Internet Publikation für Allgemeine und Integrative Psychotherapie
    (ISSN 1430-6972)
    IP-GIPTDAS=29.12.2022 Internet-Erstausgabe, letzte Änderung: tt.mm.jj
    Impressum: Diplom-Psychologe Dr. phil. Rudolf Sponsel Stubenlohstr. 20 D-91052 Erlangen
    E-Mail: sekretariat@sgipt.org  _ Zitierung  &  Copyright
    Anfang
    _Erleben und Erlebnis bei Max Wertheimer_Datenschutz_Überblick__Rel. Beständiges _Titelblatt_ Konzept_ Archiv_ Region_ English contents__ Service_iec-verlag__Dienstleistungs-Info * _ Wichtige Hinweise zu Links und Empfehlungen

    Willkommen in unserer Internet-Publikation für Allgemeine und Integrative Psychotherapie,
    Abteilung Allgemeine Psychologie, Bereich Erleben, und hier speziell zum Thema:

    Erleben und Erlebnis bei Max Wertheimer

    Originalrecherche von Rudolf Sponsel, Erlangen

    Zur  Methode der Fundstellen-Textanalyse  * Hauptbedeutungen Erleben und Erlebnis  * Zusammenfassung *
     

    Zusammenfassung Wertheimer Drei Abhandlungen zur Gestalttheorie  [Online]

    • Experimentelle Studien über das Sehen von Bewegung 1
    • Über das Denken der Naturvölker, Zahlen und Zahlgebilde  106
    • Über Schlußprozesse im produktiven Denken  164


        Fundstellen: erleben 1, erlebt 3, Erlebnis 12

      Lesebeispiel Indizierungskürzel: WD83E1Erlebnis  Das Wort Erlebnis wird in WD:= Wertheimer Drei Abhandlungen zur Gestalttheorie 1925 auf Seite 83 zum ersten Mal verwendet.


    Wertheimer gebraucht in den Drei Abhandlungen erleben 1, erlebt 3 und Erlebnis 12 mal. Erleben und Erlebnis werden nicht definiert, erklärt oder näher erörtert, auch nicht durch Querverweis, Anmerkung, Fußnote oder Literaturhinweis. Daraus ziehe ich den Schluss, dass Wertheimer diese Begriff für allgemeinverständlich und für nicht näher erläuterungsbedürftig hielt.
     

      Fundstellenkürzel

      erleben

      • anzunehmen und zu WD27e2erleben; die Antwort, die eventuelle Statui-


      erlebt

      • wirklich WD27e1Erlebten gleichgültig; dem Gesehenen widerspricht es
      • Raumorientiertheitslage WD93e1erlebt"
      • Augenschein nach WD145e1erlebt haben kann. Z. B. einer sagt, er sei im Rattenjahr


      Erlebnis

      • 27: "Nebenbei: Dieser klar und zwingend im WD27E1Erlebnis gegebene
      • nur einem Dinge zu tun zu haben, die ev. neben dem WD27E2Erlebnis
      • dem WD27E3Erlebnis. Das kann der Beobachter wohl unterscheiden;
      • des WD30E1Erlebnisses selbst — die schon erwähnten diametralen Gegeninstanzen
      • daß ein unklareres, unsichereres WD47E1Erlebnis vorlag; sondern: war
      • Differenzierung, sondern diese zwei Dinge sind im WD53E1Erlebnis grob
      • Dieses WD53E2Erlebnis unterscheidet sich von dem der Wahrnehmung
      • zwei“ — müßten irgendwie im WD83E1Erlebnis enthalten sein; dagegen
      • die „Tonbewegung“ als charakteristisches, gerichtetes WD93E1Erlebnis,
      • Buchstaben ein kompliziertes WD95E1Erlebnis bildet).]
      • im WD96E1E r l e b n i s. Allgemein: Kommt x und y in Betracht,
      •  "Dieses selbe — schon im WD98E1Erlebnis klar — nun in exakt feststellbarer,
     


