Internet Publikation für Allgemeine und Integrative Psychotherapie
    (ISSN 1430-6972)
    IP-GIPT DAS=10.05.2002 Internet Erstveröffentlichung, letzte Änderung 16.1.11
    Impressum: Diplom-Psychologe  Dr. phil. Rudolf Sponsel  Stubenlohstr. 20   D-91052 Erlangen
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    Herzlich willkomen in unserer Abteilung Soziologie, hier speziell zum Thema:

    Soziologie der Mode
    Stichwortartikel von René König und Hartfiel / Hillmann

    zusammengestellt von Rudolf Sponsel, Erlangen

    König, René (1969). Mode. Stichwort in: Bernsdorf, Wilhelm (1969, Hrsg.). Wörterbuch der Soziologie. Stuttgart: Enke, S. 717-718.

        "Die M., seit altersher ein Lieblingsthema der Philosophen, hat schon früh das Interesse der Soziologen erregt. Die Beschäftigung mit ihr wird gleichsam zum Testfall der soziologischen Theorie, die man gern auf das augenfällige und allgemein vertraute Thema der M. anwendet, um daran ihre Leistungsfähigkeit zu illustrieren. Insbesondere psychologisch orientierte Soziologen versuchten herauszufinden, welche sozialen Mechanismen dafür verantwortlich sind, daß sich einzelne modische Verhaltensweisen in relativ kurzer Zeit über immer größere Menschenmengen verbreiten, bis eine gewisse Uniformität entsteht, die dann in einem unerwarteten Moment einer neuen M.welle weicht.
         "Diffusion" von Verhaltensweisen ist aber ein sowohl sozialpsychologisch als auch soziologisch relevanter Prozeß, bei dem man gewissermaßen in statu nascendi beobachten kann, welche Faktoren für die Entfaltung sozialer Strömungen verantwortlich sind, die sich im übrigen sowohl im wirtschaftlichen wie im kultuellen, im politischen wie im allgemeinen Bereich der Öffentlichkeit finden. Das heißt mit anderen Worten, daß wir M. in einem doppelten Sinne verstehen: im eigentlichsten Sinne bedeutet sie den Wandel der Bekleidung und der Alltagsgeselligkeit, der Wohnweise und überhaupt der Gestaltung des ästhetischen Lebens; in weiterem Sinne wird der Ausdruck M. jedoch auch auf den wiederkehrenden Wandel anderer Verhaltensformen angewendet. Im letzteren Sinne hat man sagen können, daß M. "den ganzen Menschen erfaßt" (René König). Sie wird damit zum Ausdruck für alle kurzfristigen Veränderungen überhaupt, ganz gleich was dadurch betroffen wird. Die Beschäftigung mit der M. ist also ausgerichtet auf den "sozialen Wandel", nur daß sie sich gewissermaßen auf die Analyse der Oberflächenschicht sozialen Geschehens beschränkt und (zumeist) die tieferen Veränderungen des sozialen Systems nicht berührt, die struktureller Natur sind. Gelegentlich werden aber modische Wandlungen auch zum Ausdruck fundamentalster und entscheidendster Wandlungen, wie etwa beim Übergang von der Antike zur abendländischen Kultur oder von der Renaissance bis zur französischen Revolution oder noch im Zeitalter der industriellen Massenfertigung, in dem wir heute leben.
        Entsprechend den verschiedenen Sozialstrukturen wandeln sich auch die Ausbreitungsformen der M. und ihre Beschleunigung. Schon in den vorgeschichtlichen und primitiven Gesellschhaften gibt es M., wie die sich wandelnden Formen des Schmuckes z.B. zeigen. Allerdings ist dieser Wandel sehr langsam. Die Tendenz geht hier auf die Ausbildung fester Traditionsformen, die sich nur in sehr weiten Abständen wandeln. Mit der Differenzierung des hierarchischen Gesellschaftsaufbaus im Laufe der Kulturentwicklung ändert sich dies, und zwar um so mehr, je mehr Ränge der Oberklassen miteinander in Wettbewerb treten. Die Unterklassen zeigen allerdings geringe Wandelbedürfnisse, so daß für sie eher die relativ stationäre "Tracht" bezeichnend ist. Früher wurde dies ständische Modell der modischen Diffusion gern überschätzt, indem man annahm, daß die Nachahmung der Oberklassen durch die unteren erstere zu einem immer schnelleren M.wechsel veranlaßte. S. R. Steinmetz zeigte aber mit Recht, daß die Oberklassen im Ständesystem im Grunde die Nachahmung durch die unteren Klassen durch Monopolisierung zu verhindern suchten (Kleiderverbote). Die Nachahmung hält sich also eigentlich nur in der Oberschicht; wenn eine Nachahmung durch Unterschichten stattfindet, ist dies ein Zeichen dafür, daß das Ständesystem bereits im Abbröckeln ist.  [>718]
        In der modernen Industriewirtschaft mit ihren neuen Techniken der Massenfertigung entfaltet sich der modische Wettbewerb insbesondere in den jüngeren Altersklassen der Mittelschichten, während die Oberschichten eher modisch zurückhaltend werden. Dabei sind vor allem die Frauen führend. Die M. spielt eine wesentliche Rolle im ästhetischen Selbstgestaltungsprozeß der großen Massen und wird demzufolge ein beliebtes Objekt der Soziologie und Sozialpsychologie des kollektiven Verhaltens.

