ICH-Konzepte in der Psychologie
"Der Mensch ist sich selbst das rätselhafteste Ding der Natur
... "
(Pascal: Gedanken, 35)
Das Ich, das Ich ist das tief Geheimnisvolle!
Ludwig Wittgenstein (Tagebücher 5.8.1916)
"Ein ewiges Rätsel will ich bleiben mir und anderen"
(Ludwig
II.)
von Rudolf Sponsel,
Erlangen
_
Ich-Konzepte in der Psychologie, in Geistes- und Sozialwissenschaften
Titcheners ICH-Konzept (1912), S. 545ff:
"§ 148. Das Ich. — Unter
dem „Ich" als einem psychologischen Begriff verstehen wir die besondere
Verbindung von Talent, Temperament und Charakter — von intellektueller,
affektiver und Willensveranlagung — die sich in einem Individuum findet.
Als Bewußtseinserlebnis ist das Ich irgend ein Komplex seelischer
Vorgänge, der den augenblicklichen Zustand dieser Verbindung bedeutet,
und das Ichbewußtsein ist ein Bewußtsein, in dem das Ich als
ein Bewußtseinsinhalt in den Blickpunkt der Aufmerksamkeit tritt.
Das Ichbewußtsein kann ebenso mannigfach variieren, wie die objektiven
Beziehungen, in denen der Organismus zu den persönlichen und unpersönlichen
Bestandteilen seiner Umgebung steht. Es hat aber doch gewisse ziemlich
konstante Bestandteile: Organempfindungen, eine vi-[>]suelle Wahrnehmung
oder Vorstellung des Körpers: und die Wortvorstellungen des „Ich"
oder „mein".
Man kann in vielen psychologischen Lehrbüchern
lesen, daß ein bewußtes Ich den dauernden Hintergrund des Bewußtseins
bildet, und daß wir nur die Aufmerksamkeit auf diesen Hintergrund
zu lenken brauchen, um das Selbst zur vollen Wirklichkeit zu erheben. Die
Behauptung ist so häufig und mit solcher Sicherheit ausgesprochen
worden, daß der Verf. dazu neigt, an individuelle Unterschiede zu
glauben. Es mag Individuen geben, die sozusagen in eine persönliche
Form gegossen sind, während andere relativ unpersönlich sind.
Nach der Selbstbeobachtung des Verf. tritt des bewußte Ich, obgleich
es jederzeit durch einen Willensakt hervorgerufen werden kann, verhältnismäßig
selten auf. Es fehlt jedenfalls innerhalb des Verlaufes von Bewußtseinsvorgängen,
die die alltägliche Beschäftigung begleiten. Ebenso sicher entschwindet
es aus dem Bewußtsein beim konzentrierten Nachdenken; die Ansichten
und Theorien, welche die Vulgärpsychologie als persönliche beschreibt,
werden völlig ohne Ichbewußtsein ersonnen und formuliert. Es
fehlt gleichfalls in Situationen, von denen man vorausgesetzt hat, daß
sie ein Selbstbewußtsein im Sinne eines „Bewußtseins, daß
man beobachtet werde" entstehen lassen; es können alle Anzeichen eines
starken Affektes vorhanden sein — Trockenheit im Gaumen, Brennen der Backen,
Störung der Atmung, Stocken der Stimme, Schwitzen und Zittern der
Hände, Unsicherheit aller Bewegungskoordinationen FN1
— und doch kann jede Spur eines bewußten Ichs fehlen. Mit einem Wort,
das seelische Leben ist wenigstens bei dem Verf. nur mit großen Unterbrechungen
ein persönliches (S. 17); das bewußte Ich erscheint als ein
gelegentlicher Begleiter in verschiedenen Zusammenhängen; am häufigsten
vielleicht in Verbindung mit dem Gefühl der Einsamkeit; aber bei den
erwachsenen Kulturmenschen wird dieses Gefühl selbst nur gelegentlich
erlebt.
Ohne Zweifel besteht eine instinktive Tendenz zur
Personifizierung. Der Mensch wächst, wie wir in § 5 sahen, von
frühe an in den Glauben hinein, daß es zwei beharrliche Substanzen
gibt, Materie und Geist, von denen die eine dazu dient, den Fluß
der physischen natürlichen Vorgänge zu fixieren, die andere die
Kontinuität des individuellen Erlebens zu sichern. Aus jenem [>547]
ersten entspringt unsere instinktive Tendenz, die Welt der Wahrnehmung
für eine Welt realer Dinge zu halten (S. 464); und aus dem zweiten
eine instinktive Neigung zur Personifizierung, für welche die Tendenz,
die Beständigkeit unseres Gefühlslebens zu überschätzen,
ein Beispiel war (S. 496). Instinktive Tendenzen können von Bewußtsein
begleitet sein, aber brauchen es nicht; hier zeigen sich leicht individuelle
Differenzen. Wir haben aber ein besonders belehrendes Beispiel für
die Unbewußtheit der Tendenz zur Personifizierung in den Formen der
Sprache. Die Unterhaltung ist reich an „ich" und „mich" und „mein", und
doch braucht nicht die leiseste Spur des Ich in dem Bewußtsein enthalten
zu sein, das die Worte zum Ausdruck bringen. Es ist unmöglich, diese
Sprachformen zu vermeiden, und es ist auch gar nicht nötig; der Verf.
kann sein Fehlen des Ichbewußtseins dem Leser viel leichter ausdrücken,
wenn er sagt „Ich habe kein Ichbewußtsein", als wenn er das Wort
„Ich" in irgend einen unpersönlichen Ausdruck übersetzte. Unsere
Umgangssprache enthält eine Metaphysik der Persönlichkeit genau,
so wie sie die metaphysische Theorie einer Wechselwirkung zwischen Geist
und Körper einschließt (S. 13). Wir alle sprechen so, als wenn
wir diese Theorien annähmen; wenn es aber zu einer wissenschaftlichen
Erörterung kommt, setzen wir unsere Stellung zu der Theorie in denselben
Ausdrücken auseinander.
Die Tendenz zur Personifizierung ist von Anfang
an eine soziale, und die Vorstellung des Ich wird durch soziale Einflüsse
gefördert. Das Individuum in einer primitiven Gesellschaft ist zu
eng mit seiner Familie oder seinen Stammesgenossen verbunden, um eine klare
Vorstellung des individuellen Ich bilden zu können. Aber es ist für
sich und auch in der Meinung der andern eine unabhängige Quelle von
Willenshandlungen. Der einzelne rühmt sich seiner Tapferkeit und seine
Genossen preisen ihn; der Stamm will sich ernähren, und er hat sein
eigenes Revier in den Jagdgründen des Stammes; er ist in irgend einer
Handfertigkeit erfahren, und die andern lassen sich von ihm mit seinen
Erzeugnissen versorgen. Endlich hat er auch einen Namen; dieser bezieht
sich vielleicht auf seinen Mut oder seine Geschicklichkeit, oder rührt
von irgend einem besondern Ereignis in seinem Leben her; ein Spitzname,
der seinem Stammesnamen hinzugefügt wird. Alle diese Züge haben
als seelische Erlebnisse eine große Eindrucksstärke. Sie liefern
das Material für die Bildung einer beruflichen oder sozialen Ichvorstellung;
und es ist nur noch eine Frage der [>548] Zeit, wann diese zu der Vorstellung
des individuellen Selbst verfeinert wird. Wir Spätgeborenen tragen
den Stempel der Personifizierungstendenz auf unserm Nervensystem; aber
auch wir erhalten die Vorstellung von unserm Ich ursprünglich von
Eltern, Lehrern und Genossen. Von der Zeit an, wo wir die gesprochenen
Worte zu verstehen anfangen, sind wir mit der Verwendung der Eigennamen
und der persönlichen Fürwörter zur Bezeichnung verschiedener
Individuen vertraut. Das Ichbewußtsein entsteht so aus unserm Leben
in der Gesellschaft; der Verf. hält es völlig für ausgeschlossen,
daß es außer vielleicht in gelegentlichen Fällen, aus
einer Untersuchung des Hintergrundes des Bewußtseins in der Selbstbeobachtung
entspringt.
Hinsichtlich der Abbildung des Ichs im Bewußtsein
ist zu dem Bisherigen wenig hinzuzufügen. Bei dem Verfasser ist der
Komplex von Organempfindungen, der das intellektuelle oder aktive Ich bedeutet,
gewöhnlich kinästhetisch, derjenige, der das emotionale Ich bedeutet,
viszeral. Man hat behauptet, daß die Organempfindungen sich besonders
zu Trägern der Ichbedeutung eignen, da sie immer vorhanden sind, und
während der individuellen Lebensdauer so gut wie unverändert
bleiben. Wenn aber dieser organische Hintergrund nicht von selbst das Ich
darstellt, wenn ein Ichzusammenhang nötig ist, ist jene Behauptung
nicht stichhaltig. Die Organempfindungen sind von hoher Wichtigkeit als
Bestandteile assoziativer Zusammenhänge und als die sensorischen Elemente
in vielen intensiven Gefühlszuständen; aus beiden Gründen
eignen sie sich zu Trägern der Ichbedeutung, so gut wie zu Trägern
vieler anderer Bedeutungen; aber ihr eigenes Fortdauern im Bewußtsein
ist nicht notwendig ein Bewußtsein des Fortdauerns, und sie können
ebenso bestimmt auf eine äußere Realität wie auf ein inneres
Selbst hinweisen. — Das Gesichtsbild des Ichs kann schematisch sein, wie
auf S. 528 beschrieben, oder ein eigentliches Bild; im letzteren Falle
ist es gewöhnlich, nach den Beobachtungen des Verf., das Bild des
eigenen Körpers in irgend einer ungewöhnlichen Kleidung oder
Stellung
FN2
Spaltung der Persönlichkeit. — Sehr
interessant sind [>549] die Fälle einer Spaltung der Persönlichkeit
oder eines Doppelichs, in denen dasselbe Individuum in verschiedenen Perioden
auffallende Unterschiede der Intelligenz, des Gefühlslebens und des
Gesamtverhaltens darbietet. Der psychologische Schlüssel zu diesen
Erscheinungen, die hier nicht erörtert werden können, liegt in
dem Wandel der Persönlichkeit, den normale Individuen bei Änderung
der Bedingungen zeigen (S. 17).
FN1) Jeder, der sich mit Psychologie beschäftigt,
sollte Machs Darstellung der Selbstbetrachtung des Ichs (Beiträge
zur Analyse der Empfindungen, 1886) kennen. Der Verf. hätte sie hier
reproduziert, wenn er nicht die Hoffnung hegte, durch diesen Hinweis den
Leserkreis des M achschen Buches zu erweitern.
__
FN2) Vgl. die Schilderung des Zustandes vor einer
Audienz bei Mosso, Furcht, S. lff.