    Fundstellen im Kontext
    S. 27:     "Nebenbei: Dieser klar und zwingend im WD27E1Erlebnis gegebene
    Eindruck eines IdentischenFN27-2 ist — ohne jedes Präjudiz — zu
    unterscheiden von einer Vermutung oder Überzeugung, es mit
    nur einem Dinge zu tun zu haben, die ev. neben dem WD27E2Erlebnis
    vorhanden sein kann. Der Eindruck ist ein anderer als: ich sehe a,
    ich sehe b, ich behaupte (mit Sicherheit), es sei (imgrunde) dasselbe
    Ding gewesen. Ähnlich wie die gesehene Bewegung etwas phä-
    nomenales ist, etwas absolut anderes, als ein „jetzt da“ „jetzt
    dort“ mit der Überzeugung, daß es hinübergegangen sein müsse,
    so ist auch der Eindruck der Identität von a und b bei optimaler
    Bewegung deutlich etwas anderes, als ein „da, dort ein gleiches,
    das dasselbe sein muß“. Solche Fälle gibt es; der scharfen Be-
    obachtung sind solche Fälle auch unter ungünstigen Umständen
    bald klar charakterisiert: die Frage der Identität ist da dem
    wirklich WD27e1Erlebten gleichgültig; dem Gesehenen widerspricht es
    nicht, das Entgegengesetzte bei Überzeugung durch Gründe etwa
    anzunehmen und zu WD27e2erleben; die Antwort, die eventuelle Statui-
    rung, es sei in b das Identische gegeben, fließt nicht direkt aus
    dem WD27E3Erlebnis. Das kann der Beobachter wohl unterscheiden;
    auch unter Umständen, die der Identitätsannahme sehr günstig
    sind, z. B. einem, wie man weiß, realiter nur singulär vorhandenen
    Gegenstande; aber im Gegenteil: bei den regulären Versuchen [>28]
    wußten die Beobachter überall, daß es sich um Sukzessiv-
    expositionen zweier verschiedener Objekte handle; und dazu:
    dem Beobachter wurden die Sukzessivexpositionen in ver-
    schiedensten, längeren und kürzeren Zwischenzeiten (t) gegeben
    (s. § 7, 9), verschiedene duale Eindrücke traten auf (s. § 7f.),
    nur in gewissem Bereiche der t, mit relativ eng umrissenen
    Grenzen, trat — und dies ganz klar und zwingend — der Ein
    druck des Identischen auf. Zwingend : in solchem Falle unmög-
    lich zu ändern, um-zu-vermuten. Selbst dann, wenn a und b in
    Farbe oder Form deutlich verschieden war — was ja dem
    Urteil (nicht-identisch) zuhilfe käme; wobei dann im optimalen
    Bewegungseindruck nur das Datum der Veränderung hinzu-
    kam."
     
      FN27-2) Vgl. hierzu LINKE a. a. 0. S. 476 f.


    S. 30: "... Gegen solche Zurechtlegung der
    Phänomene sind aber hier — auch abgesehen vom klaren Zeugnis
    des WD30E1Erlebnisses selbst — die schon erwähnten diametralen Gegen-
    instanzen vorhanden, man wußte ja, daß 2 Beize da waren und sah
    sie in verschiedenen Erscheinungsweisen (s. § 7); in optimalen Ex-
    positionsverhältnissen trat aber Bewegung in Identität zwingend auf;
    auch längere Betrachtung zeigte sich trotz Wissens günstig für den
    Eindruck (vgl. S. 36); — bei all diesen speziellen Beobachtungen
    war die Aufmerksamkeit so konzentriert auf das wirklich
    Gesehene, abseits von dergleichen Vermutungen oder Schlüssen,
    daß bei keinem der vielfach wiederholten und modifizierten Experimente
    der Fall eintrat, daß Identitätseindruck ent-
    stand und zugleich eine Unsicherheit, ein Zweifel
    da war, ob man Bewegung gesehen habe; auch bei nichtoptimalen
    Eindrücken nie der Eindruck eintrat, die Objekte seien
    zwar identisch, ob aber Bewegung gesehen worden sei, sei zweifel-
    haft oder sie sei sicher nicht gesehen worden; während sehr oft
    das Entgegengesetzte der Fall war: Bewegung wurde gesehen,
    aber Identität war zweifelhaft oder von einem Identitätseindruck
    a = b war sicher nichts vorhanden. Und: die Fälle Be-
    wegung mit, Bewegung ohne Identität von a und b traten nicht
    etwa gesetzlos auf, so daß etwa einmal eben beide „Täuschungen“
    eingetreten wären, einmal nur die eine (merkwürdigerweise hier
    nur die der Bewegung allein), sondern  Bewegung ohne
    Identität von a = b zeigte zunächst sich als ein
    Stadieneindruck, der sich bei etwas kleinerem t als dem
    optimalen einstellte (etc. s. § 11)."

