Antipsychiatrie
Glossar, Dokumentation und Kritik der Kritiker
Was bedeutet Antipsychiatrie und wie ist sie zu bewerten?
von Rudolf Sponsel, Erlangen
Stichworte: Vorbemerkung
* Antipsychiatrie bei Glatzel*
Antipsychiatrie
bei Häfner * Antipsychiater
bei Payk* Antipsychiatrie
bei Peters * Arbors
Association * Basaglia-Reform
* Biologische
Psychiatrie * Cooper, D. * Demokratische
Psychiatrie * Diagnose * Dialektik
der Befreiuung, Zur Neuauflage * Elektro-Konvulsions-Therapie
(EKT) * Foucault, M. * Geistesbewegung,
antipsychiatrische * Gemeindespsychiatrie
* Gesetz Nr. 180 * Görz
* Hartung * Kingsley-Hall
* Kolb (1919)
*
Kollaboration mit der Macht
* Krankheitsbegriff * Laing,
Ronald D. * Non-restraint
(Kein Zwang) * Offene
Fürsorge (Kolb) * Philadelphia
Association * Psychiatrie, demokratische
* Psychiatriekritik Klassifikation
* Pychiatriekritische
Bewegung um 1880-1927 * Reise durch
den Wahnsinn * Scheff, Thomas J. *
Simon
(1905) * Sozialpsychiatrie
*
Szasz,
Thomas*
Triest * Umgang
mit dem ARAF Phänomen * Therapeutische
Gemeinschaft * Villa 21 *
Anhang: Neue
Entwicklungen in der Psychiatrie, Gesetz und Rechtsprechung, Literatur
und Links: Literatur Antipsychiatrie
und Umfeld * Literatur Psychiatriegeschichte
Gemälde von Charles-Louis
Mullet (um 1840-50) Pinel befreit psychisch Kranke 1793 von ihren Ketten.
Sekundär-Bildquelle
Wikipedia.
Kurz und bündig hat den Sachverhalt Heinz Häfner auf den Punkt gebracht. Wir zitieren daher aus Heinz Häfner (2000, S. 71-72)
«Antipsychiatrie»
[Seite 71:] Eine antipsychiatrische Bewegung der Nachkriegszeit, die
von sozialwissenschaftlichen Theorien der sozialen Stigmatisierung der
schwarzen Bevölkerung in den Vereinigten Staaten ausging, kam zu der
Überzeugung, die Schizophrenie sei ein Produkt sozialer Prozesse.
Allein die soziale Ablehnung abweichenden Verhaltens einer Person, dessen
Etikettierung als Krankheit, die nachfolgende gesellschaftliche Reaktion
der Ablehnung und Ausgrenzung der so Etikettierten aus der Gesellschaft
legen angeblich den Grund für die Krankheitskarriere. Die Internalisierung
dieser Ablehnung und die Akzeptanz der Krankenrolle durch die Betroffenen
selbst sollen das Verhalten schaffen, das der Erwartung der Gesellschaft
an die Krankheitskarriere der Betroffenen entspricht. Mit diesem Prozeß
der sozialen Etikettierung, der Ausgrenzung und mit der Verwaltung der
Ausgegrenzten durch «Agenten» der Gesellschaft sollten die
Berufe entstanden sein, die zur Diagnose (Etikettierung), zur Organisation
der Ausgrenzung (psychiatrische Versorgung) und zur Kontrolle der Ausgegrenzten
nötig sind (Szasz 1960, 1972, Scheff 1966, Foucault 1969). Der
in dieser Tradition denkende amerikanische Psychoanalytiker Thomas Szasz
(1960, 1972) erklärte konsequenterweise die Schizophrenie für
einen Mythos und die Psychiatrie für eine überflüssige,
durchwegs schädliche Disziplin. Nach seiner Überzeugung sind
die Psychiater wesentlich an der Erzeugung und der Verwaltung der Krankheit
im Auftrag der dominierenden Gesellschaftsordnung und im eigenen Interesse
beteiligt.
Positionen dieser Art sind naiv. Sowohl dieser sozialwissenschaftliche
Reduktionismus als auch sein extremer Gegenspieler, der biologische Reduktionismus,
verleugnen weite Bereiche menschlicher Wirklichkeit und medizinisch-biologischer
oder sozialwissenschaftlicher Forschung. Beide Reduktionismen ignorieren
die Tatsache, daß psychische Krankheit ein Sachverhalt ist, der sich
auf mehreren Seinsebenen abspielt und sich deshalb auch nur durch ebenenübergreifende
Erkenntnisse hinreichend verstehen läßt.
[Seite 72:] Die antipsychiatrische Bewegung genoß
lange breites Interesse bei mehr oder minder spekulativ begabten amerikanischen,
englischen, italienischen, französischen und deutschen Intellektuellen
und bei Politikern, die sich von der Schließung aller psychiatrischen
Einrichtungen eine Kostenreduktion im Gesundheitswesen erhofften.
Inzwischen ist die antipsychiatrische Bewegung von den Realitäten
der Krankheit und von der Not der Kranken eingeholt worden, letzlich wegen
ihres Unvermögens, den Kranken und ihren Angehörigen die
notwendige Behandlung und Hilfe zu gewähren."
|
Antipsychiatrie
bei Peters
Peters, Uwe Hendrik (1990).
Wörterbuch der Psychiatrie und medizinischen Psychologie. München:
Urban & Schwarzenberg. Den Hinweis verdanke ich Roland Hartig ("Lichtblick")
Antipsychiatrie (f). 1. Durch R. Laing und D. Cooper ca. 1960
begründete Bewegung, die sich in erster Linie gegen die somatische
Ursachentheorie der -> Schizophrenie in der klassichen Psychiatrie wendet
und daraus Folgerungen ableitet. Der Beginn ist mit Laings Buch "Divided
Self" (1959, dt. "Das geteilte Selbst", 1972) anzusetzen. Schizophrenie
gibt es nicht. Was so heißt, ist eine Auswirkung von Gesellschaft
und Familie. (-> Doppelbindung) zur Beherrschung eines Individuums. Eine
Behandlung ist somit nicht möglich oder nötig. Es genügt,
Institutionen zu schaffen, in denen den "Kranken" Gelegenheit gegeben wird,
ihre -> Reise durch den Wahnsinn zu tun. Die erste eigens zu diesem Zweck
gegründete Anstalt war -> Kingsley Hall.
2. Der sich ebenfalls gegen die vorhandenen psychiatrischen Krankenhäuser
wendende Antiinstitutionalismus -> Basaglias, der in die demokratische
Psychiatrie (s. d.) ausmündet. -> Gesetz 180.
Ein echtes Interesse an einer Auseinandersetzung mit den wissenschaftlichen Grundpositionen der Psychiatrie - beispielsweise bezüglich Pathogenese, Epidemiologie und Verlauf psychischer Erkrankungen - war seitens der antipsychiatrischen Vertreter nicht erkennbar. Überhaupt wurde die Vielfältigkeit der Erkrankungen nicht wahrgenommen, das Spektrum der Krankheitskonzepte nirgends diskutiert. Ihre Angriffe und Diskreditierung der traditionellen Psychiatrie waren bestimmt durch ideologische Absichten, die auch den Missbrauch psychisch Kranker zu politischen Zwecken einkalkulierte."
Hinweis: Das Buch wird bei Gelegenheit noch einmal insgesamt im
allgemeinen Rahmen Psychopathologie vorgestellt.
Braun, Ute & Hergrüter, Evelin (1980, S. 87f ). Zunächst eine Vorbemerkung zu den zwei gemeinnützigen Vereinen, die gebildet wurden:
"Arbours Association und Philadelphia Association
Innerhalb des "network" bildeten sich zwei gemeinnützige Vereine,
1965 die Philadelphia Association, der Laing u. a. angehören, 1970
durch Berke, Schatzman u. a. die Arbours Association. Beide Gesellschaften
hatten sich zum Ziel gesetzt:
(Selbstdarstellung der Philadelphia Association, Bestärkt durch
die Erfahrungen in "Kingsley Hall" wurde durch den Aufbau von Wohngemeinschaften
eine Alternative zur stationären Behandlung von Patienten geschaffen.
Inzwischen bestehen unter der Trägerschaft der Philadelphia Association
acht Wohngemeinschaften, unter der Trägerschaft der Arbours Association
vier und ein Krisenzentrum. Alle Einrichtungen sind über ganz London
verstreut.
Warum sich die englischen Antipsychiater in zwei
Gesellschaften organisiert haben, scheint uns indirekt aus der Theorie
und der heutigen Arbeit der Philadelphia und der Arbours Association erschließbar
zu sein, von ihnen selbst ist keine Begründung dafür zu erfahren.
(FN20)"
"Arbours Association
Die grundsätzlichen Zielvorstellungen der Mitglieder der Philadelphia
Association gelten, wie gesagt, auch für die Mitglieder der Arbours
Association. Auch sie sind der Meinung, daß psychiatrische Etikettierung
verhindert, und wer schon etikettiert ist, vor weiteren Folgen geschützt
werden muß. Was in der traditionellen Psychiatrie als "akute Psychose"
bezeichnet wird, wird von den Therapeuten der Arbours Association hauptsächlich
interpretiert als Akt der Verweigerung einer Person, bestimmten Rollenerwartungen
von Verwandten und Freunden zu entsprechen. "Ein solches Ereignis als Krankheit
zu definieren, heißt zu verleugnen, daß es ein Ruf nach Freiheit
sein könnte. " (Selbstdarstellung S. 3)
Wir sehen, auch sie betonen die Möglichkeit,
daß Psychose als Weg zur Freiheit (im existentialistischen Sinn)
angesehen [>87] werden kann. Allerdings beschränken sie ihren Befreiungsgedanken
im wesentlichen auf das einzelne Individuum, dem eine Alternative zur klassisch-psychiatrischen
Behandlung geboten werden soll. Die Arbeit der Arbours Association zeigt
sich als Versuch, alternative Lebensformen für psychiatrische Patienten
oder mit Etikettierung bedrohter Personen zu finden, psychotische Zustände
(auch hier häufig als "innere Reise" bezeichnet) erscheinen nicht
generell für alle Gesellschaftsmitglieder als anstrebenswert, d. h.
der Psychotiker wird nicht per se zum potentiellen Gesellschaftsveränderer.
