"ZU DIESEM HEFT |
Themenschwerpunkt: Psychotherapieforschung 2
DAVID L. RENNIE
Nachvollziehbarer Konstruktionismus als Prüfstein
qualitativer Forschung 3 [Zusammenfassung]
REINER W. DAHLBENDER, CORNELIA ALBANI UND HORST KÄCHELE
Wünsche und ihre Ver-Bindungen. Eine Einzelfallstudie
mit der Methode der Zentralen Beziehungsmuster 13 [Einleitung]
IRENE KÜHNLEIN UND GERD MUTZ
Wirkt Psychotherapie wie ein Medikament? Thesen zu einer
sozialwissenschaftlichen Fundierung der Psychotherapieforschung 33
[Zusammenfassung]
ANDREAS STRATKÖTTER, RENATE BERTRAM, JÖRG FROMMER
UND WOLFGANG TRESS
Die Veränderung von Beziehungen im Verlauf einer
ambulanten Kurztherapie. Eine qualitativ-inhaltsanalytische Einzelfalluntersuchung
47 [Zusammenfassung]
Debatten und Kontroversen
EVA JAEGGI UND HEIDI MÖLLER
Die Rolle der Psychologinnen in den Medien
59 [vollständig hier]
Aus dem Elfenbeinturm
WOLFGANG HOFSOMMER
Organisationsentwicklung lehren und lernen. Ein
Beitrag zur Didaktik im Fach Organisationspsychologie 65
GUY BODENMANN, MEINRAD PERREZ, HEIDI LOTTI UND GABRIEL
WUST
Zur Ausbildungssituation der Psychologie in der Schweiz
70
Psychologie in der Berufspraxis
UTE RITTERFELD
Beschreibung als Diagnose?! Zur Analyse von Eltern-Kind-lnteraktionen
77
Buchbesprechungen
Christina Schröder: Der Fachstreit um das Seelenheil.
Psychotherapiegeschichte zwischen 1880 und 1932 (ALMUTH-BRUDER-BEZZEL)
86
Heidi Möller: Menschen, die getötet haben.
Tiefenhermeneutische Analysen von Tötungsdelinquenten;
Heidi Möller (Hrsg.) Frauen legen Hand an.
Untersuchungen zu Frauen und Kriminalität (WOLGANG
HEGENER) 88
Leserbrief 92
Autorinnen und Autoren dieses Heftes. 94
Zum nächsten Heft; Hinweise für die Manuskriptgestaltung
96
Zusammenfassung: DAVID L. RENNIE: Nachvollziehbarer Konstruktionismus als Prüfstein qualitativer Forschung [
Zusammenfassung zu Beginn des Artikels [S. 3]
Qualitative Forschung geht Rennie zufolge davon aus,
daß zum einen Bewußtsein und Erfahrung des Menschen weder rein
fundamentalistisch noch rein relativistisch zu erfassen sind. Zum anderen
aber ist die Interpretation des dem Forscher Mitgeteilten ein wesentlicher
Bestandteil qualitativer Forschung, die nichtder Vermehrung obiektiven
Wissens, sondern dem Gewinnen von Verstehen dient. Somit muß die
Konstruktion des Forschers bezüglich des untersuchten Phänomenbereichs
mit einer vom Rezipienten nachvollziehbaren Methode kontrolliert werden
können. Begründung in der Materialbasis und in der Reflexion
des Forschers über seine subjektiven Anteile bei Interpretation und
Verstehen der Phänomene sind hierzu unerläßliche Voraussetzung
qualitativer Forschung. Rennie plädiert für eine Versöhnung
von Realismus und Relativismus, um die Fehler von Objektivismus einerseits
und Subiektivismus andererseits umgehen zu können.