    S. 47: "Stellungen der Aufmerksamkeit auf den Ort des Endes, den
    Endteil von a resp. b (im Winkelexperiment; auf ein freies
    Schenkelende) zeigten:
        1. Sie wirkten benachteiligend, verschlechternd für den zu-
    standekommenden Bewegungseindruck; nicht etwa in dem Sinne,
    daß ein unklareres, unsichereres WD47E1Erlebnis vorlag; sondern: war
    bei diffuser Aufmerksamkeit oder bei Beobachtung ohne bestimmte
    Aufgabe der Aufmerksamkeitsstellung oder auch bei Stellung der
    Aufmerksamkeit im Abstandsraum ein bestimmter Bewegungs-
    eindruck vorhanden, so ergab Stellung der Aufmerksamkeit
    auf das eine Objektende in der Regel einen vom optimalen
    entfernteren Stadieneindruck: die Bewegung war „schlechter“,
    dualer resp. statt Ganzbewegung nun Teilbewegung da, unter
    Umständen entstand Ruhe."

    S. 53: "....  Die Konstatierung
    dieses Gegensatzes des Sehens eines Bewegten zur Wahrnehmung
    eines Objekts „in einer Lage“ ist keine Übertreibung subtiler
    Differenzierung, sondern diese zwei Dinge sind im WD53E1Erlebnis grob
    zweierlei; theoretisch relevant, indem im ersteren Falle das eine
    „fundierende“ Element nicht mehr wie in normaler Weise als
    ein „in bestimmter Lage befindliches“ Objekt wahrgenommen
    ist, sondern schon im Charakter des Gehenden, sich Bewegenden:
    es ist nicht a j b dagewesen, sondern a schon vom j erfaßt,
    aj b. Und analog a jb.
        Solche Eindrücke ergaben sich mehrfach; zu ihrem Zustande-
    kommen schien ein Verkürzen der Expositionszeit des einen
    Reizes gegenüber der des anderen günstig.
        Es gibt auch Fälle — und hier zeigt sich jene Unterscheidung
    in einfachster Art — bei denen der j-Charakter beide Objekte
    ergreift (jab).
        Operiert man mit Dauerbeobachtung in Serienexposition
    ababab . . .FN53-1) wo die Bewegung von a nach b und von b nach a
    zurück usf., im Hin und Her, stattfindet, so zeigte sich bei nicht
    allzulangen Expositionszeiten a, b: es ist nicht mehr wechselnd
    einmal die a-Lage, einmal die b-Lage da und dazwischen die
    Hin- und Rückbewegung (oder Drehung), sondern das Objekt
    bewegt sich hin und her, ohne daß es in Anfangs- resp. Endlage,
    den äußersten Lagen, mehr „befindlich“ wäre als innerhalb der
    Bewegung selbst, man kann nicht sagen „ich habe es in der, in
    jeher Lage sich befinden gesehen“; es ist in den extremen Orten
    nicht weniger als „bewegtes“ dagewesen als in den mittleren.
    Dieses WD53E2Erlebnis unterscheidet sich von dem der Wahrnehmung
    eines Objekts als in einer Lage befindlich; es wird nicht a, b
    und Bewegung gesehen, sondern schlechterdings nur Bewegtes."
     