Auch die Therapeuten der Arbours Association verweigern
das Erstellen von Diagnosen, negieren aber nicht ihren Status als prinzipiell
unterschiedlich vom Status, den die Patienten haben."
Es folgt eine Beschreibung der therapeutischen Wohngemeinschaften.
Sodann wrden Ziel und Zweck erläutert:
"Unter Anleitung von therapeutisch geschultem Personal soll den Wohngemeinschaftsmitgliedern
die Möglichkeit gegeben werden, sich individuell weiterzuentwickeln
und die Fähigkeit zu sozialem Leben, d. h. Leben mit anderen, wieder
zu gewinnen. Der existentialistische Hintergrund, der sich vornehmlich
in der starken Betonung der individuellen Freiheit äußert, läßt
auch in diesem Konzept die Reintegration der Individuen in die Gesellschaft
zum sekundären Ziel werden. Bestimmend ist auch hier der Lebensplan
des einzelnen, welche Konsequenzen für die Lebensweise des Individuums
dieser auch immer haben mag."
Therapieziel soziale Anpassung unter Berücksichtigung individueller
Weiterentwicklung
"Unter Anleitung von therapeutisch geschultem Personal soll den Wohngemeinschaftsmitgliedern die Möglichkeit gegeben werden, sich individuell weiterzuentwickeln und die Fähigkeit zu sozialem Leben, d.h. Leben mit anderen, wieder zu gewinnen." |
Betrachten wir das Therapieziel, so hört sich das sehr konservativ an: sofern es von außen - hier antipsychiatrisch - vorgegeben wird, ist es problematisch, weil Therapieziele einvernehmlich im therapeutischen Dialog gewonnen werden müssen und bei Auferlegen im Prinzip einen Kunstfehler (ideologisches Abstinenzgebot) bedeuten können. Ingesamt kann ich an dieser Stelle - Therapieziel - keinen grundlegenden Unterschied zur traditionellen Psychiatrie erkennen, eher einen der Mittel und Methoden.
Basgalia, Franco (dt. 1971, ital. 1968, Hrsg). Die negierte Institution
oder Die Gemeinschaft der Ausgeschlossenen. Ein Experiment der psychiatrischen
Klinik in Görz. Frankfurt: Suhrkamp.
Aus dem "Nachwort zur deutschen Ausgabe [RS: 1971, 3.A. 1980]
"Die Verfasser des vorliegenden Buches - Arzte, ein
Soziologe, eine Psychologin, Therapeuten, Pfleger, Krankenschwestern und
Patienten - versuchen zu zeigen, daß und wie die psychiatrische Institution
das Leben der ihr anvertrauten Kranken nicht etwa betreut und sich sinnvoll
entfalten läßt, sondern bis zur totalen Zerstörung jedes
autonomen Lebensnervs verwaltet und manipuliert. Die Gewalt, die die Institution
unmittelbar und kaum verhüllt am psychisch kranken Menschen ausübt,
wird hier gesellschaftskritisch und politisch bis in ihre letzten Konsequenzen
analysiert und freigelegt. Aber der Leser kann sich nach der Lektüre
der schonungslos-nüchternen »Röntgenaufnahme« von
den Autoren des Buches keine beruhigende Lösung für das Problem
der Geisteskrankheit in unserer Gesellschaft erhoffen; denn nicht die Aktion
einer kleinen Equipe führt zu seiner Lösung! Basaglia und seinen
Mitarbeitern kam es darauf an, uns, den »Außenstehenden«,
den Blick für eine Problematik zu öffnen und zu schärfen,
die keineswegs nur den Spezialisten betrifft, sondern in die wir alle gleichermaßen
verstrickt sind, während wir nur allzugern dazu neigen, in passiver
Indifferenz jene unbehagliche Wirklichkeit konstant aus unserem Bewußtsein
zu verdrängen. Es geht in diesem Buch also nicht nur um die Arzt-
Patient- Beziehung, auch nicht um die bloße Feststellung der Statuslosigkeit
des psychisch Kranken in unseren Anstalten, sondern es geht auch und vor
allem um uns, die »Gesunden«; wir, die systemtragende Gesellschaft
der Gesunden, werden hier angesprochen und sollen in Unruhe versetzt werden.
Denn auch die noch so perfekt funktionierende Institution ist und bleibt
eine sterile Insel der Unerwünschten, solange dem psychisch Kranken
das Etikett der Bedrohung und Belastung und des Skandals anhaftet.
Das Görzer Experiment war und ist die Aktion
einer Avantgarde, die in der praktischen psychiatrischen Krankenversorgung
nach einer akzeptablen, menschenwürdigen Ausrichtung suchte. Mit ihren
Erfolgen und Mißerfolgen im Verlauf einer siebenjährigen Arbeit
(1961-1968) geht sie kritisch mit sich selbst und dem Leser ins Gericht.
Die Aktion beginnt und endet mit der Bloßstellung und Ablehnung der
traditionellen Verwaltungs- [>373] und Versorgungsmodelle des psychisch
kranken Bürgers in der für ihn vorgesehenen Institution: der
Anstalt. Ja, die Definition der Geisteskrankheit selbst wird einer radikalen
Kritik unterzogen; ihre Verbindlichkeit wird in Frage gestellt. Das Ziel
war die Zerstörung der Internierungsideologie, war der Versuch, für
den psychisch Kranken einen Lebensraum zu schaffen, in dem er sein von
der Institution zertretenes Selbstverständnis, seinen von der Institution
mitverschuldeten Identitätsverlust, seine nicht nur krankheitsbedingte
Verdinglichung erkennen kann, um sich seiner selbst wieder bewußt
zu werden, um seine innere Freiheit zurückzugewinnen. Diese bleibt
allerdings solange eine Mystifikation, wie er eben auf die Verbindung zur
Außenwelt verzichten muß. Ein maximal freiheitlich organisierter
Lebensraum wird ihn nie über diesen Verzicht hinwegtäuschen können,
auch wenn er sich als eine Einrichtung vorstellt, wie sie heute in Götz
existiert, wo Arzte und Kranke gemeinsam eine Therapiegemeinschaft gebildet
haben, die in ihrer Art einzig dasteht.
Basaglia und sein Team versuchen - in einem zweiten
Arbeitsstadium - die Gründe für Vorurteil, Angst und Ablehnung
der Angehörigen gegenüber ihrem geistesgestörten Familienmitglied,
der Gesellschaft gegenüber ihrem psychisch kranken Mitbürger
herauszuarbeiten und ihre Verwurzelung in dem normativen Charakter der
von der gesunden Gesellschaft festgelegten »Ordnung« zu begreifen
und dann zu zerstören. Wer der Norm nicht entspricht, wird ausgegrenzt,
ja muß aus dem Wirtschaftsprozeß eliminiert werden, denn in
unserer, auf das Leistungsprinzip ausgerichteten spätkapitalistischen
Gesellschaftsform kann der krankheitsbedingte Nonkonformist das mühsam
bewahrte Gleichgewicht des Systems folgenschwer ins Schwanken bringen.
Die Ausgrenzung des kranken Mitbürgers geschieht
jedoch heute nicht mehr als unverblümte Strafmaßnahme gegen
sein Anderssein; der Kranke wird mit seinem Eintritt nicht mehr ein für
allemal »abgeschrieben«, aufgegeben. Er wird - terminologisch
- nicht mehr ins Irrenhaus gesperrt, sondern findet Aufnahme in hier und
da bereits modern eingerichteten psychiatrischen Anstalten, in denen der
Versuch, ihn für die Gesellschaft wieder nutzbar zu machen, ihn mit
allen möglichen technischen Mitteln zu reintegrieren, erfolgversprechend
aussieht. Doch muß sich der Patient dazu bedingungslos zur Verfügung
stellen, muß widerspruchslos »mitmachen«. Er hat sich
reibungslos einzufügen, die [>374] Repressions- und Zwangsmechanismen
der Institution, die Eingriffe in seine persönliche Freiheit, ja den
allmählichen Prozeß seiner Verdinglichung protestlos zu akzeptieren.
Er verliert seine staatsbürgerlichen Rechte, als ob seine Krankheit,
die die ärztliche Wissenschaft bisher nur symptomatisch recht zu erfassen
weiß, den Ausschlag für seine Entmündigung als Staatsbürger
gäbe.
Nichts Wesentliches, Grundsätzliches hat sich
also geändert, wenn der funktionsunfähig gewordene Bürger
in die für ihn vorgesehene Institution abgeschoben wird, mag er sich
auch zuweilen der Illusion hingeben, die an ihm verübte psychische
Manipulation sei weniger gravierend als der früher an ihm unverhüllt
ausgeübte physische Zwang. Früher sah er den Wärter im gefürchteten
weißen Kittel drohend mit dem Schlüsselbund rasseln; heute klopft
ihm derselbe Wärter hemdsärmelig und jovial auf die Schulter.
Die nächtliche Beruhigungsspritze tut ihm heute - als verzuckerte
Pille dem Tee beigemischt - nicht mehr weh. Zweifellos haben die Psychopharmaka
eine positive Wirkung auf das Symptom, keinesfalls jedoch auf die Ursache
der Krankheit.
Basaglia und seine Mitarbeiter versuchten, am Beispiel
der psychiatrischen Anstalt in Görz ein neues Verhältnis zwischen
Arzt (bzw. Pfleger) und Patient, zwischen gesundem und krankem Individuum
zu finden und zu praktizieren. Es gelang ihnen, eine Wirklichkeit zu schaffen,
in der die Wechselseitigkeit der Beziehungen, die Gemeinschaftlichkeit
des täglichen Daseins und die Reaktivierung der Individualsphäre
der Patienten zur Richtschnur wurden. Das Personal erlebte eine erhöhte
Arbeitsbefriedigung; die Kranken entdeckten zum erstenmal eine gewisse
Lebensbefriedigung. Geschlossene Abteilungen, Zwangsmieder und Streckbetten
erwiesen sich als überflüssig. Man versuchte, dem Kranken das
Gefühl für Verantwortung zurückzugeben und in ihm den Willen
und das Bedürfnis zu wecken, Verantwortung sich selbst und den anderen
gegenüber zu übernehmen. Aber dazu mußte er sich zunächst
seines Menschseins neu bewußt werden und sich mit der Motivation
seiner Etiilierung, seines Ausschlusses aus der Gesellschaft auseinandersetzen.
