Geschichte der Psychotherapie
in Deutschland im 20. Jahrhundert:
Frühere
Geschichte siehe bitte hier * Anmerkung
zur Ersten Hälfte im 20. Jahrhundert *
Die
Allgemeine
Ärztliche Zeitschrift für Psychotherapie
und
psychische Hygiene
war das ab 1928 monatlich publizierte
und von Anfang an europaweit verbreitete Organ der wegen erheblicher Widerstände
von Seiten der etablierten Psychiater- und Neurologenverbände entgegen
ursprünglicher Absicht noch nicht auf dem ersten der großen
Allgemeinen
Ärztlichen Kongresse für Psychotherapie der Zwanziger
Jahre in Baden-Baden, sondern erst am 1.12.1927 in Berlin gegründeten
Allgemeinen
Ärztlichen Gesellschaft für Psychotherapie (AÄGP),
die zahlreiche Mitglieder auch in nicht- deutschsprachigen Ländern
hatte. 1930 wurde es umbenannt zum Zentralblatt für Psychotherapie
und ihrer Grenzgebiete einschließlich der Medizinischen Psychologie
und Psychischen Hygiene und seitdem herausgegeben von E. Kretschmer
[W], Marburg
sowie R. Sommer, Giessen unter der Schriftleitung von R. Allers, Wien sowie
A. Kronfeld [W]
und J. H. Schultz [W],
Berlin [Foto (1931): Schultz,
Kretschmer, Kronfeld] - bis zum Februar 1933: ab dem dritten
Heft dieses 6. Jahrgangs vom Dezember 1933 stand es mit zunächst
C. G. Jung, Küsnacht-Zürich als Herausgeber und Oberarzt Dr.
W. Cimbal, Altona als Schriftleiter bis 1944 mit gleichem Titel in demselben
Verlag, allerdings um 50 % reduziert als nunmehr Zweimonatsschrift unter
der Regie "deutscher Ärzte..., die... im Sinne der nationalsozialistischen
deutschen Regierung... vor allem... willig sind, im Sinne der nationalsozialistischen
Weltanschauung eine seelenärztliche Heilkunst auszubilden und auszuüben"
[und von denen "vorausgesetzt" wurde], "daß sie Adolf Hitlers grundlegendes
Buch 'Mein Kampf' mit allem wissenschaftlichen Ernst durchgearbeitet haben...
als Grundlage anerkennen [und] mitarbeiten an dem Werke des Volkskanzlers,
das deutsche Volk zu einer heroischen, opferwilligen Gesinnung zu erziehen."
Nach: Mitteilung des Reichsführers der [damals als "Ländergruppe"
der AÄGP, die deswegen erst zur "Überstaatlichen" und 1935 dann
zur "Internationalen" erklärt wurde, eigens neu gegründeten]
"Deutschen allgemeinen ärztlichen Gesellschaft für Psychotherapie"
Prof. Dr. jur. Dr. med. M. H. Göring [Zbl Pt 6 (1933) 140-141], ein
Mann, der imstande war, auf dem - nach Hunderten zuvor - 1934 von gerade
mal noch 77 Teilnehmern besuchten (VII.) Kongreß für Psychotherapie
in Bad Nauheim die exakt sieben ausländischen Teilnehmer - davon mit
Jung zwei aus der Schweiz - zu bitten, "ihre Eindrücke in ihrem Heimatland
zu verbreiten: voller Einsatz der nationalsozialistischen Ärzte für
die Idee des Führers aus Liebe zum Volk." [ebd. 7(1934)133]
Dieser Entwicklung suchte sich der engagierte und einflußreiche ehemalige Schriftleiter des Zentralblattes Arthur Kronfeld, Gründungs- und bis Anfang 1933 auch Vorstandsmitglied der AÄGP, damals noch a.o. Professor an der Charité in Berlin, eine Zeit lang mutig entgegenzustellen: zusammen mit Wilhelm Stekel gestaltete er dessen - seit 1931 publizierte und in Ergänzung zum Zentralblatt für Psychotherapie dezidiert der Förderung der "praktischen Psychotherapie" gewidmete - Vierteljahrsschrift Psychoanalytische Praxis "den veränderten Zeitverhältnissen Rechnung tragend" weitgehend um und brachte sie ab 1934 unter dem Titel Psychotherapeutische Praxis zusammen mit einer internationalen Herausgeberschaft, die ab 1935 von Island bis nach Rußland reichte, als "unabhängiges und überparteiliches Organ im Dienst der praktischen ärztlichen Psychotherapie und ihrer Grenzgebiete" im Verlag der Psychotherapeutischen Praxis von Weidmann & Co. in Wien heraus - in expliziter Gegenüberstellung zu dem nunmehr offen nationalsozialistisches Gedankengut verbreitenden Zentralblatt, in dem mit den allerersten Stellungnahmen auch entschieden rassistisch aussehendes Denken propagiert wurde, nachdem C. G. Jung 1933 in seinem Geleitwort zur "vornehmsten Aufgabe" erklärt hatte:
"Die tatsächlich bestehenden und einsichtigen Leuten schon längst bekannten Verschiedenheiten der germanischen und der jüdischen Psychologie sollen nicht mehr verwischt werden, was der Wissenschaft nur förderlich sein kann. Es gibt in der Psychologie vor allen anderen Wissenschaften eine 'persönliche Gleichung', deren Nichtbeachtung die Ergebnisse von Praxis und Theorie verfälscht. Dabei soll, wie ich ausdrücklich feststellen möchte, keine Minderbewertung der semitischen Psychologie gemeint sein, so wenig als es eine Minderbewertung des Chinesen bedeutet, wenn von der eigenartigen Psychologie des fernöstlichen Menschen die Rede ist."
Im Rückblick
des Geschehenen lesen sich seine Ausführungen hierzu von Anfang 1934
in seinem Überblick "Zur gegenwärtigen Lage der Psychotherapie"
[ebd. S.9] allerdings sehr anders, als sie damals sicherlich aufgenommen
wurden und vielleicht auch von ihm gemeint waren: "Der Jude als Angehöriger
einer etwa 3000jährigen Kulturrasse, ist wie der gebildete Chinese
in einem weiteren Umkreise psychologisch bewußt als wir... Das arische
Unbewußte dagegen enthält Spannkräfte und schöpferische
Keime von noch zu erfüllender Zukunft... energiegeladene Keime (im
Dunkel des Unbewußten), fähig zu gewaltiger Flamme. [Es] hat
ein höheres Potential als das jüdische; das ist der Vorteil und
der Nachteil einer dem Barbarischen noch nicht völlig entfremdeten
Jugendlichkeit." [Ingo-Wolf
Kittel]
|
UNTER MITWIRKUNG VON:
P. Bierre, Stockholm / K. Birnbaum,
Berlin / Th. Brugsch, Halle / W. Cimbal, Altona / A. Friedländer,
Freiburg i. Br. / R. Goldschmidt, Münster / K. Goldstein, Frankfurt
a. M. / Th. Gött, Bonn / C. Haeberlin, Bad Nauheim / G. Honigmann,
Gießen / M. Isserlin, München / G. Katsch, Frankfurt a.
M. / G. Klemperer, Berlin / E. Kretschmer, Marburg / M. Levy- Suhl, Berlin
/ S. Loewenthal, Braunschweig / Fr. Mohr, Coblenz / P. Ranschsburg,
Budapest / P. Schilder, Wien / E. Simmel, Berlin / E. Trömner, Hamburg
/ M. Walthard, Zürich.
FACHBEIRÄTE:
Dr. med. Benno Hahn, Nervenarzt,
Baden-Baden, Maria-Viktoria-Str. 6 / Dr. med. Heinz Hartmann, Assistent
an der Psychiatr. Univ.-Klinik in Wien / Privatdozent Dr. med. et phil.
Arthur Kronfeld, Facharzt für Nervenkrankheiten, Berlin W 15, Hohenzollernstr,
3 / Dr. med. Fritt Künkel, Nervenarzt, Berlin W 62, Lutherstr.10,
II / Prof. Dr. J. H. Schultz, Berlin W 62, Ahornstr. 4 / Dozent Dr. Oswald
Schwarz, Wien VIII, Alserstraße 37 / Geh. Med.-Rat Professor Dr.
Robert Sommer, Gießen, Am Steg 12.