__
Ernst Mach zum Ich
aus der Analyse der Empfindungen
> Mach kurz und bündig bei Eisler.
S.2f :
"... Als relativ beständig zeigt sich ferner der an einen besonderen
Körper (den Leib) gebundene Komplex von Erinnerungen, Stimmungen,
Gefühlen, welcher als Ich bezeichnet wird. Ich kann mit diesem oder
jenem Ding beschäftigt, ruhig und heiter oder aufgebracht und verstimmt
sein. Doch bleibt (pathologische Fälle abgerechnet) genug Beständiges
übrig, um das Ich als dasselbe anzuerkennen. Allerdings ist auch das
Ich nur von relativer Beständigkeit. Die scheinbare Beständigkeit
des Ich besteht vorzüglich nur in der Kontinuität, in der langsamen
Änderung. Die vielen Gedanken und Pläne von gestern, welche heute
fortgesetzt werden, an welche die Umgebung im Wachen fortwährend erinnert
(daher das Ich im Traume sehr verschwommen, verdoppelt sein, oder ganz
fehlen kann), die kleinen Gewohnheiten, die sich unbewußt und unwillkürlich
längere Zeit erhalten, machen den Grundstock des Ich aus. Größere
Verschiedenheiten im Ich verschiedener Menschen, als im Laufe der Jahre
in einem Menschen eintreten, kann es kaum geben. ..."
S.3f :
"... Das Ich ist so wenig absolut beständig als die Körper.
Was wir am Tode so sehr fürchten, die Vernichtung der Beständigkeit,
das tritt im Leben schon in reichlichem Maße ein. Was uns das Wertvollste
ist, bleibt in unzähligen Exemplaren erhalten, oder erhält sich
bei hervorragender Besonderheit in der Regel von selbst. Im besten Menschen
liegen aber individuelle Züge, um die er und andere nicht zu trauern
brauchen. Ja zeitweilig kann der Tod, als Befreiung von der Individualität,
sogar ein angenehmer Gedanke sein. Das physiologische Sterben wird durch
solche Überlegungen natürlich nicht erleichtert.
Ist die erste Orientierung durch Bildung der Substanzbegriffe
"Körper", "Ich" (Materie, Seele) erfolgt, so drängt der Wille
zur genaueren Beachtung der Veränderungen an diesem relativ Beständigen.
Das Veränderliche an den Körpern und am Ich ist es eben, was
den Willen3) bewegt. Erst jetzt treten die Bestandteile des Komplexes als
Eigenschaften desselben hervor. Eine Frucht ist süß, sie kann
aber auch bitter sein. Auch andere Früchte können süß
sein. Die gesuchte rote Farbe kommt an vielen Körpern vor. Die Nähe
mancher Körper ist angenehm, jene anderer unangenehm. So erscheinen
nach und nach verschiedene Komplexe aus gemeinsamen Bestandteilen zusammengesetzt.
Von den Körpern trennt sich das Sichtbare, Hörbare, Tastbare
ab. Das Sichtbare löst sich in Farbe und Gestalt. In der Mannigfaltigkeit
der Farben treten wieder einige Bestandteile in geringerer Zahl hervor,
die Grundfarben u.s.w. Die Komplexe zerfallen in Elemente4), d. h. in letzte
Bestandteile, die wir bisher nicht weiter zerlegen konnten. Die Natur dieser
Elemente bleibe dahin gestellt; dieselbe kann durch künftige Untersuchungen
weiter aufgeklärt werden. Daß der Naturforscher nicht die direkten
Beziehungen dieser Elemente, sondern Relationen von Relationen derselben
leichter verfolgt, braucht uns hier nicht zu stören. ..."
S. 6ff:
"... Auch das Ich, sowie das Verhältnis der Körper zum Ich,
gibt Anlaß zum Auftreten analoger Scheinprobleme, deren Kern im folgenden
kurz angegeben werden soll. Die zuvor statuierten Elemente wollen wir durch
die Buchstaben A B C ... K L M ... a b g... andeuten. Die Komplexe von
Farben, Tönen u.s.w., welche man gewöhnlich Körper nennt,
bezeichnen wir der Deutlichkeit wegen mit A B C ...; den Komplex, der unser
Leib heißt, und der ein durch Besonderheiten ausgezeichneter Teil
der ersteren ist, nennen wir K L M ... ; den Komplex von Willen, Erinnerungsbildern
u.s.w. stellen wir durch a, b, g, . . . dar. Gewöhnlich wird nun der
Komplex a b g... K L M ... als Ich dem Komplex A B C ... als Körperwelt
gegenübergestellt; zuweilen wird auch a b g ... als Ich, K L M ...
A B C ... als Körperwelt zusammengefaßt. Zunächst erscheint
A B C ... als unabhängig vom Ich und diesem selbständig gegenüber
stehend. Diese Unabhängigkeit ist nur relativ, und hält vor gesteigerter
Aufmerksamkeit nicht stand. In dem Komplex a b g ... kann sich allerdings
manches ändern, ohne daß an A B C ... viel bemerklich wird,
ebenso umgekehrt. Viele Änderungen in a b g... gehen aber durch Änderungen
in K L M ... nach A B C ... über und umgekehrt. (Wenn z. B. lebhafte
Vorstellungen in Handlungen ausbrechen, oder die Umgebung in unserm Leib
merkliche Änderungen veranlaßt.) Hierbei scheint K L M ... mit
a b g... und auch mit A B C ... stärker zusammenzuhängen, als
letztere untereinander. Diese Verhältnisse finden eben in dem gewöhnlichen
Denken und Sprechen ihren Ausdruck.
Genau genommen, zeigt sich aber, daß A B C
..., immer durch K L M ... mitbestimmt ist. Ein Würfel wird, wenn
er nahe, groß, wenn er fern, klein, mit dem rechten Auge anders als
mit dem linken, gelegentlich doppelt, bei geschlossenen Augen gar nicht
gesehen. Die Eigenschaften eines und desselben Körpers erscheinen
also durch den Leib modifiziert, sie erscheinen durch denselben bedingt.
Wo ist denn aber derselbe Körper, der so verschieden erscheint? Alles,
was man sagen kann, ist, daß verschiedene A B C ... an verschiedene
K L M gebunden sind FN6). ..."
S. 10f:
"...Gewöhnlich wird der Komplex ab g... K L M ... als Ich dem
Komplex A B C ... gegenübergestellt. Nur jene Elemente von A B C ...,
welche ab g... stärker alterieren, wie einen Stich, einen Schmerz
pflegt man bald mit dem Ich zusammenzufassen. Später zeigt sich aber
durch Bemerkungen der oben angeführten Art, daß das Recht, A
B C ... zum Ich zu zählen, nirgends aufhört. Dem entsprechend
kann das Ich so erweitert werden, daß es schließlich die ganze
Welt umfaßt7). Das Ich ist nicht scharf abgegrenzt, die Grenze ist
ziemlich unbestimmt und willkürlich verschiebbar. Nur indem man dies
verkennt, die Grenze unbewußt enger und zugleich auch weiter zieht,
entstehen im Widerstreit der Standpunkte die metaphysischen Schwierigkeiten.
7) Wenn ich sage, der Tisch, der Baum u. s. w. sind meine Empfindungen,
so liegt darin, der Vorstellung des gemeinen Mannes gegenüber, eine
wirkliche Erweiterung des Ich. Aber auch nach der Gefühlsseite ergibt
sich eine solche Erweiterung für den Virtuosen, der sein Instrument
fast so gut beherrscht als seinen Leib, für den gewandten Redner,
in dem alle Augenaxen convergieren, und der die Gedanken seiner Zuhörer
leitet, für den kräftigen Politiker, der seine Partei mit Leichtigkeit
führt, u. s. w. — In Depressionszuständen hingegen, wie sie nervöse
Menschen zeitweilig zu ertragen haben, schrumpft das Ich zusammen. Eine
Wand scheint es von der Welt zu trennen.
Sobald wir erkannt haben, daß die vermeintlichen
Einheiten "Körper", "Ich" nur Notbehelfe zur vorläufigen Orientierung
und für bestimmte praktische Zwecke sind (um die Körper zu ergreifen,
um sich vor Schmerz zu wahren u.s.w.), müssen wir sie bei vielen weitergehenden
wissenschaftlichen Untersuchungen als unzureichend und unzutreffend aufgeben.
Der Gegensatz zwischen Ich und Welt, Empfindung oder Erscheinung und Ding
fällt dann weg, und es handelt sich lediglich um den Zusammenhang
der Elemente ab g ... A B C ... K L M ..., für welchen eben dieser
Gegensatz nur ein teilweise zutreffender unvollständiger Ausdruck
war. Dieser Zusammenhang ist nichts weiter als die Verknüpfung jener
Elemente mit andern gleichartigen Elementen (Zeit und Raum). Die Wissenschaft
hat ihn zunächst einfach anzuerkennen, und sich in demselben zu orientieren,
anstatt die Existenz desselben sofort erklären zu wollen.
Bei oberflächlicher Betrachtung scheint der
Komplex ab g ... aus viel flüchtigeren Elementen zu bestehen, als
A B C ... und K L M ..., in welchen letzteren die Elemente stabiler und
in mehr beständiger Weise (an feste Kerne) geknüpft zu sein scheinen.
Obgleich bei weiterem Zusehen die Elemente aller Komplexe sich als gleichartig
erweisen, so schleicht sich doch auch nach dieser Erkenntnis die ältere
Vorstellung eines Gegensatzes von Körper und Geist leicht wieder ein.
Der Spiritualist fühlt wohl gelegentlich die Schwierigkeit, seiner
vom Geist geschaffenen Körperwelt die nötige Festigkeit zu geben,
dem Materialisten wird es sonderbar zu Mut, wenn er die Körperwelt
mit Empfindung beleben soll. Der durch Überlegung erworbene monistische
Standpunkt wird durch die älteren stärkeren instinktiven Vorstellungen
leicht wieder getrübt. ---"
S.18:
"... Daß aus diesem Elementenkomplex, welcher im Grunde nur einer
ist, die Körper und das Ich sich nicht in bestimmter, für alle
Fälle zureichender Weise abgrenzen lassen, wurde schon gesagt. Die
Zusammenfassung der mit Schmerz und Lust am nächsten zusammenhängenden
Elemente in einer ideellen denkökonomischen Einheit, dem Ich, hat
die höchste Bedeutung für den im Dienste des schmerzmeidenden
und lustsuchenden Willens stehenden Intellekt. Die Abgrenzung des Ich stellt
sich daher instinktiv her, wird geläufig und befestigt sich vielleicht
sogar durch Vererbung. Durch ihre hohe praktische Bedeutung nicht nur für
das Individuum, sondern für die ganze Art machen sich die Zusammenfassungen
"Ich" und "Körper" instinktiv geltend und treten mit elementarer Gewalt
auf. In besonderen Fällen aber, in welchen es sich nicht um praktische
Zwecke handelt, sondern die Erkenntnis Selbstzweck wird, kann sich diese
Abgrenzung als ungenügend, hinderlich, unhaltbar erweisen FN17).
