Mogadischu nach der Autorin
und zusätzliche
Arbeiten zum Thema
-
Abramson. L.Y., Seligman, M.E.P., Teasdale,
J.D. (1987). Learned helplessness in humans: Critique and reformulation.
Journal of Abnormal Psychology, 87, 49-74
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Badia, P., Suter, S., Lewis, P. (1967).
Preference for warned shock: Information and/or preparation. Psychological
Reports, 20, 271-274
-
Beck, A.T.(1981). Kognitive Therapie
der Depression. München: Urban und Schwarzenberg
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Beck, A.T., Greenberg, R.L. (1979) Kognitive
Therapie bei der Behandlung von Depressionen. In N. Hoffmann (Hg.), Grundlagen
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Beck, A.T. (1967). Depression: Clinical,
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Weiss J.M. (1971c). Effects of coping
behavior with and without a feedback signal on stress pathology in rats.
Journal of Comparative and Physiological Psychology, 77, 22-30
_
Linkliste
Erlernte Hilflosigkeit: Paradigma nach Seligman
Prof.
Dr. Martin E. P. Seligman, geboren 1942 in Albany, New York, lehrt Psychologie
an der University of Pennsylvania, war lange Zeit Präsident des Fachbereichs
Klinische Psychologie in der maßgeblichen American Psychological
Association. Weltberühmt gemacht hat ihn seine Studie «Erlernte
Hilflosigkeit». Hauptwerk: Seligman, Martin E. P. (dt. 2000). Erlernte
Hilflosigkeit. Weinheim: Beltz TB.
Dokumentation
Flugzeugentführungen
|
Aus dem Inhalt:
-
Erste Anfänge (1931)
-
Ziel Kuba
-
Entführungen mit tödlichem Ausgang
-
Terror aus dem Nahem Osten
-
Blut für Geld
-
Flucht per Fallschirm
-
Schüsse und Abschüsse
-
Weitere Gewalttaten
-
Stichwortverzeichnis (1931-1997)
|
Gero, David (dt. 1999, engl. 1997).
Flüge des Schreckens. Anschläge und Flugzeugentführungen
seit 1931. Stuttgart: Motorbuch.
Links
zur Flugzeugentführung von Mogadischu und dem politischen Umfeld
https://www.nadir.org/nadir/archiv/PolitischeStroemungen/Stadtguerilla+RAF/2_juni/2_juni_4.html
Die Unbeugsamen von der Spree: Das
folgende Interview mit Fritz Teufel, Ralf Reinders, Gerald Klöpper
und Ronald Fritzsch entstand im Sommer 1978. Gegen die vier und zwei weitere
(Andreas Vogel und Till Meyer) lief seit dem 10. April 1978 der sogenannte
Lorenz-Drenkmann-Prozeß vor dem 1. Strafsenat des Kammergerichts
in Berlin. Das Interview wurde von dem Journalisten Wolfram Bortfeldt für
die Zeitschrift Stern geführt
https://www.lernzeit.de/aktuelles/meldung280801.phtml
3sat zeigt das "Todesspiel": Im
September: Heinrich Breloers Zweiteiler über den Terrorismus
und die Ereignisse im "Deutschen Herbst". September 1977 - innerhalb von
wenigen Wochen erreicht der Terrorismus der RAF mit der Geiselnahme von
Hanns Martin Schleyer, der Entführung der Lufthansamaschine "Landshut",
und durch den Tod von Baader, Ensslin und Raspe seinen vorerst brutalsten
Höhepunkt. Dieses sehr bedeutende Kapitel jüngster, deutscher
Geschichte ist das Thema der 1996 produzierten dokumentarischen Filmerzählung
"Todesspiel", die 3sat am 26. und 27. September ausstrahlt. Dabei bilden
die Berichte der Protagonisten jener Zeit die Grundlage für die Inszenierung
der Spielhandlung mit Schauspielern. Über ein Jahr lang hat Heinrich
Breloer akribisch recherchiert. Mit 50 Zeitzeugen hat er Interviews geführt,
darunter der damalige Kanzler Helmut Schmidt, der Verhandlungsführer
Hans-Jürgen Wischnewski, Ex-Regierungssprecher Klaus Bölling
und Ex-BKA-Chef Horst Herold, "der aus Angst vor Terroristen noch heute
völlig isoliert in einer Kaserne des Bundesgrenzschutzes wohnt." (taz,
Okt. 96) ...