INHALT DIESES HEFTES:
Zum Geleit S.1 / SOMMER, R., Psychotherapie
und psychische Hygiene S.6 / KRONFELD, A., Einige
Bemerkungen über die ersten psychotherapeutischen Veröffentlichungen,
insbes. J. C. Reil, S.10 / SCHILDER, P., Das Zerstückelungsmotiv,
S. 23 / SCHWARZ, O., Über psychogene Nierenschmerzen, S. 28
/ SCHULTZ, J. H., Perseveration und Psychopathentyp, S.34 / ALLERS, R.,
Zur Kenntnis der psychotherapeutischen Beeinflußbarkeit menstrualer
Störungen, S. 37 / ELIASBERG, W., Ist Seelische Heilbehandlung für
die Kassen lohnend? S. 46 / SOMMER, R., Psychotherapeutische Analysen,
S.49 / SOMMER, R., Zeitschriften über psychische Hygiene und psychiatrische
Prophylaxe, S. 53 / Fragekasten, S. 54 / Referatenteil, S. 55.
Die Zeitschrift für ärztliche Psychotherapie und psychische Hygiene ist erwachsen aus der Idee der beiden allgemeinen ärztlichen Kongresse für Psychotherapie. Der Besuch dieser im Frühjahr 1926 und 1927 abgehaltenen Kongresse hat gezeigt, welcher Rang den psychotherapeutischen Bestrebungen in der Gesamtmedizin bereits heute zukommt, welches Interesse ihnen entgegengebracht wird.
Die Idee der Psychotherapie. Um die Psychotherapie gruppieren sich heute nicht nur die praktischen Interessen der Therapie mit allen ihren Voraussetzungen, nicht nur die theoretischen Interessen der medizinischen Psychologie. Die Psychotherapie pflegt Beziehungen zu allen angrenzenden Wissenschaftsgebieten: der Psychologie, der biologischen Konstitutionslehre, der Charakterologie, der allgemeinen Psychopathologie, der Kriminalistik und Heilpädagogik. Der allgemeinste Gesichtspunkt der Psychotherapie ist nicht etwa der, daß ein Spiritualismus nunmehr an die Stelle jenes Materialismus tritt, unter dessen Fahnen die experimentelle Medizin des 19. Jahrhunderts zu einer rationellen Wissenschaft wurde. Psychotherapie ist überall in der Medizin, wo mit unvoreingenommener Beobachtung an die kranke Individualität herangetreten wird.
Psychotherapie ist eine Angelegenheit der Ärzte. Wir sind Ärzte und nicht Laien. Aus dem Gesamtkomplex seelischer und mitmenschlich-seelischer Beziehungen wollen wir das Ärztliche, d. h. das zum Heilzweck Wichtige herausheben. Ist es notwendig zu sagen, daß wir als Ärzte heilen wollen?
Psychotherapie und Klinik. Wir sind Ärzte, weil wir klinisch beobachten und denken gelernt haben. Einer der Grundgedanken der psychotherapeutischen Kongresse ist der, die Psycho[>2]therapie mit der Klinik wieder in Berührung zu bringen. Mehr noch: sie an den bewährten klinischen Methoden zu orientieren, ihr die Fragestellungen nach Atiologie, Verlauf, Prognose und vor allem nach der Indikation nahezubringen; kurz: beizutragen zu einer induktiven, rationellen, klinischen Psychotherapie, die zu den speziellen psychotherapeutischen Methoden, der Psychoanalyse, der Individualpsychologie u. a. in dem gleichen Verhältnis steht wie die innere Klinik zur physiologischen Chemie. Die Psychotherapie soll die wirklichen klinischen Probleme bewältigen lernen. Das wird sie zur Klärung ihrer eigenen theoretischen Voraussetzungen bringen. Schon jetzt erkennen alle ernsthaften Vertreter der „großen Psychotherapie" an, wie unentbehrlich die Zusammenarbeit mit der inneren Klinik, der Endokrinologie und besonders der Psychiatrie ist.
Doch ist die Psychotherapie nicht nur die empfangende. Sie stellt ihrerseits die Klinik vor das Problem der Individualität. v. Weizsäcker hat das 1926 in seinem Vortrag über „Psychotherapie und Klinik" in tiefschürfenden Gedanken dargestellt. Die Klinik sieht sich gezwungen, den Begriff der biologischen Konstitution in sich aufzunehmen. Darüber hinaus wird, wie Friedrich Kraus sagt, „die synthetische Erfassung des individuellen menschlichen Organismus nach Entwicklung, Bau und Leistung in allen Zusammenhängen mit seiner lebendigen und leblosen Umwelt" Forschungsgegenstand der Klinik.
