Erleben und Erlebnis in Edith
Steins
Zum Problem der Einfühlung
2.Version
Originalrecherche von Rudolf Sponsel, Erlangen
Zusammenfassung Erleben und Erlebnis
in Edith Steins Zum Problem der Einfühlung (Kürzel SE):
Stein, Edith (1917) Zum Problem der Einfühlung. Dissertation.
Halle: Buchdruckerei des Weisenhauses. [Online]
Anmerkung: die PDF-Ausgabe des Karmeliterordens [Online] hat keine
Seitenzahlen, keine Fußnoten und damit keine originalen Seitenumbrüche.
Außerdem gibt es zwischen den beiden Präsentation auch noch
richtige textliche
Unterschiede, die eine textkritische
Ausgabe der Einfühlung von Edith Stein wünschenswert erscheinen
lassen.
Die der Auswertung zugrundgelegenten Fundstellen,
sind alle aus der PDF der print-Ausgabe.
Fundstellen im Text erleb 468, erleben 130, erlebt(e,en,es) 55, Erlebnis 246, Erlebnisstrom 5, innere Wahrnehmung 11, Begriff 18.
Ich habe die ersten 13 Seiten vollständig ausgewertet.
Das waren 37 Fundstellen für e
= erleben, erlebt(e,en,es) und 61 Fundstellen für E
=Erlebnis... . Lesebeispiel Signierung: SE := Stein Einfühlung,
SE6e3Erleben
bedeutet:
In Stein Einfühlung S. 6 wird e := Erleben zum 3. Mal gebraucht.
Erleben, grundlegend für die Einfühlung,
oder Erlebnis werden nicht definiert, nicht näher erklärt und
nicht erörtert, auch nicht durch Querverweis, Anmerkung, Fußnote
oder Literaturhinweis. Für Erlebnisse werden drei Vollzugsstufen behauptet
(SE10E1 bis SE10E6) aber nicht im Beispiel deutlich und nachvollziehbar
gemacht. Einige Unklarheiten:
Erste wichtige Unklarheit:
Von Anfang an bleibt offen, von welchem Erleben überhaupt gesprochen
wird:
Fundstellenkürzel
erleben, erlebt(e,en,es)
Ende der
Zusammenfassung mit Fundstellenkürzelbelegen.
Fundstellen im Inhaltsverzeichnis
Das Buch hat kein Sachverzeichnis.
Vorwort: "Die vollständige Arbeit, der die folgenden Ausführungen
entnommen sind, begann mit einer rein
historischen Darlegung der Probleme, die in der vorliegenden Einfühlungsliteratur
nacheinander
aufgetaucht sind: der ästhetischen Einfühlung, der Einfühlung
als Erkenntnisquelle für fremdes
SEVe1Erleben, der ethischen
Einfühlung usw. Ich fand diese Probleme, die ich in meiner Darstellung
schied,
in der Behandlung miteinander vermengt und außerdem ungetrennt
voneinander die
erkenntnistheoretische, die rein deskriptive und die genetisch-psychologische
Seite der genannten
Probleme. In dieser Vermengung sah ich den Grund, der einer befriedigenden
Lösung bisher im Wege
gestanden hat. Es schien mir notwendig, zunächst das Grundproblem
herauszulösen, von dem aus sich
alle andern verstehen lassen, und es einer gründlichen Untersuchung
zu unterziehen. Diese positive
Arbeit schien mir zugleich erforderlich als Fundament einer kritischen
Stellungnahme zu den bisherigen
Ergebnissen. Als dieses Grundproblem erkannte ich die Frage der Einfühlung
als Erfahrung von
fremden Subjekten und ihrem SEVe2Erleben.
Diese Frage wird in den nachstehenden Ausführungen
behandelt. Ich bin mir dabei sehr wohl bewußt, daß die
positiven Resultate, die ich bringe, nur einen
kleinen Beitrag zu dem darstellen, was hier zu leisten ist. Zudem haben
besondere Umstände mich
verhindert, die Arbeit vor der Veröffentlichung noch einmal gründlich
zu überarbeiten. Seit ich sie der
Fakultät einreichte, habe ich nämlich, in meinen Funktionen
als Privatassistentin meines verehrten
Lehrers, Herrn Professor Husserl, Einblick in die Manuskripte zum II.
Teil seiner »Ideen« erhalten,
die zum Teil dieselben Fragen behandeln, und würde natürlich
bei einer neuen Beschäftigung mit
meinem Thema nicht umhin können, die empfangenen neuen Anregungen
zu verwerten. Freilich sind
Problemstellung und Methode meiner Arbeit ganz aus Anregungen hervorgewachsen,
die ich von
Herrn Professor Husserl empfing, so daß es ohnehin höchst
fraglich ist, was ich von den folgenden
Ausführungen als mein »geistiges Eigentum« in Anspruch
nehmen darf. Indessen kann ich sagen, daß
die Ergebnisse, die ich jetzt vorlege, in eigener Arbeit gewonnen sind,
und das könnte ich nicht mehr
behaupten, wenn ich jetzt Änderungen vornähme"
1: "§ 1. Die Methode der Untersuchung
Allem Streit über die Einfühlung liegt die stillschweigende
Voraussetzung zugrunde: es sind uns fremde Subjekte und ihr SE1e1Erleben
gegeben. Über den Hergang des Zustandekommens, über die Wirkungen,
über das Recht dieser Gegebenheit wird gehandelt. Die nächste
Aufgabe aber ist, sie selbst in sich zu betrachten und ihr Wesen zu erforschen.
