Erleben und Erlebnis in Pawlik Psychologie des Bewusstseins: die Erforschung menschlichen Erlebens und Verhaltens
Originalrecherche von Rudolf Sponsel, Erlangen
Pawlik, Kurt (2017) 10 Psychologie des Bewusstseins: die Erforschung menschlichen Erlebens und Verhaltens. In (153-163) Bromm, Burkhart & Wolf, Jörn Henning (2017, Hrsg.) Von der Freiheit, Schmerz zu spüren. Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Hamburg Band 7. Berlin: de Gruyter. Kürzel Paw.
Zusammenfassung-Pawlik-2017: Pawlik gebraucht Erleben 17 mal (ohne Titel) und Erlebnis 2 mal. Erleben wird von ihm nicht näher erklärt, sondern als selbstverständlicher, nicht erklärungs- oder begründungsbedürftiger Grundbegriff gebraucht.
Titel Psychologie des Bewusstseins: die Erforschung menschlichen Erlebens und Verhaltens
153: "Gerne komme ich der Einladung der Herausgeber nach, diesen Band
mit einem Beitrag
aus psychologischer Perspektive abzurunden. Psychologische Schmerzforschung
zählt nicht zu meinen eigenen Forschungsschwerpunkten, und ich
will zum Einstieg
daher besser einen Punkt aus Burkhart Bromms eigenen Beitrag aufgreifen,
an dem
sich der wissenschaftstheoretische und methodische Zugang der Psychologie
als
empirischer Wissenschaft des menschlichen Geistes (will heißen:
mind, nicht spirit),
unseres bewussten PAWe1Erlebens2
und unseres Verhaltens beispielhaft herausarbeiten lässt.
So beginne ich mit Burkhart Bromms Frage, ob „subjektive Empfindungen,
die unser
Gehirn ... macht“ (Beitrag Bromm) einer Messung grundsätzlich
zugänglich sind: ..."
154: "Die von den so bestimmten Reizintensitäten S0, S1, S2, ...
Sn ausgelösten jeweiligen
Empfindungsstärken müssen dann eine subjektiv gleichabständige
Intervallskala
PAWe2erlebter2
Empfindungsstärke bilden.
Fechner (1860) prägte für solche Untersuchungen
des Zusammenhangs zwischen
physikalischen Reiz- und PAWe3erlebten2
Empfindungsgrößen die Bezeichnung Psycho-
physik, die sich für diesen Forschungszweig bis heute gehalten
hat. In der Herlei-
tung seiner Maßformel beschreitet er einen indirekten Weg zur
Messung von Erleb-
PAWE1nisgrößen1:
über die Ermittlung eben wahrnehmbarer (merklicher) Reizunterschiede.
Weiterentwicklungen in der neueren Psychophysik (in der ersten Hälfte
des letzten
Jahrhunderts; Stevens, 1957) eröffneten auch direkte Wege zur
Quantifizierung der
PAWe4erlebten2
Empfindungsstärke, so über die vergleichende Verhältnisskalierung
von
Empfindungsstärken (In welchem numerischen Verhältnis PAWe5erleben2
Sie die Stärke von
Reiz 1 zu der von Reiz 2?) oder die Verhältnisherstellung (Stellen
Sie Reiz 2 halb so laut
[hell, schwer, ...] ein wie Reiz 2) ..."
155: "... Direkter
Beobachtung durch Dritte ist menschliches Verhalten und Handeln allemal
zugäng-
lich, auch in seinen organismischen (physiologischen, neuronalen usw.)
Korrelaten,
unser bewusstes PAWe6Erleben2
allerdings nur über Mitteilungen, die eine Person darüber
von sich gibt (also wieder aus Verhalten), seien diese Mitteilungen
nun sprachlicher
oder nonverbaler Natur (wie Gesichtsausdruck, Körperhaltung usw.).
..."
155f: "Heute wissen wir, und die Beiträge
von Gerhard Roth und Burkhart Bromm sind
dafür Belege auf neuestem Forschungsstand, dass die angesprochene
methodolo-
gische Begrenzung auch keine systematische Erkenntnislücke lässt:
Unbeschadet
seiner unstreitigen neuropsychologischen und evolutionären Funktion,
in beiden
Kapiteln treffend beschrieben, ist unser bewusstes
PAWe7Erleben2
zwar hoch funktional,
aber in seinen Inhalten nur auf eine Teilmenge der im Gesamtgehirn
gleichzeitig [>156]
blaufenden neuronalen Prozesse gegründet, von denen viele bis
die meisten unbe-
wusst bleiben. Daher muss es gänzlich aussichtslos bleiben, auf
die unser Bewusst-
sein steuernden Prozesse aus dem bewussten PAWe8Erleben2
rückschließen zu wollen. So
war bereits lange vor der heute verfügbaren Methodologie in experimenteller
Psy-
chologie die Enge des Bewusstseins (Begrenzung in der möglichen
Zahl gleichzei-
tig im Bewusstsein präsenter Inhalte; Pauli, 1930) wohl erkannt,
nunmehr als Ein-
Kanal-Modell der Informationsverarbeitung (Prinz, 1992) viel studiert.