https://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,57920,00.html
ZEITGESCHICHTE: "Mogadischu hat
an meiner Seele gezerrt". Bruno Schrep über Ängste und Alpträume
der "Landshut"-Geiseln. "Die ehemalige Schönheitskönigin Beate
Keller, heute Halbtagskraft in einem Büro, steuert ihren Opel Kadett
jeden Werktag am Hamburger Untersuchungsgefängnis vorbei. Seit Ende
November 1995 empfindet sie dabei Genugtuung." ...
https://www.mathematik.uni-ulm.de/germnews/1994/10/191900.html#2
Entfuehrerin der Lufthansa-Maschine
Landshut nach 17 Jahren gefasst: Karlsruhe. "Genau 17 Jahre nach der Entfuehrung
des Lufthansa-Flugzeuges Landshut nach Mogadischu ist die einzige ueberlebende
Geiselnehmerin gefasst worden. Die Frau mit Namen Soraja Ansari wurde in
der Nacht zum vergangenen Freitag in Oslo festgenommen. Gegen die Frau
liegt ein Haftbefehl wegen Mordes, Geiselnahme und Angriff auf den Luftverkehr
vor. Die Bundesanwaltschaft hat bei den norwegischen Behoerden die Auslieferung
beantragt. Die mutmassliche Terroristin lebte offenbar seit laengerem in
Norwegen. Die Lufthansa-Maschine Landshut war im Oktober 1977 nach Mogadischu
in Somalia entfuehrt worden. Ein Kommando der GSG 9 hatte das Flugzeug
gestuermt und drei der vier Terroristen getoetet und die 90 Geiseln befreit.
Ansari war in Somalia verurteilt worden, konnte aber anschliessend untertauchen.
Die Kaperung der Maschine stand im Zusammenhang mit der Entfuehrung des
Arbeitgeberpraesidenten Schleyer im September 1977. Mit beiden Aktionen
sollten die in der Bundesrepublik inhaftierten Terroristen der Rote Armee
Fraktion RAF freigepresst werden." ...
https://www.sonntagsblatt.de/1996/33/pol-33.htm
Die Trauma-Reise: In Hamburg steht
die »Landshut«-Entführerin Andrawes vor Gericht - und
konfrontiert ihre einstigen Geiseln mit der Vergangenheit: das Leben der
Opfer 19 Jahre danach - VON ISABEL STRASSHEIM - ...
https://www2.tagesspiegel.de/archiv/2000/05/09/ak-po-we-10043.html
Für die Opfer der Gewalt ist
der Schrecken mit der Befreiung noch lange nicht zu Ende von Silke Becker:
"Dieses Jahr war sie in den Emiraten. Ferien als Schocktherapie, damit
sie gar nicht erst Angst vor Reisen in arabische Länder bekommt. Es
ist wie beim Auto fahren, nach einem schweren Unfall muss man auch sofort
wieder einsteigen, sonst hat man ewig Angst. So ist sie, kühl und
sachlich, bloß keine Angst zeigen." ...
https://www.br-online.de/inhalt/wir_ueber_uns/pressestelle/aktuelles/02299/
"Geisel-Horror: Die Angst bleibt
lebenslang. Die Geiselnahme auf den Philippinen: Für die Opfer bedeutet
das ständige Todesangst, Psychoterror, Entbehrungen, Ungewissheit,
körperliche Qualen. Psychologen, die Geiselopfer betreuen, warnen:
Auch nach dem Ende der Gefangenschaft bleiben die Gekidnappten psychisch
angeschlagen, leben oft noch jahrelang mit traumatischen Ängsten,
die im Alltag immer wieder aufbrechen. quer fragt: Können die Geiseln
auf den Philippinen später noch ein normales Leben führen? Zu
Gast im quer-Studio: Birgitt Röhll, Geisel beim Überfall auf
die Lufthansamaschine "Landshut" in Mogadischu." ...