Die Einstellung, in der wir dies tun, ist die der »phänomenologischen
Reduktion«. Ziel der Phänomenologie ist Klärung und damit
letzte Begründung aller Erkenntnis. Um zu diesem Ziel zu gelangen,
schaltet sie aus ihren Betrachtungen alles aus, was irgendwie »bezweifelbar«
ist, was sich irgend beseitigen läßt. Sie macht zunächst
keinen Gebrauch von irgendwelchen Resultaten irgendeiner Wissenschaft:
Das ist selbstverständlich, da eine Wissenschaft, die letzte Klärung
aller wissenschaftlichen Erkenntnis sein will, sich nicht wiederum auf
eine schon bestehende Wissenschaft stützen darf, sondern sich in sich
selbst begründen muß. Stützt sie sich dann auf die natürliche
Erfahrung? Keineswegs, denn diese selbst ebenso wie ihre Fortsetzung, die
naturwissenschaftliche Forschung, unterliegt mannigfacher Interpretation
(in der materialistischen oder idealistischen Philosophie z. B.) und erweist
sich dadurch als klärungsbedürftig. So verfällt denn der
Ausschaltung oder Reduktion die gesamte uns umgebende Welt, die physische
wie die psychophysische, die Körper wie die Menschen- und Tierseelen
(einschließlich der psychophysischen Person des Forschers selbst).
Was kann noch übrig bleiben, wenn alles gestrichen ist, die ganze
Welt und das sie SE1e2erlebende Subjekt
selbst? In Wahrheit bleibt noch ein unendliches Feld [>2] reiner Forschung
übrig; denn überlegen wir wohl, was jene Ausschaltung besagt:
ich kann bezweifeln, ob das Ding, das ich vor mir sehe, existiert, es besteht
die Möglichkeit einer Täuschung, darum muß ich die Existenzsetzung
ausschalten, darf von ihr keinen Gebrauch machen; aber was ich nicht ausschalten
kann, was keinem Zweifel unterliegt, ist mein SE2e1Erleben
des Dinges (das wahrnehmende, erinnernde oder sonstwie geartete Erfassen)
samt seinem Korrelat, dem vollen »Dingphänomen« (dem in
mannigfachen Wahrnehmungs- oder Erinnerungsreihen sich als dasselbe gebenden
Objekt), das in seinem ganzen Charakter erhalten bleibt und zum Objekt
der Betrachtung gemacht werden kann.
(Es bereitet Schwierigkeiten einzusehen, wie es möglich ist, daß
die Existenzsetzung aufgehoben sein
und doch der volle Wahrnehmungscharakter erhalten bleiben soll. Man
veranschauliche sich diese
Möglichkeit am Fall der Halluzination: es leide jemand an Halluzinationen
und habe Einsicht in
sein Leiden; er befindet sich z. B. mit einem Gesunden in einem Zimmer,
glaubt in der Wand eine Tür
zu bemerken und will durch sie hindurchgehen; von dem anderen aufmerksam
gemacht, erkennt er, daß er wieder halluziniert, er glaubt jetzt
nicht mehr, daß die Tür vorhanden ist, vermag sich aber weiter
in die »durchgestrichene« Wahrnehmung zu versetzen und könnte
gut daran das Wesen der
Wahrnehmung studieren, einschließlich der Existenzsetzung, obgleich
er diese nun nicht mehr
mitmacht.) So bleibt das ganze »Weltphänomen« nach
Aufhebung der Weltsetzung.
Und diese »Phänomene« sind das Objekt der Phänomenologie.
Es gilt nun aber nicht nur sie als
einzelne zu erfassen und alles in ihnen Implizierte, den in dem einfachen
Haben des Phänomens
beschlossenen Tendenzen nachgehend, zu explizieren, sondern zu ihrem
Wesen vorzudringen. Jedes
Phänomen ist exemplarische Unterlage einer Wesensbetrachtung.
Die Phänomenologie der
Wahrnehmung begnügt sich nicht, die einzelne Wahrnehmung zu beschreiben,
sondern sie will
ergründen, was »Wahrnehmung überhaupt«, ihrem
Wesen nach ist, und sie gewinnt diese Erkenntnis
am Einzelfall in ideierender Abstraktion.1)
Es ist noch zu zeigen, was es heißt: m e i n SE2e2Erleben
[>3] ist nicht auszuschalten. Daß Ich, dieses empirische Ich, des
Namens und Standes, ausgestattet mit den und den Eigenschaften, existiere,
ist nicht unbezweifelbar. Meine ganze Vergangenheit könnte geträumt,
könnte Erinnerungstäuschung sein, unterliegt somit der Ausschaltung
und bleibt nur als Phänomen Gegenstand der Betrachtung, aber »ich«,
das SE3e1erlebende Subjekt,
das die Welt und die eigene Person als Phänomen betrachtet, »ich«
bin im SE3e2Erleben und nur
in ihm und ebenso unbezweifelbar und unstreichbar wie es selbst. Es gilt
nun diese Betrachtungsweise auf unseren Fall anzuwenden.
Die Welt, in der ich lebe, ist nicht nur eine Welt physischer Körper,
es gibt darin auch außer mir
SE3e3erlebende Subjekte,
und ich weiß von diesem SE3e4Erleben.
Dieses Wissen ist kein unbezweifelbares, wir unterliegen gerade hier so
mannigfachen Täuschungen, daß wir mitunter geneigt sind, an
der Möglichkeit einer Erkenntnis auf diesem Gebiet überhaupt
zu verzweifeln – aber das Phänomen des fremden Seelenlebens ist da
und unbezweifelbar, und dieses wollen wir uns nun etwas näher betrachten.
Die Untersuchungsrichtung ist uns hiermit noch nicht eindeutig vorgeschrieben."
..