      FN53-1) Es ist bei solchen Serienexpositionen, wo nicht eine Reihe a b Ex-
      positionen in kleineren oder gröfseren Pausen, sondern atbtatbta . . . expo-
      niert werden, natürlich auf symmetrische Anordnung der Tachistoskop-
      schlitze zu achten


    S. 83: "... 2. j müßte a und b be-
    treffen; dagegen s. die Singularbewegung § 9. 3. a und b müßten
    vorhanden sein, d. h. die fundierenden Inhalte — „mindestens
    zwei“ — müßten irgendwie im WD83E1Erlebnis enthalten sein; dagegen
    s. § 14. 4. analog IV, 5 müßte aus Gründen des § 16 und
    früherer Paragraphen die Theorie bloß frühere genetische Ent-
    stehung, Reproduktion für sich — und die sonderbare Zer-
    stückelung (bei kleineren Teilbewegungen und Singular-
    bewegungen) behaupten."

    S. 93: "Zeigten sich so spezifische optische j-Phänomene, so sei er-
    wähnt, daß es in manchem Bezüge analoge Problemgebiete
    auch auf anderen Sinnesgebieten gibt. So zeigt — z. B. — bei
    prinzipieller Verschiedenheit im akustischen Bereiche die schon
    einmal erwähnte Erscheinung des „lebenden Intervallschritts“, FN93-1
    die „Tonbewegung“ als charakteristisches, gerichtetes WD93E1Erlebnis,
    nicht statischer Art, einiges Verwandte. —

        Anhang. § 22. Wir befinden uns normaliter in einer
    bestimmten Raumorientierungslage; der Sehraum ist
    [in bezug auf die Vertikalrichtung, die Horizontalstreckung, das
    Niveau (s. u.)] in bestimmter Weise orientiert, und bleibt es im
    allgemeinen, trotzdem Bewegungen der Sehobjekte, Augenbe-
    wegungen, Bewegungen des Kopfes, des Körpers stattfinden: die
    Sehobjekte werden i. a. trotzdem innerhalb ruhig bleibender
    Raumorientiertheitslage WD93e1erlebt."
     

      FN93-1 e (1/16) h (1/2); e (1/16) h (1/2); e (1/16) h (1/2) e (1/2).


    S. 94f: "Es kann bei diesen Experimenten so vorgegangen werden,
    daß nichts tangiert wird außer rein Optischem; Körper, Kopf,
    Auge bleibt dauernd ruhig, es wird ruhig ein Punkt fixiert: am
    schlagendsten bei dem bekannten Spiraleversuch FN94-2 (s. S. 72).
     

      FN94-2 Welcher Nystagmus sollte bei dem Spiraleversuch mitspielen? [>95]


    Projiziert man das starke Nachbild z. B. auf die Mitte einer
    großen Wandtafel, indem man einen Punkt derselben — z. B.
    einen von mehreren auf der Tafel gezeichneten Buchstaben
    — fixiert, so kann es leicht zu dem paradoxen Eindruck kommen,
    daß einerseits (z. B.) das starke „Sich-ausdehnen“ von der Mitte
    aus (radiär nach allen Seiten) da ist, andererseits die Tafel aber,
    deren Rahmen peripher im Gesichtsfelde ist (besser noch auch
    ein Stuhl, ein Türpfosten daneben), „doch völlig ruhig bleibt“
    („die Tafel dehnt sich nicht aus“); es ist die Bewegung innerhalb
    ruhigbleibendem Felde da; spielt aber Verankerung keine Rolle
    — sei es dadurch, daß keine Verankerung leistende Objekte da
    sind, sei es, daß sie zu sehr aufmerksamkeitsperipher sind —,
    so ist kein Ausdehnen in ruhigem Rahmen, sondern ein
    Ausdehnen schlechthin da, ein dauerndes Auseinanderziehen von
    der Mitte aus im Sehfelde (das immerhin bei dauernd sicht-
    baren Buchstaben ein kompliziertes WD95E1Erlebnis bildet).]