Er durfte sich nicht mehr mit der alternativen Verhaltensweise seiner gesunden
Mitbürger: Angst oder passives Mitleid abfinden, sondern mußte
selbst bis zu den Strukturen vordringen, die eine solche Ver-[>375] haltensweise
determinieren, d. h. die Beschaffenheit unseres Ge-
sellschaftssystems hinterfragen."
Cooper, David (dt. 1969, engl. 1968, Hrsg.) Dialektik der Befreiung. Reinbek: Rowohlt.
"Vorwort
Giovanni Jervis
Rückblick auf einen Kongreß
Unter dem Titel «Dialectics of Liberation»
fand vom 15. bis 30. Juli 1967 in London ein Kongreß statt, der in
vieler Hinsicht außergewöhnlich war; Als offizielle Redner nahmen
teil: Herbert Marcuse, Paul Swee-zy, Lucien Goldman, Stokeley Carmichael,
John Gerassi, Paul Goodman, Jules Henry, Gregory Bateson, Ross Speck, Gajo
Petrovic, Igor Hajek sowie die beiden Londoner Psychiater Ronald Laing
und David Gooper, die sich vor allem durch ihre Initiative für den
Kongreß und seine Organisation verdient machten. Andere Persönlichkeiten
fielen im Verlauf der beiden Arbeitswochen nicht als offizielle Redner,·sondern
durch andere Anlässe auf: unter ihnen vor allem Allen Ginsberg.
Die Protokolle der offiziellen Vorträge, von
denen im folgenden einige zu lesen sein werden, deuten auf eine gewisse
Geschlossenheit der Grundtendenzen des Kongresses hin; aber dieses Bild
täuscht. Auch geht aus den Berichten nicht der eigentlich positive
Aspekt der Tagung hervor: Konfrontation zwischen den Rednern untereinander,
zwischen den Rednern und den übrigen Tagungsteilnehmern und innerhalb
des «Publikums», das den Kongreß besuchte.
Bereits das Thema des Londoner Treffens, so generell
es zweifellos klingt, wurde auf verschiedene Weise verstanden oder auch
mißverstanden; die auf der Tagung geleistete Arbeit erreichte nicht
einmal die Ebene eines gemeinsamen Vokabulars. Dennoch kann man nicht von
einem Mißerfolg sprechen: aus den diskutierten Problemen und dem
Zusammenprall der Meinungen ergaben sich Themen von größtem
Interesse.
Das Programm wie die Wahl der Redner verriet den
ambitiösen Versuch, eine Reihe von Problem-Bezügen herzustellen,
vielleicht sogar eine gemeinsame Sprache für die revolutionären
politische Forderungen sowie für Möglichkeiten der Kulturkritik
zu finden. Das zur Diskussion gestellte Problem hätte das der Bewußtwerdung
sein können; und der Punkt, auf den es ankam, hätte die Manipulation
der Information, des Denkens, Fühlens und Handelns durch die kapitalistischen
Machthaber in den «überreifen» bürgerlichen Systemen
sein können.
Das hätte es sein können, aber das war
es im Grunde nicht. Das Problem wurde entschieden reaktionärer behandelt;
die intellektuelle Kritik wurde schließlich zum Selbstzweck, ein
Intellektualismus von «Technikern», die sich zu dem absonderlichen
Zweck zusammengefunden hatten, darüber zu diskutieren, wie die Welt
zu verbessern sei. Das Memorandum, das der Presse bei Beginn der Tagung
übergeben wurde, war [>8] bemüht, die öffentliche Meinung
zu beruhigen, und enthüllte damit die ganze Unsicherheit der Prämisse:
«Die Absicht dieses Kongresses ist es, die
Summe von Spezialkenntnissen, die zur Zeit auf isolierte Arbeitsgruppen
in den «humanistischen» Wissenschaften (Anthropologie, Soziologie,
Psychiatrie, Psychoanalyse, Wirtschaftswissenschaften, sowie den einzelnen
«Kunstgattungen» verteilt sind, auf weltweiter Basis entwicklungsfähig
und anwendbar zü ; machen. Indem wir alle diese Forschungen auf die
Probleme der Armut und des Krieges konzentrieren, hoffen wir, die verschiedenen
Einsichten 1 in die menschlichen Probleme auf internationaler Basis wirksam
zusammenzufassen, um der Regierungspolitik aller Nationen zu helfen und,
wenn nötig, sie zu beeinflussen,» Und ein Plakat begann mit
folgender ; programmatischer Erklärung: «Eine außergewöhnliche
Versammlung zur Entmystifizierung der menschlichen Gewalt in allen ihren
Formen sowie der gesellschaftlichen Systeme, denen sie entspringt...»"
Zur Neuauflage Dialektik der Befreiung:
Buchpräsentation im Sigmund Freud Museum (22.11.2017) [https://www.youtube.com/watch?v=XdzfiGQBGL0]
Aus dem Video:
"Als "Vorspiel" der Literatur im Herbst - "Dialektik der Befreiung"
wurde am 22.11.2017 die neu aufgelegte Buchdokumentation des gleichnamigen
Kongresses von 1967 "Dialektik der Befreiung" präsentiert. Im Sigmund
Freud Museum in Wien sprach Daniela Finzi mit Rainer Danzinger und Philipp
Katsinas. Begrüßung: Walter Famler (Generalsekretär Alte
Schmiede) Die diesjährige Literatur im Herbst trug den Titel "Dialektik
der Befreiung" und knüpfte damit programmatisch an den gleichnamigen
Kongress an, den die Antipsychiater Ronald D. Laing und David Cooper 1967
in London organisiert haben. Themen, die damals und heute bewegt haben
und bewegen, sind unter anderem: Freiheit und Kontrolle, Entmystifizierung
der menschlichen Gewalt in allen ihren Formen sowie der Systeme, denen
sie entspringt. Aspekte des Imperialismus, die versagende Wohlstandsgesellschaft.
Diskreditierung von gesellschaftlichen Alternativen, Ausbeutungsmechanismen
im digitalisierten Kapitalismus, Populismus und neuer Faschismus, Ästhetisierung
und Digitalisierung aller Lebenszusammenhänge. Befreiung von der Überflussgesellschaft
und Alternativen zur Akzeptanz von Furcht und Unsicherheit. Verdinglichung
des Menschen. Macht und Widerstand bei intensivierter Reproduktion von
Ungleichheit. Der virtuelle Staat. Repressive Toleranz. Kritik und Affirmation.
Idiotie und Intellekt, Kolonialisierung der Fantasie, Macht und Ohnmacht.
Die Liste ließe sich fortsetzen."
Aus: Smythies, John, R. (dt. 1970, engl. 1968). Biologische
Psychiatrie. München: dtv. S. 1
"Schizophrenie: Genetische und psychosoziale Faktoren Von N. KREITMAN und J. R. SMYTHIES Einführung Die letzten zehn Jahre haben unsere Kenntnisse über die Ätiologie der Schizophrenie erheblich erweitert. Früher schien das Gebiet voll von sich widersprechenden und antagonistischen Hypothesen zu sein. Die „biologische Schule" suchte mittels der Erblehre und auf Grund biochemischer Störungen nach Ursachen; die „psychologische Schule" baute auf psychoanalytischen Erklärungen, Lehrmeinungen, die „interfamiliären Wechselwirkungen" auf, und die „sozialkulturellen Schulen" verwendeten viele Begriffe, die aus der Soziologie, der sozialen Psychologie, besonders aus der kleinen Gruppentheorie und der kulturellen Anthropologie entnommen waren. Jetzt hat sich aber gezeigt, daß es ein Fehler ist, von irgendeiner dieser Theorien anzunehmen, sie könne die einzige Erklärung für die Schizophrenie liefern. Diese Zugangswege sind keineswegs antagonistisch, sondern ergänzen sich. Wie bei so vielen anderen Krankheiten sind auch die „Ursachen" der Schizophrenie vielfältig. Theoretiker, die sonst sehr nüchtern denken, neigen dazu, alle Erscheinungen mit ihrer Theorie allein zu erklären. Die nüchterne Klarheit der großen Theorien klassischer Physik hat als Modell für spätere Theorien in der Psychologie und Psychiatrie gedient. Der ästhetische Impuls gibt den Theoretikern die nötige Energie und Begeisterung; dies ist im Anfang, wenn jeder Zusammenhang im Sinn seiner eigenen Grenzen entwickelt werden muß, von Nutzen. Später kommt man aber zu der Erkenntnis, daß Theorien auf dem gesamten Gebiet menschlicher Krankheiten, insbesondere der psychischen Krankheiten, alles Verhalten nach eigenem System weder erklären können noch dürfen. In der Tat gewinnt eine Theorie in der Psychiatrie an Boden, wenn bewiesen werden kann, wieweit ihre eigene Berechnung mit anderen in Einklang gebracht werden kann, die auf ganz anderen wissenschaftlichen Gebieten angestellt wurden. Jedes menschliche Wesen kann möglicherweise eine Schizophrenie bekommen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad wird durch besondere Faktoren vermehrt und durch andere verringert. Es gibt also nicht nur eine Ursache für die Schizophrenie, sondern es verhält sich so, daß mehrere Faktoren, die sich in komplizierter Weise gegenseitig beeinflussen, die Wahrscheinlichkeit zur Entwicklung der Krankheit bestimmen." |
Siehe auch:
Die Elektro-Konvulsions-Therapie wurde im Jahre 1938 von den Italienern
Cerletti und Bini durch einen von ihnen konstruierten Apparat eingeführt.