Wir könnten ferner die einzelnen konkreten SE3E1Erlebnisse
dieser Individuen betrachten, wir würden dann sehen, daß hier
verschiedene Gegebenheitsweise auftreten und könnten diesen weiter
nachgehen: es würde sich zeigen, daß es andere als die von Lipps
heraus-[>4]gearbeitete Gegebenheit »in symbolischer Relation«
gibt: ich weiß nicht nur, was in Mienen und Gebärden ausgedrückt,
sondern auch von dem, was dahinter verborgen ist; ich sehe etwa, daß
jemand eine traurige Miene macht, aber nicht in Wahrheit trauert.
Ferner: ich höre, daß jemand eine unbedachte Bemerkung macht
und sehe, daß er darauf errötet, dann
verstehe ich nicht nur die Bemerkung und sehe im Erröten die Scham,
sondern ich erkenne, daß er die Bemerkung als unbedacht erkennt und
daß er sich schämt, weil er sie gemacht hat.
Weder diese Motivation noch das Urteil über seine Bemerkung sind
durch irgendeine »sinnliche
Erscheinung« ausgedrückt. Es wären diese verschiedenen
Gegebenheitsweisen zu untersuchen und
eventuell vorliegende Fundierungsbeziehungen herauszustellen.
Es ist aber noch eine andere, radikalere Betrachtung möglich.
Alle diese Gegebenheiten von fremdem SE4e1Erleben
weisen zurück auf eine Grundart von Akten, in denen fremdes
SE4e2Erleben
erfaßt wird und die wir nun unter Absehung von allen historischen
Traditionen, die an dem Worte hängen, als Einfühlung bezeichnen
wollen. Diese Akte in größter Wesensallgemeinheit zu erfassen
und zu beschreiben, soll unsere erste Aufgabe sein.
§ 2. Deskription der Einfühlung im Vergleich
zu anderen
Akten
Sie werden sich uns am besten in ihrer Eigenart herausstellen, wenn
wir sie mit anderen Akten des
reinen Bewußtseins (des Feldes unserer Betrachtungen nach dem
beschriebenen Vollzug der Reduktion) konfrontieren.
Wir nehmen ein Exempel, um uns das Wesen des Einfühlungsaktes
zu veranschaulichen.
Ein Freund tritt zu mir herein und erzählt mir, daß er seinen
Bruder verloren hat, und ich gewahre
seinen Schmerz. Was ist das für ein Gewahren? Worauf es sich gründet,
woraus ich den Schmerz
entnehme, darauf möchte ich hier nicht eingehen. Vielleicht ist
sein Gesicht blaß und verstört, seine
Stimme klanglos und gepreßt, vielleicht gibt er auch in Worten
seinem Schmerz Ausdruck: all das sind natürlich Themata für Untersuchungen,
aber darauf kommt es mir hier nicht an.
Nicht [>5] auf welchen Wegen ich dazu gelange, sondern was es selbst,
das Gewahren, ist, das möchte ich wissen.
a) Äußere Wahrnehmung und Einfühlung
Daß ich keine äußere Wahrnehmung von dem Schmerz habe,
braucht kaum gesagt zu werden, äußere Wahrnehmung ist ein Titel
für die Akte, in denen raum-zeitliches, dingliches Sein und Geschehen
mir zu leibhafter Gegebenheit kommt, vor mir steht als hier und jetzt selbst
daseiend, mir diese oder jene Seite zukehrend, wobei diese mir zugekehrte
Seite im spezifischen Sinne leibhaft oder originär da ist, im Vergleich
zu den mitwahrgenommenen abgewandten Seiten.
Der Schmerz ist kein Ding und mir nicht in dieser Weise gegeben, auch
dann nicht, wenn ich ihn »in«
der schmerzlichen Miene gewahre, die ich äußerlich wahrnehme
und mit der er »ineins« gegeben ist.
Der Vergleich mit den abgewandten Seiten des gesehenen Dinges liegt
nahe. Aber er ist doch nur sehr vag, denn in fortschreitender Wahrnehmung
kann ich mir immer neue Seiten des Dinges zu originärer Gegebenheit
bringen, prinzipiell kann jede diese bevorzugte Gegebenheitsweise annehmen;
die schmerzlich bewegte Miene – richtiger gesagt: die Veränderung
des Gesichts, die ich einfühlend als schmerzlich bewegte Miene auffasse
– kann ich betrachten von soviel Seiten ich will, prinzipiell kann ich
niemals zu einer »Orientierung« kommen, in der statt ihrer
der Schmerz selbst originär gegeben ist.
Die Einfühlung als Erfassung des Erlebnisses selbst hat also nicht
den Charakter äusserer
Wahrnehmung. Dagegen wird man den komplexen Akt, der mit dem leiblichen
Ausdruck das
ausgedrückte Seelische miterfasst, wohl als äussere Wahrnehmung
bezeichnen müssen. Der originär
gegebene Ausdruck »appräsentiert« – wie Husserl zu
sagen pflegt – das Seelische, das als
»Mitgegebenes« selbst als jetzt seiende Wirklichkeit dasteht.
(Zur Frage, ob anderes als der Leib
appräsentierend fungieren kann, vgl. die Notizen über Notwendigkeit
eines Leibes für die Einfühlung).
Ist die Einfühlung nicht äußere Wahrnehmung, so ist
damit noch nicht gesagt, daß ihr dieser
Charakter des »Originären« abgeht.
Die Einfühlung als Erfassung des SE5E1Erlebnisses
selbst hat also nicht den Charakter äusserer
Wahrnehmung. Dagegen wird man den komplexen Akt, der mit dem leiblichen
Ausdruck das
ausgedrückte Seelische miterfasst, wohl als äussere Wahrnehmung
bezeichnen müssen. Der originär
gegebene Ausdruck »appräsentiert« – wie Husserl zu
sagen pflegt – das Seelische, das als
»Mitgegebenes« selbst als jetzt seiende Wirklichkeit dasteht.
