Irrtum und Lüge
präsentiert von Rudolf Sponsel, Erlangen
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Verlagsinfo:
"Bewußte und unbewußte Falschaussagen gehören für
Polizeibeamte, Richter und Anwälte zu den Hindernissen, die man bei
der Suche nach dem tatsächlichen Sachverhalt überwinden muß.
Das Buch »Irrtum und Lüge« hilft dabei, Zeugenaussagen
zutreffend einzuschätzen und Lügen zu entlarven.
Der Autor erläutert die verschiedenen Faktoren,
die entweder zu der richtigen Einschätzung einer Aussage führen
oder sie behindern. Das Themenspektrum des Buches reicht von der inneren
Einstellung des Befragers über die Art der Fragestellung bis hin zum
Beobachten der Körpersprache des Befragten. Dabei kommen auch ungewöhnliche
Ansätze wie die »spieltheoretische Betrachtung« von Vernehmungen
zu ihrem Recht.
Fehler bei Schätzungen, unterschiedliche Identifizierungsfähigkeit
und falsche Erinnerungen an angeblich verdrängte frühkindliche
Erlebnisse sind einige der wenig beachteten Phänomene, die für
das Ergebnis der Ermittlung und des Prozesses ausschlaggebend sein können.
Der Verfasser untersucht die Ursachen und Wirkungen dieser Phänomene.
Er analysiert die unterschiedliche Qualität von Zeugenaussagen und
hilft, anhand von Persönlichkeitsstrukturen und Aussagestrategien
zwischen guten und schlechten Zeugen zu unterscheiden. Eigene Klischeevorstellungen
werden kritisch hinterfragt, da sie oft zu vorschnellen Bewertungen führen:
Ein Zeuge, der nur wenige Informationen berichtet, nicht selbstsicher auftritt
und im Gerichtssaal schlechte Entfernungs- oder Zeitschätzungen abgibt,
ist oft ein guter Zeuge, der zutreffende Sachaussagen macht.
Entscheidend für Erfolg oder Mißerfolg
bei der Aufdeckung von Falschaussagen ist die eigene innere Einstellung
des Vernehmenden, das »optimistisch-selbstkritische Selbstvertrauen«.
Dies wird in der Broschüre überzeugend dargestellt."