https://rhein-zeitung.de/old/96/03/29/topnews/polizeiexperten.html
Fälle für Polizeiverhandlungsgruppe
https://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,22947,00.html
DIE ÄRA SCHMIDT "Die Bereitschaft
zum Töten" Die RAF erschütterte die Republik / Von Paul
Lersch
https://newswelt.stimme.de/reportage/0,112516255,0,0,0,0.html//
Das blutigste Terrorjahr
https://www.trend.partisan.net/trd1098/t221098.html
Der Prozeß gegen Monika Haas:
Staatsschutz als politische Justiz
https://www.infodrom.north.de/spiegel/95/3/landshut.html
Ein ehrenvoller Auftrag: Das Drama
ist unvergessen: Am 13. Oktober 1977 entführten palästinensische
Terroristen die Lufthansa-Boeing "Landshut", um ihre Genossen von der RAF
freizupressen. Grenzschützer stürmten fünf Tage später
das Flugzeug, von den Kidnappern überlebte nur eine junge Frau. Sie
enthüllt, 17 Jahre danach, Einzelheiten des Attentats. Ihre Aussagen
geben erstmals detaillierte Einblicke in die Verflechtungen der internationalen
Terrorszene.
https://www.diewelt.de/daten/2000/07/14/0714au179589.htx
Allgemeine Aspekte: Die Angst der
Politik vor der "Entführungsindustrie"
Attributionsstile
in diesem Kontext: Internal =: man sich selbst für ein Nichtkönnen
oder Versagen verantwortlich macht. External
=: wenn man das Nichtkönnen
oder Versagen auf äußere Umstände und Bedingungen zurückführt
und Mitmenschen das gleiche Nichtkönnen oder Versagen zuschreibt.
Global =: Verallgemeinerung des Nichtkönnens (Generalisierung)
gegenüber
spezifisch =: Beschränkung des Nichtkönnens
oder Versagen auf bestimmte Situationen und Gelegenheiten. Die Attribution
(Zuschreibung) kann stabil
(= andauernd) oder variabel (veränderbar)
erfolgen. (S. 8ff)
Querverweise
Querverweis: Das
Stockholm-Syndrom (in: pathologische Bindungen)
Querverweis: Querverweis: Psychologische
Grundlagen des Polizeilichen Opferschutzes. Luxus oder Notwendigkeit?
Querverweis: Der
Schutz kindlicher Opferzeugen im Strafverfahren und die Verwendung von
Videotechnologie. Die Dissertation von Kipper. Mit einem kritischen Kommenta
und Aufruf von Rudolf Sponsel: Mauern Staatsanwaltschaften und Justiz zum
Schaden unserer Kinder?
Querverweis: Überblick
Forensische Psychologie, Psychopathologie und Therapie
Externer Link: (wichtiger
Hinweis) sehr ausführliche und gut gepflegte Internet-Seite zu
allen Aspekten der (Psycho) Traumatologie: https://www.trauma-response.com/traumalinks.html
Zitierung
Sponsel, Rudolf (DAS).
Trauma Analyse der Opfer der Flugzeugentführung nach Mogadischu nach
Seligmans Konzept erlernter Hilflosigkeit nach Beate Hagenkötter (1993)
und einem Literaturhinweis Geschichte der Flugzeugentführungen seit
1931-1997. Erlangen IP-GIPT: https://www.sgipt.org/forpsy/opfer/mogadi.htm
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zu erfragen. In Streitfällen gilt der Gerichtsstand Erlangen
bzw. Rohr als akzeptiert.
Ende
Mogadischu
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