          Anmerkung. Hierbei sei ein Prinzipielles erwähnt; von
      der tatsächlichen psychischen Erfahrung aus erscheint die
      übliche dogmatische These, daß „Bewegung“
      psychisch etwas schlechthin Relatives sei, falsch.
      Meint man, es sei „nur eine relative Ortsänderung“
      gegeben und das Gesehene eben nur gleicherweise deutbar
      als z. B. Bewegung des Eisenbahnzugs oder der Gegen-
      stände draußen (entgegengesetzter Richtung) und ähnlich
      in anderen Fällen — (diese These hat ja sogar zur Annahme
      der Fundierung gewisser sichtbarer Bewegungen als
      „relativ zum Rande des Gesichtsfelds“ geführt),FN95-1
      — so stehen dem die Tatsachen geradezu entgegen. Meint
      man, die These sei schlüssig, weil ja wirklich einmal das
      eine, einmal das andere — bei demselben physikalischen
      Tatbestande — erscheine, so steht dem entgegen, daß
      es in Wirklichkeit gar nicht so schlechthin
      beliebig ist, „den Sachverhalt in einer und der anderen
      Weise aufzufassen“; eine Reihe von Faktoren spielt da eine
      Rolle: kommt die eigene Körperlage in Betracht [es ist
      z. B. in einfacher Weise möglich, nach Art der S. 61 ge-
      schilderten haploskopischen Spiegelversuche auch bei ruhiger
      Kopflage scheinbares Hin- und Herbewegen des Bildes des
       
        FN95-1 Vgl. HAMANN, Zeitschr. f. Psychol. 45, S. 236. [>96]


      eigenen Kopfes im Spiegelbild zu erzeugen], so Faktoren
      derselben; aber auch in rein optischen Fällen, abgesehen
      vom Fixationsorte, noch das Verhalten der Auf-
      merksamkeit, und hauptsächlich kommt es darauf an,
      woran Verankerung stattfindet — und diese ist nicht
      durch bloße Gedanken ganz beliebig und momentan wechsel-
      bar, hängt nicht einfach vom Belieben ab. Es ist ent-
      scheidend, daß es, auch bei bestem Willen nicht immer
      möglich ist, etwa beliebigerweise sofort aus einer
      „Betrachtungsart“ in die andere überzugehen;
      entgegengesetzt, man ist in der einen eingestellt und kann
      nicht beliebig nun die andere haben; bis etwa die Lage
      — ziemlich gegen den Willen — umkippt und nun die
      andere Erscheinungsweise, wieder zwingend, da ist. So
      im WD96E1E r l e b n i s. Allgemein: Kommt x und y in Betracht,
      bezüglich deren eine physikalisch relative Ortsveränderung
      vor sich geht, so ist die gesehene Bewegung nichts
      weniger als relativ in dem Sinne der Physik:
      welch letzterer die Tatsache a ruhig, b bewegt
      gleichbedeutend ist mit a bewegt, b ruhig. — Im
      Grunde entscheidet schon die Erscheinungsweise der
      oben besprochenen j-Phänomene gegen solche These."


    S. 97f: "III. Ich erinnere an die bekannten Experimente bez. der
    „scheinbaren Vertikale“ ; bei schräger Kopflage FN97-1 wird die schein-
    bare Vertikale kraß schräg eingestellt; wieder ist hierbei oft FN97-2
    jener Zustand der „Labilität“ vorhanden, manchmal geradezu
    ein sichtbares Schwanken, Sichdrehen der (objektiv ruhen-
    den) Linie. Bei den betreffenden Experimenten ist der Laby-
    rinthfaktor tangiert; dieselben Resultate ließen sich aber nun
    auf rein optischem Wege, durch „Einstellung“, erzielen.
        Ich stellte einen Spiegel schräg so auf, daß der Beobachter,
     