Eine erste ältere und historische Monographie, stammt von Von
Beyer (1950). Eine umfassende Kritik wurde von Breggin
(dt. 1980) vorgelegt. Obwohl das Buch von Scientology
empfohlen und einseitig für ihre ARAF-Kritik mißbraucht wird,
ist es ein wichtiges Buch, das zahlreiche kritische empirische Befunde
zusammenträgt und zu dem Ergebnis gelangt, die Elektro-Konvulsions-Therapie
gänzlich abzulehnen. Klaus Dörner hierzu im deutschen Vorwort:
"Vor kurzem erzählte
mir ein psychoanalytisch orientierter Psychiater, dessen Engagement für
mich Vorbild ist: 'Wir hatten bei uns einen Mann, der sich monatelang mit
einer schweren Depression herumgequält hat. Alle Versuche von uns
und von ihm waren vergeblich. Seine Verzweiflung war nicht mitanzusehen.
Wir haben die Möglichkeit einer EKT erwogen, aber aus grundsätzlichen
Erwägungen verworfen. Der Mann hat sich endlich umgebracht. Jetzt
quäle ich mich mit dem Gedanken herum, daß er noch gut am Leben
sein und zumindest von seinen Symptomen entlastet sein könnte, hätten
wir die EKT zugelassen.' Seine Gewissensqual ist auch die meine und die
vieler anderer." (S. 7/8). Dörner empfiehlt ergänzend zu lesen
Max
Fink (1979).
Das Verhältnis der EKT
Anwendungen in den USA in privaten Einrichtungen gegenüber staatlichen
Einrichtungen betrug 20:1 nach Breggin. Für 1975 schätzte
die NIMH Studie 60-100.000 EKT-Anwendungen pro Jahr. Bregging äußert
sich am Ende seines Werkes mit zwei wichtigen Empfehlungen:
"Kriterien für
die Einwilligungserklärung [nach Breggin 1980, S. 249]:
Wenn sich ein Patient zur Behandlung mit EKT entschließt, sollte
er über die folgenden sechs Punkte informiert werden und sollte diese
Punkte wirklich verstehen:
Insgesamt spricht sich Breggin (USA) gegen eine weitere Behandlung
durch Elektro-Konvulsions-Therapie aus:
"Empfehlungen [nach Breggin, dt. 1980, S. 251/52]
Eine neuere deutsche Bewertung der Elektro-Konvulsions-Behandlung
Eine neuere deutsche Bewertung wurde von Jörg Walden vorgelegt (1999, S.126): "Elektrokonvulsionstherapie (EKT). Schon in den 30er Jahren hatte sich gezeigt, daß die Auslösung epileptischer Anfälle bei Patienten mit psychischen Erkrankungen - vor allem bei Schizophrenien und schweren Depressionen - symptomverbessernde Wirkungen entfalten kann. Während anfänglich die Auslösung epileptischer Aktivität mit Hilfe von Pharmaka erfolgte (Pentylentetrazol, Kamphcr), wurde später die elektrische Reizung des Zentralnervensystems durchgeführt. Dieses Therapieverfahren wird Eletrolconvulsionstherapie (EKT) genannt. Während die EKT nach Ergebnissen wissenschaftlicher Studien gute Ergebnisse zeigt, ist die Anwendung in Deutschland in den Hintergrund getreten, da in der öffentlichen Meinung häufig ethische Aspekte vorgebracht werden (Elektroschocktherapie). Trotz einer guten antidepressiven Wirksamkeit der EKT bleibt dieses Verfahren heute für Patienten mit therapieresistenten affektiven Störungen vorbehalten. Insbesondere gilt die EKT als Mittel der Wahl bei der therapieresistenten wahnhaften Depression, bei der Psychopharmaka nur in 30-50 % erfolgreich antidepressiv wirksam sind, während die EKT eine Responderrate von bis zu 90 % erreicht. Mittel der Wahl ist die EKT auch für die heute selten auftretenden febrilen Katatonien. Die EKT wird unter Anästhesie und pharma kologischer muskulärer Relaxation vorgenommen. Das Nebenwirkungsspektrum der EKT umfaßt das allgemeine Narkoserisiko und passagere Gedächtnisstörungen. Um diese zu reduzieren, werden in den meisten Fällen die Elektroden unilateral an der nichtdominanten Hemisphäre plaziert. Es hat sich gezeigt, daß für einen antidepressiven Effekt epileptische Anfälle von mindestens 25 Sekunden Dauer erforderlich sind. In der Regel werden bei einem Patienten zwei bis drei Behandlungen pro Woche (insgesamt 6-12 Behandlungen) durchgeführt, wobei zur Reduktion der Nebenwirkungen ein behandlungsfreies Intervall von zwei Tagen eingehalten wird.Die EKT wird unter Anästhesie und pharma Die Elektrokonvulsionstherapie ist ein effektives Behandlungsverfahren insbesondere bei sonst therapierefraktären Depressionen, bei wahnhaften Depressionen und katatonen Schizophrenien."
In dieser Aufzählung fehlen allerdings einige Vorläufer
und Mitgestalter, u. a.:
Italienische Psychiatrie-Reform: Gesetz Nr. 180/1978, “Basaglia”, 4 Ziele (nach):
Vorgeschichte des
Gesetzes 180 nach Hartung (1980, S. 163f)
Erste institutionelle antipsychiatrische Gemeinschaft (1965-1970) nach den Vorstellungen von R. D. Laing ("The Politics of Experiences", dt. Phänomenologie der Erfahrung). Ein dreistöckiges Gebäude am East End von London. Das folgende Zitat wurde Braun & Hergrüter (1980, S. 84f) entnommen.
"7.2. "Kingsley-Hall" - ein englisch-antipsychiatrisches Projekt einer außerinstitutionellen Gemeinschaft
Die Erfahrungen in psychiatrischen Institutionen
und das Gesellschaftsverständnis der englischen Antipsychiater führte
diese notwendig zum Versuch, eine außerinstitutionelle Form der [>85]
therapeutischen Gemeinschaft zu finden, in der die Reorganisation des Selbst
von Patienten und mit psychiatrischer Etikettierung bedrohter Personen
möglich sein sollte. Aus der Kritik an der traditionellen psychiatrischen
Praxis, auch an der therapeutischen Gemeinschaft irrt Sinne Jories und
unterstützt von den Erfahrungen in "Villa 21''
wurde 1965 die therapeutische Wohngemeinschaft "Kingsley-Hall" aufgebaut.
Sie war Teil eines "network", in dem sich Vertreter verschiedener sozialer
Berufe und Interessierte an der Veränderung der Situation psychisch
Kranker zusammengefunden hatten.
Redler, ein amerikanischer Psychiater, der in "Kingsley-Hall"
lebte, beschreibt:
"Die Absicht war, daß Mitglieder der Philadelphia Association
zusammenlebten und andere nach und nach einziehen zu lassen... Unter jenen,
die dann dort lebten, waren Leute, die früher als schizophren diagnostiziert
und in die Nervenklinik eingewiesen worden waren und andere, die so diagnostiziert
worden wären, wenn sie sich der Mehrzahl der Psychiater vorgestellt
hätten. Sie hatten abgelehnt, psychiatrische Patienten zu sein...
Leute kamen auf verschiedenen Wegen. Am häufigsten
war es durch Laings Bücher . . ."
und weiter über die Beziehungsstruktur zwischen Therapeuten und Patienten und die Organisationsform der Wohngemeinschaft:
"Es gab keine feste Autoritätshierarchie oder Personal-Patienten-Zweiteilung. Was genau die Verantwortungs- und Entscheidungsbereiche der Mitglieder der Philadelphia Association waren, war normalerweise nicht klar, starr definiert oder abgegrenzt. Es schien ihre Absicht zu sein, die Verantwortung fürs tägliche Leben den Bewohnern, einschließlich ihrer selbst, zu lassen, aber das Recht zu intervenieren, für sich zu reservieren, wenn sie fühlten, daß eine Gefahr für die Gesundheit eines oder mehrerer Bewohner bestand ... oder Kontakte mit Londoner Gemeindeverwaltungen und medizinischen Behörden notwendig waren. Es bestand ein hoher Grad an Mehrdeutigkeit hinsichtlich dieser Fragen. Die Mitglieder der Philadelphia Association ... waren in einer neuen Situation, tasteten sich durch und waren sich oft uneins darüber, was geschah oder wenn, wie ... den Lauf der Ereignisse zu beeinflussen... Es war eine fließende, sich verändernde und manchmal schmerzend chaotische Situation. Du lerntest dort etwas über Chaos, dein eigenes und das von anderen."
Die radikale Antipsychiatrie leugnet die klinischen Bilder als Krankheiten
und begreift sie als soziale Krisen, Ausdruck gesellschaftlicher Konflikte,
als Selbstheilungsversuch oder gar als schöpferischen Prozeß
einer Seherin. Zum Krankheitsbegriff zunächst einige Links.
In Arbeit: Die Antipsychiatrie
Ronald
D. Laings in seinen Schriften
Das geteilte Selbst, Das Selbst und die
anderen, Phänomenologie der Erfahrung
Siehe auch Arbors Association, Kingsley
Hall, Philadelphia Association,
Reise
durch den Wahnsinn,
Es folgte John Conolly (1794-1866) mit der Einführung des nun so genannten Non-restraint-System im größten Irrenhaus (ca. 1000 Insassen) in Middlesex in Hanwell: Abschaffung von Zwangsmitteln durch Prinzipien von Geduld, Gerechtigkeit und Güte. [Panse S.32]
Panse führt weiter aus: "Conolly forderte eine 'beinahe väterliche ' Behandlung der Kranken, denen mit Höflichkeit und Ehrerbietung zu begegnen sei. Bei Tag und bei Nacht sei auf die Beruhigung des gestörten Geistes einzuwirken. Nichts könne dies besser garantieren als gut gelaunte, zätige Wärter, die nicht nur gutherzig und verständnis seien, von tüchtigen weiblichen Angestellten unterstützt. Überall müsse vollkommene Reinlichkeit und Ordnung herrschen." Die strikte Durchführbarkeit des Programms wurde von vielen PsychiaterInnen der damaligen Zeit - und auch später noch - bezweifelt.
