Kumari. Meine Tochter aus Nepal.
präsentiert von Rudolf Sponsel, Erlangen
Bibliographie
* Verlagsinfo * Inhaltsverzeichnis
* Leseprobe * Bewertung
* Hinweis Stiftung Tamasrya
* Querverweise *
_
Verlagsinfo: "Mit viel Gefühl für die Kultur und Atmosphäre beschreibt Trees van Rijsewijk eine ungewöhnliche Reise durch Indien, China und Nepal. Im Mittelpunkt steht die Begegnung mit dem Waisenkind Kumari, die ihr ganzes Leben verändern soll. Auf eine fast selbstverständliche Weise entsteht eine tiefe Bindung zwischen den beiden und Trees beschließt, um die Adoption des Kindes zu kämpfen." | "Eine ergreifende Begegnung im Schatten des Himalaya. Mit vierunddreißig Jahren erfüllt sich die Lehrerin Trees van Rijsewijk einen Lebenstraum. Sie macht sich mit dem Fahrrad allein auf eine abenteuerliche Reise durch Indien, China, Tibet und Nepal. In einem Dorf am Fuß des Himalaya trifft sie auf das Waisenkind Kumari - eine Begegnung, die ihr ganzes Leben verändern soll. Das Schicksal des kleinen Mädchens rührt sie so sehr, dass sie beschließt, Kumari zu adoptieren und sie mit in ihre Heimat, die Niederlande, zu nehmen." [Q] |
Hinweis: Das Buch hat nicht die gleichnamige Kindgöttin, sondern ein Waisenkind und eine außergewöhnliche Beziehungs- und Lebensgeschichte einer niederländischen Frau zum Thema.
Bibliographie: Rijsewijk, Trees van (2004). Kumari. Meine Tochter aus Nepal. 269 Seiten, € 7,95 [D] . Erschienen: 01.11.04 [ISBN-10: 3548367429 * ISBN-13: 9783548367422]. Verlag. [Verlags-Info]
Inhaltsverzeichnis
Die Welt hinter den
Wolken ................... 9
Begegnung mit Kumari .........................
15
Zum Dach der Welt ............................
28
Tibet ........................................
34
Die Stadt der Götter .........................
48
Zurück nach Nepal ............................
61
Von Katmandu nach Tamsarya ...................
68
Chinesische Impressionen .....................
75
Die Steppen der Mongolei .....................
97
Zurück nach Katmandu .........................
110
Wiedersehen mit Kumari .......................
118
Mit Kumari in Arun-Khola .....................
138
Geldgier und Gemeinheiten ....................
151
Mutter und Tochter in Not ....................
165
Kumari wird entführt .........................
172
Im Dschungel der Behörden ....................
184
Ein Angebot in Delhi .........................
198
Ministertrekking .............................
203
Eine Geburt ..................................
229
Der Abschied .................................
233
Das Land der Magar ...........................
242
Fünf Jahre später ............................
251
Glossar ......................................
260
Landkarten ...................................
265
Trees und Kumari heute .......................
269
Leseprobe: Die
Welt hinter den Wolken
"Die Wolken über der Wiese, auf der ich
liege, ballen sich zusammen und reißen wieder auf. Es ist Mai, der
Löwenzahn ist verblüht, und seine Schirmchen wehen im Wind davon.
Ich muss ungefähr acht
gewesen sein, als ich meine Eltern eines Tages fragte: »Wie sieht
die Welt hinter den Wolken aus? Kann man da hin? Wie weit kann man fahren?«
Für meine Eltern bestand
die Welt aus Getreidefeldern, Obstgärten, felsenfestem Gottvertrauen
und der Sorge für zehn Kinder.
Siebenundzwanzig Jahre später machte ich
mich auf die Suche nach der Antwort auf die Frage, die ich als Achtjährige
gestellt hatte. Es sollte eine bedeutsame Episode in meinem Leben werden:
Ich reiste durch Indien, Nepal, Tibet und China - allein, mit dem Fahrrad.
Auf diesen fünfzehntausend Kilometern lernte ich eine Welt kennen,
in der Farben und Gerüche, Sitten und Gebräuche, Musik und Glaube
anders waren, eine Welt, die mir eine neue Sicht meines eigenen Lebens
eröffnete - eines Lebens, das sich von Grund auf ändern sollte.
Für mich war diese Reise mit all ihren Unsicherheiten und Entbehrungen
ein Luxus. Ich erklomm Bergkämme, ohne zu wissen, was dahinter war.
Immer wieder überraschten mich herrliche Landschaften und liebenswürdige,
gastfreundliche Menschen, die mir zu essen und [<9] ein Dach über
dem Kopf gaben.
