Verhaltenssucht
Diagnostik, Therapie, Forschung
präsentiert von Rudolf Sponsel, Erlangen
Bibliographie * Verlagsinfo * Inhaltsverzeichnis * Leseprobe * Bewertung * Querverweise *
Verlagsinfo: "Kauf-, Sex-, Spiel-, Arbeits-, Sport- und Computersucht sind Formen der «Verhaltenssucht», von denen weltweit Millionen Menschen betroffen sind. Im vorliegenden Buch werden die Entstehung und das Erscheinungsbild der verschiedenen Süchte wissenschaftlich fundiert, aber auch für interessierte Laien verständlich dargestellt. Neben den aktuellen Forschungsergebnissen zu Phänomenologie, Ätiologie, Epidemiologie und Komorbiditäten wird jede Verhaltenssucht anhand eines Fallbeispiels illustriert und die Diagnosestellung erläutert. Anschließend werden die neuesten Erkenntnisse aus den verschiedenen Disziplinen der Psychologie, Psychiatrie und Neurobiologie zu dieser Thematik komprimiert wiedergegeben. Weitere Fragestellungen aus den angrenzenden Fachgebieten werden anhand von Exkursen erläutert. In einem gesonderten Therapiekapitel gehen die Autoren auf die aktuellen Möglichkeiten einer therapeutischen Intervention ein und diskutieren die Behandlung in Anlehnung an gängige Suchttherapiekonzepte. Zahlreiche Abbildungen und Tabellen gestalten das Buch anschaulich. Das Werk füllt damit eine bislang bestehende Lücke in der aktuellen Suchtliteratur. Mehr Informationen zur Forschungsgruppe finden Sie unter:"
1. Einleitung 13
1.1 Zum Suchtbegriff 15
1.2 Definition und Klassifikation von Abhängigkeit
17
1.3 Definition und Klassifikation von Verhaltenssucht.
19
1.4 Literatur 25
2. Erklärungsansätze der Entstehung und Aufrechterhaltung
von Abhängigkeit 29
2.1 Lerntheoretische
Erklärungsansätze 30
2.2 Integrativer psychobiologischer Erklärungsansatz
34
2.3 Kognitive Erklärungsansätze 39
2.4 Das Konzept des Drogenverlangens 49
2.4.1 Studien zum Drogenverlangen
52
2.4.1.1 Therapeutische Implikationen
und diagnostische Strategien 55
2.5 Exkurs 2. l Belohnungssystem 57
2.6 Exkurs 2.2 Begriffsklärung und Definition von Impulsivität
60
2.7 Literatur 62
3. Erklärungsansatz für die Entstehung und Aufrechterhaltung
von Verhaltenssucht 7l
3.1 Exkurs 3.1 Begriffsklärung Trieb und Homöostasemodell
des süchtigen Verhaltens 76
3.2 Literatur 78
4. Kaufsucht 81
4.1 Definition und Phänomenologie 81
4.2 Epidemiologie. 83
4.3 Stellenwert des Geldes für Kaufsüchtige
84
4.4 Komorbiditäten 84
4.5 Fallbeispiel 86
4.6 Exkurs 4.1 Horten 89
4.7 Literatur 92
5. Sportsucht 97
5.1 Definition und Phänomenologie 97
5.2 Begrifflichkeiten 102
5.3 Ätiologie 102
5.4 Entzugssymptome 104
5.5 Epidemiologie 106
5.6 Komorbiditäten 106
5 7 Fallbeispiel 106
5.8 Literatur 109
6. Glücksspielsucht 113
6.1 Definition und Phänomenologie
113
6.2 Epidemiologie 120
6.3 Komorbiditäten und Aspekte der Entstehung und
Aufrechterhaltung von Glücksspielsucht 122
6.4 Fallbeispiel 128
6.5 Exkurs 6.1 Lotto und Wetten 130
6.6 Literatur 133
7. Arbeitssucht 143
7. l Einleitung 143
7.2 Definition 144
7.3 Diagnose Arbeitssucht im beruflichen Alltag
150
7.4 Epidemiologie 152
7.5 Komorbiditäten und Folgen 152
7.6 Erklärungsansätze zur Entstehung von Arbeitssucht
154
7.7 Arbeitssucht als Suchtverhalten 158
7.8 Fallbeispiel 160
7.9 Literatur
8. Computersucht 167
8.l Definition und Phänomenologie
167
8.2 Epidemiologie 170
8.2.1 Internet 170
8.2.2 Computerspiele 171
8.3 Wirkung und Komorbiditäten 172
8/1 Das Suchtpotenzial von Computer- und Videospielen
174
8.5 Computernutzung bei Kindern 175
8.6 Fallbeispiel 179
8.7 Exkurs 8.1 «Sensation Seeking» und Medienkonsum
182
8.8 Literatur 184
9. Sexsucht 189
9. l Einleitung und Definition 189
9.2 Prävalenz. 192
9.3 Klassifikation 192
9.4 Differenzialdiagnostik und Komorbiditäten
196
9.5 Fallbeispiel 200
9.6 Exkurs 9.1 Internet und exzessives sexuelles Verhalten
203
9.7 Exkurs 9.2 Liebessucht und Hörigkeit
206
9.8 Literatur 213
10. Diagnostik 217
10.1 Kaufsucht 217
10.2 Sportsucht 220
10.3 Glücksspielsucht 223
10.4 Arbeitssucht 229
10.5 Computersucht 233
10.6 Sexsucht 237
10.7 «Fragebogen zur Differenzierten Anamnese exzessiver
Verhaltensweisen» (FDAV) 238
10.8 Diagnostische Merkmale für Verhaltenssucht
239
10.9 Literatur 240
11 Therapie 247
11.1 Einleitung 247
11.2 Therapieimplikationen aus Theorie und Praxis bei einzelnen
Formen der Verhaltenssucht 256
11.2.1 Kaufsucht 256
11.2.1.1 Therapeutische
Implikationen am Fallbeispiel der Kaufsucht 258
11.2.2 Sportsucht 260
11.2.3 Glücksspielsucht
261
11.2.4 Arbeitssucht 266
11.2.5 Computersucht
270
11.2.6 Sexsucht
271
11.2.6.1 Therapeutische
Implikationen am Fallbeispiel der Sexsucht 274
11.3 Literatur 275
12. Ausblick 281
Autorenregister 283
Aus dem Kapitel Erklärungsansätze der Entstehung und Aufrechterhaltung von Abhängigkeit
2.1 Lerntheoretische
Erklärungsansätze
Abhängigkeit ist ein über einen längeren Zeitraum hinweg
stabiles Phänomen. Human- und tierexperimentell wurde mehrfach nachgewiesen,
dass Lernprozesse entscheidend sowohl zur Entstehung als auch zur Aufrechterhaltung
beitragen (z.B. Eikelboom 8c Stewart, 1982; Johnson, Chen, Schmitz, Bordnick,
& Shafer, 1998; O'Brien et al., 1992; Robbins & Ehrman, 1992).