Kritisch zu Panse
Quelle: Siemen, Hans Ludwig (1996). Psychiatrie im 20. Jahrhundert. In: Bezirk Mittelfranken (1996). 150 Jahre Psychiatrie in Erlangen 1846-1996. Festschrift zum 150-jährigen Jubiläum des Bezirkskrankenhause in Erlangen. S. 22-26. Graphik Altes Bezirkskrankaus 1846 * Integrative Therapie und Psychiatrie * Fixe Ideen (Hagen 1870) * Hagen als Ludwig II. Gutachter |
"2. Die Reformen der zwanziger Jahre
Gustav Kolb (1870-1938) war einer der wenigen deutschen Psychiater, die in den veränderten politischen Bedingungen eine günstige Gelegenheit sahen, die Gestalt der Anstaltspsychiatrie zu verändern. Obwohl zweifellos ein nicht nur politisch ausgesprochen konservativer Mensch, kritisierte er, daß die "Irrenanstalt" ein "Mittelding zwischen Zuchthaus und Krankenhaus" sei, der "Irrenarzt" in der Bevölkerung, insbesondere bei den Kranken und ihren Angehörigen eher als "Feind", als "Kerkermeister" angesehen werde, denn als Freund und Helfer. Um diesen Mißständen abzuhelfen, forderte Gustav Kolb eine grundlegende Reform des "Irrenwesens". Die Heil- und Pflegeanstalten sollten sich möglichst wenig von einem Krankenhaus unterscheiden. Um dies zu erreichen, sei es nötig, Patienten möglichst frühzeitig zu entlassen und außerhalb der Anstalten durch Psychiater und Pflegekräfte versorgen zu lassen. Durch diese "offene Fürsorge" würde die gesamte Irrenfürsorge auf freiere Grundlagen gestellt und der Betrieb in den Anstalten so human und freiheitlich gestaltet, als möglich. Neben dieser "Offenen Fürsorge, die ihn und die Erlanger Anstalt weltberühmt werden ließ, schlug Kolb die Einrichtung von Irrenschutzgerichten vor, die die Anstalten überprüfen und Beschwerden der Patienten nachgehen sollten. Außerdem forderte er die Verkleinerung der Anstalten und die Bildung von Angehörigengruppen - wohlgemerkt, im Jahre 1919!
Gustav Kolb stritt nicht nur für die offene Fürsorge und eine andere Farm von Psychiatrie-er praktizierte sie auch. Bereits vor dem ersten Weltkrieg hatte er in Erlangen mit dem Aufbau der offenen Fürsorge begonnen. In den zwanziger Jahren baute er dieses System in beispielhafter Weise aus: zwei hauptamtliche und ein nebenamtlicher Fürsorgearzt und sechs Pflegerinnen versorgten weit über 4.000 Patienten außerhalb der Erlanger Anstalt. In Erlangen, Fürth und Nürnberg wurden Sprechstunden abgehalten, über 6.000 mal statten die Ärzte entlassenen Patienten Hausbesuche ab, auch in ländlichen Regionen wurde die Fürsorge aktiv. Mit einem eigenen PKW fuhren Fürsorgearzt und Pflegerinnen auch in entlegenere Regionen und bemühten sich, die dort lebenden psychisch kranken Menschen zu betreuen. Für die damalige Zeit war Kolbs Modell bahnbrechend, machte es doch deutlich, daß es auch andere Wege gab, psychisch kranke Menschen zu behandeln, als sie hinter hohen Mauern ein von der übrigen Gesellschaft abgeschlossenes Leben führen zu lassen. Bald machte dieses Modell Schule, fast alle deutsche Anstalten versuchten, ähnliches einzurichten, auch das Ausland interessierte sich verstärkt für das "Erlanger Modell". Psychiater aus der Schweiz, Osterreich, Schweden, Norwegen, Japan, der Sowjetunion und vielen anderen Ländern besuchten die Erlanger Anstalt, um die offene Fürsorge zu studieren.
Mit der offenen Fürsorge wurde die Struktur der psychiatrischen Anstalten aufgebrochen. Der Psychiater, so ein Mitstreiter von Gustav Kolb, könne durch die ambulante Tätigkeit endlich greifbare Erfolge erringen und sichtbar produktiv sein; auch sein soziale Geltung würde sich zum Positiven wandeln. Der Anstaltsarzt sei durch die offene Fürsorge von seiner traditionellen beruflichen Isolierung befreit, indem er seine Tätigkeit mit dem pulsierenden gesellschaftlichen Leben in Verbindung bringt. Aber die-[>24]ses gesellschaftliche Leben hatte auch viele Schattenseiten: etliche der betreuten Menschen lebten in völlig unzureichenden Wohnverhältnissen, die angesichts der allgemeinen Wohnungsnot in den 20er Jahren nicht zu ändern waren. Viele waren zudem arbeitslos, ohne Aussicht auf den Wiedereinstieg ins Berufsleben.
Auch innerhalb der Erlanger Anstalt veränderte sich die Art des Umgangs mit psychisch Kranken: Die von Hermann Simon in Gütersloh entwickelte aktivere Heilbehandlung setzte Gustav Kolb konsequent um: wie dieser sah er im psychisch kranken Menschen auch dessen gesunde Anteile und versuchte, diese vor allem durch die Arbeitstherapie zu fördern. Die althergebrachten Behandlungsmethoden, wie Dauerbettbehandlung, Dauerbäder oder die Vergabe von Schlafmitteln wurden stark reduziert.
Aber bereits mit der Weltwirtschaftskrise wurden die Reformbestrebungen innerhalb der deutschen Psychiatrie stark beschnitten. Die offene Fürsorge wurde aus Kostengründen eingeschränkt, die Verhältnisse innerhalb der Anstalten durch eine drastische Reduzierung der Pflegesätze wieder auf ein elendes Niveau herabgedrückt. [>24]
Exkurs: "3. Die Erlanger Heil- und Pflegeanstalt im Nationalsozialismus
Die Machtübernahme des Nationalsozialismus 1933 hat einschneidende Wirkungen auf die Erlanger Anstalt. Gustav Kolb trat am 1. März 1934 von seinem Direktorposten zurück. Nachfolger wurde Wilhelm Einsle (1881-1961), der seit November 1933 der Anstalt Kutzenberg vorstand. Als Stellvertreter fungierte Dr. Schuch, der 1938 Dirketor Ansbachs wurde. Sein Nachfolger im Stellvertreteramt wurde Dr. Müller.
Wenige Monate nach der Machtübernahme erließen die Nationalsozialisten das Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses, das die Zwangssterilisation von psychisch kranken Menschen erlaubte. Dieses Gesetz fand bei weiten Teilen der Psychiater volle Zustimmung. Bereits im Jahre 1934 wurden in der Erlanger Anstalt über 100 Patienten zwangssterilisiert. Vor allem aber außerhalb der Anstalten entfaltet das Zwangssterilisotionsgesetz seine inhumane Wirkung. Die offene Fürsorge, die den Patienten mehr Freiheit versprach und eine lebenslange Internierung in einer Anstalt verhindern sollte, geriet nun zum probaten Mittel zur Durchsetzung des Gesetzes. Allein in 1934 wurden von den Erlanger Fürsorgeärzten 351 Anträge auf Zwangssterilisation anhand der Akten und aufgrund der guten Kenntnis der Patienten gestellt.
Auch innerhalb der Anstalt zeigte das nationalsozialistische Herrschaftssystem seine Wirkung. Dieses war ja unter anderem mit dem Ziel angetreten, das deutsche Volk wieder "oufzuarten" und dazu u.a. die Ausgaben für die vermeintlich "Minderwertigen" drastisch zu reduzieren. Entsprechend wurden die sowieso schon kargen Pflegesätze weiter gesenkt, auf 2,70 Reichsmark pro Tag und Patient. Außerdem war die Anstalt ab 1933 ständig überfüllt, da im nationalsozialistisch formierten Staat kein Platz mehr für frei lebende psychisch kranke Menschen war. Diese weitere Verelendung innerhalb der Anstalt blieb nicht ohne Folgen. Von 1936 bis 1939 stieg die Sterblichkeit innerhalb der Anstalt deutlich an.
Mit Beginn des Überfalls auf Polen im September 1939 radikalisierte sich auch das Vorgehen gegenüber psychisch Kranken. Die gezielte und gut organisierte Vernichtung von psychisch kranken Menschen begann. Erlangen war ab Sommer 1940 von dieser Aktion betroffen. Im Juli 1940 gingen sog. Meldebögen in der Anstalt ein, mit denen alle Patienten nach Alter, Diagnose, Arbeitsfähigkeit, Dauer des Anstaltsaufenthaltes u.a. erfaßt werden sollten. Diese wurden dann, nachdem im August 1940 eine Kommission das Ausfüllen der Meldebögen vollendete, nach Berlin geschickt. Dort wurde anhand der Meldebögen von Psychiatern entschieden, ob die Patienten getötet oder weiter leben durften. Als erstes wurden im September 1940 alle 21 jüdischen Patienten aus der Erlanger Anstalt nach Eglflng-Haar bei München gebracht und von dort aus in eine Tötungsanstalt transportiert- die jüdischen Patienten wurden allesamt ermordet. Die ersten 122 nichtjüdischen Patienten wurden am 1. November 1941 nach Sonnenstein bei Pirna verlegt, eine der eigens eingerichteten Tötungsanstalten, in denen die Patienten vergast werden. Bis zum Juni 1941 wurden insgesamt 907 Patienten aus der Erlanger Heilund Pflegeanstalt nach Sonnenstein bzw. nach Hartheim bei Linz verlegt und dort ermordet. Opfer dieser Vernichtungsaktion waren vor allem Patienten, die sich schon sehr lange in der Anstalt befanden, häufig nicht mehr fähig waren, an der Arbeitstherapie teilzunehmen oder sehr pflegebedürftig oder störend waren."