(Zur Frage, ob anderes als der Leib
appräsentierend fungieren kann, vgl. die Notizen über Notwendigkeit
eines Leibes für die Einfühlung).
Ist die Einfühlung nicht äußere Wahrnehmung, so ist
damit noch nicht gesagt, daß ihr dieser
Charakter des »Originären« abgeht.
b) Originarität und Nichtoriginarität
Noch anderes als die Außenwelt ist uns originär gegeben. Originär gebend ist auch die Ideation, in der wir Wesensverhalte intuitiv erfassen, originär gebend z. B. die Einsicht in ein geometrisches Axiom, originär gebend das Wertnehmen, schließlich und vor allem haben den Charakter der Originarität [>6] unsere eigenen SE6E1Erlebnisse und in der Reflexion zur Gegebenheit kommen. Daß die Einfühlung keine Ideation ist, ist trivial – handelt es sich doch um Erfassen von hic et nunc Seiendem. (Ob sie Unterlage für die Ideation, die Gewinnung einer Wesenserkenntnis von SE6E2Erlebnissen sein kann, ist eine andere Frage.)"
Bleibt noch die Frage: besitzt die Einfühlung die Originarität
eigenen SE6e2Erlebens? Bevor
wir an die Beantwortung dieser Frage gehen können, ist es nötig,
den Sinn von Originarität noch weiter zu
differenzieren.
Originär sind alle eigenen gegenwärtigen SE6E2Erlebnisse
als solche – was könnte originärer sein als das SE6e3Erleben
selbst?1)
Aber nicht alle SE6E3Erlebnisse
sind originär gebend, sind ihrem Gehalt nach originär: die Erinnerung,
die Erwartung, die Phantasie haben ihr Objekt nicht als leibhaft gegenwärtig
vor sich, sondern vergegenwärtigen es nur; und der Vergegenwärtigungscharakter
ist ein immanentes Wesensmoment dieser Akte, keine von den Objekten her
gewonnene Bestimmung. Als jetzt sich erzeugende Welten im SE6E4Erlebnisstrom
sind diese SE6E5Erlebnisse
originär; aber das, was sie konstituieren, ist nicht ursprünglich
Erzeugtes, sondern Wiedererzeugtes, Vergegenwärtigtes, also nicht-originär.
Schließlich kommt noch die Gegebenheit der eigenen SE6E6Erlebnisse
selbst in Frage: für jedes SE6E7Erlebnis
besteht
die Möglichkeit der originären Gegebenheit, d. h. die Möglichkeit
für den reflektierenden Blick des in ihm lebenden Ich leibhaft und
selbst da zu sein. Es besteht außerdem die Möglichkeit einer
nichtoriginären Gegebenheitsweise eigener
SE6E8Erlebnisse:
in Erinnerung, Erwartung, Phantasie. Jetzt können wir die Frage wieder
aufnehmen: kommt der Einfühlung Originarität zu und in welchem
Sinne?
Vergegenwärtigung, ihr Subjekt nicht-originär, im Gegensatz
zu dem die Erinnerung vollziehenden.
Der reproduzierende Vollzug des einstigen SE8E1Erlebnisses
ist die erfüllende Klärung des zunächst vag
Intendierten.
Am Ende des Prozesses steht eine neue Objektivation: das vergangene
SE8e1Erleben,
das erst als Ganzes vor
mir auftauchte, das ich dann, mich hineinversetzend, auseinanderlegte,
fasse ich am Schlusse
wiederum in einem »apperzeptiven Griff« zusammen.
Die Erinnerung (in den verschiedenen Vollzugsformen) kann mannigfache
Lücken aufweisen. So ist es
möglich, daß ich mir eine vergangene Situation erinnernd
vergegenwärtige, ohne mich meines inneren
Verhaltens dieser Situation gegenüber erinnern zu können;
indem ich mich nun in jene Situation
zurückversetze, stellt sich ein Surrogat für die mangelnde
Erinnerung ein, ein Bild des vergangenen
Verhaltens, das aber nicht als Vergegenwärtigung von Vergangenem
auftritt, sondern als durch den
Sinn des Ganzen geforderte Vervollständigung des Erinnerungsbildes;
sie kann Zweifels-,
Vermutungs-, Wahrscheinlichkeitscharakter, niemals aber Seinscharakter
haben.
Der Fall der Erwartung ist so parallel, daß es kaum nötig
ist, besonders darauf einzugehen.
Dagegen wäre über die freie Phantasie noch einiges zu sagen.
Auch hier finden sich die verschiedenen
Vollzugsmöglichkeiten:
Das Auftauchen eines SE8E2Phantasieerlebnisses
als Ganzes und die schrittweise Erfüllung der darin
implizierten Tendenzen.
Im SE8E3Phantasieerlebnis
lebend, finde ich keine durch eine SE8E4Erlebniskontinuität
ausgefüllte zeitliche
Distanz zwischen dem phantasierenden und dem phantasierten Ich (wenn
es sich nicht gerade um
phantasierte Erinnerung oder Erwartung handelt). Doch auch hier ist
eine Scheidung zu machen: Das
Ich, das die Phantasiewelt schafft, ist originär, das Ich, das
in ihr lebt, nicht-originär.