..."
S. 21
"... Die Gewohnheit, den unanalysierten Ich-Komplex
als eine unteilbare Einheit zu behandeln, hat sich wissenschaftlich oft
in eigentümlicher Weise geäußert. Aus dem Leibe wird zunächst
das Nervensystem als Sitz der Empfindungen ausgesondert. In dem Nervensystem
wählt man wieder das Hirn als hierzu geeignet aus, und sucht schließlich,
die vermeintliche psychische Einheit zu retten, im Hirn noch nach einem
Punkt als Sitz der Seele. So rohe Anschauungen werden aber schwerlich geeignet
sein, auch nur in den gröbsten Zügen die Wege der künftigen
Untersuchung über den Zusammenhang des Physischen und Psychischen
vorzuzeichnen. Daß die verschiedenen Organe, Teile des Nervensystems,
mit einander physisch zusammenhängen und durch einander leicht erregt
werden können, ist wahrscheinlich die Grundlage der "psychischen Einheit".
Ich hörte einmal ernstlich die Frage diskutieren: "Wieso die Wahrnehmung
eines großen Baumes in dem kleinen Kopfe des Menschen Platz fände"?
Besteht auch dieses Problem nicht, so wird doch durch die Frage die Verkehrtheit
fühlbar, die man leicht begeht, indem man sich die Empfindungen räumlich
in das Hirn hineindenkt. Ist von den Empfindungen eines andern Menschen
die Rede, so haben diese in meinem optischen oder überhaupt physischen
Raum natürlich gar nichts zu schaffen; sie sind hinzugedacht, und
ich denke sie kausal (oder besser funktional), aber nicht räumlich
an das beobachtete oder vorgestellte Menschenhirn gebunden. Spreche ich
von meinen Empfindungen, so sind dieselben nicht räumlich in meinem
Kopfe, sondern mein "Kopf" teilt vielmehr mit ihnen dasselbe räumliche
Feld, wie es oben dargestellt wurde. (Vergl. das über Fig. 1, Abschn.
9, 10 Gesagte)20). ..."
Ende Mach.
"Ich ist der Ausdruck der Selbstunterscheidung eines lebenden Subjects
von anderen Subjecten und den Objecten (Nicht-Ichs), also der Beziehung
von Erlebnissen auf das Subject als deren Eigner, Träger, constanten
Factor. Das Ich ist das Identische, Permanierende, die Einheit eines lebenden,
bewußten Wesens. Es erfaßt sich selbst, »setzt«
(s. d.) sich selbst zuerst in einer Summe von Trieben, dann im (beseelten)
Leibe, dann in einem Zusammenhange von Vorstellungen, Urteilen und Gefühlen,
zuletzt im Willen und in der kraftvollen, synthetischen Einheit des Bewußtseins
überhaupt, die sich von allen ihren Teilgliedern und Inhalten unterscheidet.
Das Wesen des Ich liegt in der unterscheidenden, (rück-) beziehenden
und synthetischen Tätigkeit selbst. Das Ich ist kein Schein, keine
Erscheinung, es ist als (activer) Bewußtseinsfactor idealreal zugleich
wie alles Geistige, es ist kein Summationsphänomen, sondern ist schon
ein Factor des primitiven Bewußtseins (als »Ichgefühl«,
concrete Ichheit, Für-sich-sein). Aber es ist keine Wesenheit außerhalb
des Bewußtseins, keine starre Substanz, sondern substantiell nur
in und mit dem Complex individueller Erlebnisse gegeben, als Ich-Moment.
Das »reine« Ich ist ein begriffliches Gebilde, es ist das Ich,
losgelöst gedacht von seinem Inhalte und in seinen Ichcharakter, der
»Ichheit«, fixiert. Die verschiedenen Arten der Setzung des
Ich, des Ich-Erlebens, Ich-Wissens kommen in der Entwicklung des Selbstbewußtseins
(s. d.) zum Ausdruck. Die Unterscheidung eines »primären«
vom »secundären« (entwickelten, entfalteten, Reflexions-)
Ich ist berechtigt. Dem individuellen Ich wird zuweilen ein Gesamt-Ich,
ein universales Ich gegenübergestellt. - Die Ichheit ist die Urkategorie,
die subjective Quelle der Kategorien (s. d.). Die Geschichte des Ich-Begriffes
zeigt, daß das Ich bald als Seele, Substanz, bald als Action, Synthesis,
Einheit, bald als Complex, Associationsproduct, bald also als etwas Ursprüngliches,
Reales, Wesenhaftes, bald als etwas Abgeleitetes, als Product, als Erscheinung
oder Schein aufgefaßt wird.
Als geistige Wesenheit, als Träger des Denkens
besonders erscheint das Ich bei PLATO,
ARISTOTELES, PLOTIN, bei denen wir Ansätze zu einer Lehre vom
Selbstbewußtsein (s. d.) finden. Die Stoiker beziehen das »Ich«
auf das hêgemonikon (s. d.) houtô de kai to egô
legomen kata touto (hêgem.) deiknyontes; (Galen., De plac. Hipp.
et Plut. V, 215 k). CICERO betont: »Neque
nos corpora sumus«, »ab animo tuo quidquid agitur, id agitur
a te« (Tuscul. disput. I, 22, § 52). - Nach AUGUSTINUS
ist das Ich die Seele selbst (De trin. X, 10). So auch die Scholastiker.
DESCARTES betont die Immaterialität
des Ich, es ist das Subject des Denkens, die »res cogitans«,
die sich aus dem »cogito, ergo sum« ergibt (Medit. II u. III).
Das »ego« ist »mens«, denn nur das Denken kann
vom Ich nicht abstrahiert werden. »Examinantes enim, quinam simus
nos, qui omnia, quae a nobis diversa sunt, supponimus falsa esse, perspicue
videmus, nullam extensionem, nec figuram, nec motum localem, nec quid simile,
quod corpori tribuendum, ad naturam nostram pertinere, sed cogitationem
solam« (Princ. philos. I, 7). GEULINCX
erklärt: »Corpus meum pars huius mundi. Ego vero minime pars
huius mundi sum, utpote qui sensum omnem fugiam, qui nec videri ipse, nec
audiri, nec manu tentari possim. Haec omnia in corpore meo sistunt, nihil
horum ad me neque permeat; ego speciem omnem excedo. Ego sola cognitione
volitioneque definior« (Eth. annot. p. 204). »Ego non facio
id, quod, quomodo fiat, nescio« (l.c. p. 205). SPINOZA
identificiert das Ich mit dem Intellecte (»mens«), betrachtet
es aber nicht als Einzelsubstanz, sondern als modus (s. d.) der Gott-Natur
(vgl. Selbstbewußtsein). LOCKE versteht
unter dem Ich ein denkendes, vernünftiges Wesen, das sich als sich
selbst und als dasselbe Wesen auffassen kann (Ess. II, ch. 27, § 9
f.). Das Ich besteht in dem stetigen, mit sich identischen Bewußtsein
selbst (l.c. § 25), so daß es für dieses gleichgültig
ist, ob ihm eine oder mehrere Substanzen zugrundeliegen (l.c. §16
f.).
LEIBNIZ unterscheidet die reale, physische
von der persönlichen, bewußten Identität des Ich (Nouv.
Ess. II, ch. 27, § 19). Die Ichheit als Für-sich-sein, Innerlichkeit
kommt allen Wesen (Monaden, s. d.) zu. BERKELEY
faßt das Ich als rein geistige, active Substanz auf (Princ. XXVII).
Nach BONNET ist das Ich eine »modification
de l'âme, et cette modification n'est que l'âme elle-même
existant dans un certain état« (Ess. C. 38). - Nach CONDILLAC
ist das Ich (der fingierten »Statue«) »tout à
la fois la conscience de ce qu'elle est et le souvenir de ce qu'elle a
été«(Trait. d. sensat. I, ch. 6, § 3). Das Ich
eignet nur einem Wesen, »qui remarque que dans le moment présent
il n'est plus ce qu'il a été. Tant qu'il ne change point,
il existe sans aucun retour sur lui-même: mais aussitôt qu'il
change, il juge qu'il est le même qui a été auparavant
de telle manière, et il dit moi« (l.c. § 2). Das Ich
des Wahrnehmenden ist nur eine »collection« von Empfindungen
und Erinnerungsvorstellungen (l.c. 1, ch. 6, § 3). HUME
setzt Ich und Seele gleich (Treat. IV, sct. 6) und hebt die Substantialität
desselben ganz auf. Das Ich trifft sich niemals ohne Perception an und
findet sich stets nur in Perceptionen. Es ist nur ein »bundle or
collection« »verschiedener Perceptionen, die einander mit unbegreiflicher
Schnelligkeit folgen und beständig in Fluß und Bewegung sind«
(l.c. S. 327).
Die actuale Auffassung des Ich tritt bei KANT
wieder auf, aber in einer andern Form, die der Activität und synthetischen
Einheit des Ichbewußtseins mehr Rechnung tragt. Die metaphysische
Einfachheit und Substantialität des Ich wird bestritten, die Einheit
des Subjects aber betont. Das »Ich bin einfach« ist nur »ein
unmittelbarer Ausdruck der Apperception«, der Bewußtseinstätigkeit
selbst (Krit. d. r Vern. S. 302). Es bedeutet, daß die Vorstellung
»Ich« »nicht die mindeste Mannigfaltigkeit in sich fasse
und daß sie absolute (obzwar bloß logische) Einheit sei«
(l.c. S. 303). »So viel ist gewiß: daß ich mir durch
das Ich jederzeit eine absolute, aber logische Einheit des Subjects (Einfachheit)
gedenke, aber nicht, daß ich dadurch die wirkliche Einfachheit meines
Subjects erkenne« (ib.). Das Ich ist nicht das »Ding an sich«
(s. d.), es ist Erscheinung, weil es der Form des inneren Sinnes (s. d.)
unterliegt, jedenfalls aber ist es nicht körperlich (l.c. S. 304).