Literaturhinweis Psychiatrie im 3. Reich (Siemen 1982)
Nach Quelle: Braun, Ute & Hergrüter, Evelin (1980, S.90f ). Zum Zusammenhang mit Arbors Association.
"Philadelphia As sociation [FN21]
Zur Zeit existieren unter der Trägerschaft der Philadelphia Association
(P.A.) acht Wohngemeinschaften in London. Die P.A. strebt an, eine Alternative
zu bestehenden psychiatrischen Einrichtungen zu sein, das heißt Menschen,
die entweder schon in psychiatrischer Behandlung waren oder sich in einem
Zustand befinden, der häufig die Einweisung in eine psychiatrische
Klinik zur Folge hat, alternative Einrichtungen anzubieten. Die Wohngemeinschaften
sollen ein "Asylum" darstellen, in dem die Personen nicht als Kranke oder
Patienten angesehen werden, sondern als Menschen, die in eine Lebenskrise
geraten sind.
Psychische Krankheit wird in der P.A. als freie
Wahl der Person betrachtet, als Weg, sich mit der Welt auseinanderzusetzen."
"Psychische Krankheit wird in der P.A. als freie Wahl der Person betrachtet, als Weg, sich mit der Welt auseinanderzusetzen." |
Eine abenteuerliche These, bei der wir nur die Frage stellen wollen: Wie geht diese "freie Wahl" vor sich und wie wird dies empirisch belegt und begründet?
"Die Änderung dieses Entwurfs kann nur von dieser Person selbst vorgenommen werden. Es wird daher von Seiten der Therapeuten so wenig wie möglich interveniert. Die Hauptunterstützung besteht darin, den Personen ein Asylum zur Verfügung zu stellen, das relativ frei ist von sozialem Zwang, um günstige Bedingungen herzustellen, den Entwurf wirklich aufgrund von eigenen Entscheidungen zu ändern. [>91]
Die wirft die Frage nach der Evaluation dieser Mittel und Methoden auf.
"Eine zentrale Stellung nimmt die Regression ein: das Durchleben der eigenen Angst, Verzweiflung und die Rückkehr zu Verhaltensweisen, die den eigenen Bedürfnissen entsprechen und nicht von gesellschaftlicher Repression bestimmt sind. Ziel der P.A. ist es, die Personen in ihrer eigenen Entscheidung zu bestärken, gleichgültig welchen Inhalts diese Entscheidung ist (sofern sie nicht zur Kriminalität führt), sie muß nicht mit den üblichen Vorstellungen von "glücklichem" oder "normalem" Leben übereinstimmen."
Auch hier stellt sich die Frage nach der Evaluation dieses Ansatzes.
"Es wird angestrebt, Hierarchien und vordefinierte soziale Rollen so weitgehend wie möglich abzubauen, um eine unmittelbare zwischenmenschliche Begegnung zu ermöglichen. Im Programm der P.A. heißt es: "Für diejenigen, die hier leben, was auch immer ihre Rolle sein mag, sind diese Wohnungen Schmelztiegel, wo vorgefaßte Meinungen sich auflösen in der direkten Erfahrung von Agonie und Freude, Aufregung und Langeweile, Hoffnung und Verzweiflung des Zusammenlebens."
Wenn sich nach der Evaluation dieses Ansatzes herausstellen sollte, daß die Therapieziele so erreichbarer sind, spräche dies für das Konzept; es könnte dann womöglich auch wirtschaftlicher sein.
"Für jede Wohngemeinschaft ist ein Therapeut der P.A. zuständig. Er lebt jedoch nicht im Haus, sondern kommt durchschnittlich an zwei Abenden pro Woche. Das Treffen ist nicht verpflichtend, es kann vorkommen, daß nur ein oder zwei Personen bei seinem Besuch anwesend sind. Es bleibt hauptsächlich den Wohngemeinschaftsmitgliedern überlassen, was oder ob sie überhaupt etwas mit ihm besprechen wollen. Er selbst sieht seine Aufgabe darin, die Bewohner zu ermutigen, Eigenverantwortung zu entwickeln. Er greift so wenig wie möglich in individuelle oder Gruppenprozesse ein, obwohl natürlich das Ausmaß an Interventionen durch die Persönlichkeit des jeweiligen Therapeuten mitgeprägt wird. Die therapeutische Beziehung wird als unmittelbare oder existentielle Begegnung zwischen Personen verstanden. Objektiv vorhandene Unterschiede zwischen Therapeut und Wohngemeinschaftsmitgliedern werden kaum thematisiert." (...) [>92] (...)
Hier wird die Sonder- Stellung der TherapeutIn geleugnet, was dem Wahrhaftigkeits- und Echtheitsanspruch widerspricht.
"Die meisten Angehörigen der Wohngemeinschaften
sind Empfänger der Sozialhilfe oder gehen einer (Teilzeit) Beschäftigung
nach, die jedoch häufig nicht ihrer früheren Ausbildung entspricht.
Es ist auffallend, daß viele Bewohner ein Studium begonnen haben,
dieses aber häufig nicht beendeten. Der Bildungsgrad ist überdurchschnittlich
hoch. Die Mitglieder dieser Wohngemeinschaften dürften daher kaum
repräsentativ sein für Patienten herkömmlicher psychiatrischer
Einrichtungen. Die Wohngemeinschaften besitzen vor allem für Personen
eine starke Anziehungskraft, die sich mit der Literatur Laings oder des
Existentialismus auseinandergesetzt haben."
"Die Mitglieder dieser Wohngemeinschaften dürften daher kaum repräsentativ sein für Patienten herkömmlicher psychiatrischer Einrichtungen." |
Inzwischen sollten entsprechende Studien zu diesen alternativen antipsychiatrischen Bemühungen vorliegen (falls jemand Studien kennt, bitte um Mitteillung).
Klassifikation der Kritik:
Die
Kritik an der Psychiatrie kann hierbei wie folgt unterschieden werden:
K-Zusatz-r Bei allen Kritiken gibt es die Möglichkeit einer
jeweils verschärften Variante, indem AnerkennerInnen des geleugneten
und bekämpften Sachverhaltes entwertet und teilweise regelrecht niedergemacht,
entehrt und beleidigt werden, wenn sie als Unmenschen, VerbrecherInnen,
Folterknechte, FaschistInnen etc. beschimpft werden. K1r bedeutet demnach,
daß nicht nur psychische Störungen wie z.B. Wahn, Halluzination,
Identitätsverlust oder der Verlust der Selbstlenkungsfähigkeit
geleugnet und bekämpft werden, sondern die AnerkennerInnen als Unmenschen,
VerbrecherInnen, Folterknechte und FaschistInnen beschimpft und beleidigt
werden.
»Jede Abnormität nicht nur, jede Ungewöhnlichkeit
im alltäglichen Leben begegnet sofort dem Schlagwort »Krankheit!«
»Statt thatsächliche, auch dem Laien oder dem unbefangenen Fachpsychologen nicht entgehende Geisteskrankheiten zu heilen, mühen sie sich ab, durch spitzfindige, ellenlange, gelehrte Gutachten ganz gesunde Menschen zu »Irren zu stempeln.« Ernst Böttger war klar: Irrenärzte litten an einem »Ausfluß einer Ueberschätzung des eigenen wissenschaftlichen Wertes«." |
"Die sich in den 1880er Jahren entwickelnde psychiatriekritische Bewegung
war mindestens vierzig Jahre lang aktiv. In den beiden Dezennien um die
Jahrhunderwende sind die meisten psychiatriekritischen Aktivitäten
zu verzeichnen, wurden die meisten psychiatriekritischen Schriften publiziert.
Wann diese Bewegung definitiv aufhörte zu existieren, ist nicht zu
beziffern. In den 1920er Jahren, aber vor allem gegen Ende des zweiten
Dezenniums ebbten die Veröffentlichungen zu psychiatriekritischen
Themen enorm ab. Im Januar 1922 erschien die überlieferte Ausgabe
der »Irrenrechts-Reform« des Bundes für Irrenrecht und
Irrenfürrsorge, dem bedeutendsten unter den psychiatriekritischen
Vereinen, dessen »internationale volkstümliche Zeitschrift«
eine Auflage von immerhin 10.000 Exemplaren FN1 erreichte. In diesem letzten
eruierten Heft wurde noch enthusiastisch von »unseren Erfolgen«
berichtet. FN2 Eine Ankündigung hinsichtlich Auflösung des Bundes
resp. seiner Zeitschrift konnte bisher nicht gefunden werden, weswegen
weitere, nachfolgende Hefte nur vermutet werden können. ... [>72]
Die Psychiatriekritiker, zu denen Psychiatrieerfahrene,
Juristen, Journalisten, einige wenige Ärzte, Politiker u.a. gehörten,
scheuten keine Mittel, um auf sich aufmerksam zu machen: Sie veröffentlichten
Artikel in Zeitungen und Zeitschriften, schrieben Bücher und Broschüren,
gründeten Verbände und Zeitschriften, initiierten im Reichstag
und in Länderparlamenten Debatten zu vermeintlichen oder tatsächlichen
Missständen in der Psychiatrie. Die »Irren« wollten so
ihr eigenes Schicksal der Öffentlichkeit vermitteln; die Unterstützer,
die selbst keine eigenen Erfahrungen mit der Psychiatrie gemacht haben,
wollten die Öffentlichkeit ob dieser Missstände aufrütteln.
Psychiatriekritiker nahmen kein Blatt vor den Mund;
im Gegenteil, sie gingen mit ihren »Feinden« hart ins Gericht.