Und die phantasierten SE8E5Erlebnisse
sind gegenüber den erinnerten charakterisiert dadurch, daß sie
sich
nicht als Vergegenwärtigung wirklicher SE8E6Erlebnisse
geben, sondern als nicht-originäre Form
gegenwärtiger SE8E7Erlebnisse,
wobei »gegenwärtig« nicht auf ein Jetzt der objektiven
Zeit hindeutet,
sondern auf das SE8e2erlebte Jetzt,
das sich in diesem Fall nur in einem »neutralen« Jetzt der
Phantasiezeit
objektivieren kann. [>9] Dieser neutralisierten (d. h. nicht-setzenden)
Form der Gegenwartserinnerung (der
Vergegenwärtigung eines jetzt Wirklichen, aber nicht leibhaft
Gegebenen) steht gegenüber eine
neutralisierte Rück- und Vorerinnerung, d. h. eine Vergangenheits-
und Zukunftsphantasie, eine
Vergegenwärtigung nichtwirklicher vergangener und künftiger
SE9E1Erlebnisse.
Es ist auch möglich, daß ich in das Phantasiereich hineinblickend
(wie auch in Erinnerung und
Erwartung) mich selbst darin vorfinde, d. h. ein Ich, das ich als mich
anerkenne, obgleich keine
verbindende SE9E2Erlebniskontinuität
die Einheit konstituiert, gleichsam mein Spiegelbild (man denke z. B.
an das SE9E3Erlebnis,
das Goethe in Dichtung und Wahrheit erzählt; wie er nach dem Abschied
von
Friederike von Sesenheim kommend sich selbst unterwegs begegnet in
seiner zukünftigen Gestalt).
Dieser Fall erscheint mir aber nicht als echte Phantasie eigener SE9E4Erlebnisse,
sondern als ein Analogon
der Einfühlung und nur von dieser aus zu verstehen.
Nun also zur Einfühlung selbst. Auch hier handelt es sich um einen
Akt, der originär ist als
gegenwärtiges SE9E5Erlebnis,
aber nicht-originär seinem Gehalt nach, wenn wir ihn rein für
sich nehmen
und nicht als »Mitgegebenheit« mit einem originär
Gegebenen. Und dieser Gehalt ist ein SE9E6Erlebnis,
das
wiederum in verschiedenen Vollzugsformen auftreten kann, wie Erinnerung,
Erwartung, Phantasie.
Indem es mit einem Schlage vor mir auftaucht, steht es mir als Objekt
gegenüber (z. B. die Trauer, die
ich dem anderen »vom Gesicht ablese«); indem ich aber den
implizierten Tendenzen nachgehe (mir die
Stimmung, in der sich der andere befindet, zu klarer Gegebenheit zu
bringen versuche), ist es nicht
mehr im eigentlichen Sinne Objekt, sondern hat mich in sich hineingezogen,
ich bin ihm jetzt nicht
mehr zugewendet, sondern in ihm seinem Objekt zugewendet, bin bei seinem
Subjekt, an dessen Stelle;
und erst nach der im Vollzug erfolgten Klärung tritt es mir wieder
als Objekt gegenüber. [>10]
Wir haben also in allen betrachteten Fällen der Vergegenwärtigung
von SE10E1Erlebnissen drei
Vollzugsstufen bzw. Vollzugsmodalitäten, da man im konkreten Falle
nicht immer alle Stufen
durchläuft, sondern sich häufig mit einer der niederen begnügt:
1. Das Auftauchen des SE10E2Erlebnisses,
2. die erfüllende Explikation,
3. die zusammenfassende Vergegenständlichung des explizierten
SE10E2Erlebnisses.
Auf der ersten und dritten Stufe stellt die Vergegenwärtigung
die nicht-originäre Parallele zur
Wahrnehmung (bei der Einfühlung tritt hier im Falle der »Mitgegebenheit«
mit dem leiblichen
Ausdruck Wahrnehmung selbst ein), auf der zweiten Stufe zum Vollzug
des SE10E3Erlebnisses dar.
Das
Subjekt des eingefühlten SE10E4Erlebnisses
aber – und das ist das fundamental Neue gegenüber der
Erinnerung, Erwartung, Phantasie eigener SE10E5Erlebnisse
– ist nicht dasselbe, das die Einfühlung
vollzieht, sondern ein anderes, beide sind getrennt, nicht wie dort
durch ein Bewußtsein der Selbigkeit,
eine SE10E6Erlebniskontinuität
verbunden.
Und indem ich in jener Freude des andern lebe, fühle ich keine
originäre Freude, sie entquillt nicht
lebendig meinem Ich, sie trägt auch nicht den Charakter des Einst-Lebendiggewesenseins
wie die
erinnerte Freude, noch viel weniger aber ist sie bloß phantasierte
ohne wirkliches Leben, sondern jenes
andere Subjekt hat Originarität, obwohl ich diese Originarität
nicht SE10e1erlebe, seine
ihm entquellende
Freude ist originäre Freude, obwohl ich sie nicht als originäre
SE10e2erlebe.
In meinem nicht-originären SE10e3Erleben
fühle ich mich gleichsam geleitet von einem originären, das nicht
von mir SE10e4erlebt
und doch da ist, sich in meinem nicht-originären bekundet. So haben
wir in der
Einfühlung eine Art erfahrender Akte sui generis. Sie in ihrer
Eigenheit herauszustellen, war die
Aufgabe, die zu lösen war, bevor irgendeine andere Frage (ob solche
Erfahrung rechtskräftig sei, auf
welchem Wege sie zustande komme) in Angriff genommen werden konnte.
Und wir haben diese
Untersuchung in reinster Allgemeinheit geführt: die Einfühlung,
die wir betrachteten und zu
beschreiben suchten, ist Erfahrung von fremdem Bewußtsein überhaupt,
ganz gleich, welcher Art das
erfahrende Subjekt ist, welcher Art das Subjekt dessen Bewußtsein
erfahren wird. Nur vom reinen Ich,
vom Subjekt des SE10e5Erlebens
war die Rede – auf Subjekts- wie auf Objektsseite; nichts anderes wurde
in
die Untersuchung hineingezogen. So sieht die Erfahrung aus, die ein
Ich überhaupt von [>11] einem andern
Ich überhaupt hat.