In den Augen der Gesellschaft
war ich zu diesem. Zeitpunkt bereits im Besitz aller Sicherheiten, die
einen erfolgreichen Menschen ausmachen: Ich besaß alle möglichen
Diplome und verfolgte eine schöne, befriedigende Laufbahn als Lehrerin.
Basis all dessen waren eine solide Ausbildung, der Glaube an Gott, Werte
und Normen, die meinem Leben ein festes Gerüst geben sollten. Andere
nennen das Glück.
All diese Sicherheiten ließ ich hinter
mir, als ich meinen Kindheitstraum verwirklichte und die Niederlande auf
unbestimmte Zeit verließ, um faszinierende Menschen mit anderen Denk-
und Lebensweisen kennen zu lernen. Es wurde eine Reise ins Unbekannte,
und ich musste dazu allein und mit dem Fahrrad unterwegs sein. Busfahrten
hätten mich zu sehr eingeschränkt. Ich wollte weder Routen und
Nachtquartiere noch Begegnungen vorher festlegen und beschloss deshalb,
alles dem Zufall zu überlassen. Vom Rad aus konnte ich die Dinge unmittelbarer
sehen, spüren und riechen, ohne eine Glasscheibe zwischen mir und
der Welt. Ich konnte anhalten, wann immer ich wollte, und. unter jedem
Baum, den ich schön fand, Rast machen.
Vierunddreißig Jahre
lang hatte ich das Gefühl gehabt, in einem Ei zu sitzen, aus dem ich
nicht herauskonnte. Dann kam das Bewusstsein. Und der Ausbruch: Das Ei
platzte auf, ich stieg heraus, glättete mein Gefieder und trat in
ein anderes Leben ein. Ganz allmählich entwickelte ich meine eigene
Vorstellung von Leben. Menschen gehörten dazu, neue Begegnungen und
Abschiednehmen.
Eine dieser Begegnungen war die mit dem Waisen[<10]kind
Kumari. Kumari kam auf meinen Weg. Oder ich auf ihren. Ein kleines Mädchen
mit vielen Narben. Wir kamen nicht aneinander vorbei.
Ich nenne es eine reine Begegnung.
Der Name Kumari bedeutet auf Nepali »rein«. Es ist der Name
einer Göttin. In Katmandu wird mit Hilfe von Astrologen ein drei-
bis vierjähriges Mädchen aus der Sakya-Familie ausgewählt,
das dann als lebende Göttin verehrt wird. Das Mädchen muss die
zweiunddreißig Eigenschaften der Göttin besitzen. Sie muss nicht
nur schwarze Augen, schwarzes Haar und einen makellosen Körper haben,
sie muss auch gesund, schön und furchtlos sein, sie darf nicht weinen,
und sie muss Ruhe und Gelassenheit ausstrahlen.
Die Kumari, die ich kennen
lernte, hatte die zweiunddreißig Eigenschaften von Armut und Kummer:
Sie war verlaust und trug nicht nur einen Kopf voller Traurigkeit, sondern
auch einen Bauch voller Würmer mit sich herum. Zwei Eigenschaften
aber hatte sie mit der lebenden Göttin gemeinsam: das schwarze Haar
und die schwarzen Augen. Ich wollte auch ihren anderen menschlichen Eigenschaften
eine Chance geben. Es dauerte seine Zeit, bis ich mir sicher war, dass
das, was ich für sie tun wollte, auch wirklich ihr Bestes war. Ich
habe abgewogen, aber vor allem auf meine Intuition gehört.
Warum gerade sie?
Ich hatte auf der Fahrt durch
Indien so viele Waisenkinder im Arm gehalten, doch die Begegnung mit Kumari
war anders. Sie war intensiver und löste mehr in mir aus als jede
andere Begegnung davor.
Ja, so überwältigend und so einfach
war es. [<11]
Von den bürokratischen und rechtlichen Hindernissen,
die mich erwarteten, einmal ganz abgesehen, war mir völlig klar, dass
ich eine große Verantwortung übernahm. Ein Himalaja an Schwierigkeiten
lag vor mir. Aber auf meiner Radreise hatte ich gelernt, vor keinem Berg
Angst zu haben. Auf der Fahrt durch Asien hatte ich meine starken Seiten
und meine Schwachpunkte erfahren.