... Friedrich Kretzschmar, selbst offensichtlich kein Psychiatrieerfahrener,
meinte gar: »Jede Abnormität nicht nur, jede Ungewöhnlichkeit
im alltäglichen Leben begegnet sofort dem Schlagwort [>73] »Krankheit!«
FN5 Der Präsident des Zürcher Irrenrechts-Reformvereins, Ludwig
Fliegel, meinte zu Beginn des 20. Jahrhunderts, die psychiatrische Wissenschaft
stecke noch zu sehr in den Kinderschuhen, weswegen sie noch nicht in der
Lage sein könne, auf den Geisteszustand eines Menschen sicher schließen
zu können, gerade deshalb sei es gefährlich, »daß
diese junge Wissenschaft die Macht erhält, das Todesurteil über
einen Menschen zu fällen«. Im Übrigen ließen auch
Person und der Geisteszustand mancher Irrenärzte selbst sehr viel
zu wünschen übrig. FN6 Psychiatriekritiker bedauerten geradezu,
dass »die stolze Wissenschaft nicht zugeben will, daß viele
ihrer Lehren auf bloßem Glauben beruhen und nicht bewiesen sind«.
FN7 So sprachen sie auf der einen Seite dem »Seelen-Piraten«
FN8 jede Kompetenz ab, die eigene jedoch wurde selbstbewusst aufgewertet:
»Statt thatsächliche, auch dem Laien oder dem unbefangenen Fachpsychologen
nicht entgehende Geisteskrankheiten zu heilen, mühen sie sich ab,
durch spitzfindige, ellenlange, gelehrte Gutachten ganz gesunde Menschen
zu »Irren zu stempeln.« FN9 Psychiatriekritikern wie Ernst
Böttger war klar: Irrenärzte litten an einem »Ausfluß
einer Ueberschätzung des eigenen wissenschaftlichen Wertes«."
Quelle (S. 71ff): Schwoch,
Rebecca (2013) Ein jahrelanger Kampf gegen den Psychiater Größenwahn«.
»Irrenbroschüren« als Form einer Psychiatriekritik um
1900. In Wolters et al.
Zu dieser berühmt-berüchtigten - sofern sie euphemistisch romantisiert wird - Formulierung, habe ich zwei Quellen gefunden: Das Buch Meine Reise durch den Wahnsinn von Mary Barnes aus ihrem Aufenthalt in Kingsley Hall und im Buch von Laing Phänomenologie der Erfahrung trägt das Kapitel VII die Überschrift Eine Zehntagereise, womit eine psychotische "Episode" des Bildhauers Jesse Watkins gemeint ist, deren Schilderung Laing 1964 auf Tonband aufnahm. Er charaktersiert diese Reise in seiner Vorbemerkung: "Es ist ein Bericht über seine Reise in den inneren Raum und die innere Zeit. Die generellen Aussagen sind nicht ungewöhnlich; ungewöhnlich ist es jedoch, einen solch luziden Bericht zu haben.Wenn die Ereignisse auch 27 Jahre zurückliegen, sind sie doch lebendig in seinem Geiste und bilde eine der signifikantesten Erfahrungen seines Lebens." (S. 134). Bei Watkins war der Auslöser der Psychose möglicherwiese die Nachwirkung einer Anästhesie im Krankenhaus, das er aufsuchte, weil eine Wunde nach einem Hundebiss nicht heilen wollte.
Laing begreift die Psychose hier weitgehend als eine Reaktion auf tEntfremdung und als ein Selbstheilungsgeschehen, das diese Entfremdung aufzuheben versucht. Durch diese Betrachtung gelangt er zu der Überzeugung, daß das JDurchleben einen Heilwert hat und wichtig für den Erlebenden ist. Antipsychiatrie sollte nach Laing daher Menschen helfen, ihnen für die stürmischen Passagen dieser inneren Reisen entsprechende JStätten und JBegleitung anbieten.
Die zufällige Entdeckung der heilenden Wirkung einer Beschäftigung durch Simon in Warstein (Arbeitstherapie, Beschäftigungstherapie, Gestaltungstherapie, Werktherapie). Zitiert nach Panse (kritisch zu Panse)
Aktivere Krankenhehandlumg nach Hermann Simon (nach Panse 1964, S. 46f)
Eine Notlage war es, die H. SIMON auf den Gedanken
der 'aktiveren Krankenbehandlung' brachte und die das bisherige, etwas
trostlose Gepräge der psychiatrischen Krankenabtcilungen entscheidend
wandeln sollte. Als er 1905 die nach, seinen Wünschen neu erbaute
wcstfälische Anstalt Warstein übernahm und mit den ersten
zugewiesenen Kranken belegte. war das Anstaltsgelände noch eine Wüstenei.
Erdarbeiten mußtcn noch durchgeführt. Parkanlagen geschaffen,
Wege gebaut werden, und zwar möglichst mit eigeen Kräften. Diese
umfangreichen Vorhaben drängten dazu, unter den noch auf der Abteilung
herumsitzenden und in Betten liegenden Kranken immer neue Aushebungen für
die Arbeit zu veranstalten, und allmählich immer kühner auf recht
zweifelhafte, unruhige und störende Patienten zurückzugreifen.
SIMON war rechtl überrascht, zu erleben, daß
alsbald eine auffallend günstige Veränderurung des ganzen Anstaltsbildes
eintrat. Die Kranken wurden ruhiger und geordneter, und die gewohnten abständigen
Krankheitsbilder verschwanden allmählich. Reizbarkeit und Neigung;
zu Gewalttätigkeiten gingen sehr zurück und verschwanden bei
manchen vorher geradezu gefürchteten Kranken ganz. Die Regsamkeit
stumpfer Kranker hob sich und mit ihr auch die Leistung ganzer Arbeitsgruppen.
Bis 1914, als SIMON Warstein verließ. also
in 8 bis 9 Jahren, war er allmählich dazu gelangt, 90 % seiner Kranken
regelmäßig zu beschäftigen. Gleichzeitig war es in der
Anstalt so gut wie völlig ruhig geworden. [>46]
Auf der Grundlage dieser Erfahrungen wurde. ebenfalls
nach SIMONS Plänen, die westfälische Anstalt Gütersloh erbaut
und - durch den Krieg verzögert - 1920 eröffnet. Hier hatte SIMON
aber baulich vorgesorgt, daß systcmatische ßeschäftigungstherapie
betrieben werden konnte. Werkräume wurden in die Untergeschosse der
Krankenpavillons verlegt, so daß der räumliche Kontakt mit den
Abteilungen selbst möglichst eng war und auch solche Kranke an der
Therapie beteiligt werden konnten, die noch geschlossen zu halten waren.
Unter bereitwilliger Mitwirkung von Ärzten
und Pflegepersonal verbreitete sieh ein Geist der tätigen Aktivität,
daß sich auch die bis dahin Untätigen zur Arbeit bequemten,
weil, wie SIMON sagt, der Untätige in einer fleißig arbeitenden
Anstalt keine Gesellscltaft und Unterhaltung findet, was sich sogar, oder
gerade, auf die sonst leicht widerspenstigen jugendlichen Psychopathen
auswirkte."
Literaturhinweis Simon
(1929). Arbeit als Heilmittel erkannte schon Dornblüth
1911.
Kritisch zu Simon: Ernst Klee
am 6. August 1999 am PI der Universität Hamburg im Vortrag Wer
Täter ehrt, mordet ihre Opfer noch einmal (Quelle: https://www.irren-offensive.de/rede_ernstklee.htm
). Dort führt Ernst Klee aus: "Hermann Simon, Anstaltsleiter
in Gütersloh, definiert 1931 den Personenkreis angeblich Minderwertiger:
Körperschwache, Kränkliche, Schwächlinge, Schwachsinnige,
Krüppel, Geisteskranke. Er kommt zu dem Schluß: „Es wird
wieder gestorben werden müssen." Belegt wird die Aussage nicht. Falls
es aber richtig ist, daß Simon mit den Nazis gemeinsache Sache machte
mit der Vernichtung unwerten Lebens, ist sein Fall ein Beispiel dafür,
daß Täter nicht nur Täter waren, sondern auch Gutes und
Richtiges erkannten und taten. Daß Panse, nach Angaben von Ernst
Klee selbst T4 Gutachter, keine kritischen Worte darüber verliert,
überrascht nicht.
Links zu Simon:
In seinem berüchtigten Buch Geisteskrankheit - Ein moderner Mythos faßt Thomas Szasz seine antipsychiatrischen radikal autonomen Thesen zur Psychiatrie in einem Nachtrag vom 1.1.1972 wie folgt zusammen [Quelle S. 195/96]:
Zusammenfassung (S. 294f)
"Die wichtigsten hier vorgetragenen Argumente und ihre Konsequenzen
lassen sich kurz wie folgt summieren:
Hinzugefügt am 1. Januar 1972."
Kritische Anmerkungen Sponsel zu Szasz 10 Thesen
(1a) Szasz tut hier so, als seien Krankheiten auf
Körperliches beschränkt. Definitionen
sind freie Übereinkünfte, die nicht wahr oder falsch sind, sondern
sich nach den Zielen und Zwecken der Definitionsinteressierten richten.
(1b) Selbst wenn dem aber so wäre, was nicht der Fall ist, sind Psyche
und Geist an den Körper und hier überwiegend an das Gehirn gebunden
und haben daher eine körperliche Basis und auch einen körperlichen
Ausdruck. (1c) Das lebende Gehirn repräsentiert in der Computermetapher
sowohl die Hardware als auch die Software. Welche biologischen
Codierungen für Hardwarekomponenten,
für
fest installierte
Betriebssysteme und welche Codierung für die Software,
also von Lebenserfahrungen und Lernen abhängig sind - falls - wissen
wir (noch) nicht. Den Molekülen oder biologischen Funktionseinheiten
im Gehirn kann man (noch) nicht ansehen, ob sie Hardware - als Metapher
für Anlage und Gene oder Software
für Erfahrungen und Lernen - repräsentieren.
Siehe auch GIPT-Axiome
I, II, III, IV und V.
(2) Geisteskrankheit ist nicht mehr oder weniger
eine Metapher wie Krankheit
auch.
(3) Es ist richtig, daß psychiatrische Diagnosen
etwas Stigmatisierendes an sich haben oder nach sich ziehen können.