      FN97-1 Z. B. NAGEL, Zeitschr. f. Psychol. 16, S. 173
      FN97-2 NAGEL a. a. O [>98]
    in den Spiegel sehend, das Zimmer mit recht vielen „Veranke-
    rungs-“Gegenständen (Tür, Schrank, Stuhl, Apparate, Fenster)
    im Winkel von ca. 45° geneigt sah. Zuerst ist da ein deutlich
    schräges Bild vorhanden, das recht seltsam wirkt, sonderlich,
    wenn der Beobachter im Spiegelzimmer sieht, wie ein Mensch
    in diesem schräg stehenden Zimmer umhergeht, hantiert, sich
    setzt, und etwa im Türrahmen ein breites Objekt langsam fallen
    gelassen wird — eine breite Pappröhre, die vom oberen Tür-
    rahmen, parallel bleibend, in der Tür zur Erde fällt. Zunächst
    erscheint dieses Fallen als sehr seltsames schräges Fallen, in
    wunderlichem Widerspruch zur gewohnten Richtung der Verti-
    kale. Aber schon nach einigen Minuten, während deren der
    Beobachter dauernd in den Spiegel sah und der Mensch im
    Spiegelzimmer herumging und hantierte, war starke Abänderung
    eingetreten: wurde nun das Papprohr in der Türe wieder fallen
    gelassen, so sah der Beobachter es nicht mehr schräg, son-
    dern richtig vertikal fallen; die Raumorientierungslage
    hatte sich schon geändert: das schräge Zimmer war nicht
    mehr schräg, sondern normal da FN98-1 und die durch Verankerungs-
    momente („Vertikale“ und „Horizontale“ des Schrankes, der
    Türe usw.) determinierten ausgezeichneten Lagen waren schon
    die Vertikale, die Horizontale der Raumlage für den Beobachter
    geworden.
        "Dieses selbe — schon im WD98E1Erlebnis klar — nun in exakt fest-
    stellbarer, objektiverer Form: der Beobachter hat im ersten An-
    fang des Versuches an einem Schnurapparat die „scheinbare
    Vertikale“ einzustellen und ebenso nach dem längeren Hinein-
    sehen in den Spiegel."
     
      FN98-1 Analoge Brillenexperimente sind bekannt.


    S. 145: "P. MARJOS PIONNIER berichtet (Anthropos III 489 f.) über das System
    des „kleinen Zyklus“ in Siam und Laos das 12 Jahre faßt, in welchem
    jedes Jahr der Reihe nach den Namen eines Tieres trägt: Ratte 1, Rind 2,
    Tiger 3, Hase 4, Drache 5, Schlange 6, Pferd 7, Ziege R . . . [Nebenbei
    existiert noch ein großer Zyklus (wohl späteren Ursprungs?), der 5 kleine
    also 60 Jahre umfaßt, in 6 Dekaden untergeteilt ist; jedes Jahr einer
    Dekade ist vom entsprechenden der anderen durch Zahlworte unter-
    schieden.] Jeder Siamese kennt das Tier seines Geburtsjahrs und die
    Reihenfolge der Tiere. Fragt man: wie alt bist du? so erhält man zur
    Antwort: ich bin aus dem Rattenjahr; oder: ich bin aus dem Hahnen-
    jahr usw. Um das Alter des Gefragten zu erkennen, muß man wissen,
    wieviel Jahre zwischen dem betreffenden Tierjahr liegen und dem gegen-
    wärtigen und zu dieser Anzahl die Zyklen addieren, die der Mann dem
    Augenschein nach WD145e1erlebt haben kann. Z. B. einer sagt, er sei im Ratten-
    jahr geboren, es war zur Zeit (1907) das Ziegenjahr, er konnte also
    8 Jahre oder 20 oder 32, 44, 56, 68, 80 alt sein. Nun weiß man ja aber
    um wen sichs handelt und ein Irrtum um 12, 24, . . . Jahre ist kaum möglich.
    — Die Leute kennen nicht ihre Alterszahl, aber ihr Zahlentier."
     
     



    Literatur (Auswahl)
     