Das durch den innern Sinn erfaßte (Vorstellungs-) Ich ist das »empirische«
Ich, von dem das »reine«, »transcendentale« Ich
der reinenApperception (s. d.), das »Ich denke«, das alle Vorstellungen
als Einheitspunkt begleiten muß können, die Ichheit, die reine
Synthesis (s. d.) zu unterscheiden ist (l.c. S. 675). Das reine Ich ist
ein Begriff, ein Abstractum, es bezeichnet das Subject der Gedanken, das
Correlat der Apperception (WW. IV, 438). »Ich bin mir meiner selbst
bewußt, ist ein Gedanke, der schon ein zwiefaches Ich enthält,
das Ich als Subject und das Ich als Object.« »Von dem Ich in
der erstern Bedeutung (dem Subject der Apperception), dem logischen Ich,
als Vorstellung a priori, ist schlechterdings nichts weiter zu erkennen
möglich, was es für ein Wesen, und von welcher Naturbeschaffenheit
es sei; es ist gleichsam, wie das Substantiale, was übrigbleibt, wenn
ich alle Accidenzen, die ihm inhärieren, weggelassen habe, das aber
schlechterdings gar nicht weiter erkannt werden kann, weil die Accidenzen
gerade das waren, woran ich seine Natur erkennen konnte.« »Das
Ich aber in der zweiten Bedeutung (als Subject der Perception), das psychologische
Ich, als empirisches Bewußtsein, ist mannigfacher Erkenntnis fähig.«
Das empirische Ich ist Erscheinung; das logische Ich zeigt das Subject
an, wie es an sich ist, im reinen Bewußtsein, als reine Spontaneität,
ist aber keiner Erkenntnis fähig (Üb. d. Fortschr. d. Metaph.
S. 109 f.). - REINHOLD versteht unter
dem (empirischen) Ich »das vorstellende Subject, inwiefern es Object
des Bewußtseins ist« (Vers. e. neuen Theor. II, 336). Nach
S. MAIMON ist das Ich die »Einheit
des Bewußtseins«, das im Verhältnis zu den wechselnden
Vorstellungen Beharrliche (Vers. üb. d. Transc. S. 157). Nach KRUG
kann man mir vom empirischen Ich die Existenz aussagen. »Dem reinen
Ich hingegen kann das Prädicat des realen Seins nicht beigelegt werden,
weil es kein reales Ding, sondern ein bloßer Begriff, ein Gedankending
ist. Denn man denkt es nur dadurch, daß man von seinen empirischen
Bestimmungen abstrahiert und bloß auf die ursprünglichen reflectiert.
Das reine Ich ist also nichts anderes als der Inbegriff des ursprünglichen
oder Transcendentalen in mir, was ich als den Grund alles Empirischen in
mir denke« (Fundam. S. 143). Später jedoch erklärt er:
»Die Urbestimmungen des Ich sind die wesentlichen, allgemeinen und
notwendigen Elemente der menschlichen Natur; sie machen unser Wesen aus...
und müssen daher bei allen Menschen auf gleiche Weise angetroffen
werden. In ihnen muß unsere ursprüngliche Einrichtung oder Anlage...
bestehen. Ihr Inbegriff heißt auch das reine oder absolute Ich.«
Dieses ist nichts anderes als die reine Menschheit selbst im Individuum,
etwas Reales, das sich unter der Hülle des Empirischen offenbart (Handb.
d. Philos. I, 53). Als Setzung des reinen, schöpferischen, logischen,
des absoluten Ich bestimmt das empirische, das Einzel-Ich J. G. FICHTE,
der die Ichheit zum Seinsgrunde macht. Das absolute, unbegrenzte, schlechthinige
Ich setzt in einer Reihe intellectueller Acte sich und sich gegenüber
das Nicht-Ich. Das Ich ist wesentlich setzende, d.h. fixierende, objectivierende
Tätigkeit. »Dasjenige, dessen Sein (Wesen) bloß darin
besteht, daß es sich selbst als seiend setzt, ist das Ich, als absolutes
Subject. So, wie es sich setzt, ist es; und so, wie es ist, setzt es sich,
und das Ich ist demnach für das Ich schlechthin und notwendig. Was
für sich selbst nicht ist, ist kein Ich.« »Das Ich ist
nur insofern, inwiefern es sich seiner bewußt ist« (Gr. d.
g. Wiss. S. 9). Das Ich ist schlechthin durch sein Sein (l.c. 10 f.), es
»setzt ursprünglich sein eigenes Sein« (l.c. S. 11). Das
»Ich = Ich« ist die ursprünglichste Erkenntnis, die Urquelle
alles Denkens (ib.), es bedeutet »erstens die rein logische Identität
von Subject und Object im Acte des reinen Selbstbewußtseins, zweitens
die reale metaphysische Identität des setzenden absoluten Ich und
des gesetzten begrenzten Ich, und drittens die zeitliche Identität
des Ich in zwei rasch aufeinander folgenden Zeitpunkten« (E. V. HARTMANN,
Gesch. d. Metaphys. II, 71). Ich und Nicht Ich sind beide »Producte
ursprünglicher Handlungen des Ich« (Gr. d. g. Wiss. S. 23).
»Ich setze im Ich dem teilbaren Ich ein teilbares Nicht-Ich entgegen«
(l.c. S. 28). D.h. das absolute Ich setzt in sich Innenwelt und Außenwelt
in einem Acte. Das Ich als Intelligenz, als Vernunft ist ein Product der
Setzung, eine zu realisierende Idee, ein Strebensziel (l.c. S. 224; WW.
I, 463 f., 515 f.; II, 382). Einerseits setzt das Ich das Nicht-Ich als
beschränkt durch das Ich, anderseits setzt es sich selbst als beschränkt
durch das Nicht-Ich, so sich praktisch und theoretisch verhaltend (Gr.
d. g. Wiss. S. 49 f.). Als »den ganzen schlechthin bestimmten Umkreis
aller Realitäten umfassend« ist das Ich Substanz (l.c. S. 73),
aber nur im Sinne reiner Actualität, als beharrendes Tun (»Tathandlung«),
das durch intellectuelle Anschauung sich selbst erfaßt (Syst. d.
Sittenl. S. 110 f.). Das Ich ist »das erste Princip aller Bewegung,
alles Lebens, aller Tat und Begebenheit«. Das Wirken des Nicht-Ich
gegenüber dem empirischen Ich ist selbst schon eine Tat des (absoluten)
Ich (l.c. S. 213 u. ff.). Das Ich findet sich (praktisch) wesentlich als
wollend (l.c. S. 8).
SCHELLING bestimmt (in seiner ersten
Periode) das absolute Ich als das, »was schlechterdings niemals Object
werden kann« (Vom Ich S. 12). Das Ich bringt sich durch absolute
Causalität denkend hervor (ib.). Es ist Anfang und Ende aller Philosophie,
indem es die Freiheit ist, (l.c. S. 38 ff.). Das bewußte Ich ist
nicht das reine, absolute Ich; dieses wird nur in intellectueller Anschauung
bestimmt (l.c. S. 44, 49). Das Ich enthält alles Sein, alle Realität
(l.c. S. 61), ist unendlich (l.c. S. 74), wie auch seine Attribute (l.c.
S. 77). Es ist die einzige Substanz, alles andere ist Accidenz des Ich
(l.c. S. 79). Es ist das Ich die »immanente Ursache alles dessen,
was ist« (l.c. S. 84). »Der Inbegriff alles Subjectiven...
heiße das Ich« (Syst. d. tr. Ideal. S. 1). Der Begriff des
Ich ist nur »der Begriff des Selbst-Object-werdens« (l.c. S.
45). Das Ich ist nur und kann nur vorgestellt werden als Act (ib.), ist
»nichts außer dem Denken« (l.c. S. 46), »kein Ding,
keine Sache, sondern das ins Unendliche fort nicht Objective« (l.c.
S. 47 f.), es ist »reiner Act, reines Tun« (l.c. S. 49), ein
»Wissen, das zugleich sich selbst (als Object) produciert«,
ein »beständiges intellectuelles Anschauen« (l.c. S. 51).
Das Ich als solches ist überindividuell, überempirisch (l.c.
S. 59), es ist das Subject alles Seins. »Der ewige, in keiner Zeit
begriffene Act des Selbstbewußtseins, den wir Ich nennen, ist das,
was allen Dingen das Dasein gibt, was also selbst keines andern Seins bedarf,
sondern sich selbst tragend und unterstützend, objectiv als das ewige
Werden, subjectiv als das unendliche Producieren erscheint« (l.c.
S. 61). Das Ich liegt der Intelligenz zugrunde (l.c. S. 147). »Nur
an der ursprünglichen Kraft meines Ich bricht sich die Kraft der Außenwelt.
Aber umgekehrt auch die ursprüngliche Tätigkeit in mir erst am
Objecte zum Denken, zum selbstbewußten Vorstellen« (Naturphilos.
S. 305). Das Ich wird bei Schelling später zu einem Entwicklungsproducte
des Absoluten. Nach CHR. KRAUSE ist das
Ich ein »Teilwesen« der allgemeinen Vernunft.
HEGEL, bestimmt das Ich als »das Allgemeine,
das bei sich ist« (Rechtsphilos. S. 43 f.). »Das Denken als
Subject vorgestellt ist Denkendes, und der einfache Ausdruck des existierenden
Subjects als Denkenden ist Ich« (Encykl. § 20). »Ich aber
abstract als solches ist die reine Beziehung auf sich selbst, in der vom
Vorstellen, Empfinden, von jedem Zustand,. wie von jeder Particularität
der Natur, des Talents, der Erfahrung u.s.f. abstrahiert ist. Ich ist insofern
die Existenz der ganz abstracten Allgemeinheit, das abstract Freie«
(ib.). Das Ich (die Seele) ist »der Begriff selbst in seiner freien
Existenz« (Ästhet. I, 141), es ist eine ideelle Einheit (ib.).
K. ROSENKRANZ erklärt: »Indem
das Selbst aus dem Objectiven in sich zurückgeht, findet es sich selbst
als mit ihm, dem Subject, identisch.« »Das Ich setzt sich selbst,
setzt sich ihm selbst entgegen und setzt sich auch als die Einheit des
setzenden und gesetzten Ich« (Syst. d. Wiss. S. 411). »Das
Ich kann nicht Ich sein, ohne seiner selbst gewiß, d.h. ohne sich
selbst als Subject Object zu sein« (Psychol.3, 63. 288). Das Selbst
ist »die sich unaufhörlich erneuernde Tat des Geistes«
(l.c. S. 289). Nach HEINROTH ist das
Ich das Beharrliche an der Seele (Psychol S. 150), es wird als Einheit
immer schon vorausgesetzt (l.c. S. 155). Die Ichheit ist »der Focus
aller Functionen oder aller Radien des geistigen Menschen« (Psychol.
S. 8). Ichheit ist »persönliche Einheit« vermöge
des Selbstbewußtseins (l.c. S. 29). Die Ichheit, das Ich ist ein
unmittelbar-gewisses, unbestreitbares Grundfactum (l.c. S. 283). »Sentio,
ergo sum«, »volo, ergo sum« (l.c. S. 284). Das Ich ist
das sich selbst Gleiche in allen seinen Acten, »die allgemeine Gleichung
für eine unendliche Reihe von Functionen« (l.c. S. 285). Das
Ich ist das Band von Wissen und Sein (l.c. S. 287), die Quelle der Kategorien
(s. d.) CARRIERE betont: »Wir
sind nur ein Ich, insofern wir uns als solches setzen« (Ästh.