In der klinischen Medizin bedeutet die Einführung des seelischen Moments die Bereicherung der Diagnose um ein Strukturmoment und der Therapie um eine noch nicht absehbare Möglichkeit. Jetzt erst wird die Ganzheitsbetrachtung in der modernen Medizin verwirklicht werden können. Denn durch die personale Betrachtung erhalten die elementaren Körperfunktionen einen Sinn und seelische, ja geistige Vorgänge ihr biologisches Fundament. Unsere individualisierende Einstellung zeigt sich auch in einer Umwertung der Kasuistik. Nur durch eine solche im besten Sinne klinische, d. h. die körperlichen und seelischen Momente in ihrer strukturellen Schichtung umfassende Analyse kann ein Fortschritt in der Klinik erwartet werden.
So ist es die Aufgabe der Psychotherapie für die Klinik, die Kenntnis von den Verlaufsgesetzen der Krankheiten (nicht nur der Neurosen) durch die Kenntnis der Gesetze des seelischen Geschehens und der Möglichkeit der ärztlichen Beeinflussung dieser Gesetze zu erweitern.
Die Ausbildung in der Psychotherapie. Als praktische Aufgabe ergibt es sich, dafür zu sorgen, daß jeder Studierende auf der Universität und jeder Arzt in seiner Weiterbildung auf solche Kenntnisse hingewiesen wird.
Der praktische Arzt und die Psychotherapie. Natürliche Psychotherapie und Psychotherapie als Wissenschaft; systematische und unsystematische Psychotherapie. Die "kleine Psychotherapie" umfaßt längst anerkannte Verfahren, die der praktische Arzt und viele Fachärzte mit vollem Recht anwenden. War sie doch auch - meist unbewußt - dasjenige, was an erster Stelle der Hausarzt zu geben hatte.
Aber eben der Vergleich mit der Tätigkeit des Hausarztes zeigt doch auch, warum weitere Ausbildung notwendig ist. Denn Psychotherapie ist heute ärztlich seelische Heilbehandlung auf wissenschaftlicherGrundlage. So sehr jeder Arzt auch Psychotherapeut ist oder sein sollte und so unrichtig es wäre, den Anwendungsbereich psychotherapeutischen Denkens und Handelns auf das Gebiet der Neurosen und Psychosen einzuengen, ebenso falsch wäre es, ohne Kenntniss der Methoden und der Ergebnisse der Neurosenlehre einerseits, der experimentellen Psychologie im weitesten Sinne andererseits sich für einen Psychotherapeuten halten zu wollen. Wer die Ergebnisse der vergleichenden Psychologie, der Charakterologie, der Erlebnis- und Leistungspsychologie, der seelischen Onto- und Phylogenese und nicht zuletzt der geisteswissenschaftlichen Psychologie zur Kenntnis zu nehmen sich weigert, schädigt seine Patienten und sich selbst.
Der Arzt soll wissen, daß es eine unsystematische Psychotherapie der Symptome (Trost, Ablenkung, Zerstreuung, Reise, Sanatorium, Übung und Entübung, Konzentration und Erschlaffung, Willensschulung u. dgl. m.) gibt und andererseits eine systematische Psychotherapie mit und ohne theoretische Grundlage. Er soll wissen, was er sich davon zutrauen kann und in welchem Falle er den psychotherapeutischen Fachkollegen heranzuziehen hat.
Soziale Psychotherapie. Psychotherapie in der Üffentlichkeit. Psychische Hygiene. Psychotherapie und Wirtschaftsleben. Die Psychotherapie in der Hand des Arztes, die durch medizinisch-psychologische Kenntnisse geleitete Einstellung jeden Arztes auf den leidenden Menschen als Persönlichkeit, das ist die beste, vielleicht die entscheidende Waffe des Ärztestandes im Kampf gegen die Kurpfuscherei.
Soziale Bedeutung der Psychotherapie. Es besteht ein allgemeines Bedürfnis nach Psychotherapie. Das moderne Leben erzeugt so viel an qualvoller Angst, an Bedürfnis nach Aussprache und Erlösung. Eine soziale Ausgestaltung der Psychotherapie ist darum dringend notwendig. Die Psychotherapie darf nicht ein Vorrecht der begüterten Volksschichten sein. Wir wollen sie auch dem letzten [>4] unbekannten Soldaten im Lebenskampf, dem Lebenden und Leidenden, zukommen lassen.