"Zusammenfassung am Ende des Artikels [S. 7/8]
Ich habe ausgeführt, daß die meisten Ansätze
der qualitativen Forschung Humanwissenschaft im Sinne von Dilthey und Wundt
instantiieren. Im Grunde behandeln alle die reale Welt als außerhalb
des Forschers befindlich, in der die Relativität, die durch die Subjektivität
des Forschers geschaffen wird, ausdrücklich anerkannt wird. Soll qualitative
Forschung solide sein, müssen beide Aspekte angesprochen werden, zum
einen, indem das Verständnis der Phänomene in den Daten, durch
die sie repräsentiert werden, verwurzelt sein muß, und zum anderen,
indem qualitative Forschung reflexiv hinsichtlich der Subjektivität
sein soll. Diese Solidität nimmt so die Form eines nachvollziehbaren
Konstruktionismus an im Gegensatz zu der naturwissenschaftlichen Herangehensweise
an die Sozialwissenschaft, welche mit der objektivistischen Methode zu
tun hat. Ich möchte darauf verweisen, daß Unklarheiten über
diesen grundlegenden Punkt die qualitative Forschung unterlaufen können.
Im Gegensatz dazu führt die Anerkennung dieses Punktes zur Steigerung
ihrer Ernsthaftigkeit und trägt zu ihrer Entwicklung als einer Methode
bei, die besonders zur ganzheitlichen Erforschung der komplexen menschlichen
Erfahrung geeignet ist."
Diese Arbeit enthält keine Zusammenfassung, so daß ich die Einleitung zu ihrer Charakterisierung ausgefwählt habe:
"Wünsche bilden das Kernstück psychoanalytischer
Motivationstheorien (vgl. z. B. Lichtenberg 1989; Modell 1984; Sandler
19821. Enttäuschte Bindungs- und Beziehungswünsche zählen
zu den prominentesten Klagen von Menschen auf der Suche nach professioneller
psychotherapeutischer Hilfe. Gleichgültig, ob als Konstrukte, Schemata,
Repräsentanten, Modellszenen, etc. konzipiert (vgl. Singer & Salovey
1991), gehen heute viele Ansätze davon aus, daß jeder im Laufe
seiner Lebensgeschichte die positiven wie negativen Bindungs- und Beziehungserfahrungen
zu einem relativ stabilen Set von mehr oder weniger impliziten Annahmen
bzw. Vorstellungen über die Welt die Obiekte, sich selbst den Körper,
die interpersonellen Transaktionen etc. internalisiert. Diese vielfach
determinierten internalisierten Bindungs- und Beziehungserfahrungen bleiben
zeitlebens eng mit dem aktuellen affektiven Erleben auf äußerst
wirksame Weise vernetzt (Stern 1992; Lichtenberg 1991; Spranger & Zimmermann
1995). Indem diese die inneren (Entwicklungs-)Konflikte und die Bemühungen
um ihre Abwehr bzw. Meisterung zu einem lebensgeschichtlich determinierten
Muster konfigurieren, geben sie Auskunft über wichtige Aspekte der
Persönlichkeitsstruktur (Kernberg 1985, 1996). Die verinnerlichten
Subjekt-Objekt-Bilder unterstützen die alltägliche interpersonelle
Orientierung. Nicht nur psychodynamisch orientierte Therapiekonzeptionen
stimmen heute darin überein, daß bei seelischen Störungen
biographisch bestimmte, sich aktuell immer neu bestätigende, konflikthafte
Beziehungsstrukturen im multifaktoriellen neurotischen Geschehen mitwirken.
Gleichfalls besteht heute ein breiter Konsens, die Beziehung zwischen Patient
und Arzt als das entscheidende Moment zur Veränderung derartig neurotisch
eingeengter Beziehungsmuster im therapeutischen Prozeß zu konzipieren
(vgl. Orlinsky 1994). Seit Mitte der 70er Jahre bemühen sich zahlreiche
Arbeitspruppen, Subjekt- Objekt-Relationen im therapeutischen Kontext zu
identifizieren und klinisch wie empirisch fruchtbar zu machen (Henry et
al. 1994). Das Uberwiegen methodisch orientierter Publikationen vor klinischen
Anwendungen weist darauf hin, daß viele dieser Instrumente bis heute
allerdings noch nicht ausreichend stabilisiert sind.