So erfaßt der Mensch das Seelenleben seines Mitmenschen, so erfaßt
er aber auch als Gläubiger die
Liebe, den Zorn, das Gebot seines Gottes, und nicht anders vermag Gott
sein Leben zu erfassen. Gott
als im Besitze vollkommener Erkenntnis wird sich über die SE11E1Erlebnisse
der Menschen nicht täuschen,
wie sich die Menschen untereinander über ihre SE11E2Erlebnisse
täuschen. Aber auch für ihn werden ihre
SE11E3Erlebnisse nicht
zu eigenen und nehmen nicht dieselbe Art der Gegebenheit an.
§ 3. Auseinandersetzung mit anderen Deskriptionen der
Einfühlung – besonders der von Lipps – und Fortsetzung
der Analyse
Mit dieser allgemeinen Herausstellung des Wesens »Einfühlung
überhaupt« ist natürlich wenig
geleistet, es muß vielmehr jetzt untersucht werden, wie es sich
differenziert als Erfahrung von
psychophysischen Individuen und ihrem SE11e1Erleben,
von Persönlichkeit usw. Doch schon von den
gewonnenen Resultaten aus läßt sich Kritik üben an
einigen historischen Theorien über die Erfahrung
von fremdem Bewußtsein und an Hand dieser Kritik ist die ausgeführte
Analyse noch nach manchen
Richtungen zu vervollständigen. Die Beschreibung, die Lipps von
dem SE11E4Einfühlungserlebnis
gibt (von
der kausal-genetischen Hypothese über den Hergang der Einfühlung
– der Theorie der inneren
Nachahmung –, die bei ihm fast überall mit der reinen Beschreibung
verquickt ist, sehen wir ab),
stimmt in vielen Punkten mit der unsern überein. Er führt
seine Untersuchung allerdings nicht in
reiner Allgemeinheit, sondern hält sich an das Beispiel des psychophysischen
Individuums und den
Fall der »Symbolgegebenheit«, aber die Resultate, die er
dabei erzielt, sind doch zum Teil zu
verallgemeinern.
a) Übereinstimmende Punkte
Er schildert die Einfühlung als ein »inneres Mitmachen«
der fremden SE11E5Erlebnisse,
was wohl der von
uns geschilderten höheren Vollzugsstufe der Einfühlung –
wo wir »bei« dem fremden Subjekt und mit
ihm seinem Objekt zugewendet sind – gleichkommt. Er betont die Objektivität
oder den
»Forderungs[>12]charakter der Einfühlung und drückt
dasselbe damit aus wie wir, wenn wir sie als eine
Art erfahrender Akte bezeichnen. Er weist ferner auf die Verwandtschaft
der Einfühlung mit
Erinnerung und Erwartung hin. Dabei kommen wir aber gleich an einen
Punkt, wo sich unsere Wege
scheiden.
b) Die Tendenz zum vollen SE12e1Erleben
Er spricht davon, daß jedes SE12E1Erlebnis,
von dem ich weiß – das erinnerte und erwartete wie das
eingefühlte –, dazu »tendiert«, ein vollSE11e2erlebtes
zu werden, und es auch wird, wenn sich ihm in mir
nichts widersetzt, womit zugleich das Ich, das bisher Objekt war, sei
es das vergangene oder künftige
eigene oder das fremde Ich, zum SE12e3erlebten
wird. Und dieses volle SE12e4Erleben
des fremden SE12E2Erlebnisses
nennt
er ebenfalls Einfühlung, ja er sieht darin erst die volle Einfühlung,
wozu jene andere die
unvollkommene Vorstufe ist. Es ist nun zunächst zu erwägen,
was unter dieser »Tendenz« zu verstehen
ist.
Nach Prof. Geiger hat Lipps hier einen kausalpsychologischen Faktor
im Auge, vermöge dessen jede
»Vorstellung« zur »Wahrnehmung« (in unserer
Terminologie können wir dafür wohl sagen: jedes SE12e5nichtoriginäre
zum SE12e6originären Erleben)
wird und so auch jede Einfühlung zu SE12e7originärem
Erleben.
Über kausalpsychologische Hypothesen wollen wir hier nicht diskutieren,
sondern nur auf das
eingehen, was an aufweisbarem Gehalt darin steckt. So finden wir im
Auftauchen einer Erinnerung,
Erwartung oder Einfühlung die –SE12e8erlebte-
Tendenz zum Vollzug dieses SE12E3Erlebnisses,
in dem sein
Subjekt nicht mehr im eigentlichen Sinne Objekt ist, in dem wir »bei«
ihm sind, ohne doch restlos
»eins« mit ihm zu sein. Dieses Hineingezogenwerden in das
zunächst objektiv gegebene SE12E4Erlebnis
und
das Erfüllen der implizierten Tendenzen darf mit dem Übergang
von SE12e9nicht-originärem zu SE12e10originärem
Erleben nicht verwechselt werden.
Eine Erinnerung ist voll erfüllt und ausgewiesen, wenn man allen
Explikationstendenzen
nachgegangen ist und die SE12E5Erlebniskontinuität
bis
zur Gegenwart hergestellt hat. Damit ist aber nicht
das SE12E6erinnerte zu einem SE12E7originären
Erlebnis
geworden.
Es kann ferner von einer »Tendenz zum vollen
SE12e11Erleben«
nicht in einem zweiten Sinne die Rede sein.
Jede Stellungnahme, die ich einmal vollzogen habe, »tendiert«
dazu, sich unverändert zu erhalten, falls
die Motivationsgrundlagen sich nicht geändert haben. Wenn wir
ein Objekt wahrgenommen haben, so
behalten wir den Glauben an die Existenz bei, auch wenn die Wahrnehmung
vorüber ist, und
erinnern wir uns seiner, so »nehmen« wir den Glauben »wieder
auf«.
