Sachse, Rainer & Musial, Eberhard M. (1981). Kognitionsanalyse und Kognitive Therapie. Stuttgart: Kohlhammer.
"Die
Kognitive Therapie ist die vielleicht wichtigste Antwort auf die Unzulänglichkeiten
traditioneller psychologisch-therapeutischer Modelle der Klinischen Psychologie.
Im vorliegenden Werk wird der aktuelle Stand der Theoriebildung, der Diagnostik
und das therapeutische Vorgehen behandelt. Ihm liegt eine
integrative
Konzeption zugrunde und die Absicht, dem Wissenschaftler und
Praktiker nachvollziehbare Handlungsmöglichkeiten zur Verfügung
zu stellen, die eine erfolgreiche Vorgehensweise versprechen." (Umschlagtext)
Es muß doch erstaunen, daß es jetzt, im Jahre 2001, also 20
Jahre später, immer noch keine zugelassene integrative Therapie gibt.
"3. Ein
Modell kognitiver Handlungssteuerung
Das im folgenden
vorzustellende Modell kognitiver Handlungssteuerung, das zur Erklärung
psychischer Störungen herangezogen werden kann, enthält Aussagen
darüber, wie die kognitiven Strukturelemente (relativ überdauernde,
verschieden allgemeine und verbindliche Annahmen der Person) Normen, Selbstkonzepte,
Grundüberzeugungen, Regeln und Anweisungen über die Anregung
von Bewegungsprogrammen Verhalten steuern. Das Modell beschreibt, wie die
verarbeitungsspezifischen Strukturelemente der Kategorisierungs- und Attribuierungsvoreingenommenheit,
der Bewertung und Schlußfolgerung eine aktuelle Verarbeitung von
Ereignissen (Situationen, Handlungsergebnissen usw.) vermitteln. Diese
Verarbeitung bewirkt zum einen jeweils aktuell eine Anregung relevanter
Normen, Selbstkonzepte, Grundüberzeugungen oder Regeln und zum anderen
langfristig einen Aufbau / eine Veränderung dieser kognitiven
Strukturelemente.
Schließlich
enthält das Modell Annahmen darüber, wie sich Normen, Selbstkonzepte
und Grundüberzeugungen auf die Bildung von Verarbeitungsvoreingenommenheiten
auswirken und so ein geschlossenes, sich selbst stabilisierendes kognitives
System bilden können." (S. 20)
Kritik: Das Buch gibt einen hilfreichen Überblick über die damals vorliegenden Arbeiten zur kognitiven Wende und enthält eine Vielfalt von Anregungen, die für die praktische Arbeit von Nutzen sein können. Die Arbeit umfaßt auch eine Kritik der unzulänglichen kognitiven Psychologie von A.T. Beck (auch von Ellis und anderen) und eine allgemeine Kritik der Verhaltenstherapie und klientenzentrierten Gesprächspsychotherapie. Wie für die verhaltenstherapeutisch dominierte psychologische Psychotherapie typisch, finden so gut wie keine klaren und psychologisch tiefer gehenden operationalen Begriffsklärungen statt - noch nicht einmal des zentralen Begriffs der "Kognition". Es werden auch keine Evaluationsprozeduren vorgeschlagen oder gar als praxisrelevant ausgewiesen, wie denn nun die unterschiedlichen "Kognitionen" in der psychologischen Praxis diagnostiziert und therapiediagnostisch in ihrer Entwicklung und Veränderung festgestellt werden können. Das Buch ist in diesem Punkt wie nicht wenige verhaltenstherapeutische Arbeiten etwas zu naiv und oberflächlich. In der Diagnostik- Unabhängig- von- der- Therapie- Debatte nehmen die Autoren den Standpunkt Schultes gegen Westmeyer ein, daß Diagnostik und Therapie sich in der Praxis nicht richtig trennen lassen und zusammengehören ("Der Prozeß des Diagnostizierens verändert das zu Diagnostizierende." ["Diagnostisch- therapeutische- Unschärferelation", auch Campbell & Stanley (1966): "Reaktivität der Messung"], S. 47). Ich sehe hier kein besonderes terminologisches Problem: Diagnostik stellt intentional fest, Therapie verändert intentional. Zur Überprüfung der Veränderung ist eine fortwährende und begleitende Diagnostik, die eben feststellt, was sich verändert, notwendig. Vielleicht ist es sinnvoll, zwischen einer grundlegenden Eingangs- und einer fortlaufenden Therapie-Verlaufs-Diagnostik zu unterscheiden.
Ergänzende
Information:
Die kognitive
Therapie ist weltweit und auch historisch ein eigenständiges Therapiesystem
[weitere Information], wenn
auch kognitive Elemente in fast allen Therapieschulsystemen eine wichtige
Rolle spielen. Geht man von der traditionellen Definition der Psychologie
als Wissenschaft des Erlebens und Verhaltens aus, so bestünde eine
in diesem Sinne rein psychologisch begründete Psychotherapie aus einer
Psychotherapie
des Erlebens und des Verhaltens. Das überzeugt insofern nicht, als
die ungemein wichtige sozialpsychologische Beziehungs- und Umwelt- Dimension
- was durch die Erfolge der Familientherapien und der Sozialarbeit ja eindrucksvoll
belegt ist - darin auch nicht sprachlich eigenständig und damit nicht
angemessen zum Ausdruck kommt.