Literaturverzeichnis 7
Unglaublich, aber wahr 11
I. Irrtümer bei Zeugenaussagen 13
1. Wahrnehmungsmängel
13
1.1 Situativ bedingte Wahrnehmungsprobleme
13
1.2 Der Zeuge als mögliche Ursache der
Aussageungenauigkeit 14
2. Wenn die Erinnerung trügt
- Irrtümer des Gedächtnisses 16
2.1 Auf nähme neuer Informationen
17
2.2 Erinnerungslücken werden aufgefüllt
(Konfabulation) 17
2.3 Erinnerungslücken durch selektive
Wahrnehmung. 18
3. Probleme bei Zeugenaussagen
in der polizeilichen Praxis 19
3.1 Die Methode des Wiedererkennens und ihre
Problematik 19
3.2 Die Rekonstruktionsmethode.
20
3.3 Suggestivwirkungen auf Zeugen
23
3.4 Bessere Gedächtnisleistungen durch
Hypnose? 24
3.5 Der Aufbau von falschen Erinnerungen durch
unangemessene therapeutische Maßnahmen 25
4. Gute und schlechte Zeugen
27
4.1 Die Situationsabhängigkeit von Schätzungen.
27
4.2 Die unterschiedliche Identifizierungsfähigkeit.
27
4.3 Wer wenig berichtet, kann der bessere Zeuge
sein 29
4.4 Das Vertrauen in das eigene Urteil.
30
4.5 Die Persönlichkeitsstruktur guter
und schlechter Zeugen. 31
4.6 Der Einfluß der Berufsrolle
33
5. Wie man sachdienliche Zeugenaussagen
gewinnen kann 35
5.1 Aussagestrategien des guten Zeugen.
35
5.2 Das kognitive Interview
35
II. Möglichkeiten und Grenzen des Erkennens von Lügen 37
1. Formen der Lüge 37
2. Die Chancen des Lügenentlarvers
38
2.1 Die Vielfalt der Informationsquellen
38
2.2 Die Schwachstellen von Lügen.
38
2.3 Warum entstehen Täuschungshinweise
und „Lecks"? 39
3. Verhalten bei Lüge und Wahrheit 46
4. Fehler/Fallen, die ein Lügenentlarver vermeiden muß 48
5. Das Dilemma des Lügenentlarvers 50
6. Informationsquellen
des Lügenentlarvers 53
6.1 Die Persönlichkeitsstruktur des Aussagenden
53
6.2 Die Motivation des Aussagenden.
55
6.3 Unterschiede zwischen wahren und unwahren
Aussagen 56
6.4 Sprachliche und nichtsprachliche Signale
59
7. Strategien des Lügenentlarvers 75
8. Taktiken des Lügenentlarvers
77
8. l Auf „Lecks" bei sprachlichen und nichtsprachlichen
Signalen achten 77
8.2 Auf Veränderungen des Verhaltens achten
77
8.3 Auf Widersprüche in den verschiedenen
Kommunikationskanälen achten 79
8.4 Sich nicht vom Wesentlichen ablenken lassen
79
8.5 Ist das von der Person gezeigte Verhalten
der Situation angemessen? Stimmen Intensität und Timing?
80
8.6 Schrittweise Analyse auftretender Gefühle
81
8.7 Schaffen einer vertrauensvollen Gesprächsatmosphäre
85
9. Wie man zum guten Lügenentlarven
werden kann 87
9.1 Das „Geheimnis" von Spitzenkönnern
87
9.2 Einstellungen, die dem Lügenentlarver
entgegenstehen 89
10. Fähigkeiten und Strategien geschickter
Lügner 92
10.1 Vorstellungskraft: Fähigkeit, sich eine Lüge
auszudenken 93
10.2 Schaffen eines guten Eindrucks
94
10.3 Selbstkontrolle und Desensibilisierung
94
10.4 Persönlichkeitsstruktur 95
10.5 Möglichkeiten und Grenzen, Gefühle zu verbergen
oder vorzutäuschen. 96
11. Polizeiliche Probleme des Lügenentlarvens
98
11.1 Die praktische Bedeutung einer vertrauensvollen Atmosphäre
98
11.2 Die TIT FOR TAT-Strategie bei der Vernehmung
99
11.3 Die „magische Formel" 101
11.4 Gefühle und Verhaltensweisen bestimmter Tätertypen
103
11.5 Wie ein Justizirrtum verhindert werden konnte
105
Anhang
1. Checkliste zur Überprüfung
von Zeugenaussagen 108
2. Woran kann man die gefühlsmäßigen Begleiterscheinungen'
von Lugen erkennen? 108
Sachregister 111
"Unglaublich, aber wahr!
In einem Mordfall behauptete ein Ehepaar, den flüchtigen Täter
an dem vom Mond beschienenen Gesicht erkannt zu haben. Erst im Wiederaufnahmeverfahren
wurde der Belastete freigesprochen.
„Das Gericht stellte fest, daß in der Tatnacht die Himmelsbewölkung nicht weniger als drei Viertel betragen habe, der Zeuge K. nur mit Brille die Gesichtszüge des B. hätte erkennen können, jedoch zum Zeitpunkt des angeblichen Wiedererkennens keine Brille trug, und daß auch die Frau wegen ihres geringen Sehvermögens als Zeugin ausschied. Zudem ergab sich, daß vom Standort der Eheleute K. die Möglichkeit gar nicht bestanden hätte, das Gesicht des Fliehenden zu sehen. Alle diese Umstände hätten schon früher bei der Tatortbesichtigung und der Überprüfung der Zeugenaussage festgestellt werden müssen. K. selbst wurde als rechthaberische Persönlichkeit, der sich wichtig machen wolle und nur etwas zurücknahm, wenn es ihm lückenlos bewiesen wurde, erkannt. Seine Frau ordnete sich bedingungslos ihm unter und redete nur das nach, was ihr Mann behauptete (Bauer 1970, S. 139)."