Aber sie sind nicht stigmatisierend. Das Kernstigma ist
das leidvolle Geschehen, das durch die Diagnose nur einen
Namen bekommt. Wie immer dieser Name auch gewählt werden wird: nach
einiger Zeit und Bekanntheit, wird dieser Name höchstwahrscheinlich
mit einer stigmatisierenden Funktion verbunden sein. Wer - vorübergehend
- nicht mehr in der Lage ist, seine Wahrnehmungen angemessen zu verarbeiten
(Wahn, Halluzinationen), der hat oder dem fehlt etwas über das sich
die Wenigsten freuen, es sei denn in Kulturen, in denen Wahnsinnige als
Heilige oder besonders schätzenswerte Menschen verehrt werden oder
in denen spezielle Symptome ein andere oder gar keine Bedeutung haben.
Viele psychisch Gestörte ärgern oder verletzen niemand - außer
gelegentlich sich selbst. Und ansonsten ist es in der Tat so, daß
spezielle seelisch- geistige Fähigkeiten auch Träger und Grundlage
für soziokulturelle Werte sind. Das ist sozusagen ein Sozial- und
Kulturgesetz und liegt in der Natur der Sache.
(4) Das ist falsch. Dieses Definitionsmerkmal wurde
von Kurt Schneider zur Kennzeichnung der Psychopathen vorgeschlagen.
Dennoch bleibt, daß "andere leiden machen" ein ernstes Problem vorstellt.
Die Gefährlicheren sind hier aber zweifellos weniger die psychotischen
Menschen als die psychopathischen oder persönlichkeitsgestörten
Menschen.
(5) Das sind Wortspiele, die nicht weiter führen.
Tatsache ist in konkreten Krankheitsfällen, daß die Störungen
für die Zeit der Erkrankung zu dieser Person gehören, ihr zuzuordnen
sind.
(6) Auch das ist falsch. Die Behandlung ist ja nicht
davon abhängig, welches Wort - das ist noch das Unwichtigste dabei
- für eine Störung verwendet wird, sondern daß einer Störung,
der Krankheitswert - auch zum Schutz und zur Fürsorge für die
PatientIn - zuerkannt wird. Auch "gebilligt" führt einen falschen
Zungenschlag mit sich. "Erwünscht" oder für "richtig erachtet"
wäre angemessener. Menschen suchen in erster Linie keine psychiatrischen
Einrichtungen auf, weil sie unter diagnostischen Wörtern leiden, sondern
unter den Sachverhalten und Erscheinungen, die diese diagnostischen Wörter
kennzeichnen.
(7) Nein. Die Justiz ist bevorzugt dann funktionell
ungerecht bis selbst verbrecherisch, wenn sie von diktatorischen Systemen
benutzt wird und sich leider nicht selten auch willfährig benutzen
läßt. Es ist eine psychologische und psychopathologische Tatsache,
daß Menschen den Verstand, ihre Affekte und die Selbstlenkungsfähigkeit
verlieren können. So gesehen sind sie in der Tat auch Opfer, Opfer
ihrer Erkrankung. Daher genießen sie in solchen Fällen auch
einen besonderen Schutz. Das Recht wird nicht durch die Tatsache, daß
es seelisch- geistige Erkrankungen gibt, korrupt: es ist schon immer korruptionsfähig
durch die Verhältnisse und die dominierenden Mächtigen.
(8) Die These Persönliches Verhalten folgt
stets Regeln, ist strategisch und sinnvoll ist entweder trivial
oder eine kühne Behauptung, die zu begründen und zu belegen wäre.
Es ist zwar richtig: Interpersonale und soziale Beziehungen können
als Spiele betrachtet und analysiert werden und man kann annehmen,
daß
das Verhalten der Spieler von ausdrücklich formulierten
oder stillschweigend wirksamen Spielregeln gelenkt wird, das erklärt
aber weder die psychopathologischen Phänomene noch die therapeutischen
Möglichkeiten. Zudem ist nicht ersichtlich, weshalb auch hierfür
nicht nach den biologischen Grundlagen und Ausdrucksformen geforscht werden
sollte.
(9) Auch die Behauptung: Bei den meisten Arten
von freiwilliger Psychotherapie versucht der Therapeut dem Behandelten
die unausgesprochenen Spielregeln, nach denen er sich richtet, zu erläutern
und ihm bei der Überprüfung der Ziele und Werte der von ihm praktizierten
Lebensspiele zu helfen ist in dieser Allgemeingültigkeit ganz
sicher falsch. Es gibt bislang überhaupt nur zwei größere
Psychotherapieschulen, die überwiegend spielregelorientiert vorgehen:
die Transaktionsanalyse und die kommunikationsorientierten SystemikerInnen.
Im übrigen kann ich nur verwundert feststellen: warum hat Szasz in
den letzten 30 Jahren seinen Ansatz nicht ausgebaut und zu einer therapeutischen
Schule entwickelt? Dann könnten wir sehen, ob mit seinen Ansätzen
und Methoden viel bessere Ergebnisse zustande kämen als z.B. mit denen,
die sich bislang durchgesetzt haben und praktiziert werden: in der Psychiatrie
ist das zumeist ein integrativer und interdiszipinärer Ansatz.
(10) Ich würde sagen, die These
Es gibt
keine medizinische, moralische oder juristische Rechtfertigung für
unerbetene psychiatrische Eingriffe wie «Diagnose», «Hospitalisierung»
oder «Behandlung». Sie sind Verbrechen gegen die Menschlichkeit
ist eine ungeheure, ideologisch motivierte Selbstüberhebung gegen
die psychopathologische Wissenschafts- und Therapiegemeinde, die sich engagiert
und redlich um Begleitung, Linderung, Besserung und Heilung ihrer PatientInnen
bemüht und zugleich eine Diffamierung, die einen fachlichen Diskurs
fast unmöglich macht. Die 10. These macht Thomas Szasz zu einem ARAF-
Agitator.
Hinweis:
Thomas Szasz Beurteilung zum Entmündigungsverfahren
Ludwig II. König von Bayern hier
In der Analyse eines Antipsychiatrisch Radikal Autonomen Textes (Talbot Rede Paris) werden Empfehlungen zum Umgang mit dem Phänomen ARAF vorgeschlagen.
Nach Quelle: Braun, Ute & Hergrüter, Evelin (1980, S. 84).
"Cooper leitete von 1962 bis 1966 eine therapeutische Gemeinschaft für psychisch erkrankte Jugendliche in einem Londoner psychiatrischen Krankenhaus.
Als Zielsetzung dieses Projekts, das unter der Bezeichnung "Villa 21"
bekannt geworden ist, gibt er an:
b) eine geeignete Arbeitssituation zu schaffen, um Gruppen- und Familieninteraktionen bei gestörten Heranwachsenden zu erforschen;
c) "einen lebensfähigen Prototyp einer kleinen selbständigen Einheit zu schaffen, die in einem großen Haus in der Gemeinde, außerhalb des institutionellen psychiatrischen Kontexts, zu funktionieren vermochte" (Cooper 1971, S. 101),
Daß trotz außerinstitutioneller Zielsetzung die Struktur
der therapeutischen Gemeinschaft von den Strukturen der Institution, in
die sie eingebunden ist, nicht unberührt bleiben kann, zeigen Einschätzungen
dieses Projekts (vgl. Portugall 1976, S. 101 f. ). Am deutlichsten wird
dies an der Unmöglichkeit, bestimmte Rollenerwartungen, die von der
Institution an das Personal gestellt werden, einfach auflösen zu wollen.
Als gelungenes Projekt kann Cooper diese therapeutische Gemeinschaft nur
bezeichnen, "weil die instrumentell- funktionale Beziehungsebene mit ihren
Vorstrukturierungen kraft geleugneter institutioneller Autorität (die
Cooper als leitender Arzt hatte, Anm. d. Verf.) schlichtweg für nicht
existent erklärt wird" (Portugall 1976, S. 105), weil also die personale
Beziehung zwischen Arzt-Personal-Patienten allein Gewicht bekommt.
Wir finden hier die durch die Theorie des Existentialismus
begründete Annahme wieder, es sei möglich, innerhalb der Gesellschaft
von deren Strukturen unabhängige Freiräume schaffen zu können."
Siehe auch:
Elektro-Schock-Therapie (EKT; Bini & Carlette 1938)
Suchen in der IP-GIPT,
z.B. mit Hilfe von "google": <suchbegriff>
site:www.sgipt.org
Antipsychiatrie site:www.sgipt.org. |
korrigiert:
[Intern: Antipsychiatrie im Internet (Materialsammlung im Aufbau)
Selbsthilfe, Alternativen zur Psychiatrie & Antipsychiatrie
https://www.antipsychiatrie.berlinet.de/fapi/fra_antipsych.htm
Antipsychiatrische Artikel
https://www.antipsychiatrie.berlinet.de/artikel/artikel.htm
Klaus Dörner Beurfsbiographie: Ende der Veranstaltung.
Stippvisite bei einem Hartnäckigen von GABRIELE GOETTLE
https://www.taz.de/pt/2002/01/28/a0112.nf/text
Basglia-Reform:
https://www.marco-cavallo.de/
Franco Basaglia Haus Linz: Integration ist nicht gleich
Anpassung
https://www.exitsozial.at/basaglia.htm
https://www.erzwiss.uni-hamburg.de/inst05/abs/Artikel/Besserung/Einleitung.htm
https://www.psychiatrie-und-ethik.de/rundbriefe/rb3-01.pdf
https://www.psychiatrie.de/pdf/irrsee.pdf
https://www.med.uni-heidelberg.de/psychia/psychiatrie/allgemeines/bibliothek/buchbestand.pdf
Ernst Klee am 6. August 1999 am PI der Universität
Hamburg im Vortrag "Wer Täter ehrt, mordet ihre Opfer noch einmal.":
https://www.irren-offensive.de/rede_ernstklee.htm
https://www.lundbeckdeutschland.de/05_unternehmen/05_06.html
https://www.disinfo.com/pages/dossier/id235/pg1/
https://www.critpsynet.freeuk.com/criticalpsychiatry.htm
https://digilander.libero.it/aepsi/aep_argb.htm]