I, 42; Weltordn. S. 158). - Nach GÜNTHER
wird das Ich nicht erlebt, sondern erschlossen. GARNIER
bemerkt: »Le moi est l'âme se percevant ou se connaissant«
(Trait. I, p. 373). Nach GUTBERLET
u. a. ist das psychologische Ich die Seelensubstanz (Kampf um d. Seele
S. 105). »Bei dem Wechsel der inneren Zustände bleibt immer
ein Element, nämlich der mir zugehörende Umstand, daß es
immer meine Zuständlichkeit ist. Dieses constante Element, welches
sich mit allen wechselnden Zuständen verbindet, ist das, was wir zunächst
als Ich ausscheiden und auffassen« (ib.). Es ist ferner auch »das
Subject, welches jene Zustände an sich und in sich erfährt«
(ib.). Nach SCHOPENHAUER
ist das Ich »das pro tempore identische Subject des Erkennens und
Wollens« (W. a. W. u. V. II. Bd., C. 19). Es ist der »Indifferenzpunkt«
von Willen und Intellect, deren Wurzelstock, gemeinschaftlicher Endpunkt,
»der zeitliche Anfangs- und Anknüpfungspunkt der gesamten Erscheinung,
d.h. der Objectivation des Willens« (l.c. II. Bd., C. 19). Das »theoretische«
Ich ist der »Einheitspunkt des Bewußtseins«, es ist eine
Erkenntnisfunction des »wollenden« Ich (l.c. C. 20). Kern und
Trüger des Ich ist der Wille (s. d.). Nach J. H. FICHTE ist das Ich
ein Product des Geistes (Psychol. I, 167 f.). Das Ich ist »weder
ein Reales, noch viel weniger Princip eines Realen, sondern lediglich das
Product einer psychologischen Abstraction«; es ist »die leere
Form. des Selbstbewußtseins, in welcher der Geist seine realen, aber
ihm bereits bewußt gewordenen Unterschiede vorstellend zusammenfaßt:
Zeichen eines Realen« (Psychol. I, S. XVIII f.). Das Ich ist nichts
Substantielles, sondern Prädicat und Merkmal des Geistes (l.c. I,
167). E. V. HARTMANN sieht im
Ich keine Substanz, keine Wesenheit, sondern die Erscheinung des unbewußten
Subjects (Philos. d. Unbew.3, S. 535). Das Ich ist »die Abstraction
des Selbstbewußtseins, die leere Form des Selbstbewußtwerdens
unter Absehung von allem concreten Bewußtseinsinhalt, in welcher
die Reflexion auf die in allen meinen Bewußtseinsacten identische
Form meines Bewußtseins selbst zum Inhalt eines bestimmten Bewußtseinsactes
wird« (Kategorienl. S. 501). Es darf nicht hypostasiert werden (l.c.
S. 502). Das »reale Subject der psychischen Tätigkeiten«
»kann nicht ein Ich, ein schon an und für sich selbstbewußtes,
sein, weil das Bewußtwerden selbst erst eine der psychischen Tätigkeiten
ist, also ein Posterius des Subjects sein muß, ein zu ihm erst nachträglich
Hinzukommendes« (l.c. S. 507). Das Ich ist »eine subjectiv
ideale Erscheinung der Seele« (l.c. S. 511). So auch A. DREWS
(Das Ich S. 132). Das Ich ist »Subject«, »aber dies bedeutet
nicht das reale denkende Subject, sondern nur den subjectiven Pol des Bewußtseins,
dem das Object als sein notwendiges Correlat gegenübersteht«
(l.c. S. 138). Das Ich ist die Form des Bewußtseins (l.c. S. 144),
setzt das Bewußtsein schon voraus (ib.). Jedes Ich ist ein empirisches
Ich (l.c. S. 228). Die Ichheit ist der einheitliche Act des Zusammenfassens,
der bei allen Wesen identisch ist (ib.). Das Selbigkeitsbewußtsein
bezieht sich »nur auf die unbewußten Factoren des Bewußtseinsinhalts«
(Arch. f. system. Philos. VIII, S. 207). Die Wirklichkeit des Ich ist bloß
eine ideelle (l.c. S. 208). Jeder Versuch, das Reale unmittelbar vom Ich
aus zu bestimmen, hebt sich schließlich in seinen Consequenzen selber
auf (Das Ich S. 130).
NIETZSCHE erklärt das »Subject«
des Bewußtseins für eine Fiction (WW. XV, 282). Das Ich darf
nicht substantialisiert werden (WW. XV, 354). Es ist eine Mehrheit von
Kräften, von denen bald diese, bald jene im Vordergrunde steht; der
»Subjectpunkt« springt herum (WW. XI 6,157). Das Ich als primäre
Ursache, als Täter ist eine Fabel (WW. VIII 2, S. 94 f.). Ich und
»organisches Einheitsgefühl« sind zu unterscheiden. Das
Ichbewußtsein ist das letzte, was hinzukommt, wenn ein Organismus
fertig functioniert (WW. XII 1, 32). Das Selbstbewußtsein ist ein
sociales Product (WW. V, S. 293).
Als Bewußtsein, Bewußtseinsform, Bewußtseinsmoment,
psychische Wesenheit wird das Ich verschiedenerseits bestimmt. J.
BERGMANN erklärt: »Gewiß ist..., daß wir nichts
als daseiend denken können, ohne unser denkendes Ich selbst als daseiend
zu denken« (Begr. d. Das. S. 294). »Dies aber, sich selbst
zu denken und zwar als daseiend, also als identisch mit sich, ist das Wesen
des Ich. Ich bin das, was ich mit dem Worte ›Ich‹ meine, nur, inwiefern
ich mich denke« (l.c. S. 296). Das Ich ist »nichts anderes
als das wahrnehmende Bewußtsein, inwiefern dasselbe sich selbst zum
Inhalte hat und, indem es sich zum Inhalte hat, hervorbringt« (Sein
u. Erk. S. 97). »Ich habe nicht, sondern ich bin Bewußtsein«
(l.c. S. 155). »Der reine Inhalt meines Bewußtseins ist...
mein allgemeines oder reines Ich, der empirische Inhalt mein besonderes
oder empirisches Ich und weiter nichts« (ib.). Das Ichbewußtsein
steckt schon »in der schwächsten sinnlichen Empfindung, in dem
dumpfesten Gefühle« (l.c. S. 156), Nach O. SCHNEIDER
ist das Ichbewußtsein nur »daraus erklärlich, daß
in dem Wechsel ein unbedingt Gleiches, Beharrliches mit festen Stammbegriffen
bleibt, welches das Bewußtsein der Dasselbigkeit (Identität)
erzeugt« (Transcendentalpsychol. S. 122). »Es ist immer dasselbe
einheitlich geschlossene, als Ganzes tätige Ich, welches Ordnung und
Einheit in den Vorstellungen stiftet und sich seine Bewußtseinszustände
auf Veranlassung der Erfahrung nach. Maßgabe seiner apriorischen
Kraft macht. Die kritische Philosophie erkennt in diesem tätigen Ich
ein transcendentales, übersinnliches, bei allen verständigen
und vernünftigen Menschen gleiches Bewußtsein« (l.c. S.
447). Ein absolutes, zeitloses Ich als Seinsprincip nimmt u. a. GREEN
an (Proleg. to Ethics § 11). Nach G.
THIELE gibt es ein »überzeitliches Ich«, dessen Äußerungen
die einzelnen Ich-Acte sind (Philos. d. Selbstbew. S. 311). Das Ich ist
»Selbstgefühl«, »das reine Sich-selbst-fühlen
der Seele«, »Identität von Wissen und realem Sein«,
»Sich-selbst-wollen« (l.c. S. 303 ff., 327, 311). K.
LASSWITZ erklärt: »Das naturbedingte Ich ist unsere individuelle
Existenz in Raum und Zeit... Das Ich als Selbstgefühl aber ist gerade
das allgemeine, das allen individuellen Ich, die sich durch ihren Inhalt
unterscheiden, in gleicher Weise zukommt. Nur jener besondere empirische
Inhalt ist naturgesetzlich bestimmt, das Ich-sein als solches aber ist
eine autonome Bestimmung im Bewußtsein, wodurch die Bestimmung von
Inhalt, d.h. Einheit von Mannigfaltigem, somit Natur, erst möglich
wird« (Wirklichk. S.151). - Nach B.
ERDMANN
ist das Ich ein bei allem Wechsel des Bewußtseins beharrendes selbständiges
Wirkliches (Log. I, 7.5 f.). Indem wir von den Objecten leiden und uns
in diesem Leiden selbst erhalten, werden wir uns unserer eigenen Wirklichkeit
bewußt (l.c. I, 83). A. WERNICKE
betont: »Unser Ich ist die Formaleinheit seiner Vorstellungen«.
»Da unser Ich es an sich selbst erfährt, daß ein Etwas
trotz der Verschiedenheit seiner Zustände sich stets als dasselbe
erscheinen kann, so überträgt es diese Erfahrung unmittelbar
auf das Mannigfaltige, welches ihm gegenübertritt, und erfaßt
dasselbe nach dem Muster (Analogie) der Identität Ich = Ich, so daß
es im Gegebenen schließlich ein Reich von Dingen sieht, welche Formaleinheiten
seiner Zustände sind« (Die Grundlag. d. Euklid. Geometr. l887,
S. 6). Nach REHMKE ist das Ich »das
unmittelbar gegebene concrete Bewußtsein«. »Das in Wechselwirkung
Zusammen von Seele und Leib... ist der Anlaß, daß dasselbe
Wort ›ich‹... auch für jenes zusammen gebraucht wird« (Lehrb.
d. allg. Psychol. S. 126). SCHUPPE erklärt:
»Bewußtsein und Ich können promiscue gebraucht werden.
In dem ich-seiner-bewußt-sein besteht das Ich.« »Das
Ich erweist sich im unmittelbaren Bewußtsein als etwas, was nur Subject
sein, nur Eigenschaften haben, Tätigkeiten ausüben kann... Es
bedarf nicht nur keines Substrates, sondern kann keines haben« (Log.