Und am Ende war unsere Liebe stärker als
das Gesetz: Menschlichkeit machte mich zu ihrer Mutter. Es kam zwar nicht
zu einer Adoption, aber ich wurde offiziell Kumaris Vormund. Oft wurde
ich gefragt: »Hattest du schon länger vor, ein Kind zu adoptieren?«
»Nein.«
»Aber du hast doch sicher
daran gedacht?«
»Nein.«
»Hattest du denn einen
deutlichen Kinderwunsch?«
Nein, nicht direkt. Ich mochte
Kinder zwar, aber ich wollte nie selbst welche, unter anderem deshalb,
weil für mich das Glück nicht davon abhängt.
Ich finde es ganz in Ordnung,
dass Kumari nicht aus meinen Bauch gekommen ist.
Ich habe das Gefühl,
dass ich ihr so viel unbefangener begegnen kann.
Ich kann ihr Verhalten nicht
an meinem oder dem eines Vaters messen. Das finde ich angenehm.
Als ich beschloss, die Verantwortung
für sie zu übernehmen, bedeutete das noch nicht, dass sie mit
mir kommen würde. Alles blieb zunächst völlig offen. Ihr
Leben ebenso wie meines. Doch unsere Begegnung setzte einen Prozess bei
mir in Gang.
Meine Reise hat dazu beigetragen, dass ich meine
Intuition ausloten und schärfen lernte. Immer wieder von [<12]
neuem musste ich sehr genau zwischen meinem und Kumaris Interesse unterscheiden.
Von unschätzbarem Wert
war vor allem die Fahrt durch Tibet. Die Natur, die Weite, das Essen und
die Menschen in Tibet haben ganz wesentlich dazu beigetragen, dass ich
eine andere Sicht des Lebens entwickelt habe. Ich habe gelernt, mit den
Sinnen zu denken.
Diese Erfahrung machte es
mir schwer, wieder zurück in die Niederlande zu gehen. Aber es musste
sein, ich brauchte Zeit und Abstand, um meine Lösung zu finden. Es
war ein einsames, ruheloses Jahr. Ich fühlte mich in meinem eigenen
Land nicht mehr zu Hause und begann meinen eigenen Gefühlen zu misstrauen.
Das Herz wurde mir schwer, wenn ich an den Kleidern schnupperte, die ich
auf meiner Reise getragen hatte. In meinem Schlafsack hing noch der Geruch
von Holzfeuer und Jaks, von Weihrauch, Ziegen und Menschen.
Schließlich wurde mir
klar, dass meine Reise noch nicht zu Ende war. Ich kehrte nach Nepal zurück,
auf unbestimmte Zeit und ohne zu wissen, was ich tun würde. Ich wusste
nur, dass ich einen Weg für mich und Kumari finden musste. Eine Adoption
war für mich als alleinstehende Frau damals noch nicht möglich.
Kumaris Vergangenheit, die
Unterbringungsmöglichkeiten für Waisenkinder in Nepal, die niederländische
und die nepalesische Gesetzgebung, Kumaris Lebensgewohnheiten, unsere starke
Zuneigung, das alles wollte ich genauer überprüfen.
Dieser Prozess brauchte Zeit.
Sehr viel Zeit.
Als es zur Selbstverständlichkeit
geworden war, dass wir zusammengehörten, als unsere Liebe anerkannt
wurde, gingen wir in die Niederlande, wo diese Liebe [<13] zum
zweiten Mal auf eine harte Probe gestellt wurde. Jetzt musste ich den Kampf
mit der niederländischen Bürokratie aufnehmen. Doch so schwer
es auch war - dass wir zusammenbleiben würden, war und blieb eine
Selbstverständlichkeit.
Und es gelang. Auch in den
Niederlanden wurde unsere Liebe anerkannt. Wieder erlebten wir jenes Glücksgefühl,
das man nur wenige Male im Leben spürt.
Ich ließ ein Ideal in
Nepal zurück und brachte etwas anderes mit.
Der Gedanke, dass Waisenkinder in der Gegend,
aus der Kumari stammt, nicht die geringsten. Chancen hatten, ließ
mich nicht los. Und so wurde ein neuer Traum geboren: Der Traum, für
Kinder wie Kumari ein Waisenhaus und eine Schule zu errichten. Einige Jahre
später wurde dieser Traum Wirklichkeit. Viele Hindernisse mussten
überwunden werden, das Kastensystem beispielsweise und die Verachtung
der Reichen für die Armen. Dann aber entstand am Fuße des Himalaja
ein wunderschönes Waisenhaus mit Schule und medizinischem Zentrum,
das Kumaris Namen trägt.
Die Begegnung mit Kumari hat
meinem Leben Farbe und Form gegeben.
Trees van Rijsewijk
Februar 1999"
Suchen in der IP-GIPT,
z.B. mit Hilfe von "google": <suchbegriff>
site:www.sgipt.org
Buchpräsentation site:www.sgipt.org. |