Wünsche in Verbindung mit Objekt-
und Subjektreaktionen sind die inhaltlichen Bestimmungsstücke eines
von Psychotherapieforschern wie Klinikern gleichermaßen genutzten
Instruments zur Formulierung internalisierter Beziehungskonfigurationen.
Im folgenden wird die von Luborsky (1977) entwickelte Core Conflictual
Relationship Theme Method (CCRT), die im deutschen Sprachraum als Zentrales
Beziehungskonflikt-Thema (ZBKT) (Luborsky & Kächele 1988) eingeführt
ist, vorgestellt und an einem Anwendungsbeispiel illustriert. Die Methode
wurde in einem umfangreichen Forschungsprogramm zur Operationalisierung
eines strukturellen Übertragungskonzeptes sukzessive weiterentwickelt
(Luborsky et al. 1994; Kächele & Dahlbender 1993). Nur wenige
psychoanalytische Konzepte können eine solch systematische Erkundung
und Überprüfung vorweisen (Luborsky & Crits-Christoph 1990)."
"Zusammenfassung:
Der Beitrag kritisiert das gängige, aus der Medizin
entlehnte Dosis-Wirkungs-Modell als wissenschaftstheoretische Grundlage
für die psychotherapeutische Evaluationstorschung. Die Gruppenbildung
durch die Zugehörigkeit der Therapeuten zu einer bestimmten Schule
ist weder für das therapeutische Handeln noch für die jeweiligen
Problem- und Zieldefinitionen angemessen. Auch auf seiten der Klienten
reichen psychiatrische Diagnosen nicht zu einer umfassenden Charakterisierung
einer Person und deren psychosozialer Problemlage aus. Statistische Überprüfungen
von Gruppenunterschieden sind deshalb wenig aussagekräftig.
Eine wissenschaftstheoretische Alternative
ist die sozialwissenschaftliche Psychotherapieforschung: Psychotherapie
wird als interaktive Vermittlung von Erfahrungs-, Erklärungs und Handlungswissen
aufgefaßt. Dabei sind die Transformationsprozesse bei der Umsetzung
dieses Wissens zentral: Diese gelten sowohl für die Verwendung des
wissenschaftlich- akademischen Wissens durch die Psychotherapeuten im therapeutischen
Prozeß als auch für die Verwendung dieses bereits transformierten
Wissens durch die Klienten im Alltag. Klienten integrieren die neuen psychotherapeutischen
Erfahrungen vor dem Hintergrund unterschiedlicher biographischer Konstruktionsmuster.
Solche biographischen Konstruktionsmuster sind übergreifende lebensgeschichtlich
gewachsene Wissens- und Erfahrungsbestände, die die subjektiven Störungserklärungen
und die Erwartungen an die Therapie bestimmen. Sie beeinflussen weiterhin,
in welcher Weise psychotherapeutisches Deutungs- und Handlungswissen aufgenommen
wird und damit die langfristige Wirkung der Behandlung im Alltag. Empirische
Untersuchungen haben vier typische Transformationsformen ergeben, die ausschlaggebend
sind für die Ziele der weiteren Lebensgestaltung."
"Zusammenfassung
Nach Ansicht der Autoren kann die Erforschung psychotherapeutischer
Prozesse gegenwärtig von einer Rückbesinnung auf die bestehende
Tradition von Einzelfalluntersuchungen profitieren. Qualitative Methoden
sollten dabei Verwendung finden, um dem methodischen Anspruch einer selbstreflexiven,
transparenten, verstehenden Psychotherapieforschung gerecht zu werden.
Es wird berichtet über eine qualitativ- inhaltsanalytische Einzelfallstudie,
in welcher Gesprächsinhalte ausgewählter Transkriptionen einer
ambulanten Kurztherapie systematisch kodiert und therapieverlaufsbezogen
ausgewertet wurden. Als Ergebnisse werden die Kategorien Beziehung der
Patientin zu ihrem Ehemann und Beziehung der Patientin zum Therapeuten
vorgestellt."