    • Wertheimer, Max (1905) Experimentelle Untersuchungen zur Tatbestandsdiagnostik. In: Archiv für die gesamte Psychologie. Band 6,  S. 59–131.
    • Wertheimer, Max ( 1910) Musik der Wedda. In: Sammelbände der internationalen Musikgesellschaft. Band 11, Leipzig 1910, S. 300–309.
    • Wertheimer, Max (1912) Über das Denken der Naturvölker. I. Zahlen und Gebilde. In: Zeitschrift für Psychologie. Band 60, 1912, S. 321–378. Englische Übersetzung in D. N. Robinson (Hrsg.): Significant Contributions to the History of Psychology. Series A. Orientations. Band II, University Publications of America, Washington D. C. 1977.
    • Wertheimer, Max (1912)  Experimentelle Studien über das Sehen von Bewegung. (PDF; 9,0 MB). In: Zeitschrift für Psychologie. Band 61, 1912, S. 161–265. Englische Übersetzung in T. Shipley (Hrsg.): Classics in Psychology. Philosophical Library, New York 1961; neue vollständige Übersetzung in On Perceived Motion and Figural Organization. Herausgegeben von Lothar Spillmann und Michael Wertheimer. 2012.
    • Wertheimer, Max (1920) Über Schlussprozesse im produktiven Denken. Weltkreisverlag, Berlin 1920. Gekürzte englische Fassung in W. D. Ellis (Hrsg.): A Source Book of Gestalt Psychology. Kegan Paul, Trench, Trubner, London, S. 274–282.
    • Wertheimer, Max (1922) Untersuchungen zur Lehre von der Gestalt. I. Prinzipielle Bemerkungen. In: Psychologische Forschung. Band 1, 1922, S. 47–58. Gekürzte englische Fassung in W. D. Ellis (Hrsg.): A Source Book of Gestalt Psychology. Kegan Paul, Trench, Trubner, London S. 71–88 (Reprint 2017 in der Zeitschrift Gestalt Theory).
    • Wertheimer, Max (1923) Bemerkungen zu Hillebrandts Theorie der stroboskopischen Bewegungen. In: Psychologische Forschung. Band 3, 1923, S. 106–123.
    • Wertheimer, Max (1923) Untersuchungen zur Lehre von der Gestalt. II. In: Psychologische Forschung. Band 4, 1923, S. 301–350. Englische Übersetzung 2012 in: On Perceived Motion and Figural Organization. Herausgegeben von Lothar Spillmann und Michael Wertheimer.
    • Wertheimer, Max (1925)  Drei Abhandlungen zur Gestalttheorie. Verlag der Philosophischen Akademie, Erlangen 1925. Unveränderter reprografischer Nachdruck: Darmstadt 1967. [Online]
    • Wertheimer, Max (1927) Über Gestalttheorie. In: Symposion. Band 1, 1927, S. 39–60.
    • Wertheimer, Max (1928)  Gestaltpsychologische Forschung. In: E. Saupe (Hrsg.): Einführung in die neuere Psychologie. Osterwieck am Harz 1928.
    • Wertheimer, Max (1933) Zu dem Problem der Unterscheidung von Einzelinhalt und Teil. In: Zeitschrift für Psychologie. Band 129, 1933, S. 353–357.
    • Wertheimer, Max (1934) On Truth. In: Social Research. Band 1, 1934, S. 135–146. Nachdruck in Mary Henle (Hrsg.): Documents of Gestalt Psychology. 1961.
    • Wertheimer, Max (1935) Some problems in the theory of ethics. In: Social Research. Band 2, 1935, S. 353–367. Nachdruck in M. Henle (Hrsg.): Documents of Gestalt Psychology. 1961.
    • Wertheimer, Max (1935) Discussion [of: Lauretta Bender, Gestalt Function In Visual Motor Patterns In Organic Disease Of The Brain]. In: Archives of Neurology and Psychiatry. Band 33, 1935, S. 328–329.
    • Wertheimer, Max (1940) A story of three days. In: R. N. Anshen (Hrsg.): Freedom. Its Meaning. Harcourt, Brace, New York 1940. Nachdruck in M. Henle (Hrsg.): Documents of Gestalt Psychology. 1961.
    • Wertheimer, Max (dt. 1989) Eine Geschichte dreier Tage. Deutsche Übersetzung von A story of three days von Hans-Jürgen Walter. In: Gestalt Theory. Band 11, 1989, S. 68–78.
    • Wertheimer, Max (1944) Gestalt theory. In: Social Research. Band 11, 1944, S. 78–99.
    • Wertheimer, Max (1945) Productive Thinking. Harper, New York 1945.
    • Wertheimer, Max (dt. 1957) Produktives Denken. Deutsche Übersetzung von Productive Thinking durch Wolfgang Metzger. Kramer, Frankfurt 1957. ND 2019, hg. v. Viktor Sarris, ISBN 978-3662598207.
    • Wertheimer, Max (1959) On discrimination experiments. Herausgegeben von Lise Wertheimer. Psychological Review. Band 66, 1959, S. 252–266.
    • Wertheimer, Max (dt. 1991) Zur Gestaltpsychologie menschlicher Werte. Hans-Jürgen Walter, Hrsg., mit einer Einleitung von Albert Einstein (Deutsche Übersetzungen von A story of three days, Some problems in the theory of ethics, On Truth.) Westdeutscher Verlag, Opladen 1991.
    • Wertheimer, Max (1923; dt. 2012) On Perceived Motion and Figural Organization. Herausgegeben von Lothar Spillmann und Michael Wertheimer. MIT-Press 2012.  Enthält die englischen Übersetzungen von Wertheimers Arbeiten zum Sehen von Bewegung 1912 und der Untersuchungen zur Lehre von der Gestalt 1923.