S. 16). Ich-Subject und Ich-Object weisen gegenseitig aufeinander hin.
»So weit ist das Ich absolut einfach, ein absoluter Einheitspunkt«
(l.c. S. 19). »Bewußtsein oder Ich« abstract genommen
ist nur ein »begriffliches Moment in dem Ganzen des concreten oder
individuellen Bewußtseins« (l.c. S. 20). Als »Subject
des Bewußtseins« ist das Ich unräumlich (l.c. S. 24),
räumlich wird es erst, indem es sich als Object unter Objecten findet
(l.c. S. 25). Die Individualität des Ich hängt allein vom Bewußtseinsinhalt
ab, welcher das empirische Ich darstellt (l.c. S. 21). »Das einzelne
individuelle Ich ist dieses Ich nur dadurch, daß es diesen räumlich
und zeitlich bestimmten Inhalt hat« (l.c. S. 07). »Die psychischen
Vorgänge coincidieren in dem einen unteilbaren Einheitspunkt des Ich,
welches sich in ihnen findet, als handelnd oder leidend, bestimmt oder
bestimmend« (l.c. S. 76). »Das Ich findet und hat sich in diesen
psychischen Elementen so etwa, wie die einfachste Erscheinung aus den Erscheinungselementen
besteht« (l.c. S. 140). Durch seine ihm eigene Einheit ist das Ich
ein »Ich-Ding« (ib.). SCHUBERT-SOLDERN
bestimmt: »Die continuierliche, zeitlich einheitliche Entwicklung
von Vorstellungen, Gefühlen, Begehrungen u.s.w., gebunden an einen
Leib mit der Seinsart der Wahrnehmung und den Mittelpunkt der unmittelbar
gegebenen Raumwelt bildend, ist das Ich.« »Zu ihm steht alles
in Beziehung« (Gr. e. Erk. S. 8). Zu unterscheiden ist zwischen concretem
und abstractem Ich (l.c. S. 11). Auf der Continuität der Erneuerung
des »Ich denke« beruht die Identität des Ich (l.c. S.
75). »Ich bin mir eines Inhaltes bewußt, heißt; es ist
im Zusammenhange meines Ich gegeben« (l.c. S. 76). Das Ich ist »die
stetige Verknüpfung der Gegenwart mit der Vergangenheit« (ib.).
Das empirische (concrete) Ich ist die Grundlage des abstracten Ich-Zusammenhanges
(l.c. S. 77; vgl. S. 82 ff.). RIEHL erblickt
im Ich »keine absolut fixe Idee, sondern eine Vorstellung, die sich
beständig erneut, die fortwährend aus ähnlichem, aber niemals
vollkommen identischem Material erzeugt wird«. Es ist keine Seins-,
sondern eine Tätigkeitsform (Philos. Krit. II 1, 66). »Nur der
bloße Gedanke, ›Ich‹, der Begriff des Subjectseins, ist immer und
überall derselbe Gedanke, die nämliche Form des Bewußtseins
überhaupt; das empirische Selbstbewußtsein aber, das concrete
Ich, ist so reich und mannigfaltig, so verschieden an Ausdehnung und Gehalt,
wie es die individuellen Unterschiede der Begabung und der Erlebnisse mit
sich bringen« (Zur Einleit. in d. Philos. S. 167). Nach G.
GERBER
ist die Ichheit das »Sein des Universums« (Das Ich S. 425).
Die Gottheit ist Ichheit (l.c. S. 415). Ohne Ichheit keine Welt (l.c. S.
41). Das Ich hat ein »formendes Wirken«, eine »Bildekraft«,
es gestaltet erkennend-handelnd die Welt in den Formen seines Bewußtseins,
indem es sich ihr einbildet (l.c. S. 222, 34O).
Nach HUSSERL ist
das Ich nichts, was über^den Erlebnissen schwebt, sondern identisch
mit ihrer eigenen Verknüpfungseinheit (Log. Unters. II, 331), eine
»einheitliche Inhaltsgesamtheit« (ib.), welche in causaler
Gesetzlichkeit liegt (l.c. S. 332). Ein eigenes »reines« Ich,
wie es u. a. NATORP annimmt, gibt es nicht.
Nach MÜNSTERBERG wird die »Ichfunction«
nicht vorgefunden, sondern erlebt, behauptet, gewollt. Sie ist nicht beschreibbar,
nicht erklärbar, aber die gewisseste Realität, die nur nicht
objectivierbar ist (Grdz. d. Psychol. S. 93). Aus der Summation oder der
Wechselwirkung von Vorstellungen, Empfindungen (und Gefühlen) entspringt
das Ich nach verschiedenen Philosophen. HERBART
findet im Begriff des einfachen, reinen Ich als Subject-Object einen »Widerspruch«,
indem das Ich als vorstellend sein Vorstellen u.s.w. »unendliche
Reihen« mit sich führt (Psychol. als Wiss. I, § 27; Lehrb.
zur Psychol.3, S. 142). Das Ich als einfacher »Träger«
einer Vielheit von Zuständen ist ein »Unwesen« (Hauptpunkte
d. Metaphys. S. 74). Das Ich setzt sich nur im »Zusammen« mit
anderen Wesen (l.c. S. 76). Es ist »ein Mittelpunkt wechselnder Vorstellungen«
(Met. II, 403), eine »Complexion« (Lehrb. zur Psychol.3, S.
140). »Bei jedem Menschen erzeugt sich das Ich vielfach in verschiedenen
Vorstellungsmassen« (l.c. S. 141). Das Ich liegt in den jeweilig
appercipierenden Vorstellungsmassen. Es ist »ein Punkt, der nur insofern
vorgestellt wird und werden kann, als unzählige Reihen auf ihn, als
ihr gemeinsames Vorausgesetztes, zurückweisen« (Psychol. als
Wiss. II, § 132). Im Sinne Herbarts bestimmt G.
A. LINDNER das reine Ich als den idealen Vereinigungspunkt aller
nicht nach außen projicierten Vorstellungen, durch den eine allgemeine
Bezogenheit aller Vorstellungen aufeinander hergestellt wird (Lehrb. d.
empir. Psychol.9, S. 14l). »Das von allen einzelnen Bestimmungen
des Seelenlebens abhängige und mit ihnen sich beständig verändernde
Ich heißt das historische oder empirische Ich des Menschen.«
Es ist streng genommen »eine stetige Aufeinanderfolge ineinander
übergehender Iche« (l.c. S. 143). BENEKE
betrachtet das Ich als Resultat einer Verschmelzung von Vorstellungen (Pragmat.
Psychol. II, § 37; Lehrb. d. Psychol.3, § 151). - Nach J.
ST. MILL ist das Ich nur die Summe succedierender Erlebnisse, es
besteht in der »permanent possibility of feeling« (Examin.).
Nach H. SPENCER resultiert das Ich
aus der Wechselwirkung gleichzeitiger Vorstellungsgruppen (Psychol. §
219). NachCZOLBE ist das Ich ein Summationsproduct
von Vorstellungen (Entsteh. d. Selbstbew. S. 11). DROBISCH
bemerkt: »Die Continuität der Reihe der einzelnen zeitlich unterschiedenen
empirischen Iche ist das, was in der psychischen Erfahrung dem bleibenden
reinen Ich der Speculation entspricht« (Empir. Psychol. S. 146). VOLKMANN
betont: »Das Ich ist nichts als ein psychisches Phänomen, d.h.
die Vorstellung des Ich ist nicht die Vorstellung eines Wesens - denn dieses
ist die Seele - oder einer Zusammensetzung von Wesen, sondern lediglich
das Bewußtsein einer Wechselwirkung innerhalb eines unübersehbaren
Vorstellungscomplexes« (Lehrb. d. Psychol. II4, 170). Zunächst
ist das Ich »der empfindende und begehrende Leib«, dann »das
Bewußtsein des vorstellenden und begehrenden Innern«, endlich
die »Vorstellung des denkenden und wollenden Subjectes« (l.c.
S. 162, 164, 167). - Nach LIPPS »scheiden
wir mit zunehmender Erfahrung, was ursprünglich eine ungetrennte Einheit
bildet, den Inhalt der Welt und den Inhalt unserer Persönlichkeit,
oder kürzer die Welt und das Ich« (Grundt. d. Seelenleb. S.
408). »Wir können die Inhalte unseres freien Vorstellens als
die erste Zone um den eigentlichen Kern des Ich, das wollende und vorstellende
Ich als das Ich der ersten Zone bezeichnen. Unser Körper bildet dann
die zweite Zone. Als dritte Zone können wir dann die Welt der Dinge
außer uns bezeichnen« (l.c. S. 443). Nach RIBOT
ist das Ich ein Complex coordinierter Bewußtseinselemente, in deren
jeweiligem Zusammenhange die Einheit des Ichbewußtseins besteht (Mal.
de la Personnal.3, p. 169; Mal. de la Volonté p. 87, 120, 169, 176;
Psychol. d. Sentim. II, C. 5). Nach J. DUBOC
ist das Ich »das Bewußtseinscentrum des jeweiligen inneren
Mischungsverhältnisses des Individuums« (Die Lust S. 2). Nach EBBINGHAUS
ist das Ich ein reichhaltiger Complex, die reiche Gesamtheit aller Empfindungen,
(Gedanken, Wünsche etc. eines Individuums, ein »System«,
keine Substanz (Gr. d. Psychol. I, S. 11, 15 ff.). Nach E. MACH
besteht die scheinbare Beständigkeit des Ich »nur in der Continuität,
in der langsamen Änderung« (Anal. d. Empfind.4, S. 3). »Das
Ich ist nicht scharf abgegrenzt, die Grenze ist ziemlich unbestimmt und
willkürlich verschiebbar« (l.c. S. 10). Zwischen Ich und Welt
besteht kein absoluter Gegensatz (l.c. S. 11) Das Ich ist nur eine ideelle,
denkökonomische Einheit von praktischer Bedeutung (l.c. S. 18). »Nicht
das Ich ist das Primäre, sondern die Elemente (Empfindungen). Die
Elemente bilden das Ich. Ich empfinde Grün, will sagen, daß
das Element ›Grün‹ in einem gewissen Complex von anderen Elementen
(Empfindungen, Erinnerungen) vorkommt« (l.c. S. 19). »Aus den
Empfindungen baut sich das Subject auf welches dann allerdings wieder auf
die Empfindungen reagiert« (l.c. S. 21). Das Ich ist »nur eine
praktische Einheit« (l.c. S. 23), »eine stärker zusammenhängende
Gruppe von Elementen, welche mit anderen Gruppen dieser Art schwächer
zusammenhängt«(ib.). Nach Ostwald besteht die Einheit des Ich
nur in der Stetigkeit seiner Änderungen (Vorles. üb. Naturphilos.
S. 411). Das Ich besteht in unseren »Erinnerungen und in dem Apparat,
sie zu benutzen« (l.c. S. 410). CLIFFORD
bemerkt: »Das Gefühl der Persönlichkeit ist... ein gewisses
Gefühl des Zusammenhanges zwischen verblaßten Bildern vergangener
Empfindungen; die Persönlichkeit selbst besteht in der Tatsache, daß
derartige Verbindungen vorhanden sind, in der dem Flusse der Empfindungen
zukommenden Eigentümlichkeit, daß Teile derselben aus Banden
bestehen, die schwache Reproductionen vorhergegangener Teile miteinander
verbinden. Sie ist somit etwas Relatives, eine Art von Verknüpftheit
gewisser Elemente und eine Eigenschaft des so erzeugten Complexes. Dieser
Complex ist das Bewußtsein« (Von d. Nat. d. Ding. an sich S.