Und ebenso pflegen wir in der Einfühlung – wenn keine Gegenmotive
bestehen – die
Stellungnahmen anderer zu »übernehmen«, in dem wir
z. B. ihren Wahrnehmungen Glauben
schenken. Aber mit der Übernahme des »belief«, der
der Wahrnehmung innewohnenden Setzung, wird
die erinnerte oder eingefühlte nicht zur originären Wahrnehmung,
sie bleibt Vergegenwärtigung. Und
die Übernahme des »Glaubens« gehört nicht notwendig
zur Vergegenwärtigung als solcher, sie entfällt,
sobald Gegenmotive eingetreten sind.
Ich kann mich einer Wahrnehmung erinnern und jetzt überzeugt sein,
daß ich damals einer
Täuschung unterlag. Ich kann mich meines Unbehagens in einer peinlichen
Situation erinnern und
mich jetzt köstlich über diese Situation amüsieren.
Die Erinnerung ist in diesem Falle nicht
unvollkommener, als wenn ich wieder dieselbe Stellungnahme vollziehe
wie damals.
Wir geben zu, daß ein Umspringen vom SE12E8erinnerten,
SE12E9erwarteten,
SE12E10eingefühlten
zum eigenen SE12E11originären
Erlebnis möglich ist – aber
[>13]wir bestreiten, daß nach der Erfüllung jener Tendenz noch
Erinnerung,
Erwartung, Einfühlung vorliegt. Betrachten wir den Fall näher.
Ich vergegenwärtige mir lebhaft eine vergangene Freude, z. B.
über ein bestandenes Examen, ich
versetze mich in sie hinein, d. h. ich wende mich in ihr dem erfreulichen
Ereignis zu, male es mir in
all seiner Erfreulichkeit aus – und plötzlich bemerke ich, daß
ich, das originäre sich erinnernde Ich
voller Freude bin; ich erinnere mich an das freudige Ereignis und habe
an dem erinnerten Ereignis
originäre Freude – aber die erinnerte Freude und das erinnerte
Ich sind verschwunden oder bestehen
höchstens neben der originären Freude und dem originären
Ich fort. Diese originäre Freude an
vergangenen Ereignissen ist natürlich auch direkt durch bloße
Vergegenwärtigung des Ereignisses
möglich, ohne daß ich mich der damaligen Freude erinnere
und ohne daß erst der Übergang vom
SE13E1erinnerten zum originären
Erlebnis statthat. Es besteht schließlich die Möglichkeit,
daß ich an der
vergangenen originäre Freude habe, wobei gerade der Unterschied
beider besonders deutlich hervortritt.
Nun das parallele SE13E2Einfühlungserlebnis:
Mein Freund tritt freudestrahlend zu mir herein und erzählt
mir, daß er sein Examen bestanden hat. Einfühlend erfasse
ich seine Freude und indem ich mich in sie
hineinversetze, erfasse ich die Erfreulichkeit des Ereignisses und
habe nun selbst originäre Freude
daran. Auch diese Freude ist möglich, ohne daß ich erst
die Freude des andern erfasse: tritt der
Examenskandidat in den gespannt harrenden Familienkreis und teilt das
erfreuliche Resultat mit, so
wird man sich zunächst originär an diesem Ergebnis freuen
und erst, wenn man sich selbst »genug
gefreut« hat, wird man sich seiner Freude zuwenden und eventuell
– die dritte Möglichkeit – an seiner
Freude freuen1), wodurch uns aber seine Freude gegeben ist, das ist
weder die originäre Freude an dem
Ereignis, noch die originäre Freude an seiner Freude, sondern
jener nicht-originäre Akt, den wir früher
als Einfühlung [>14] bezeichneten und näher beschrieben haben.
Setzen wir uns dagegen in der früher bei der Erinnerung beschriebenen
Weise an die Stelle des fremden
Ich, indem wir es verdrängen und uns mit seiner Situation umgeben,
so gelangen wir zu einem dieser
Situation »entsprechenden« SE13E3Erlebnis
und indem wir dann dem fremden Ich seine Stelle wieder
einräumen und ihm jenes SE13E4Erlebnis
zuschreiben, zu einem Wissen um sein SE13e1Erleben.
(Nach Adam
Smith ist dies die Art der Gegebenheit von fremdem
SE13e2Erleben.)
Dies Verfahren kann ergänzend
eintreten, wenn die Einfühlung versagt, ist aber nicht selbst
Erfahrung. Dieses Surrogat der
Einfühlung könnte man wohl den »Annahmen« zurechnen,
nicht aber – wie Meinong will – die
Einfühlung selbst.
Und soll Einfühlung den von uns streng definierten Sinn: Erfahrung
von fremdem Bewußtsein haben,
dann ist nur das nicht-originäre SE13E5Erlebnis,
das ein SE13E6originäres
bekundet, Einfühlung, das originäre aber wie das »angenommene«
nicht.
KO: "... »Vorstellung« zur »Wahrnehmung« (in
unserer Terminologie können wir dafür wohl sagen: jedes nichtoriginäre
..."
PA: Diese Stelle ist in der Printausgabe nicht findbar.
KO: "... das Erfüllen der implizierten Tendenzen darf mit dem Übergang
von nicht-originärem zu originärem Erleben
nicht verwechselt werden."
PA: "... das Erfüllen der implizierten Tendenzen darf mit dem
Übergang von SE12e9nicht-originärem
zu SE12e10originärem
Erleben ..."