Wenn die Psychotherapie ihren Kampf gegen die Volksseuche der Neurosen wirksam durchführen will, muß sie - das braucht vor Ärzten nicht weiter ausgeführt zu werden - ihre Anerkennung bei den Krankenkassen durchsetzen. Das wird um so eher möglich sein, wenn es uns gelingt, der öffentlichen Meinung die Bedeutung der Psychotherapie darzutun.
Das öffentliche Leben bietet genug Berührungspunkte. Gerade in der Öffentlichkeit machen sich gewisse psychotherapeutische Methoden breit. Unter dem Schlagwort „Hypnose und Verbrechen" wird in weiten Kreisen eifrig diskutiert. Der Mediumismus, der Spiritismus, der Okkultismus! Bei allen diesen Dingen, Grenzgebieten der öffentlichen Meinung und der Wissenschaft, sollte sich die Psychotherapie vernehmen lassen. Wir wollen der Prophylaxe und Hygiene der geistigen Gesundheit unsere Arbeit widmen.
Die Idee der psychischen Hygiene, in Deutschland von Robert Sommer geschaffen, soll nun auch die ihr gebührende Vertretung finden. Die Zusammenhänge der Psychotherapie mit der offenen Fürsorge für Geisteskranke, die Bedeutung der Psychotherapie überhaupt für die Behandlung der Geisteskrankheiten in der Anstalt soll dargestellt werden.
Wir sprechen heute davon, daß unser soziales Leben krank sei, daß die abhängige Arbeit, auf welcher unsere arbeitsteilige Gesellschaft beruht, immer unwilliger getan werde. Uns Ärzten begegnet die abnorme Einstellung zur abhängigen Arbeit unter dem Bilde der Unfallneurose.
Hier eröffnet sich der Ausblick auf eine Psychotherapie der abhängigen Arbeit, ein ärztliches Bemühen, das im engen Zusammenhang mit der Sozialreform, in Kenntnis des Arbeitsmarktes, in Kenntnis der sozialen Umstände jedes Einzelfalles bestrebt ist, den einzelnen berufstätigen Menschen von dem Bleigewicht der Hemmungen, Sperrungen, der Verzweiflung, der Mutlosigkeit, von allem, was seine Leistungsfähigkeit gefährdet, zu befreien. Eine Tätigkeit, die zwar im Zusammenhang mit der Sozialreform steht, aber durch sie nicht ersetzt werden kann. Eine kunstmäßige Behandlung, die in die Hand des Arztes gehört. An dieser angewandten sozialen Psychotherapie hat die ganze Öffentlichkeit, haben Staat und Wirtschaft ein brennendes Interesse.
Die Psychotherapie kann nicht nur das Leiden des einzelnen, sondern auch das der Gesamtheit beeinflussen. Videant consules! [>5]
Die in der Zeitschrift veröffentlichten Originalien sollen dem Arzt Arbeiten aus dem Gesamtgebiet, das hier umrissen wurde, geben. Ein besonderer Wert wird auf die Ausgestaltung des Referatenteiles gelegt. Da es bis heute kein Organ gab, das dem an Fragen der Psychotherapie und der psychischen Hygiene Interessierten die Möglichkeit eines Überblicks über die einschlägigen Veröffentlichungen bietet, wird die Schriftleitung dem Referatenwesen besondere Aufmerksamkeit zuwenden. Einzelreferate sollen über die laufende Literatur tunlichst rasch informieren. Sammelreferate werden dafür sorgen, daß in der ersten Zeit ein Überblick über das bereits Vorhandene gegeben wird. Bedeutendere Sonderprohleme werden eine systematisch- kritische Bearbeitung finden; die Einzelreferate werden rein informierend gehalten sein. Das Sachgebiet, welches durch die Referate erfaßt werden soll, hat sich nicht nur auf psychotherapeutische Fragen oder solche der psychischen Hygiene im engeren Sinne zu erstrecken; es muß alle irgend damit im Zusammenhang stehenden Problem- und Tatsachenkreise mit berücksichtigen. So werden etwa manche Arbeiten zur Psychotechnik und Sozialpsychologie nicht weniger beachtet werden als solche über die Klinik neurotischer Erkrankungen, experimentelle und allgemeine Psychologie gegebenenfalls ebenso wie Angaben über spezielle psychotherapeutische Methoden.
Wir werden bemüht sein, die Interessen nicht nur der Fachpsychotherapeuten, sondern auch die der psychotherapeutisch interessierten ärztlichen Allgemeinheit zu wahren.
Der Herausgeber. Die Schriftleitung.
Die Fachbeiräte. Der Verlag.