Dagegen steht
die hochgradig mehrkanalige, parallel-verarbeitende neuronale Prozessarchitektur
des Gehirns. Es mag Sigmund Freuds vielleicht einzige, absolut unbestreitbare
Ein-
sicht gewesen sein, dass der Großteil aller Prozesse, die unser
PAWe9Erleben2
und Handeln
steuern, unbewusst (begrifflich vielleicht besser: nicht bewusst) sind
(und meist
auch bleiben). Introspektion, wie auch immer eingeübt, kann keinen
ausschöpfen-
den Rückgriff auf diese Prozessarchitektur eröffnen. Was
freilich nicht ausschließt,
bewusstes PAWe10Erleben2
als Quelle heuristischer Intuition für hernach objektiv prüfbare
Hypothesen zu nutzen oder Form und Inhalt dieses PAWe11Erlebens2
mit dem Ziel zu studie-
ren, mentale Repräsentationen von uns und der Welt um uns aufzuschlüsseln:
was
wir über uns selbst und die Welt denken, welche Vorstellung wir
uns von uns selbst
und der Welt machen. Für die Analyse, wie unser Denken tatsächlich
strukturell
gebaut ist, wie es funktioniert, hat die Psychologie dagegen viel Mühe
aufgewandt,
besondere experimentelle Verfahren und Modelltests zu entwickeln (Tack,
2006), die
erfolgreich ohne Introspektion auskommen. Als Beispiel nenne ich nur
die Forschung
von J. A. Anderson und seiner Schule zum kognitiven Lernen und zu Prozessen
des
Verstehens (Anderson et al., 2004). Dagegen belegte schon die große
Literaturüber-
sicht von (Nisbett und Wilson, 1977), dass Selbstbeobachtung allein
wenig bis keinen
Zugang zu Prozessen und Merkmalen der eigenen mentalen Prozesse erschließt.
Und
nach H. A. Simon gilt dies beispielsweise auch für die Prozess-Struktur
des Kurzzeit-
gedächtnisses (Estes, 2000).
Ich kehre zurück zum Messproblem. Da Forschung
auch über Bewusstsein am
Ende auf Verhaltensdaten angewiesen ist (wie schon in den zwei Beispielen
aus
der Psychophysik), ist bewusstes PAWe12Erleben2
im Folgenden methodisch immer mitein-
geschlossen, wenn ich von „Verhalten“ spreche. In seiner Untersuchung
sieht man
sich nun vor mindestens fünf methodischen Problemen: Variationen
im Verhalten
können:
158: "Die Zeilen unterscheiden zehn wichtige Datenquellen für
die Erhebung von Variati-
onen in PAWe15Erleben2
und Verhalten, die ersten drei Spalten differenzieren deren Daten-
modalität: ob Verhalten als solches, ob psychophysiologische bzw.
neuropsycholo-
gische Korrelate von Verhalten oder allein mentale Repräsentationen
von Verhalten
erfasst werden (was/wie/warum wir meinen, uns so zu verhalten, das
zu PAWe16erleben2).
Die beiden folgenden Spalten geben zu jeder Datenquelle an, ob sie
allein laborge-
bunden („stationär“) oder auch im Feld („ambulant“), will heißen
im natürlichen
Lebensablauf und -umfeld von Probanden, erhoben werden kann. Die letzte
Spalte
differenziert Datenquellen nach ihrer Reaktionsobjektivität (probandenseitig
wil-
lentliche Beeinflussbarkeit)"
159: "Damit kann ich zu der von meinem Beitrag erwarteten „Abrundung“
in Hinblick
auf das Verhältnis zwischen Psychologie und Neurophysiologie kommen.
Burkhart
Bromm beschreibt zutreffend und unumstößlich, dass und wie
alles PAWe17Erleben2,
alles
Bewusstsein und Verhalten in seinem Prozessablauf voll gehirnabhängig
ist, es auf
der psychologischen, will heißen der PAWE2Erlebnis1-
und Verhaltens-Ebene nichts geben
kann, was nicht schon und zeitlich davor in Gehirnaktivität angelegt
und passiert ist. ..."
160: "In diesem Sinn ist auch Bewusstsein als ein Phänomen von
Emergenz zu verstehen,
nun auf der Sprach- und Datenebene unseres PAWe18Erlebens2
und Verhaltens (Bisiach, 1988;
Gadenne, 2004). So kann seine Besonderheit, Eigentümlichkeit und
Gesetzlichkeit
nicht eins zu eins aus der Hirnaktivität aufgeklärt werden,
die es zu 100 % physiolo-
gisch konstituiert, und es ist auf diese auch nicht erschöpfend
abbildbar."
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