: "Wir fragen also zunächst: was ist innere
Wahrnehmung? Scheler antwortet darauf: innere
Wahrnehmung ist nicht Selbstwahrnehmung
(wir können uns selbst – d. h. unsern Leib – auch
äußerlich wahrnehmen), sondern als Aktrichtung von äußerer
Wahrnehmung unterschieden; es ist
diejenige Art von Akten, in denen uns Seelisches zur Gegebenheit kommt.
Die Unterscheidung dieser
beiden Wahrnehmungsarten soll keine definitionsmäßige sein,
die sich auf die Verschiedenheit der in
beiden gegebenen Objekte stützt, sondern umgekehrt soll der Unterschied
von Physischem und
Psychischem nur faßbar sein durch die prinzipiell verschiedene
Art, wie sie zur Gegebenheit kommen.
Indessen scheint mir Schelers Kritik früherer Versuche, Psychisches
und Physisches durch
unterscheidende Merkmale voneinander abzugrenzen, nicht darzutun, daß
es sich allein um einen
Wesensunterschied der Gegebenheit handelt und nicht um eine Scheidung
von Objekten verschiedener
Seinsart, denen wesensgesetzlich eine verschiedene Art der Gegebenheit
korrespondiert.
In diesem Sinne könnten wir »innere
Wahrnehmung« als einen Titel bestimmt gearteter
Anschauungsakte hinnehmen (was näher darunter zu verstehen ist,
das soll uns sogleich beschäftigen),
ohne dadurch mit unserer Einfühlungslehre in Konflikt zu kommen.
Es könnten sich innerhalb jener
Gattung »innere Wahrnehmung«
die Akte differenzieren, in denen fremdes und in denen eigenes
Erleben zur Gegebenheit käme. Damit haben wir aber noch nicht
hinreichende Klarheit erlangt.
Was bedeutet jenes »eigen« und »fremd« in dem
Zusammenhang, in dem es Scheler gebraucht?
Macht man Ernst mit seiner Rede vom indifferenten Erlebnisstrom, so
ist nicht abzusehen, wie es
innerhalb seiner zu einer Differenzierung kommen soll. Jener Erlebnisstrom
selbst aber ist eine absolut
unvollziehbare Vorstellung; denn jedes Erlebnis ist nun einmal wesenhaft
Erlebnis eines Ich und auch
phänomenal gar nicht von ihm zu trennen. Nur weil Scheler kein
reines Ich kennt und unter »Ich«
immer »Individuum« d. h. eine qualitativ einzigartige Erlebnisstruktur
versteht, kann er von einem
Erleben sprechen, das vor der Konstitution der Iche liegt. Ein solches
ichloses Erleben aufzuzeigen,
gelingt ihm natürlich nicht. Alle Fälle, die er anführt,
setzen das eigene wie das fremde (reine) Ich
voraus und dienen keineswegs als Belege seiner Theorie. Sie ergeben
erst dann einen guten Sinn, wenn
man die phänomenale Sphäre verläßt. »Eigen«
und »fremd« heißt dann: verschiedenen Individuen
zugehörig, d. h. verschiedenen substantiellen, qualitativ ausgestalteten
seelischen Subjekten. Diese
Individuen und ihre Erlebnisse sollen in gleicher Weise der inneren
Wahrnehmung zugänglich sein. Ich
fühle nicht meine, sondern fremde Gefühle – das heißt
danach: die Gefühle sind aus dem fremden
Individuum, in mein Individuum eingedrungen. Ich finde mich ursprünglich
umgeben von einer Welt
seelischen Geschehens, d. h.: wie ich meinen Leib eingegliedert finde
in die Welt meiner äußeren
Erfahrung, auf dem Hintergrund der nach allen Seiten unendlich ausgedehnten
räumlichen Welt, so
findet sich mein seelisches Individuum eingegliedert in die Welt innerer
Erfahrung, eine unendliche
Welt seelischer Individuen und seelischen Lebens.
Alles das ist sicher unanfechtbar. Aber wir befinden uns hier auf einem
ganz andern Boden als in
unseren Betrachtungen. Diese ganze Welt innerer Wahrnehmung, unser
Individuum und alle anderen
haben wir ebenso wie die Außenwelt ausgeschaltet aus dem Felde
unserer Untersuchungen, sie gehören
nicht zur Sphäre absoluter Gegebenheit, dem reinen Bewußtsein,
sondern sind ihm transzendent. In
jener Sphäre aber hat das »Ich« eine andere Bedeutung,
es ist nichts als das im Erleben lebende Subjekt
des Erlebens.
So verstanden, wird die Frage, ob ein Erlebnis »meins«
oder das eines andern sei, sinnlos. Was ich
fühle – originär fühle – das fühle eben ich, gleichgültig,
welche Rolle dieses Gefühl in der Gesamtheit
meines individuellen Erlebens spielt und wie es entstanden ist (ob
durch Gefühlsanstekkung z. B. oder
nicht). Diese eigenen Erlebnisse – die reinen Erlebnisse des reinen
Ich – sind mir gegeben in der
Reflexion, der Rückwendung, in der das Ich vom Objekt sich abwendend
auf das Erleben dieses
Objekts hinblickt.
Was unterscheidet nun die Reflexion von der inneren
Wahrnehmung, genauer gesprochen von der
inneren Selbstwahrnehmung? Scheler versteht unter »Reflexion«
im Gegensatz zur inneren
Wahrnehmung, die die Erlebnisse
zu Gegenständen mache, ein Bewusstsein, dass die Akte in ihrem
lebendigen Vollzuge begleitet, ohne sie zu objektivieren. Ohne Zweifel
gibt es ein solches Bewusstsein:"
Entstehungs- oder Veröffentlichungsjahr
noch klären:
Suchen in der IP-GIPT,
z.B. mit Hilfe von "google": <suchbegriff>
site: www.sgipt.org
z.B. Inhaltsverzeichnis site: www.sgipt.org. |
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