    Links(Auswahl: beachte)
    https://www.webmaster-seo.com/de/unicode/coding?range=131



    Glossar, Anmerkungen und Endnoten:
    GIPT= General and Integrative Psychotherapy, internationale Bezeichnung für Allgemeine und Integrative Psychotherapie.
    __
    Phi-Phänomen, j-Phänomen
    Dorsch (Abruf 29.12.2022): "Phi-Phänomen
    [engl. phi phenomenon], [WA], von Wertheimer (1912) eingeführte Bez. für den Eindruck von Bewegung (Scheinbewegungen), wenn unter best. Voraussetzungen Reize (Reiz, z. B. zwei Lichtpunkte in Abstand) alternierend dargeboten werden. Mit Phi wird auch der jeder Bewegungswahrnehmung zugrunde liegende Vorgang bez.
    __


    Querverweise
    Standort: Erleben und Erlebnis bei Max Wertheimer.
    *
    Haupt- und Verteilerseite Die Erforschung des Erlebens und der Erlebnisse
    Zur  Methode der Fundstellen-Textanalyse.  * Hauptbedeutungen Erleben und Erlebnis
    *
    Suchen in der IP-GIPT, z.B. mit Hilfe von "google": <suchbegriff> site: www.sgipt.org
    z.B. Inhaltsverzeichnis site: www.sgipt.org. 
    *
    Dienstleistungs-Info.
    *

    Zitierung
    Sponsel, Rudolf  (DAS). Erleben und Erlebnis bei Max Wertheimer. IP-GIPT. Erlangen: https://www.sgipt.org/gipt/erleben/Wertheimer.htm

    Copyright & Nutzungsrechte
    Diese Seite darf von jeder/m in nicht-kommerziellen Verwertungen frei aber nur original bearbeitet und nicht  inhaltlich verändert und nur bei vollständiger Angabe der Zitierungs-Quelle benutzt werden. Das direkte, zugriffsaneignende Einbinden in fremde Seiten oder Rahmen ist nicht gestattet, Links und Zitate sind natürlich willkommen. Sofern die Rechte anderer berührt sind, sind diese dort zu erkunden. Sollten wir die Rechte anderer unberechtigt genutzt haben, bitten wir um Mitteilung. Soweit es um (längere) Zitate aus  ...  geht, sind die Rechte bei/m ... zu erkunden oder eine Erlaubnis einzuholen.


    __Ende_Erleben und Erlebnis bei Max Wertheimer__Datenschutz_Überblick__Rel. Beständiges _Titelblatt_ Konzept_ Archiv_ Region_ English contents__ Service_iec-verlag__Dienstleistungs-Info * Mail: sekretariat@sgipt.org_ _
    Wichtige Hinweise zu Links und Empfehlungen

    korrigiert: 29.12.2022 irs Rechtschreibprüfung



    Änderungen wird gelegentlich überarbeitet, ergänzt und vertieft * Anregungen und Kritik willkommen
    29.12.2022    Angelegt, gesichtet, erfasst, markiert.