Eine besondere Rolle kommt dabei, neben dem Lernen am Modell (z.B. die
Eltern haben ebenfalls Drogen konsumiert), den klassisch und operant konditionierten
positiven Drogenerwartungen zu (Beck, Wright, Newman, & Liese, 1993/1997;
Berridge & Robinson, 1998).
Das Modell der klassischen Konditionierung (vgl.
Abb. 2-1) hat maßgeblich dazu beigetragen, die Entstehung des Abhängigkeitsverhaltens,
aber auch die Mechanismen des Rückfalls zu erklären {z.B. Everitt
et al., 2001; O'Brien et al., 1992). So können zuvor neutrale Reize
(z.B. externale Stimuli wie der Anblick einer Bierflasche oder eines Spielautomaten
und/oder internale Reize wie bestimmte Gefühlszustände oder Stresssituationen),
die mit dem Abhängigkeitsverhalten und der Suchtmittelwirkung assoziiert
werden, anschließend als erlernte (konditionierte) Reize eine erlernte
(konditionierte) Reaktion auslösen und zur erneuten Drogeneinnahme
motivieren (z. B. Robbins & Ehrman, 1992; vgl. auch Abb. 2-1).
Die Art der erlernten Reaktion kann dabei emotional positiv oder negativ
gefärbt sein. Daher unterscheiden O'Brien und Kollegen (1992; vgl.
z.B. auch Childress, McLellan, Ehrman, & O'Brien, 1988) zwei Kategorien
von konditionierten Reaktionen, die drogengegensätzliche (konditionierte
Toleranz und konditionierte Entzugserscheinungen) und die drogengleichsinnige
(emotional positiv gefärbte) konditionierte Reaktion (vgl. Grüsser
et al., 1999). Drogenähnliche Effekte nach Exposition des Schlüsselreizes
konnten Eikelboom und Stewart (1982) tierexperimentell sowie Ludwig (1986)
in Humanuntersuchungen zeigen. Dieser Mechanismus könnte auch bei
dem Placebo-Effekt von als Drogen
deklarierten Substanzen (Baker, Morse, & Sherman, 1987) eine Rolle
spielen. Childress, McLellan und O'Brien (1986) sowie Lyvers (1998) konnten
zeigen, dass konditionierte drogenähnliche Reaktionen mit Drogenverlangen
einhergehen.
Wikler entwickelte 1948 die Theorie, dass an den
Drogenkonsum klassisch konditionierte Umweltstimuli zu konditionierten
Entzugserscheinungen («conditioned withdrawal») führen.
Er postulierte, dass diese konditionierten Entzugserscheinungen («conditioned
withdrawal») zur erneuten Drogenaufnahme führen können
(erhöhte Rückfallgefährdung), um den unangenehmen Gefühlszustand
zu beseitigen. Zahlreiche Autoren konnten das Phänomen der konditionierten
Entzugssymptomatik, einer drogengegensinnigen konditionierten Reaktion,
in Humanuntersuchungen bestätigen (Childress et al., 1988; Eikelboom
& Stewart, 1982; O'Brien, Ehrman, & Ternes, 1986; O'Brien et al.,
1992).
Im Tierexperiment konnte Siegel (1975) bei abhängigen
Ratten, deren Heroinkonsum an einen Umgebungsstimulus (Käfig) konditioniert
wurde, eine kondi-[> 31]tionierte Toleranz zeigen. Siegel (1975; vgl. auch
MacRae, Scoles, & Siegel, 1987; O'Brien et al., 1992) sieht in der
klassischen Konditionierung einen Mechanismus für Toleranzbildung,
der zur Herstellung der körpereigenen Homöostase dient. Das Gehirn
wirkt demnach der Überstimulation durch homöostatische, gegen-regulatorische
Mechanismen entgegen (Koob & Le Moal, 1997). Basierend auf dem Prinzip
der Homöostase wurde nun von einer auf die Suchtmitteleinnahme vorbereitenden
Situation ausgegangen und die konditionierten neurobiologischen Adaptationsprozesse
(die drogenentgegengesetzte Wirkung) als Korrelat von Toleranz und Verlangen
gesehen (Siegel, 1985).
Zur leichteren Verständlichkeit soll an dieser Stelle der Prozess
auf eine Alltagssituation, das Riechen von frisch gekochtem Essen, übertragen
werden: Unser Körper, d. h. unser gesamtes physiologisches System
reagiert auf Umgebungsreize. ... ... "
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korrigiert: irs 16.11.08