39). Nach H. CORNELIUS gehören
alle Inhalte, die wir unserer Persönlichkeit oder unserem Ich zurechnen,
dem »Zusammenhang unseres Bewußtseins« an. Die Identität
des Ich ist nicht Schein, weil es immer denselben Zusammenhang bedeutet,
der
durch ein eigenes Gefühl charakterisiert ist. Durch psychische Processe
bilden sich Begriffe »constanter Factoren unserer Persönlichkeit«,
dauernder Dispositionen (Einleit. in d. Philos. S. 300; vgl. S. 326). Nach STRINDBERG
ist das Ich »eine Mannigfaltigkeit von Reflexen, ein Complex von
Trieben (Begierden)« (Vergang. c. Toren I, S. 235). R. WAHLE erklärt:
»Unter ›Ich‹ versteht man Fühlen, Urteilen, Willenskraft etc.
So oft nun solche Gattungen von Vorkommnissen in verschiedenartigster Weise
auftreten, hat
man ein ›Ich‹«. Dieses Ich ist nichts Substantielles, Selbständiges
(Das Ganze d. Philos. S. 72 ff.). PREYER
betont, das Ich sei nicht einheitlich, nicht unteilbar, nicht ununterbrochen.
»Im Wachsein ist es stets nur da, wo die centro-sensorischen Erregungen
gerade am stärksten hervortreten, das heißt, wo die Aufmerksamkeit
angespannt ist.« Das Ich ist nicht Summe, sondern Vereinigung (Seele
d. Kind. S. 392). Das »Rinden-Ich« ist ein anderes als das
»Rückenmark-Ich« (l.c. S. 390). Nach KROELL
ist das Ich »nicht eine ureigne Kraft, sondern immer nur, wie das
Bewußtsein überhaupt, ein vorübergehender und während
des ganzen Lebens sich stets erneuernder Inhalt der ›Bahnen mit bewußten
Erscheinungsformen‹«,. Der Mensch wird erst zum Subject durch seine
geistige Entwicklung (Die Seele S. 56).
Auf den Leib bezieht das Ich L.
FEUERBACH
Im psychologischen Organismus erblickt das Ich BAIN (Ment. Scienc. p. 402),
in gewisser Beziehung auch im Willen (Sens. and Int.3, p. 342). Nach C.
GÖRING
ist das »Ich« nichts als das »persönliche Fürwort,
welches in Rücksicht auf seinen Inhalt durchaus bestimmt wird von
der Auffassung des Namens, welcher es vertritt« (Syst. d. krit. Philos.
I, 162). Für den natürlichen Menschen ist das Ich der Leib (l.c.
S. 169). Das Ich als solches ist eine Abstraction, es besteht in Wirklichkeit
nur mit und in Bewußtseinsinhalten (ib.). Nach R. AVENARIUS
ist das Ich eins mit dem Individuum. Das »Ich«-Bezeichnete
ist mit der »Umgebung« als ursprünglicher »Befund«
gegeben, es bildet das »Centralglied« einer »Principialcoordination«,
deren »Gegenglied« die Umgebung ist (Der menschl. Weltbegr.
S. 82 ff.; Vierteljahrsschr. f. wiss. Philos. 18. Bd., S. 405). Wissenschaftlich
tritt an die Stelle des Gesamtindividuums das »System C« als
dessen Repräsentant (»empiriokritische Substitution«,
Weltbegr. S. 87). Als Kraft, lebendige Wirksamkeit, Willenstätigkeit
im Zusammenhang eines Bewußtseins tritt das Ich beieiner Reihe von
Philosophen auf. PLATNER erklärt:
»Das Selbstgefühl von meinem Ich ist nicht ein Haufen von Ideen,
sondern das Gefühl einer Kraft, welche Ideen behandelt, selbst nicht
wechselt, jedoch sich verändert, d.h. übergehet von einer Art
des Seins auf die andere, und ihre eigene Beharrlichkeit von dem Wechsel
ihrer Zustände klar unterscheidet« (Philos. Aphor. I, §
S66). MAINE DE BIRAN unterscheidet
»moi phénomenal« und »moi nouménal«.
Das Ich ist Wille. Es ist »une force hyperorganique naturellement
en rapport avec une résistance vivante« (Ess. I, sct. II,
ch. 1). »Je sais une force agissante« (Oeuvr. III, p. 18).
Es gibt eine »apperception interne immédiate ou conscience
d'une force, qui est moi« (l.c. III, 5). »Le moi s'apercoit...
primitivement, et il s'entend à la foi au titre d'être réellement
existant dans un temps par son opposition à tout ce qui est appellé
chose ou objet« (l.c. III, 13). Das Ichbewußtsein ist die Quelle
der metaphysischen Begriffe. Auch DESTUTT
DE TRACY bestimmt das Ich als Wille (E1. d'idéol. IV, p. 72;
vgl. IV, 67, 69). Nach J. G. FICHTE findet sich das Ich wesentlich als
wollend (Syst. d. Sittenl. S. 8). Nach FORTLAGE
besteht das Ich in einem »System von Trieben« (Psychol. II,
§ 73). Nach LOTZE ist die Ichheit
etwas Ursprüngliches. »Jedes Gefühl der Lust oder Unlust,
jede Art des Selbstgenusses, enthält für uns den Urgrund der
Persönlichkeit, jenes unmittelbare Für-sich-sein...« (Mikrokosm.
III2, 567). Denkbar ist das Ich nur in Beziehung auf das Nicht-Ich, aber
erlebbar ist es schon vorher außer jeder solchen Beziehung (l.c.
S. 568). Nach TEICHMÜLLER ist
das Ich Substanz (N. Grundleg. S. 156). Es ist »der gemeinsame Beziehungspunkt
für alles im Bewußtsein gegebene reale und ideelle Sein«
(l.c. S. 167). Die Ichheit ist in allen qualitativ identisch (ib.), aber
die vielen Iche sind numerisch verschieden (ib.). Das Ich ist zeitlos (l.c.
S. 170). Es ist Bedingung und Prototyp des Substanzbegriffes (l.c. S. 171
ff.). Nach R. HAMERLING ist das Ich
nichts außer und neben seinen Bestimmungen, aber es ist doch real
(Atomist. d. Will. I, 220). Die Setzung der eigenen Existenz ist eine absolut
gültige (l.c. S. 223). Das Ich ist ein Actives, es ist ein Geschehen,
ein Lebensproceß (l.c. S. 232). »Das Ich als Subject ist das
allgemeine, unändliche, absolute, das Ich als Object das endliche,
individuelle Ich, mit dem besondern Inhalt seiner Vorstellungen und Willensacte«
(l.c. S. 233). Es gibt einen »Ichsinn« (l.c. II, S. 154 ff.). HORWICZ
erblickt im Ich das allerrealste Wesen, die Ichheit ist der Quell des Dingbegriffes
(s. d.) (Psychol. Analys. II, l27, 150). Nach TH. ZIEGLER
ist das Ich »nichts neben seinem Fühlen, Vorstellen oder Wollen«
(Das Gef.2, S. 70); dem Ichbewußtsein liegt das Gefühl zugrunde
(l.c. S. 68). HÖFFDING bestimmt
das Ich im engeren Sinne als Träger der Willenshandlungen (Psychol.2,
S. 123).
Nach WUNDT ist das
Ich keine Substanz, sondern ein Gefühl des Zusammenhanges der Willensvorgänge,
die bei aller Verschiedenheit ihrer Inhalte doch als gleichartig aufgefaßt
werden. Daß Ich ist Tätigkeit, Einheit des Wollens, im Bewußtsein
wirksam. »Dieses Ich, isoliert gedacht von den Objecten, die seine
Tätigkeit hemmen, ist unser Wollen. Es gibt schlechterdings nichts
außer dem Menschen noch in ihm, was er voll und ganz sein eigen nennen
könnte, ausgenommen seine Willen« (Vorles. üb. d. Mensch.2,
S. 250, 270. Log. II2, 2, S. 246 f.; Syst. d. Philos.2, S. 377). Ein leeres,
reines Ich gibt es nicht, da das »Ich« nur die Form des Zusammenhanges
von Erlebnissen in einem Individuum, zugleich die Gesamtwirkung der früheren
Erlebnisse auf die momentanen Zustände bedeutet (Vorles.2, S. 269
ff.; Grdz. d. phys. Psychol. II4, 302 ff.; Log. II2, 2, 246 f.; Syst. d.
Philos.2, S. 40; Eth.2, S. 448). Die Identität des Ich mit sich selber
ist bedingt durch die Stetigkeit der Willensvorgänge und durch die
Einheit und Gleichartigkeit der Apperception (s. d.), ohne daß die
Annahme einer absoluten Beharrlichkeit des Ich notwendig ist. In der »reinen
Apperception«, »d.h. in der dem übrigen Bewußtseinsinhalte
gegenübergestellten inneren Willenstätigkeit«, erkennt
das Individuum sein eigenstes Wesen (Eth.2, S. 448). »Das Ich empfindet
sich zu jeder Zeit seines Lebens als dasselbe, weil es die Tätigkeit
der Apperception als vollkommen stetige, in sich gleichartige und zeitlich
zusammenhängende auffaßt« (ib.). »Indem... die Willensvorgänge
als in sich zusammenhängende und bei aller Verschiedenheit ihrer Inhalte
gleichartige Vorgänge aufgefaßt werden, entsteht ein unmittelbares
Gefühl dieses Zusammenhanges, das zunächst an das alles Wollen
begleitende Gefühl der Tätigkeit geknüpft ist, kann aber...
über die Gesamtheit der Bewußtseinsinhalte sich ausdehnt. Dieses
Gefühl des Zusammenhangs aller individuellen psychischen Erlebnisse
bezeichnen wir als das ›Ich‹. Es ist ein Gefühl, nicht eine Vorstellung...
Es ist jedoch, wie alle Gefühle, an gewisse Empfindungen und Vorstellungen
gebunden« (Gr. d. Psychol.5, S. 264j. Durch die Sonderung des Selbstbewußtseins
(s. d.) ergeben sich drei Bedeutungen des Begriffes »Subject«
(s. d.). Metaphysisch ist das Ich »relativer Individualwille«
(Syst. d. Philos.2, S. 413 ff.), »vorstellender Wille« (ib.). KÜLPE
betont: »Die Erfahrung, daß man nicht widerstandslos den Einflüssen
und Eindrücken von außen her preisgegeben ist, sondern sich
wählend und handelnd ihnen gegenüber verhalten kann, also die
Tatsache der Apperception oder des Willens, ist eines der wichtigsten Motive
für die Sonderung des Ich und Nicht-Ich« (Gr. d. Psychol.S.