In einem anderen Fall befaßten sich acht (!) verschiedene Gerichte mit der Anschuldigung eines 18jährigen Mädchens, das einen Volksschullehrer sexueller Beziehungen zu ihr beschuldigte.
„Erst auf Antrag der Verteidigung wurde unternommen,
was sofort bei Beginn der Ermittlungen notwendig gewesen wäre. Der
fragliche Vorfall hatte nämlich angeblich in einem Klassenzimmer während
einer Pause bei abgeschlossener Türe stattgefunden; nach den Aussagen
des Mädchens hatte ihr der Lehrer als Belohnung ein außergewöhnlich
gutes Zeugnis ausgestellt. Bei der schließlich durchgeführten
Überprüfung der Aussage stellte man demgegenüber fest, daß
das Klassenzimmer nie verschließbar gewesen war und daß ein
solches Zeugnis nicht existierte (Bauer 1970, S. 140)." Es wird hier grundsätzlich
deutlich:
Man könnte nun meinen, daß gerade Personen, die „von
Berufs wegen" zu genauer Beobachtung und sorgfältigem Schildern von
Tatsachen angehalten werden, fehlerfreie Aussagen machen müßten.
Doch auch sie sind keineswegs gegen Fehler gefeit!
Während eines Vertrags vor Richtern und Staatsanwälten platzte,
wie zuvor vereinbart, der Hausmeister in den Raum. Er ging zu dem Referenten
ans Rednerpult, legte ihm ein Schriftstück vor und bat um eine Unterschrift.
Der Referent hielt den Kugelschreiber hoch und wechselte ein paar Worte
mit dem Hausmeister. Danach fragte er die Zuhörer, was passiert sei.
60% der Zuhörer behaupteten, der Referent habe das Schriftstück
unterschrieben, was aber nicht zutraf. Offensichtlich waren die Zuhörer
von der verständlichen Vorstellung geleitet worden, daß eine
solche Störung in einer derartigen Situation mit dem Unterschreiben
eines Schriftstücks verbunden sein müsse (ADAC, 1983). Vor Gericht
wurde ein Polizeibe- [>12] amter gefragt, wie häufig ein bestimmter
Autofahrer über den Mittelstreifen gefahren sei. Er antwortete: „Zwei-
bis dreimal." Später stellte sich heraus, daß an dieser Stelle
überhaupt kein Mittelstreifen vorhanden gewesen war!
Diese Beispiele warnen vor unkritischem, unüberprüftem Akzeptieren
von Zeugenaussagen. Genauso unangemessen wäre jedoch, grundsätzlich
jegliche Brauchbarkeit von Zeugenaussagen zu bezweifeln. Denn es ist unbestritten,
daß es auch sehr genaue und brauchbare Zeugenaussagen gibt (so z.B.
Trankell 1971). Außerdem zeigen gerade, so paradox dies klingen mag,
die zitierten Beispiele genau die Wege auf, wie man die Fehlerquellen eigener
Aussagen vermeiden bzw. die anderer, fremder Aussagen erkennen bzw. Lügen
entlarven kann:
Wichtig ist auch - wie in diesem Buch gezeigt wird - bei der Analyse
der Aussage zu berücksichtigen:
Es ist eine der Grundthesen dieses Buches, daß es nicht ausreicht,
die Ursachen und Entdeckungsmöglichkeiten von Irrtümern und Lügen
zu wissen. Wichtig für das erfolgreiche Anwenden dieser Kenntnisse
in der Praxis ist auch das Vorhandensein eines „optimistisch-selbstkritischen
Selbstvertrauens". Wer Fehler in Zeugenaussagen präzise erkennen und
ein geschickter „Lügenentlarver" werden will, muß nämlich
einen sehr genauen Kurs steuern zwischen dem Akzeptieren und dem Ablehnen
einer Aussage."
"CHECKLISTE zur Überprüfung
von Zeugenaussagen
Woran kann man
die gefühlsmäßigen Begleiterscheinungen von Lügen
erkennen ?
S. 108-109
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