    ->  Fest und Feier, Gewohnheit, Konvention, Sitte, Verbrauch, Verbraucher.

    Bibliographie: G. Simmel: Philosophie der M., Berlin 1905. — J. C. Flugel: The Psychology of Clothes, 3. Aufl. London 1950. — S. R. Steinmetz . M., in: A. Vierkandt (Hg.): Handwörterbuch der Soziologie Stuttgart 1931. — P. Nystrom: Economics of Fashion, New York 1928.— R. König und P. W. Schuppisser: Die M. in der menschlichen Gesellschaft, Zürich 1958. — I. Brenninkmeyer: The Sociology of Fashion, Opladen 1963. — R. König: Kleider machen Leute, Frankfurt 1968. R. König"



    Hartfiel, Günter & Hillmann, Karl-Heinz (3.A. 1982). Mode. Stichwort in: Wörterbuch der Soziologie. Stuttgart: Kröner, S. 508-509

    "Mode (lat.), Sitte, Brauch, Konvention, Zeitgeschmack; im engeren Sinne spezif. ästhet. Wertvorstellungen als soziale Normen über individuelles oder soziales Verhalten, Wohnweise, polit. Urteilen, Sichkleiden usw.; Ausdruck u. Medium der sozialen Anpassung u. Normierung ebenso wie der individuellen Selbstdarstellung, Abhebung u. Exklusivität. M. beinhaltet. da sie gleichzeitig allg. Norm u. Abweichung von der Norm bedeutet, ein wesentl. Moment dynam. Ges.struktur bzw. sozialen Wandels. M. fehlt in allen Ges.en, in [> 509] denen die Tradition einen ges. Wert an sich darstellt. Die universelle Verbreitung des Phänomens M. veranlaßt immer wieder, über die der M. evtl. zugrundeliegenden menschl. Grundantriebskräfte zu forschen (natürl. Neugierde, erot. Werbung, Individualisierungswunsch).
        Die spezif. sozialen Ausdrucksformen u. Schwerpunkte der M. sind dem histor. Wandel unterworfen. Von bes. soziol. Interesse ist die M. als Einfluß-, Führungs- u. Herrschaftsmittel u. als Ausdruck des Verhältnisses der sozialen Schichten zueinander. Ihre große Bedeutung hat die M. erst mit der von sozialer Mobilität, Anonymität u. Massenwohlstand (einschl. Muße u. Freizeit) gekennzeichneten entwickelten Industrieges. erhalten. War z.B. in
    vergangenen traditionalen Ges.en das Exterieur (Kleidung, Benehmen) ein Ausweis für die Standeszugehörigkeit, so kann nunmehr - in gewissen Grenzen - Klassen- u. Schichtenzugehörigkeit durch Anpassung des Exterieurs an die Normen der betr. M. erreicht werden. M. ist damit Medium des sozialen Wettbewerbs u. des Aufstiegs- u. Auszeichnungsstrebens geworden. Unterhalb der sozialen Oberschichten, die nach wie vor - entsprechend den ständ. Traditionen - auf langfristig gültige Konventionen u. auf Schutz ihrer Exklusivität vor Nachahmung achten, sind die
    Angehörigen der oberen Mittelschichten zu M.führern geworden. In dem Maße, wie eine Breitenwirkung gelingt, wird die Besonderheit u. der Führungsanspruch der M. verschlissen, u. es beginnt eine neue M.welle. Die wellenförmige Ausbreitung der M. "nach unten" wird mittels schichtenspezif. Modernitätsindices, d.h. über Maßzahlen für den Grad "moderner", "gegenwartsnaher" Grundeinstellungen versch. Bevölkerungsgruppen verfolgt. Sowohl das Nachahmungs- (Konformitäts-) als auch das Differenzierungs- (Individualisierungs-) Streben in der M. werden Triebkraft der Massenproduktion von Gebrauchs- u. Verbrauchsgütern, die darum weniger um der individuellen Bedürfnisbefriedigung als um des sozialen Prestiges willen konsumiert werden, wobei solcher Konsum durch werbepsycholog. Methoden der Produzentenseite noch verstärkt wird. ->Konsumsoziologie.

    Th. Veblen, Theorie der feinen Leute. 1958; P. Nystrom, Economics of Fashion, New York 1928; S. R. Steinmetz, Die M. (in: ders., Gesam. kleinere Schriften zur Ethnologie u. Soziol., Bd. 3, Groningen 1935); R. König, B. W. Schuppisser. Die M. in der menschl. Ges., 1958; S. Kätsch, Teilstrukturen soz. Differenzierung u. Nivellierung in
    einer westdt. Mittelstadt, 1965; R. König, Kleider u. Leute, 1967; P. Heintz, Die M. als ges. Phänomen (in: ders., Einführung in die soziol. Theorie, 21968); R. König, Macht u. Reiz der M., 1971; M. Curtius, W. D. Hund.
    M. u. Ges., 1971: K. G. Specht u. G. Wiswede, Marketing-Soziol., 1976."


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    Zitierung
    Sponsel, Rudolf (DAS). Soziologie der Mode. IP-GIPT. Erlangen: https://www.sgipt.org/soziol/mode.htm
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