465; vgl. Ich u. Außenw.). Nach W.
JERUSALEM
gilt als Ich erst der Leib, dann das Denken, endlich das Wollen. »So
schränkt sich denn das Ich nunmehr mehr auf ein einziges Gebiet psychischer
Phänomene ein, nämlich auf die Willensimpulse... Das Ich ist
nunmehr der active Träger der Willenshandlungen und kehrt damit zu
jenem Punkte zurück, von dem es ursprünglich ausgegangen«
(Urteilsfunct. S. 168; Lehrb. d. Psychol.3, S. 196 ff.). Schon MEYNERT
unterscheidet ein primitives, »primäres« und ein entwickeltes,
»secundäres« Ich (Gehirn u. Gesitt. S. 32 ff.). Diese
Unterscheidung u. a. auch bei Jerusalem (Lehrb. d. Psychol.3, S. 196 ff.)
und JODL (Lehrb. d. Psychol.). Nach ihm
ist das primäre Ich schon die Voraussetzung der Bewußtseinsentwicklung,
jedem Bewußtseinszustande notwendig inhärent (Lehrb. d. Psychol.
S. 92). Das secundäre Ich hingegen ist das Product psychologischer
Entwicklung; es besteht aus Vorstellungen und Gefühlen (l.c. S. 559).
L. CHEVALIER erklärt: »Das
Ich, das sich seiner Vorstellungen, Gefühle und Begehrungen bewußt
ist, ist nicht in Vorstellungen gegeben. Wir sind unser selbst als tätig
und leidend unmittelbar bewußt, und daher kennen wir uns als wirkliches
Ding« (Entsteh. u. Werd. d. Selbstbew. S. 26). W.
JAMES
bemerkt: »In its widest possible sense... a man's Self is the sum
total of all that he can call his« (Princ. of Psychol. I, p. 291
ff.). Das »spiritual Self« ist »a man's inner or subyective
being, his psychical faculties or dispositions« (l.c. p. 296). »Ressemblance
among the parts of a continuum of feelings... thus constitutes the real
and verifiable ›personal identity‹ which we feel« (l.c. p. 336; vgl.
LADD, Philos. of Mind 1895, p. 147 ff.). Vgl. Selbstbewußtsein, Subject,
Seele, Doppel- Ich, Identität, Person."
[Eisler: Wörterbuch der philosophischen Begriffe.
Geschichte der Philosophie, S. 13496 (vgl. Eisler-Begriffe Bd. 1, S. 446
ff.) http://www.digitale-bibliothek.de/band3.htm ]
Arnold, Eysenck & Meili (1987, Bd. 2): "Ich. I.
Interpretationen des Begriffes: 1. Der Begriff bezieht sich primär
auf ein Erlebnis. Ich ist der evidenteste Bewußtseinsinhalt, was
nicht hinderte, daß es aus der expt. Psychol. allem der behavioristischen
Richtung eliminiert wurde. Schon F. Nietzsche hat es als eine grammatikalische
Illusion bezeichnet. Als Erlebnis ist es einer genauen Definition kaum
zugänglich, da es in fast allen Erlebnissen mitenthalten ist. Es werden
ihm die Qualitäten des »Zentralen oder Allesumfassenden zugeschrieben,
n. W. Wundt bezeichnet mit dem Begriff das Gefühl des Zusammenhangs
aller psychischen Erlebnisse". In der /Schichtenlehre erscheint es als
die letzte, oberste Schicht, als die Spitze einer Pyramide und wird damit
zum wesentlichen Charakteristikum der Struktur der Persönlichkeit.
Eine wichtige Unterscheidung im Bereich der Ich-Erlebnisse hat W. James
vorgenommen, durch die deutlich gemacht wird, wie Verschiedenartiges allein
von Erlebnisseite her in dem Begriff enthalten Es gibt nach ihm zwei Aspekte
des Ich: das wissende Ich, d. h. das Erlebnis, das mit den verschiedensten
Tätigkeiten verbunden ist, indessen sich das Individuum als Subjekt
erlebt, das „mich", das empirische Ich; dieses mißt alle jene Inhalte,
die das Subjekt in eibesonderen Weise als zu sich gehörig erlebt.
... ...
Ich. II. Zentraler Begriff der Persönlichkeitsforschung.
Syn.: Ego, Selbst. Die wichtigsten Bedeutungen, in denen der Begriff Ich
verwendet wurde, sind:
1. Motivationspsychologischer Ich-Begriff. Das I.
wird als Motivationsquelle bzw. -ziel aufgefaßt (Beispiele: „Selbstbehauptung"
oder „Eigenliebe"). Dieselbe Bedeutung des Ich liegt auch dem Begriff der
„Ich-Beteiligung („Ego-Involvement") zugrunde; darunter wird das Ausmaß
verstanden, in dem Motive, die auf die eigene Person gerichtet sind (Selbstbehauptung,
Leistungsmotivation, Streben nach Ansehen und Einfluß usw. in die
Motivation) für ein bestimmtes Verhalten eingehen. In Zusammenhang
damit steht
2. die Auffassung vom Ich als Organisationsintanz
von Verhalten und Erleben. Danach zielt das Ich etwa im Sinne des psychoanalitischen
Begriffs von Ich als Realitätsprinzip (Psychoanalyse) - auf die Steuerung
und Erhaltung der Anpassung des Individuums an seine (physischen, psychischen
und sozialen) Umweltsbedingungen ab. So bezeichnet "Ich-Stärke" das
Ausmaß solcher Realitätskontrolle (gegenüber konkurrierenden
Trieben und Bedürfnissen), in funktionaler Hinsicht sind verschiedene
Mechanismen der sogenannten Ich-Abwehr" (z. B. Nichtbeachtung bedroh[>953]licher
Reize („perceptual defense"), Proijektion, Rationalisierung) beschrieben
worden
3. In der empirischen Persönlichkeitsforschung
wird unter Ich die Gesamtheit der Erlebnisinhalte und Verhaltensweisen
verstanden, pelche die eigene Person zum Gegenstand haben. Inhalt des Ich
sind daher die Wahrnehmung der eigenen Person (die Selbstwahrnehmung, das
Selbstbild, das Selbstkonzept) und die auf ihre eigene Person gerichteten
Handlungstendenzen, Einstellungen und Gefühle. Die Selbstwahrnehmung
wiederum schließt z. B. das Wissen um den eigenen persönlichen
Werdegang, um die persönlichen Bedürfnisse, Ziele und Werthaltungen,
Fähigkeiten und Schwächen, Neigungen und Abneigungen ein, aber
auch das Bewußtsein des persönlichen Hier-und-jetzt-Seins. Die
phänomenologische Ich-Forschung untersucht die Formen und Eigentümlichkeiten
dieses Ich-Erlebens, die verhaltenspsychologische Ich-Forschung beschränkt
sich auf testmäßig objektivierbare Komponenten der Selbstwahrnehmung,
des Selbstgefühls und der Einstellung zur eigenen Person.
Beim psychisch gesunden Menschen ist das Ich-Erleben
im Sinne H. Rohrachers mitbewußt: Das Ich wird weder ständig
noch stets in allen Inhalten in vollem Umfang bewußt, kann aber jederzeit
und ohne Gedächtnisaufwand voll voll bewusst gemacht werden (wie z.
B. der eigene Name, der eigene Familienstand, Beruf usw.). Das Ich-Erleben
ist ferner beim psychisch Gesunden durch das Merkmal der räumlich-zeitlichen
Kontinuität charakterisiert: ich erlebe mich selbst im Wechsel der
Zeit (z. B. von einem Tag auf den anderen) und beim Wechsel des Ortes (wenn
ich verreise) stets als ein und dieselbe Person. Demgegenüber sind
vermiedene Formen der Geisteskrankheiten duch Störungen im Ich-Erleben
gekennzeichnet. Beispielsweise in der Schizophrenie »kann die räumlich-zeitliche
Kontinuität eingeschränkt oder vollkommen aufgehoben sein (der
Patient kann sich sogar gleichzeitig in mehreren Personen erleben) und/oder
die persönliche Orientiertheit so weit gemindert, dass Inhalte des
Ichs nicht mehr mitbewußt sind oder nur mit Erinnerungsanstrengung
oder unvollständig bzw. unrichtig reproduziert werden können.
Aber auch weniger schwerwiegende Verhaltensstörungen,
wie beispielsweise Neurosen, finden im Ich-Erleben ihren Niederschlag.
In neuerer Zeit hat insbes. die nach C. Rogers ausgerichtete Schule der
„client-centered" Psychotherapie neurotische Symptomentwicklungen in diesem
Zusammenhang untersucht und psychotherapeutisch anzugehen versucht (Nicht-direktive
Psychotherapie). Psychodiagnostischen Verfahren zur Erfassung des Selbstgefühls
(Selbstwertgefühls), der Ichideal-Diskrepanz, der Einstellung zur
eigenen Person, des „self-sentiment" u. a. kommt dabei bes. Bedeutung zu.
Faktorenanalytische Ergebnisse zu diesen und anderen testmäßig
erfaßbaren Komponenten des Ichs liegen in der Hauptsache aus der
Schule von R. B. Cattell vor.
Zur bes. Bedeutung des Ichs in verschiedenen Schichtenlehren der Persönlichkeit
vgl. Revers (1960) und Arnold (3,1969).
Lit.: Cattell, R. B.: Personality and motivation
strueture and measurement. New York, 1957; C'umming, J. & E.Ciun-ming:
Ich und Umwelt. Göttingen, 1979; Lersch, P.: Aufbau der Person. München,
"1970; Lowe, C.M.: The self-coneept: fact or artifact? Psychol. Bull.,
1961, 58,325-336; Revers, W.J.: Philosophisch orientierte Theorien der
Person und Persönlichkeit. In: P. Lersch & H.Thomae (Hrsg.): Hdb.
der Psychol., Bd. 4. Göttingen, 1960. Kurt Pawlik."
Freud, Sigmund Das ICH ist eine der drei Instanzen neben ES und ÜBERICH. Das ICH ist der Ort der realen Funktionen, der Fähigkeiten, des Könnens, der Kompetenzen, des Selbst- und die Wahrnehmung der Weltbildes wie der Anpassungsfähigkeit an die Gegebenheiten. Das ICH ist zum großen Teil bewusst, nicht so die Abwehmechanismen. Kritisch sei angemerkt, dass Freud ein völlig naives Sprach- und Wissenschaftsverständnis, so dass psychoanalytischen Begriffsschöpfungen bestenfalls heuristischer Wert zukommt.
irs: noch nicht korrigiert.